Schulräume und Konferenzzimmer im Atomkraftwerk ? das ist die Vision eines amerikanischen Professors. Niedrige Strahlendosen verbessern die Gesundheit, sagt er. Von Lena Stallmach
Wenn jemand vorschlägt, Schulen und Konferenzsäle in Atomkraftwerken einzurichten oder sich eine Skulptur mit radioaktiver Strahlung in die Wohnung zu stellen, so denkt man vielleicht an einen zynischen Witz. Doch der amerikanische Professor Don Luckey meint es ernst. In einer kürzlich erschienenen Publikation fordert er die gesundheitsfördernde Anwendung radioaktiver Strahlung («Int. J. Low Radiation», Bd. 5). Er vertritt die Position, dass eine gewisse Menge Radioaktivität lebensnotwendig ist, niedrige Strahlendosen das Krebsrisiko mindern und Krankheiten heilen können. In Japan fand er mit dem Konzept grossen Anklang und wurde dafür sogar zum Ehren-Samurai ernannt.
Gesunde Radioaktivität
Um Mangelerscheinungen vorzubeugen, fordert Luckey ausserdem, Freizeitparks mit radioaktiven Skulpturen und Strahlen-Wellness-Parks zu bauen. Letzteres ist in Europa schon Realität. So bieten einige Kurorte Badekuren mit radioaktivem Radon an. Einige Studien belegen, dass die Behandlung bei rheumatischen Erkrankungen und Arthritis gute Erfolge erzielt.
Die Theorie hinter all diesen Ideen ist das Prinzip der Strahlenhormesis. In Fachkreisen bietet diese Theorie schon seit Jahrzehnten Anlass zu Diskussionen: Hormesis beschreibt die Wirkung einer Substanz in geringen Dosen, die nicht von ihrer schädlichen Wirkung in hohen Dosen abgeleitet werden kann. Was in grossen Mengen ein Gift ist, kann in geringen Mengen gesundheitsfördernd sein. Dies trifft für viele lebensnotwendige Substanzen zu, beispielsweise Vitamine, Spurenelemente oder Hormone. Und vielleicht auch für die Radioaktivität.
Die Wirkung niedriger Strahlendosen ist wissenschaftlich wenig erforscht. Die Mehrheit der Wissenschafter geht aber von einem linearen Dosis-Wirkungs-Prinzip ohne Schwellenwert aus. Dabei wird die nachweisbar schädliche Wirkung hoher Dosen auf niedrige Dosen heruntergerechnet.
Training zeigt Wirkung
Die Verfechter der Strahlenhormesis setzen jedoch dagegen, dass das Leben auf der Erde schon immer unter dem Einfluss der natürlichen Radioaktivität stand und sich ideal an diese Bedingungen angepasst hat. Ihrer Meinung nach trainieren niedrige Strahlendosen die körpereigenen Schutzmechanismen und haben deshalb einen gesundheitsfördernden Effekt (siehe Grafik).
Die Schutzmechanismen des Körpers laufen ständig auf Hochtouren. Denn nicht nur radioaktive Strahlung erzeugt im Körper schädliche freie Radikale, also hochreaktive Moleküle, sondern auch die körpereigenen Stoffwechselvorgänge. Freie Radikale schädigen die Erbsubstanz, die DNA. Schätzungsweise geschieht dies beim Menschen etwa 10 000 Mal pro Stunde. Verschiedene Komplexe sind deshalb pausenlos damit beschäftigt, die gefährlichen Stoffe unschädlich zu machen oder entstandenen DNA-Schaden zu reparieren ? noch bevor eine mutierte Krebszelle entstehen kann.
Die Idee der Strahlenhormesis ist also, dass die Schutzmechanismen besser funktionieren, wenn sie durch niedrig dosierte Strahlen gefordert werden. Eine Reihe von Studien an Zellkulturen konnten einen Trainings-Effekt tatsächlich nachweisen («Journal of Nuclear Medicine Technology», Bd. 31). So verkrafteten mehrere Zelltypen eine tödliche Strahlendosis deutlich besser, wenn sie zuvor mit niedrig dosierten Strahlen behandelt wurden.
Ein seltsamer Effekt fällt auch bei der Auswertung des Leukämierisikos der Überlebenden von Hiroshima und Nagasaki auf. So hatten Menschen, die eine Strahlendosis bis zu 200 Millisievert abbekommen hatten, ein tieferes Risiko, an Leukämie zu erkranken, als solche, die nur der natürlichen Strahlung von etwa 3 mSv ausgesetzt waren.
Besonders häufig wird von Befürwortern der Strahlenhormesis auch eine Studie zitiert, in der Wissenschafter die Auswirkung der natürlichen radioaktiven Strahlung in 700 000 amerikanischen Häusern mit der Häufigkeit von Lungenkrebs vergleichen. Entgegen ihren Erwartungen nahm die Lungenkrebsmortalität mit zunehmender Strahlungsbelastung deutlich ab.
Doch diese Indizien überzeugen nicht alle Forscher. «Wissenschaftlich ist es sehr schwierig, bei geringen Strahlendosen einen Effekt nachzuweisen», sagt Uwe Schneider, Leiter der Medizinischen Physik am Triemlispital Zürich. Deshalb seien die Ergebnisse verschiedener Studien oft widersprüchlich. Bei dieser uneindeutigen Beweislage wolle man im Sinne des Patientenschutzes lieber auf der sicheren Seite bleiben und auch bei niedrigen Strahlendosen von einer schädigenden Wirkung ausgehen, wie dies auch in der Strahlenschutzgesetzgebung vorgeschrieben ist, erklärt Andreas Haldemann, Präsident der Schweizerischen Gesellschaft für Nuklearmedizin.
Quelle
Was meint ihr dazu? Ist das ein Trick, um uns Radioaktivität als gesund zu verkaufen oder kann was dran sein?
Larah