Um Farben erkennen zu können brauche ich eine helle Umgebung und die Farbflächen müssen ziemlich groß sein. Die größten Probleme habe ich mit Mischtönen. Wenn z. B. ein farbiges Papier naß wird, dann wird es dunkler. In meinen Augen nimmt das Papier dann eine andere Farbe an. Farben werden ja aus den Grundfarben gemischt. Wo nomal Farbsichtige Grün sehen, erkenne ich nur grau mit einem verstärkten Kontrast. Da Farben ja gemischt werden und zusätzlich mit grau oder schwarz abgedunkelt werden, kann ich nicht unterscheiden, ob eben grün oder ein dunkles Rot beigemischt wurde, oder aber die Farbe mit schwarz abgedunkelt.
Das schlimmste sind eben Grün-Mischtöne und Erdfarben. Die kann ich nicht zuordnen. Ich sehe zwar eine unterschiedliche "Farbigkeit", kann aber den Grundton bzw. die Beimischung nicht identifizieren. Das zeigt sich besonders bei Pflanzen. Wo ein normal Farbsichtiger beim Anblick einer Wiese die verschiedenen Pflanzenarten anhand ihrer Grüntöne unterscheidet sehe ich nur ein grünes Durcheinander und kann die verschiedenen Pflanzen nur anhand der Strukturen unterscheiden, die sich aus ihren Wuchsformen ergeben. Ich erkenne also verschiedene Pflanzen nur am Rhythmus der Strukturen die Stengel und Blätter in dem grünen Durcheinander der Wiese erzeugen.
Ich fragte mich immer, was hat es eigentlich für einen Sinn so einen Farbsichtigkeitsfehler weiterzuvererben, wenn der Träger des Gens das Karnikel vor sich im Gras nihct erkennt? Das ist doch ziemlich schlecht für einen Jäger und Sammler. Es gibt einen Ausgleich, nämlich ein Kontrastverstärktes Sehen. Ich habe quasi Katzenaugen. Ich kann im Dunklen sehen.
Als Schüler begleitete ich einen Schulfreund und seine Familie zum Camping in den Harz. Wir Jungs waren in einer Jugendherberge untergebracht, während seine Eltern und die kleine Schwester im Wohnwagen auf dem Campingplatz übernachteten. Wir mußten dann abends durch den unbeleuchteten Wald über die Bergkuppe in die Jugendherberge laufen. Eines Abends waren wir länger geblieben und das Wetter hatte gewechselt. Mit Einbruch der Dunkelheit zogen auch noch schwere Regenwolken auf. Wir ließen den Lichtkegel der letzten Straßenlampe hinter uns und gingen in den Wald. Plötzlich blieb mein Freund stehen und sagte: "Ich seh nichts mehr!". Ich war sehr verwundert. Es war doch alles da: Vor uns das dunkle Band des Weges, links und rechts davon als schwarzer Schatten die Gräben, neben uns in Dunkelgrau die dicht stehenden Bäum,e, vor uns noch dunkler der Verlauf des Weges und gegen den Himmel konnte man den Verlauf des Weges sehen, weil dort statt des Waldgraus doch das Himmelsgrau zu sehen war. Ich führte ihn wie einen Blinden durch diesen Wald und hatte diesen Vorfall dann für lange Zeit vergessen.
Wir haben ein Quizspiel bei dem die richtigen Antworten auf die Fragen in einem rot/orangen Farbmuster versteckt sind. Man muß die Karte hinter einen roten Farbfilter halten um die Antwort zu lesen - wenn man normal Farbsichtig ist. Ich konnte die Antworten so lesen. Das verbesserte Kontrastsehen ist mir auch beim Auto fahren von Vorteil. Die A 45 ist eine meiner "Heimstrecken". Gerade im Spätherbst und Winter gerät man immer wieder in folgende Situation. Hinter mir scheint die niedrig stehende Sonne, vor mir schüttet sich eine Regenwolke aus. Die Autos und LKWs erzeugen eine Gischt, das man förmlich in einen weißen Nebel hineinfährt und der Glanz der weißen Tröpfchen blendet einen zusätzlich. Ich setzte dann eine Sonnenbrille auf. Die Lichtbrechungen der Tropfen auf der Windschutzscheibe verschwinden völlig. Das blendende Leuchten ist weg und ich kann in die Gischt hineinschauen und sehe die Fahrzeuge als dunkelgraue Schatten. Die Fähigkeit bei Sternenlicht sehen zu können war vielleicht für die Jagdgruppe ein Vorteil, wenn es einen gab, der die anderen durch die "Finsternis" sicher nach hause führte. In unserer elektrifizierten Welt ist das aber eine ziemlich brotlose Kunst.
Farbfehlsichtigkeit wird über die weibliche Linie vererbt. Ich habe sie von meinem Großvater der völlig schwarz/weiß-sichtig war. Im dritten Reich, unter den Gesetzen der Rassenreinhaltung trickste die Familie, weil sie behauptete er hätte seine schwarz/weiss-Sichtigkeit aus dem 1. Weltkrieg mitgebracht, wo er nach einem Gasangriff verschüttet war. So einen "Kriegshelden" examiniert man natürlich nicht auf "Erbkrankheiten". Meine Mutter hatte sich diese Forderung nach "erbgesundem" Nachwuchs sehr zu Herzen genommen und sie hatte meinen Vater genauest befragt auf Erbkrankheiten in seiner Familie. Er war ja nun der einzige Überlebende, es gab also keine Tante Martha die man danach hätte fragen können. Um so peinlicher war es für meine Mutter, als ich mit 4 beim ersten Ostereier anmalen meine Eier in Schwarz-Grau anmalte. Das war für mich der stärkste "Farbkontrast" im Tuschkasten. Auch meine braunen Bäume mit den grünen Stämmen wurden ignoriert. So wurde mir meine Farbenblindheit erst wieder bewußt, als ich zum Führerschein antrat und mir der Augenarzt beim Sehtest diese Farbtafeln vorlegte. Von 12 Tafeln konnte ich nur die zwei erkennen, die zur Diagnose von gelb/blau-Fehlsichtigkeit verwendet wurden. Und mir wurde klar, warum ich in Chemie beim Lackmus-Test gescheitert war. Ich konnte den Farbumschlag des Testpapiers nicht sehen. Auch die anderen Farbwechselreaktionen waren von mir nicht eindeutig zu bestimmen und so habe ich immer geraten. Das Ergebnis war eine 4 und keine Karriere in der Chemie. Ich hatte auch einen Elektronikbaukasten geschenkt bekommen. Die Widerstände sind mit dünnen Farbringen kodiert. Die Widerstände dimensionieren den Strom, damit die Transistoren nicht durchbrennen. Ich konnte dunkelgrün nicht von weinrot und braun unterscheiden. Als ich den 2. Satz Transistoren für 20 Mark durchgebrannt hatte, war auch dieses Thema für mich erledigt.
ALs ich die Schule abgeschlossen hatte stand ich natürlich vor der Frage was ich werden wollte. Erst wollte ich eigentlich Offizier werden. Der Bund nimmt aber keine Farbenblinden. Ich wäre auch gern, wie mein Vater und meine Schwester zur Polizei gegangen. Aber auch hier brauchte ich gar nicht erst anzufragen. Elektrotechnik schied aus, ich konnte nicht Mal Elektriker werden. Schließlich sind die Kabel farbkodiert und bei Starkstrom hört der Spasss auf. Ich kann gut zeichnen, aber ohne Farbsehen wird das nichts als Zeichner oder Designer oder Innenarchitekt. Büchsenmacher durfte ich nicht werden und so bin ich letzendlich bei der Programmierung gelandet. Denn Bits haben nur zwei Seiten, eine schwarze, eine weiße und von der Seite sind sie nicht zu sehen! Das braucht ihr jetzt nicht zu verstehen, das war ein Programmiererwitz, ich finde auch den Versuch eine Division durch Null zu programmieren witzig.
Aber in der Programmierung zeigte sich eine weitere meiner Fähigkeiten. Ich kann Muster, Strukturen und Rhythmen erkennen, wo Normalsichtige von der Farbenpracht abgelenkt sind. Andererseits habe ich gerade in der Farbenpracht mein Defizit. Ich bin nicht in der Lage zur Farbe des Anzugs die richtige Krawatte, die richtigen Strümpfe und die passenden Schuhe zu wählen. Daher beschränke ich mich auf die Farben rot, weiß, schwarz, und blau. Die Socken sind Schwarz oder weiß >Punkt<. Dabei ist mir auch egal, dass eigentlich nur Michael Jackson weiße Strümpfe trägt.
Und weil die Farbige Welt so kompliziert ist, habe ich mich gerächt, indem ich meiner Tochter in den Kindergarten eine Kombination aus orange, pink und lindgrün angezogen habe. Meinen Augen tut das NICHT weh! Es war aber keine Absicht, die Sachen waren gerade griffbereit und sauber und wie gesagt, mir tut das nicht weh!
Mittlerweile habe ich aber gelernt Farben zu identifizieren. Ich weiß was mint ist, was petrol und aubergine. Das liegt an den genormten Farben, die die Industrie verwendet. Weil ja immer alles gleich sein soll, verlassen sich die Farbengestalter auf die Farbtafeln der Farbhersteller. Somit ist das rot auf der Tomatenmarktube das selbe wie auf dem Zierstreifen der Vollkorntoastpackung. Und wenn ich bei einem Arzt ins Wartezimmer gehe, und den Eindruck habe, der Raum sei grau gestrichen, dann weiß ich, es muß grün sein, denn diese Farbe soll ja beruhigend wirken.
Unten seht ihr zwei Farbtafeln, einmal zum Test der rot/grün-Schwäche. Ich sehe da eine 19. Als Auflösung das ganze in gelb/blau. Wenn du die aber nicht erkennen kannst, dann siehst du schlechter als ich!
Gruß, EO
nenn mich EO
zu Ende denken
zu Ende denken
auf!!