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Elektrosmog
«Fakten helfen nicht gegen subjektive Ängste»
Das Kompetenzzentrum serec forscht seit Jahren über Elektromagnetismus und «Elektrosmog». An einer Tagung am 21.12.09 diskutieren Experten über die öffentliche Wahrnehmung bezüglich möglicher Risiken elektromagnetischer Strahlung aus verschiedenen Quellen. Die beiden Mitglieder Gregor Dürrenberger und Christian Hafner fordern eine neue Kultur der Risikokommunikation, die auch subjektive Ängste in der Gesellschaft ernst nimmt.
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Elektromagnetische Strahlung hat einen Einfluss auf die Gehirnströme. Ob die Strahlung gesundheitsschädlich ist, ist bis heute nicht eindeutig geklärt, erläutern die serec-Experten Christian Hafner (l.) und Gregor Dürrenberger. (Bild: Samuel Schlaefli/ETH Zürich)
Noch immer wehren sich in ganz Europa Menschen gegen «Elektrosmog». Elektromagnetische Felder entstehen unter anderem bei Hochspannungsleitungen, Radiosendern und elektrischen Geräten. Durch den Handyboom der letzten Jahre dominiert aber der Mobilfunk die öffentliche Debatte. Vor allem die Strahlung von Mobilfunk-Basisstationen führt immer wieder zu Diskussionen. Die Forschung interessiert sich aber viel stärker für die Strahlenbelastung des Einzelnen durch die Handynutzung. Weshalb diese Diskrepanz?
Gregor Dürrenberger: Es herrscht eine ziemlich verkehrte öffentliche Wahrnehmung. Die Belastung durch Felder von Handys ist rund 100 bis 1000 Mal höher als diejenige durch Basisstationsantennen. Dies rührt vor allem daher, dass wir das Handy direkt an unseren Kopf halten, währenddem die Antennen zwar mit höheren Leistungen senden, sich aber in grosser Distanz befinden.
Christian Hafner: Ich vermisse vor allem eine umfassende Wahrnehmung des Problems – meist wird entweder von den Handys oder von den Antennen gesprochen. Die Wechselbeziehung zwischen Handy und Basisstation wird nicht beachtet. Je weiter weg die Basisstation ist, desto höher muss die Strahlungsintensität beim Handy für einen guten Empfang sein. Zur Verminderung der Strahlungsintensität sollten die Antennen dort stehen, wo telefoniert wird.
Was weiss man heute darüber, wie gefährlich die elektromagnetische Strahlung für den Menschen tatsächlich ist?
Dürrenberger: Im hochfrequenten Strahlungsbereich muss man unterscheiden zwischen der thermischen Wirkung und der nicht-thermischen. Die thermische Wirkung verstehen wir heute. Wenn sich der Körper aufgrund der Einstrahlung zu stark erwärmt ist das schädlich. Mit dem in der Schweiz gültigen Grenzwert kann es im schlechtesten Fall aber höchstens zu einer Gesamtkörpererwärmung von 0,1°C kommen. Die Erwärmung ist zehnmal zu gering, dass sie für schwache oder kranke Menschen zu gesundheitlichen Problemen führen könnte.
Und wie sieht es bei den nicht-thermischen Effekten aus, also zum Beispiel bei den messbaren Einwirkungen auf Gehirnströme?
Hafner: In diesem Bereich bestehen bis heute grosse Unklarheiten. Studien haben gezeigt, dass auch elektromagnetische Felder mit geringer Intensität einen Einfluss auf die Gehirnströme haben. Dabei spielen diverse Parameter, wie Frequenz und Modulation eine wichtige Rolle. Ob die Auswirkungen schädlich sind, ist jedoch bis heute nicht geklärt.
Dürrenberger: Man muss aber die Relationen sehen: Die Effekte sind etwa vergleichbar mit den Werten, die gemessen werden, nachdem jemand eine Tasse Kaffee getrunken hat.
Momentan wird die grösste je in Europa durchgeführte Studie zur Häufung verschiedener Arten von Gehirntumoren aufgrund der Handynutzung abgeschlossen; die Interphone-Studie. Noch ist die Synthese ausstehend. Kann man aufgrund der Daten der einzelnen Länder trotzdem erste Trends erkennen?
Dürrenberger: Wir haben erst rund zehn Jahre Erfahrung mit der Mobiltelefonie, deshalb ist es äusserst schwierig Aussagen über die langfristigen Wirkungen zu machen. Die Daten von 6500 untersuchten Probanden zeigen aber weder bei kurzzeitiger noch bei langzeitiger – also bei zehnjähriger – Handynutzung ein erhöhtes Tumorrisiko. Die Daten zur Langzeitnutzung weisen jedoch auf ein möglicherweise
erhöhtes Tumorrisiko an derjenigen Kopfseite hin, an welcher normalerweise telefoniert wird.
Dieser Befund dürfte in der Öffentlichkeit zu einiger Aufregung führen.
Dürrenberger: Achtung: Man weiss, dass Tumorpatienten dazu neigen, diejenige Seite des Kopfes als «Telefonseite» zu benennen, auf welcher der Tumor sitzt. Epidemiologen kennen solche Erinnerungsverzerrungen und kontrollieren zurzeit, wie bedeutsam sie in dieser Studie sind. Der Zusammenhang ist in den bisherigen 14 Teilanalysen jedoch nur in zwei Fällen statistisch signifikant.
Was wenn sich diese Beobachtungen trotzdem bestätigen sollten?
Dürrenberger: Dann ist eine breite gesundheitspolitische Diskussion gefragt, in welcher Risiko und Nutzen der Mobiltelefonie gegeneinander abgewägt werden müssen. Gehirntumore sind für den Einzelnen ein grosses Schicksal, kommen aber zum Glück relativ selten vor – kein Vergleich zum Lungenkrebs. Und das Rauchen ist bis heute nicht verboten.
Herr Dürrenberger, Sie halten an der Tagung einen Vortrag, indem Sie die provokante Frage stellen, ob Wissenschaft für eine gute Risikokommunikation überhaupt notwendig ist. Wie wird Ihre Antwort lauten?
Dürrenberger: Risikokommunikation – speziell in der «Elektrosmog»-Debatte – ist heute meist auf die Vermittlung von wissenschaftlicher Evidenz ausgelegt. Das alleine genügt aber nicht. Normative Einstellungen oder subjektive Ängste in der Gesellschaft können nicht mit wissenschaftlichen Fakten aus dem Weg geräumt werden.
Wie zeigt sich dies in der heutigen Elektrosmog-Debatte?
Dürrenberger: Das Gespräch zwischen Betroffenen und Forschern ist meist schwierig. Daran sind die Forscher mitschuldig, weil sie häufig aus einer streng wissenschaftlichen Position heraus kommunizieren, anstatt eine breitere Diskussion auf gleicher Augenhöhe zu suchen, in der beispielsweise auch nicht-wissenschaftliche Argumente, etwa ethische, zum Tragen kommen.
Inwiefern kommt der Wissenschaft überhaupt eine Kommunikationspflicht zu?
Hafner: Es ist sicher problematisch, dass Politik und Gesellschaft von der Wissenschaft immer mehr Antworten auf ungelöste Probleme erwarten. Die Wissenschaft geht aber in erster Linie ungelösten Fragen nach, die es erst noch zu beantworten gilt. Und selbst wenn ein Lösungsansatz zu einem Problem gefunden ist, heisst das noch lange nicht, dass eine andere Forschungsgruppe nicht zu anderen Ergebnissen gelangen kann. Viele selbsternannte Experten tun in der Öffentlichkeit jedoch so, als wären «ihre» Fakten unantastbar.
Dürrenberger: Die heutige Forschung ist tendenziell überfordert mit dem Anspruch auf öffentliche Kommunikation und muss sich gegen falsche, beziehungsweise nicht einlösbare Erwartungen aus der Gesellschaft wehren. Dies auch deshalb, weil die Forschung zunehmend politisch instrumentalisiert wird.
Gregor Dürrenberger ist Geschäftsführer der Forschungsstiftung Mobilkommunikation am Institut für Feldtheorie und Höchstfrequenztechnik der ETH Zürich.Christian Hafner ist Professor am Institut für Feldtheorie und Höchstfrequenztechnik der ETH Zürich. Seine Forschungsschwerpunkte sind Weiterentwicklung, Optimierung und Verallgemeinerung numerischer Methoden zur Simulation elektromagnetischer Felder.
serec
Das swiss electromagnetics research & engineering centre (serec) ist ein interdisziplinäres Netzwerk und Kompetenzzentrum mit Sitz an der ETH Zürich. Serec macht sich für Forschung, Entwicklung, Information und Ausbildung im Bereich des Elektromagnetismus stark und will Wissen aus der Forschung in die Öffentlichkeit tragen. Ihm gehören Vertreter des ETH Bereichs, von Universitäten und Fachhochschulen sowie Industrie und Behörden aus der gesamten Schweiz an. Jedes Jahr finden mehrere Tagungen zu aktuellen Themen statt. Am 21. Dezember widmen sich internationale Experten dem Thema «Electrosmog: Risk Assessment and Public Perception».
"In der Natur sind Schwarze Löcher kaum zu finden. Nur in unseren Köpfen wimmelt es davon"
Zitat: George Greenstein
Zitat: George Greenstein
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