Neue Drogen: Hobbythek statt Coffeeshop

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    • Neue Drogen: Hobbythek statt Coffeeshop

      Auch wenn die klassischen Rauschdrogen wie Kokain immer noch eine große Rolle in der Szene spielen, nimmt der Konsum „neuer Drogen“ dramatisch zu.
      Am beliebtesten, gerade in der probierfreudigen Jugendszene, sind solche Stoffe, die einfach zu beschaffen und billig sind.

      Auf der Suche nach neuen Drogen und innovativen Konsumformen finden die Anwender nie sich selbst, aber manchmal den Tod. Das Ziel ist immer ein Rauschzustand. Set und Setting spielen gerade bei den neuen Drogen eine erhebliche Rolle. Alles was schwindelig macht, wird als Rausch interpretiert, jede Veränderung der Gefühlslage setzt Endorphine frei, denn der Konsument wird ja mit einem neuen Gefühl belohnt. Die „neuen Drogen“ sind nicht immer neu. Oft sind es bewährte chemische oder biologische Substanzen die in der Szene wieder „in“ sind. Auch neue Konsumformen verhelfen Oldies zu neuem Glanz.

      „Tina ist geil, sie raubt Dir den Verstand und bringt Deine Sexualhormone durcheinander. Und Tina ist billig, sie kostet etwa so viel wie ein Eintritt ins Kino“, so werbewirksam wird Tina vermarket. Tina ist aber kein IT-Girl, sondern eine „neue“ Droge, die derzeit die Szene in den USA in Aufruhe bringt. Neu ist „Tina“ nicht, nur alter Wein in neuen Schläuchen. „Crystal Meth – Die gefährlichste Droge der Welt“, so die Titelzeile des Nachrichtenmagazins STERN bereits im März 2006. Die Zeitschrift warnte eindringlich vor der „Monsterdroge“ mit eindrucksvollen Bildern und Berichten von Betroffenen. Journalistische Effekthascherei? Nein! Meth ist dieselbe Substanz wie Tina: Methamphetamin.

      Methamphetamin wurde zuerst 1919 in Japan hergestellt. In den 30er Jahren ersetzte Amphetamin Kokain als Aufputschmittel. Traurige Berühmtheit erlangte das methamphetaminhaltige Pervitin® im 2. Weltkrieg als Wachhalte- und Aufputschmittel für Piloten, Fallschirmjäger und Panzerfahrer. Crystal hat noch viele weitere, umgangssprachliche Namen: Meth, Chalk, Bambinos, Dixies, Diamonts, Mao, Mollies, Jugs, Ups, Ice, Glass oder Crank. Ein ephedrinhaltiges, freiverkäufliches Erkältungsmittel, Jod und Phosphor – viel mehr braucht man nicht zur Herstellung der Droge.
      Rauchen, schlucken, schnupfen, spritzen
      Meth wird aus Glaspfeifen geraucht, kann oral eingenommen, geschnupft oder gespritzt werden. Die Wirkungsdauer beträgt dosisabhängig 6 bis 70 (!) Stunden.
      
Bei der Aufnahme durch Inhalation werden die Kristalle auf Aluminiumfolie oder in einer Glaspfeife erhitzt und die dabei frei werdenden Dämpfe eingeatmet.
      Erfolgt die Aufnahme der Droge durch Schnupfen, werden die Kristalle zu feinem Pulver zerkleinert. Häufig werden diesem Pulver noch feine Glassplitter zugesetzt, die Schnittwunden in der Nasenschleimhaut verursachen. Dadurch wird die Substanz schneller ins Blut resorbiert. Kurz gefasst macht Meth wach und schlank. Weitere Wirkungen sind:

      * Gefühl der Stärke, Euphorie
      * gesteigerter Rededrang (Logorrhoe)
      * psychisch stimulierende Wirkung
      * Stimmungsaufhellung
      * Verlust der Schmerzempfindung
      * verstärkte motorische Aktivität und erhöhte Leistungsbereitschaft

      Wenn Tina mit den Synapsen spielt
      Methamphetamin gehört in die Gruppe der indirekt wirkenden Sympathomimetika. Es führt zu einer Freisetzung von Noradrenalin aus seinen Speichern und hemmt dessen Wiederaufnahme in die präsynaptische Membran. Dadurch wird der Konsument wach, aggressiv und verspürt keinen Hunger. Im dopaminergen System setzt Methamphetamin Dopamin aus seinen Speichern frei. Wird es freigesetzt, empfindet man ein "Gefühl der Zufriedenheit" für belohnenswerte Aktionen wie Sozialverhalten, Nahrungsaufnahme und Fortpflanzungsaktivitäten. Als Nebenwirkungen des Meth-Konsums können zahlreiche Symptome und Schäden auftreten. Erschreckend ist der rasche körperliche Abbau des Konsumenten. Sie scheinen innerhalb von Monaten um Jahre zu altern. Die Augen fallen ein, die Haut „welkt“, die Zähne fallen aus, sie werden manisch und magern extrem ab. Der Name „Horrordroge“ scheint gerechtfertigt. Meth schädigt das Herz-Kreislauf- und das Nervensystem.
      Aus Raider wird jetzt Twix: Space statt Spice
      SPICE wird in kleinen silbrig oder gold glänzenden Tütchen als Räuchermischung und Raumduft vertrieben. Seit kurzem wurde es im Eilverfahren unter das Betäubungsmittelgesetz gestellt und damit die Herstellung, der Handel sowie der Besitz des Mittels verboten. Neben einer Vielzahl teilweise unbekannter Kräuter ist auch ein synthetischer Stoff mit dem Namen JWH-018 nachgewiesen worden. THC, der Inhaltsstoff im Hasch, ist ein sogenannter CB2-Agonist. Die Affinität des JWH-018 zum CB2-Rezeptor ist größer als die des THC. Der „Neuling“ soll viermal so stark wie THC wirken. Nach dem Verbot werden nun „Räuchermischungen“ als SPACE verkauft. Angeblich auch nur harmlose Kräuter, derzeit noch legal erhältlich. Selbst über Amazon kann man die Tütchen bestellen. Um nach einem Verbot lieferfähig zu sein, versuchen die Dealer neue Substanzen an den Start zu bringen. Grundlage sind legale Kräuter und illegale Substanzen aus dem Arsenal der pharmazeutischen Chemie. Produkte, die als Medikamente erforscht wurden, es aber nie bis zur Zulassung schafften. Da diese von den Behörden nicht als BtM klassifiziert sind, sind die legal. Die Innovationen heißen „Herbal Highs“. Sie werden als "Bonzai Citrus", "Herbal Essences" oder "Forest Green" vertrieben. Teilweise sind sie als Badesalz deklariert. Ein Tütchen für 30 € und mehr. "Charge Plus", der "König unter den Badesalzen kostet nur 9,50 Euro, aber drin sind lediglich 0,2 g. Meist sind synthetische Cannabinoide enthalten, auch die Substanz Mephedron wurde gefunden. Es wird in der Szene als „Meow“ bezeichnet und wirkt wie Kokain. Die Drogentests der Ordnungsbehörden zeigen die neuen Substanzen nicht an.

      Cannabis ist nach Alkohol die häufigste Droge, die an Autounfällen beteiligt ist. In Coffee-Shops oder über das Internet wird der „Honey Bee-Extractor“ angeboten. „Einfacher geht´s nicht. Innerhalb einer Stunde mit dem Honey Bee Extractor zum eigenen Öl. Keine Gerüche, keine Reinigungsorgien. Funktioniert ohne Wärmequelle“, so der Werbetext einer Vertriebsfirma. Mit Hilfe einer einfachen Gasextraktion kann der Gehalt im Hanfmaterial auf 80 % (!) gesteigert werden. Das Ergebnis ist ein honigartiger Harz (Honeybee) der an die Wirkstärke von Haschöl herankommt. Wirkung, Rauscherlebnis und die Gefahren entsprechen denen von üblichen Hanfprodukten.
      DXM – Hustenmittel macht high
      Der Missbrauch des freiverkäuflichen Hustenblockers Dextrometorphan (DXM) hat zugenommen. Sowohl die Schweizer Vergiftungszentrale als auch die Apothekerkammer Schleswig-Holstein warnt vor dem Missbrauch. Auch die Bundesvereinigung der Apothekerverbände (ABDA) warnt: „Die Apotheker sind informiert und werden bei der Abgabe rezeptfreier Arzneimittel an Jugendliche besonders auf möglichen Missbrauch achten". Die Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK) rät ebenfalls davon ab, größere Mengen dieser Arzneimittel abzugeben.
      Dosis ist sehr variabel
      Schon Rosa von Praunheim nahm DXM in den Sechziger Jahren in Form von "Romilar"-Tabletten. Sie enthielten Dextromethorphanhydrobromid als Monosubstanz. Der "Missbrauch" führte dazu, dass dieses Präparat vom Markt genommen wurde. Manche holländischen Smart-Shops verkaufen die reine Substanz in psychoaktiver Dosis als "Robo". Sowohl der Rausch als auch die für eine Überdosierung nötige Menge sind sehr variabel. Ein Grund könnten genetische Faktoren sein. Etwa jeder Zehnte leidet unter einem Gendefekt, dem sogennanten CYP2D6 Polymorphismus. Die Folge dieses häufigen Defektes ist, dass bestimmte Substanzen, u.a. DXM, deutlich langsamer ausgeschieden werden und somit stärker wirken.

      Dextromethorphan greift im Hustenzentrum in der Medulla oblongata an und dämpft so zentral den Hustenreiz. Trotz der Opiatähnlichkeit wäre es falsch, DMX bei den Sedativa, zu denen auch Morphin und Heroin zählen, einzuordnen. Am ehesten ist die Wirkung mit Lachgas und Ketamin zu vergleichen. Somit ist DMX ein Halluzinogen. Nach oraler Aufnahme der Kapseln oder des Saftes tritt die Wirkung rasch ein. Der Rausch hält bis zu sechs Stunden an. Bei Überdosierung im Rahmen eines Missbrauchs kommt es zu Somnolenz, Verwirrtheit, bei hoher Dosierung kann es zu Krämpfen und Koma kommen. 10 – 20 mg/kg KG (je nach Literatur) können zu tödlichen Intoxikationen führen. Besonders gefährlich sind Interaktionen zwischen DXM und Alkohol oder anderen zentralwirksamen Medikamenten. Auf sehr einfache Weise lässt sich der Abbau von DXM hemmen und die Wirkung somit dramatisch steigern: mit Grapefruitsaft.
      Ruhiger Darm, berauschtes Hirn
      Der Wirkstoff Loperamid ist ein bewährtes und effizientes Mittel gegen Durchfallerkrankungen. Er besetzt die Opiatrezeptoren im Darm, lähmt für kurze Zeit die Darmmuskulatur und reguliert die gestörte Flüssigkeitsbalance im Darm. Der Wirkstoff ist rezeptfrei in Apotheken erhältlich. Loperamid ist extrem fettlöslich und überwindet nicht die Blut-Hirn-Schranke. Die Mengen die doch in das Gehirn gelangen, werden mit Hilfe eines Transportproteins rasch hinausgeschleust. Es kann deshalb kaum zu den zentralen Opiatbindungstellen gelangen. Die typischen (Neben)Wirkungen der Opiate wie Euphorie, Schmerzlinderung, Übelkeit, Suchtauslösung u.a. werden nicht beobachtet.
      Der Mechanismus, der verhindert, dass Loperamid ins zentrale Nervensystem gelangt und der, der es wieder raustransportiert, kann jedoch lahmgelegt werden. Einige Arzneimittel und gewisse Konsumformen bewirken, dass sich Loperamid im Gehirn anreichern kann und einen „Kick“ auslöst.
      Missbrauch propagiert und bekannt
      „Es besteht der dringende Verdacht, dass das Antidiarrhoikum Loperamid durch einen einfachen pharmakologischen Trick zu einem zentral wirksamen Opioid "gewandelt" werden kann“, so der Apotheker und Lehrbeauftragte der Uni Marburg Dr. Alexander Ravati in der Pharmazeutischen Zeitung. „Alarmierende Meldungen über erheblichen Missbrauch in der Drogenszene haben sich in den letzten Monaten gehäuft“, so Ravati weiter.

      Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten, Loperamid ins Gehirn zu schleusen:

      * Loperamid-Plättchen in selbstgedrehten Zigaretten rauchen
      * Kombination mit dem Herzmittel Verapamil
      * Kombination mit Chinin (Mittel gegen Wadenkrämpfe)
      * Kombination mit Chinidin (Mittel gegen Herzrhythmusstörungen)
      * Kombination mit dem Antipilzmittel Ketoconazol
      * Kombination mit dem AIDS-Mittel Ritonavir
      * Kombination mit dem Antidepressivum Doxepin

      Dieser Beitrag soll nicht als Empfehlung für Missbrauch verstanden werden, vielmehr soll er vor gesundheitlichen Risiken warnen.

      * Verapamil ist ein rezeptpflichtiges Mittel gegen Herzrhythmusstörungen. Es kann selber das Herz so außer Takt bringen, dass ein Herzstillstand eintritt.
      * Chinin kann zu Gebärmutterkontraktionen führen, Blutbildschäden hervorrufen und Allergien auslösen. Eine massive Überdosis führt unter anderem zu Schwindelgefühl, Kopfschmerz, Ohrensausen, Taubheit, vorübergehender Erblindung und Herzlähmung.
      * Das Fungizid Ketoconazol kann den Testosteron- und Kortisonspiegel senken.
      * Doxepin kann zur Steigerung der Herzfrequenz, Sprachstörungen, Impotenz, Blutbildschäden und psychischen Störungen führen.

      Giftige Nachtschattengewächse - Die Pflanze, die Flügel verleiht

      Auch Nachtschattengewächse wie Stechapfel, Tollkirsche, Bilsenkraut und Alraune stehen hoch im Kurs von Jugendlichen. Die Naturdrogen sind leicht zugänglich und unterstehen nicht dem Betäubungsmittelgesetz. Insbesondere die Vergiftungsfälle mit der Engelstrompete (Datura suaveolens) haben in der letzten Zeit drastisch zugenommen. Die Pflanze mit den imposanten Blüten hat sich einen festen Platz in Park und Garten erobert. Die Besitzer wissen meist nichts von ihrem "Nebenjob" als Dealer.
      Fliegend in die Tachykardie
      Meist sind es ganze Gruppen oder Schulklassen, die aus Neugier Pflanzen mit halluzinogenen Tropanalkaloiden probieren wollen, um sich "Flügel zu verleihen". Die Alkaloide Atropin und Scopolamin verleihen dem Konsumenten das Gefühl, fliegen zu können. Der Versuch endet nicht selten mit schweren Verletzungen. In den meisten Fällen wird das pflanzliche Rauschmittel als Teeaufguss konsumiert. Beim Genuss der frischen Pflanze kommen die ursprünglichen Inhaltsstoffe zur Wirkung. Wird die Droge getrocknet, wandelt sich L-Hyoscyamin in racemisches Atropin um.
      Die drei Inhaltsstoffe ergänzen sich in ihrer Wirkung. Atropin wirkt erregend auf das Zentralnervensystem, dies äußert sich in einer allgemeinen Erregung mit motorischer Unruhe und Erhöhung der Herzfrequenz. Hinzu kommen eine Erweiterung der Pupillen und eine verminderte Speichelsekretion. Scopolamin wirkt auch als Parasympatholytikum, im Vergleich zum Atropin jedoch mehr beruhigend und dämpfend. Es sorgt für einen Zustand der Willenlosigkeit und Apathie, ähnlich einer Hypnose. Früher wurde es als Wahrheitsdroge angewandt. 
 Der dritte Inhaltsstoff im Alkaloidtrio ist das L-Hyoscyamin. Den Namen hat es vom Bilsenkraut (Hyoscyamus niger), kommt jedoch in den meisten Nachtschattengewächsen vor. Beim Trocknen der Pflanze wandelt es sich zu Atropin um. Die Wirksamkeit des Hyoscyamins ist deutlich stärker als die des Atropins. Dies erklärt, warum die getrocknete Droge schwächer wirkt als die frische.
      Bei Dosen von mehr als 1 mg Wirkstoff kommt es zu visuellen Sinnestäuschungen, die mit einem Verlust des Realitätsgefühls verbunden sind. Der Konsument ist in seinem Rausch nicht klar, die dämpfende Wirkkomponente überwiegt. Der Berauschte fällt in einen deliriumähnlichen Schlaf und erinnert sich später kaum an die Rauscherlebnisse.
      Schneller Puls und weite Pupillen
      Vergiftungen durch Nachtschattengewächse sind durch folgende Symptome gekennzeichnet:

      * Heiße Haut
      * Maximal geweitete Pupillen (Mydriasis)
      * Räumliche und zeitliche Desorientierung
      * Angst und Stimmungsschwankungen
      * Sehstörungen / Bindehautreizung
      * Anstieg von Blutdruck und Herzfrequenz
      * Halluzinationen
      * Sekundärgefährdung im Straßenverkehr

      Da der Acetylcholin-Rezeptor in sehr vielen Organen und Organsystemen lokalisiert ist, kommt es zu einer Vielzahl weiterer Erscheinungen, die unter dem Begriff des "Anticholinergen Syndroms" zusammengefasst werden.
      Der Gärtner macht große Augen
      Doch nicht nur die orale Aufnahme kann zu Komplikationen führen. Auch für den Gartenfreund kann die Kübelpflanze zur Gefahr werden. Durch den Augenkontakt mit Teilen der Engelstrompete können ausgeprägte Sehstörungen, Pupillenerweiterung, Blendempfindlichkeit, Koordinationsstörungen, Schwindel und das Sehen von Doppelbildern auftreten.

      Man darf gespannt sein, welche neuen Drogen und Konsumformen in der nächsten Zeit auf den Markt drängen. Alkohol zum Inhalieren? Kröten zum Lecken? Benzodiazepine für die Nase? Das gibt es alles schon! Wäre doch schön, wenn es den Konsumenten reichen würde, den Rausch auf DVD in 3-D zu erleben. Preiswert und risikolos.
      Die Vollkommenheit ist unerreichbar. Gewiß ist die Vollkommenheit unerreichbar. Sie hat nur den Sinn, deinen Weg wie ein Stern zu leiten. Sie ist Richtung und Streben auf etwas hin.
      - Antoine de Saint-Exupéry, Die Stadt in der Wüste