Alles, was wir so machen, sind doch letztendlich Geschichten. Medien erzählen Geschichten und untereinander erzählen wir uns ständig Geschichten. Auch dieser Rundbrief erzählt Geschichten.
Wir scheinen das irgendwie zu brauchen. Der Mensch denkt ja bekanntlich auch zu viel. "Woher komme ich, wohin gehe ich und warum muss immer ich in
die Hundescheisse treten."
Für solche essentiellen Fragen gibt es auch Geschichten.
Es gibt auch andere Fragen:
"Warum donnert und blitzt es, warum ist der Schnee gefroren, warum fallen im Herbst die Blätter, warum ist die Sonne warm..."
Früher erzählte man dazu ganz tolle Geschichten von den alten Göttern und Kobolden, Elfen, Riesen und Zwergen. Von Streit und Gier, Eitelkeit und Habsucht.Und von Liebe. Schöne Geschichten, die unsere Welt gut erklärten und keine Fragen offen liessen.
"Ja, aber das stimmt doch gar nicht," wirft jetzt schon der erste aufgeklärte Bürger ein. "Die Herren Wissenschaftler haben da ganz andere..." Geschichten.
Diese werden zwar sehr wichtig vorgetragen, sind aber letzten Endes nur Geschichten. Uns so oft erzählt, dass wir glauben, die MÜSSTEN einfach stimmen. Es sind langweilige Geschichten von Luftzirkulationen und elektrischer Teilchenentladung. Von Molekularbewegungen und irgendwelchen Quantenteilchen. LANGWEILIG!
Vor einiger Zeit waren wir mit einer Kräuterfrau im botanischen Garten und sie erzählte alles mögliche über, na Kräuter eben. Dann warf sie einen Keks ins Gebüsch und schüttete ein wenig Whisky nach. Für die Elfen und Kobolde, die würden das so sehr lieben.
Die Teilnehmer der Gruppe sahen sich verdutzt an... "meint die das ernst?" fragte eine mich. Ich wusste damals nicht, was ich davon halten konnte.
"Elfen und Kobolde gibts doch gar nicht."
Monate später (und mit Hilfe meines zweijährigen Meisters,der überall Zwerge sehen kann) bin ich mir da gar nicht mehr so sicher.
Nur weil man uns über Jahre hinweg mit ernster Miene erzählt hat, dass es dieses gibt und jenes nicht ... bedeutet das doch lange nicht, dass es die Wahrheit ist. Eigentlich hat man den Menschen schon immer auch seltsame
Geschichten erzählt. Und wenn diese lange genug wiederholt wurden, dann haben das auch kluge Leute geglaubt. Ein Hitler zum Beispiel hat mit seinen Geschichten Millionen von Menschen begeistert, nicht gerade zu deren Vorteil.
Im Nachhinein fragt man sich dann: "Wie konntet ihr nur so dumm sein?"
Aber irgendwie glaube ich, das wird man sich in 100 Jahren über uns alle miteinander auch fragen.
Geschichten geben einem irgendwie Halt und Sicherheit. Sie erklären Dinge, die wir nicht verstehen.Sie geben Orientierung in einer Umwelt, die zu gross ist als
dass wir sie in seiner Gesamtheit mit dem Verstand erfassen könnten.
Wir hatten auch einmal Geschichten. Und ich will behaupten, die Welt war damals in Ordnung. Auch wenn der Verstand das sicher als grosses unsicheres
Chaos empfunden haben mag. Doch wie waren diese Geschichten?
Ich kann mich nicht mehr erinnern...
Warum nicht? Irgendwann hat man aufgehört, sie zu erzählen und durch
andere ersetzt. Warum? Wer hat das getan?
Ich habe keine Ahnung. Aber ich habe ein paar Fragen an euch alle:
In der Schule lernten wir viele Geschichten. Wir hatten sogar Fächer dafür:
Geschichte, Religion, Latein. (Auch in Deutsch, Englisch und Musik lernten wir
Geschichten, aber das waren nur sehr junge).
Das Schulfach Geschichte: Wir lernten viel über die Neandertaler, die alten Griechen und Römer. Dann kommt ein weisser Fleck. Dann gehts weiter mit Königen, Kaisern, Päpsten...
Moment mal, ein weisser Fleck?
Stimmt, ist mir damals gar nicht aufgefallen, als ich in der Schule damit beschäftigt war auswendig zu lernen, wann irgend ein Schlächter irgendwen angelogen hat und sich irgendwo wichtig gemacht hatte, um anschliessend von jemand anderem den Hintern versohlt zu bekommen.
Ein weisser Fleck:
Wer waren eigentlich unsere Vorfahren? Was dachten diese Leute, in welcher Welt lebten sie? Die Germanen, die Kelten ... war da was? Ist DAS nicht unsere Vergangenheit, unser Ursprung. Hatten DIE nicht unsere Geschichten?
Ich lese weiter in meinen Geschichtsbüchern:
Irgendwann kamen die Römer mit einer ganz toll organisierten Militärmacht und haben die Gegend, wo wir heute leben, platt gemacht. Das war einfach, weil unsere Vorfahren sich zwar durchaus mal gerne den Schädel eingeschlagen haben - aber nicht massenweise als logisch organisierte Armee, die über ganze
Länder Angst und Schrecken bringt.
Unsere Vorfahren hatten wohl anderes zu tun, als einem seltsamen Machtstreben folgend in fremde Länder einzufallen. Wer ist da der Primitive?
Vielleicht hatten sie Lieder? Vielleicht hatten sie schöne Geschichten, die sie sich am Lagerfeuer mit der Familie erzählten? In ihrer eigenen Sprache? In UNSERER Sprache? Vielleicht lebten Sie im Einklang mit der Natur und kannten
Berggeister und Waldkobolde noch persönlich?
Die Römer wussten nur, wie man möglichst schnell möglichst effizient tötet und alles kaputt macht. Heute bewundern wir das und Zeugnisse aus jener Zeit.
Wir schreiben mit ihren Buchstaben, benutzen ihre Worte und sind Mitglied der "römisch katholischen Kirche".
Achja genau, die Kirche. Die Römer hatten zwar die Länder erobert, doch das Denken und Fühlen der Einheimischen konnten sie nur langsam ändern, wenn überhaupt. Mir scheint rückblickend, die Römer hatten daran auch gar kein Interesse. Hol dir das Land, fälle die Bäume, hol dir das Gold, versklave die Bevölkerung ... warum da dann noch die Menschen selber ändern? Der logische, gut organisierte Römer hatte sehr schnell alles, was er wollte.
Das war kurzsichtig, daher ist das römische Imperium heute längst zerfallen. Denn man hatte eines vergessen: Die eroberten Menschen. So lange diese noch eine Identität haben, bleiben sie Aussenstehende, die früher oder später
die Herrschenden stürzen, weil sie sich nicht zugehörig fühlen.
Die einzige Organisation, die all das unbeschadet überstanden hat, ist ... unsere geliebte Kirche.
Wie hat sie das gemacht?
Sehr sehr klug: Sie nahm den Menschen ihre Geschichten. Sie nahm ihre Vergangenheit und gab ihnen eine neue.
Ich will das hier nicht grossartig ausführen, weil ich vom
ungeheuren Ausmass dieses mmmh, Verbrechens Kopfweh bekomme.
Nur so viel:
Ich finde Jesus echt gut. Dieser Mann war wohl erleuchtet, wenn man so will.
Er kann durchaus als Vorbild dienen.
Nur frage ich jetzt: Was hat ein Mann aus dem fernen Jerusalem mit UNS hier zu tun? Mit uns, die wir in den Alpen leben? Mit uns, die wir im Schwarzwald leben? Mit uns, die wir an der Küste der Nordsee leben?
Die Geschichten sind toll - es gibt nur ein Problem: Es sind nicht unsere Geschichten. Es ist die Geschichte eines Juden, der zur Zeit der Besetzung Israles durch die Römer (die schon wieder...) für Furore sorgt und den alteingesessenen jüdischen Religionsinterpretierern ordentlich kontra gibt, bis die sich nur noch mit Gewalt zu helfen wissen und Jesus damit unsterblich machen.
Gut so. Aber noch einmal: Was hat das mit UNS zu tun?
Absolut gar nichts.
WIR in dieser Gegend haben andere Vorfahren. Wir haben andere Geschichten, andere Wurzeln.
Jesus geht in die Wüste. Toll, WIR haben aber gar keine Wüste.
Jesus erzählt das Gleichnis vom Senfkorn. Toll, bei uns wächst aber kein Senf.
Jesus verstösst gegen das Gebot, am Sabbat zu arbeiten. Wir haben aber gar keinen Sabbat!
Er liest im Tempel... Mann, wir haben keinen Tempel! Und wir hatten nie einen.
...
Als die Römer also unsere Vorfahren besiegt hatten (tolle Leistung!), kam die Kirche und raubte uns unsere Geschichten. Natürlich ging das nicht über Nacht - aber die Kirche denkt langfristig und ging langsam und gründlich vor.
Aus dem Lichterbaum, der ursprünglich einmal Geister vertreiben sollte wurde plötzlich der "Christbaum". WO bitteschön kommt eine Tanne in der Bibel vor?
Der Osterhase (als Symbol für Fruchtbarkeit) bringt seine Ostereier nun plötzlich zur Auferstehung von Jesus.
Ich hole mir vorsichtshalber noch einmal meine Bibel raus: Nein, da steht nichts von einem Hasen und Eiern bei der Wiederauferstehung. Da steht auch nichts von einem "Osterfeuer" - all das sind Bräuche unserer Vorfahren. Heidnische Bräuche, deren Sinn wir lange vergessen haben, weil die Kirche einfach einen neuen Sinn draufgelegt hatte, den gefälligst keiner zu hinterfragen hatte.
Und so geht es weiter und weiter. Schritt für Schritt nahm man also dem Volk seine Geschichten und seine Identität und gab ihm etwas künstliches, das wie Plastik schmeckt, bei dem jedoch die Gewinnspanne ungleich höher ausfällt.
Da gab es leider noch ein Problem:
Unsere Vorfahren achteten Frauen scheinbar weitaus mehr als sich die Kirchenchefs (alles Männer...) das wünschten. Kann ich mir vorstellen, denn wer nicht nur draufhauen kann und alles kaputtmachen ohne Sinn und Verstand, der muss gefährlich sein.
Frauen waren ein Quell von Wissen. Sie schenkten Leben durch die Geburt und hatten eine enge Beziehung zur, mmh, Weltenseele ist wohl das passendste Wort. Ich weiss gar nicht, wie ich es beschreiben soll. Das, was wir heute als "unlogisch" abtun und wenn wir lachen, weil "Frauen können nicht einparken" - genau das meine ich. Frauen SIND unlogisch und Frauen KÖNNEN nicht einparken aus einem einfachen Grund:
Das Leben IST unlogisch und ordentlich in eine Parklücke zu kommen ist so ziemlich das unwichtigste in unserem Leben und hat daher schlichtweg keinen Platz bei Wesen, die bedeutend näher am Ursprung sind. (Ich behaupte mal, Jesus konnte auch nicht einparken).
Das ist natürlich gefährlich für die Machthabenden. Jemand, der im Einklang mit der Natur steht, lässt sich nicht plötzlich seine Geschichten nehmen und stattdessen die von einem Juden aus fernen Zeiten vorsetzen.
Also war doch ganz klar: Solche Frauen sind Hexen.
Wie viele unbequeme Personen so beseitigt wurden, darüber streiten sich die Herren Gelehrten und Geschichtsforscher heute.
Die katholischen meinen, es seien ein paar Tausend Tote gewesen, vielleicht 30 oder so. Andere sprechen von Millionen. Ich weiss es nicht. Ich weiss bloss:
Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht...
Was noch offiziell ist:
Als "Hexe" galt man recht schnell, wenn man Kräuer sammelte oder sonstwie der Natur zugewandt war.
So verschwanden unsere Geschichten, weil die Erzähler und Überlieferer auf dem Scheiterhaufen landeten, verfolgt und bestraft wurden.
Es verschwand auch viel Wissen über Naturheilkunde, weil das ja übles Teufelswerk war.
Und all das, was man nicht verstecken und verbrennen konnte, wurde einfach assimiliert und mit neuem (völlig hinrissigem) "Sinn" versehen.
Als die Geschichten verschwanden, verschwand unser Halt. Es verschwand unsere Identität, der Sinn für unsere Wurzeln, der Sinn für das Leben.
In den Geschichtsbüchern steht, dass dann die "Neuzeit" begann. Ein neues Zeitalter brach an. Die Menschen brauchen aber Geschichten, die ihnen entsprechen. Die Geschichte von Jesus ist (so schön sie auch ist) einfach unzureichend, denn es ist nicht unsere Geschichte. Sie gehört einem anderen Volk aus einer anderen Gegend, mit anderen Bräuchen und anderer Vorgeschichte.
Was sollten wir nun tun?
Wir suchten uns neue Geschichten.
Die Geschichten der Logik zum Beispiel. Als die Verbindung zur Natur langsam dünner wurde, bekam die "Wissenschaft" einen grossen Schub. Irgendwie musste doch der Donner erklärbar sein, und der Schnee und man musste doch einen Ausschlag heilen können und eine offene Wunde. So entwickelte sich allein aus dem Bedürfnis nach einer passenden Geschichte die moderne Wissenschaft. Die Medizin, die Physik etc pp.
Und was hat sie uns gebracht?
Viel "Fortschritt", das kann keiner bezweifeln. Aber irgendwie kommen wir dennoch nicht vorwärts.
Natürlich lachen wir über afrikanische Geistheiler und chinesische Akupunktur (naja, das schon nicht mehr so laut wie noch vor ein paar Jahren) - aber all die Pillen, Mittelchen und Geräte können gar nicht so schnell alte Krankheiten heilen, wie neue entstehen.
Da stimmt doch was nicht.
Als Orientierung für unser Leben soll ein Jesus gelten, der keinen Schnee kennt, keine Nadelwälder und Wüste statt Heide?
Da stimmt doch was nicht.
Die grössten Schlächter der Geschichte sind heute die grössten Wohltäter, denen man vertrauen kann?
Da stimmt doch was nicht.
Wir glauben nicht an Zwerge und Feen, weil wir sie nicht sehen. Aber wir glauben an Quantenteilchen, die wir weder sehen noch verstehen.
Da stimmt doch was nicht.
Nein, da stimmt etwas gewaltig nicht.
Eine verfahrene Situation. Wir können wählen zwischen Wissenschaft und christlicher Religion. Meiner Ansicht nach ist das das selbe. Der "Streit" dieser beiden Parteien ist ein lustiges Spiel, doch wenn die Kirche die Menschen nicht in ständige Ungewissheit stürzen würde, gäbe es wahrscheinlich gar keine
Wissenschaft... man sehe sich nur Urvölker an - die haben keine Wissenschaftler.
Aja klar, die sind ja auch primitiv. Und unseren Waffen können die sicher nichts entgegensetzen und... moment mal, habe nur ich ein deja-vu oder kommt das
anderen nicht auch bekannt vor?
Die "Wahl" zwischen Kirche und Wissenschaft ist in etwa so sinnvoll wie zwischen "Pepsi" und "Coke". Da ist nicht viel um. BEIDE hören sich gut an, doch sie entsprechen beide nicht unserem tiefsten Herzen.
Wisst ihr eigentlich, wer mir das erzählt hat? Die Runen.
Beste Grüße,
Der Ungläubige Thomas
http://www.lebenswert.de/061027.shtml
"Nehmt Eure Sprache ernst! Wer es hier nicht zu dem Gefühl einer heiligen Pflicht bringt, in dem ist nicht einmal der Keim für eine höhere Bildung vorhanden."
"Es wurde bisher grundsätzlich immer nur die Wahrheit verboten."
Friedrich Nietzsche
"Es wurde bisher grundsätzlich immer nur die Wahrheit verboten."
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