Wenn das Essen auf die Gene schlägt

    Diese Seite verwendet Cookies. Durch die Nutzung unserer Seite erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Cookies setzen. Weitere Informationen

    • Wenn das Essen auf die Gene schlägt

      Die heute 86-jährige Jannie Fafianie war schwanger, als die deutschen Besatzer während des Zweiten Weltkriegs ein Lebensmittelembargo über Amsterdam verhängten. Tausende starben damals an Hunger. Fafianie überlebte knapp und brachte ein Mädchen zur Welt. Ihre Tochter hatte jedoch ein Leben lang mit Krankheiten zu kämpfen - eine Folge der damaligen Hungersnot, weiß die Wissenschaftlerin Tessa Roseboom heute: "Der Fötus wurde auf harte Zeiten programmiert. Wenn dann Zeiten des Überflusses kommen, wird der Mensch meist krank." Manel Esteller vergleicht in seinen Zwillingsversuchen, welche Gene aktiv sind und welche nicht. Er meint: "Einer der überraschendsten Fälle war der zweier Zwillingsbrüder. Der eine lebte in einer großen Stadt und war krank, der andere wohnte auf dem Land, ganz ohne Krankheiten. Als wir uns ihr Epigenom anschauten, waren sie wie zwei völlig verschiedene Menschen, obwohl sie ja identische Gene hatten. Das war einer der extremsten Fälle, die wir gefunden haben."
      Was wir essen, bestimmt, welche Gene in unserem Körper aktiv sind - unsere Nahrung kann Gene nämlich an- und ausschalten. Wissenschaftler nennen dies "Epigenetik". Die Folgen daraus können dramatisch sein. Krankheiten wie Krebs, Diabetes Typ 2, Herzinfarkt, Schizophrenie oder Autismus brechen aus. Doch damit nicht genug: Manche dieser tückischen Schalterstellungen sind anscheinend über mehrere Generationen vererbbar.
      Dies ist auch ein Grund dafür, weshalb damit zu rechnen ist, dass die Gesundheit der nachfolgenden Generation schlechter sein wird als die ihrer Eltern. Schuld daran ist unser moderner Lebensstil, der unsere Gene durcheinanderbringt. So sickert beispielsweise seit Jahrzehnten unbemerkt ein Stoff aus den Lebensmittelverpackungen in die Nahrung, der in unseren Körpern wie ein Hormon wirkt und möglicherweise verantwortlich für eine immer früher einsetzende Pubertät oder eine lebenslange Neigung zur Fettleibigkeit sein könnte.
      Sollte es den Wissenschaftlern tatsächlich gelingen, das Schaltpult der Evolution zu entschlüsseln und bedienen zu lernen, wäre das eine Revolution für die Medizin: Während man heute den Beginn einer Krankheit abwarten muss, um zu heilen, könnte man in Zukunft Krankheiten bereits vor ihrem Ausbruch heilen. Die junge Wissenschaft der Epigenetik könnte zum Schlüssel für viele Probleme unserer Zivilisationsgesellschaft werden.


      Ein interessantes Video, was meint Ihr, könnte Epigenetik das versprechen was im Text erhofft wird?

      http://videos.arte.tv/de/videos/wenn_essen_auf_die_gene_schlaegt-3364280.html
    • RE: Wenn das Essen auf die Gene schlägt

      Wow, super interessantes -und für mich persönlich neues- Thema, cool!
      Und ja Abraxas, es scheint mir dass die Epigenetik sogar noch viel mehr kann als im Text versprochen wird ;) Also die Wissenschaftler arbeiten ja wohl daran, im Prinzip ein Medikament zu entwickeln, welches die Gene ausschaltet, die die Körperreaktionen auf die Lebensumstände vererben. Die andere Möglichkeit ist offenbar, sein Leben anzupassen und so selbst zu bestimmen was man seinen Nachfahren mitgibt - wie aufregend :)

      Also ich hab mich da jetzt mal ein ganz bißchen eingelesen, auf geo.de gibts da auch einen sehr interessanten und relativ umfangreichen Artikel zu, Auszug:
      "...Umweltbedingungen der heute Lebenden haben Einfluss auf die Nachkommen

      Pembrey nimmt an, dass die Nahrungsfülle epigenetische Spuren auf den Geschlechtschromosomen X und Y hinterlässt. Wie weitere Analysen nahelegen, hängen die Auswirkungen in den Folgegenerationen vom "Timing" ab – vom Alter, in dem die erste Generation den Überfluss genoss. Die Großmütter der am stärksten betroffenen Enkeltöchter erlebten die üppigen Zeiten im Uterus oder in der Kindheit - also genau in der Phase, in der sich die Keimzellen in den Eierstöcken entwickeln. Bei Männern dagegen fiel die kritische Spanne in das Ende der Jugendjahre - eine entscheidende Zeit für die spätere Spermienbildung. Die Studien von Pembrey lassen vermuten: Ernährung, Verhalten und Umweltbedingungen der heute Lebenden haben einen immensen Einfluss auf die Gesundheit der Nachkommen – auch weit entfernter. Das bedeutet: Wir müssen in dieser Hinsicht Verantwortung für unsere Kinder und Kindeskinder übernehmen. Entsprechend könnten einige heute verbreitete Krankheiten weit zurückliegende epigenetische Ursachen haben.

      Michael Meaney, der Psychologe von der kanadischen McGill University, hingegen überlegt, welche Folgen die Epigenetik für die Sozialpolitik hat. Er gibt zu bedenken, dass die frühe Eltern-Kind-Bindung durch Armut, ein Leben in zerrütteten Verhältnissen oder Dauerstreit beeinträchtigt wird. Das wiederum hemmt, wie man auch ohne Epigenetik weiß, die kognitive Entwicklung der betroffenen Kinder. Aber wirken sich die negativen Faktoren womöglich über epigenetische Prozesse auch auf künftige Generationen aus? "Wir beginnen damit, Ursache-Wirkungs-Pfeile zwischen sozialen und ökonomischen Makrovariablen und kindlicher Hirnentwicklung zu ziehen", sagt Meaney. Und diese Abhängigkeiten seien womöglich ziemlich eng. Lawrence Harper, Psychologe an der University of California in Davis, macht sich ähnliche Gedanken. Er vertritt die These, dass unser epigenetisches Erbe eine Reihe von Persönlichkeitsmerkmalen - darunter Temperament und Intelligenz – beeinflusst. Deshalb dauere es vermutlich mehrere Generationen, um in einer Bevölkerung die Folgen wieder wettzumachen, die Armut, Krieg und Vertreibung im epigenetischen Code hinterließen."


      http://www.geo.de/GEO/mensch/medizin/53101.html?p=4

      Ich finde die Schlussfolgerungen aufregend und beängstigend zugleich. Wir sind also durch unseren heutigen Lebensstil für das Schicksal unserer Kinder verantwortlich, und wenn unsere Kinder dann da sind, beeinflussen wir durch das Leben das wir ihnen in der Kindheit bieten/aufzwingen auch noch das Schicksal unserer Enkelkinder. Und das ganze pflanzt sich dann auch noch fort und potenziert sich zwangsläufig !? Dazu kommt ja noch dass es auch, wenn man ein bißchen nachforscht, auch einiges über die Lebensumstände unserer Vorfahren aussagen kann. Es ist keine schöne Vorstellung, und gewisse Schlussfolgerungen können sicher noch schrecklicher aber gewiss auch noch aufschlussreicher sein. Man könnte Antworten auf manch große philosophische und soziologische Frage bekommen.
      Sehr spannend, macht alle mit :)

      LG,
      TheIsland

      PS: Ach nebenbei sollte man vielleicht noch beleuchten warum dieses für uns eigentlich sehr -ja eigentlich unglaublich- wichtige Thema es nie in den Mainstream und in die Köpfe der meisten Menschen geschafft hat. Aber wenn wir kurz nachdenken, kennen wir die Antwort.
      Oft und viel zu lachen,

      den Respekt intelligenter Menschen

      und die Zuneigung der Kinder zu gewinnen,

      die Anerkennung ehrlicher Kritiker zu gewinnen

      und den Betrug falscher Freunde zu erdulden,

      Schönheit zu schätzen,

      das Beste in anderen zu finden,

      die Welt ein wenig besser zurückzulassen,

      ob durch ein Kind, einen kleinen Garten

      oder einen verbesserten gesellschaftlichen Zustand,

      zu wissen, dass nur ein Leben leichter war, weil Du lebtest:

      Das bedeutet Erfolg.

      - Ralph Waldo Emerson -
    • RE: Wenn das Essen auf die Gene schlägt

      TheIsland schrieb:



      Ich finde die Schlussfolgerungen aufregend und beängstigend zugleich. Wir sind also durch unseren heutigen Lebensstil für das Schicksal unserer Kinder verantwortlich, und wenn unsere Kinder dann da sind, beeinflussen wir durch das Leben das wir ihnen in der Kindheit bieten/aufzwingen auch noch das Schicksal unserer Enkelkinder. Und das ganze pflanzt sich dann auch noch fort und potenziert sich zwangsläufig !? Dazu kommt ja noch dass es auch, wenn man ein bißchen nachforscht, auch einiges über die Lebensumstände unserer Vorfahren aussagen kann. Es ist keine schöne Vorstellung, und gewisse Schlussfolgerungen können sicher noch schrecklicher aber gewiss auch noch aufschlussreicher sein. Man könnte Antworten auf manch große philosophische und soziologische Frage bekommen.
      Sehr spannend, macht alle mit :)


      Ich bin schon davon überzeugt, dass die Lebensweise Auswirkungen zeigt - man merkt es extrem (sagen wir besser ich merke es) an der Generation die im Weltwirtschaftswunderland geboren ist, also ca. 60-ger, 70-ger Jahre und weiterhin bei der Generation der heute zwanzig-jährigen.

      Das trifft allerdings nicht auf alle zu, und ich bin davon überzeugt, dass der Mensch noch etwas anderes ist, als das Produkt seiner Umgebung und seiner Nahrungsaufnahme.

      Jo
      "Nehmt Eure Sprache ernst! Wer es hier nicht zu dem Gefühl einer heiligen Pflicht bringt, in dem ist nicht einmal der Keim für eine höhere Bildung vorhanden."
      "Es wurde bisher grundsätzlich immer nur die Wahrheit verboten."

      Friedrich Nietzsche
    • RE: Wenn das Essen auf die Gene schlägt

      jo schrieb:



      ...Das trifft allerdings nicht auf alle zu...


      Ja, das glaube ich auch, also es trifft schon auf alle zu denke ich, aber es soll ja auch damals schon gesund und solide lebende Menschen gegeben haben, sonst gäbe es heute ja nur kranke und dumme...;)

      jo schrieb:


      ...und ich bin davon überzeugt, dass der Mensch noch etwas anderes ist, als das Produkt seiner Umgebung und seiner Nahrungsaufnahme.


      Definitiv. Aber es ist schon sehr bemerkenswert welchen Einfluss die Lebensart einer Gesellschaft auf die Zukunft eben dieser Gesellschaft hat!

      LG,
      TheIsland
      Oft und viel zu lachen,

      den Respekt intelligenter Menschen

      und die Zuneigung der Kinder zu gewinnen,

      die Anerkennung ehrlicher Kritiker zu gewinnen

      und den Betrug falscher Freunde zu erdulden,

      Schönheit zu schätzen,

      das Beste in anderen zu finden,

      die Welt ein wenig besser zurückzulassen,

      ob durch ein Kind, einen kleinen Garten

      oder einen verbesserten gesellschaftlichen Zustand,

      zu wissen, dass nur ein Leben leichter war, weil Du lebtest:

      Das bedeutet Erfolg.

      - Ralph Waldo Emerson -