Es ist ein schmaler Grad zwischen menschenwürdig sterben dürfen und Hippokratischem Eid. Todkranke haben oft keine Hoffnung mehr. Bestrahlung, Chemotherapie, zahlreiche Medikamente, starke Schmerzen und viel Leid. Deshalb äußern sie nach einem längeren Leidensweg häufig den Wunsch, im Kreise der Familie friedlich sterben zu dürfen. Der Gedanke, unter starken Schmerzen und zunehmend auf Hilfe angewiesen weiter zu existieren, ist für viele unerträglich. Doch wer kann/darf das entscheiden?
Was geschieht, wenn steigende Dosen Morphin gegen die Schmerzen und Psychopharmaka gegen die Angst nicht mehr helfen? Für die Ärzte ist dies auch eine bedrückende Situation, denn sie kennen das Leid der Patienten, wissen wie es endet und müssen trotzdem das Leben erhalten. Auch wenn der todkranke Patient den Wunsch hat, zu sterben, muss der Arzt beim Eintritt der Bewusstlosigkeit alles tun, um das Leben zu retten (es sei denn, es liegt eine Patientenverfügung vor). Was ist mit Menschen, die trotz der aufwendigsten, liebevollsten Pflege und Therapie durch eine aussichtlose Krankheit schrecklich leiden? Sollten diese Menschen auf ihren klar und nachhaltig geäußerten Wunsch mit ärztlicher Hilfe ihr Leben beenden dürfen?
Sicherlich ist es ein primäres Ziel der Medizin, Leben zu erhalten und zu verlängern, aber tritt bei solchen Patienten nicht der palliative Aspekt in den Vordergrund? Wenn die Mittel zur Heilung ausgeschöpft sind, sollte das primäre Ziel doch Linderung sein. Wenn der Wunsch nach einer Lebensverlängerung weder von einer medizinischen Indikation noch von dem Patientenwillen getragen wird, sollte ein friedliches Lebensende angestrebt werden. Bei jeder Entscheidung sollte das Wohl des Patienten im Vordergrund stehen und das ärztlich Handeln und Entscheiden bestimmen.
Immer wieder hört man die Worte: "Wir können nichts mehr tun." Dabei ist neben der Heilung und Lebensverlängerung auch die Symptoms- und Leidenslinderung Teil der Medizin. Zu tun ist also immer etwas, die Frage ist nur, was. Und was passiert, wenn die Palliativmedizin versagt?
Der Begriff der Sterbehilfe liegt an dieser Stelle nahe. Doch wollen wir todkranke Verwandte einem "Dr. Roger Kusch Sterbehilfe e.V." oder einem Ludwig Minelli überlassen? Sterbehilfe, die auf Parkplätzen, in Pensionen oder mittels Selbsttötungsmaschinen praktiziert wird?
Ich sehe das sehr kritisch, denn es löst das eigentliche Problem nicht. An dieser Stelle muss die deutsche Ärzteschaft Verantwortung übernehmen. Menschen, deren Leiden nicht mehr mit medizinischen Mitteln zu lindern sind, haben ein Anrecht auf eine angemessene Hilfe. Die Ärzteschaft steht hier in der moralischen Verantwortung, klare Maßstäbe zu setzen.
Neben den großartigen Errungenschaften der Medizin wird es immer beängstigende und grausame Schicksale geben. Es wird immer Menschen geben, die ihr Schicksal mit vielen technischen Hilfen anzunehmen lernen. Sie finden ihren Lebenssinn darin, wieder alle Energien zu mobilisieren und sich gegen ihr Schicksal zu stellen. Aber nicht allen gelingt dies. Dürfen wir dann den Wunsch eines aussichtslos Kranken verurteilen?
Ich gebe der Bundesärztekammer recht, dass es keine Normierung des Sterbeprozesses geben kann und niemals geben darf. Weder Hospizverbände noch Kirchen haben meiner Meinung nach das Recht zu definieren, wann es ein "gutes Sterben" gibt. Diese Beurteilung steht einzig und allein den Sterbenden zu.
"Menschenverachtendes Kostendenken" ist ein Vorwurf, der immer wieder gemacht wird. Dabei geht es hier keineswegs darum, hochbetagte oder pflegebedürftige Menschen ihrer letzten Jahre zu berauben. Hier geht es einzig und allein um Todkranke. Es sollen keine "Dammbruchargumente" für die Sterbehilfe gefunden werden, keine Sterbewünsche legitimiert werden, wo bisher keine waren, und auch keine generelle Lockerung gesellschaftlicher Moralvorstellungen vorangetrieben werden. Vielmehr wird hier die Frage gestellt, ob einem Menschen in auswegloser Krankheit durch die Sterbebegleitung ein menschenwürdiger Tod ermöglicht werden darf.
Wie seht ihr das?