Herzinsuffizienz: Überwachung von Innen

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    • Herzinsuffizienz: Überwachung von Innen

      In Sachen Herzinsuffizienztherapie hat sich seit Jahren wenig getan. Jetzt prescht ein US-Konzern mit einem radikalen Konzept vor: Ein Minisensor in der Blutbahn misst den pulmonalarteriellen Druck. Erste Daten bringen Rückenwind, lassen aber auch Fragen offen.

      Bei wenigen chronischen Erkrankungen ist die optimale Therapie so unstrittig und so gut durch Studien belegt: Patienten mit systolischer Herzinsuffizienz erhalten heute, abhängig vom Ausmaß der Erkrankung, Betablocker, Hemmstoffe des Renin-Angiotensin-Systems, ein Diuretikum und bei stark eingeschränkter Pumpfunktion auch noch einen Aldosteron-Antagonisten. Das Problem bei der Therapie von Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz ist nicht so sehr die Auswahl der Medikamente, sondern die optimale Dosierung. Um Dekompensationen zu vermeiden, müssen die Patienten gut überwacht werden. Nur so kann die Medikation rechtzeitig angepasst werden, bevor es zum Lungenödem und damit zur Klinikeinweisung kommt.
      Intensivmedizin to go
      Die Überwachung von Herzinsuffizienzpatienten geschieht heute standardmäßig anhand klinischer Parameter: Beinödeme, Luftnot, Gewichtszunahme lauten die Stichworte. Auch die von einigen befürwortete telemedizinische Überwachung macht nichts anderes: Sie digitalisiert die klinischen Kontrollen und macht sie auf diese Weise engmaschiger. Doch die Herzinsuffizienz lässt sich auch anders kontrollieren. Einen ersten Schritt in diese Richtung gingen die Hersteller von ICD-Systemen, die ihre Implantate mit Impedanz-Sensoren ausstatteten. Sie können indirekte Hinweise auf in Entstehung begriffene Lungenödeme liefern. Das US-Unternehmen CardioMEMS geht mit seinem gleichnamigen Implantat einen sehr viel radikaleren Weg. Es misst keine indirekten Parameter, sondern unmittelbar den pulmonalarteriellen (PA) Druck.
      Damit wird ein in der kardiovaskulären Intensivmedizin weit verbreitetes Prinzip – die Steuerung von Kreislaufmedikamenten mittels der Messwerte eines PA-Katheters – auf die ambulante Medizin übertragen. Um das CardioMEMS-Implantat zu platzieren, wird ein Rechtsherzkatheter benötigt. Mit ihm wird das nur büroklammergroße Implantat in einer Pulmonalarterie in einem der unteren Lungensegmente platziert. 7 bis 15 Millimeter sollte diese Arterie durchmessen, um optimale Ergebnisse zu erzielen. Kommuniziert werden die Messwerte per Funk. Kabel sind nicht nötig. Und auch auf eine eigene Batterie wurde verzichtet: Den nötigen Strom holt sich das High Tech-Gerät nämlich ebenfalls drahtlos über den Äther.

      Großstudie mit großem Aufwand.
      So weit, so interessant. Nur: Hält das Ding, was es verspricht? Verbessert das invasive PA-Druck-Monitoring per Implantat tatsächlich die Versorgung von Herzinsuffizienzpatienten? Dieser Frage ist die CHAMPION-Studie nachgegangen. Die Resultate liegen jetzt vor. Sie sind noch unveröffentlicht, wurden aber bei der Konferenz Heart Failure 2010 der European Society of Cardiology in Berlin in Auszügen bereits vorgestellt. Studienleiter waren Professor William Abraham von der Ohio State University und Professor Philip Adamson vom Oklahoma Heart Center.
      Die CHAMPION-Studie war eine randomisiert-kontrollierte Studie, bei der relativ viel Aufwand betrieben wurde, um zu wirklich validen Daten zu kommen. So erhielten alle 550 Patienten im Herzinsuffizienz-Stadium NYHA III einen Rechtsherzkatheter. Und bei allen wurde das Implantat eingesetzt. Nur bei der Hälfte wurde es dann aber benutzt, um die medikamentöse Therapie anhand der PA-Drücke zu steuern. In der Kontrollgruppe erfolgte die Therapiesteuerung konventionell-klinisch. Primärer Endpunkt war die Zahl der Krankenhauseinweisungen nach sechs Monaten.
      Klinikeinweisungen sacken um ein Drittel ab
      Die Ergebnisse sind durchaus beachtlich: „Innerhalb von sechs Monaten gab es in der Kontrollgruppe 120 Hospitalisierungen wegen Herzinsuffizienz. In der Interventionsgruppe waren es nur 83“, sagte Adamson. Daraus errechnet sich eine relative Risikoreduktion von signifikanten 30 Prozent. „Im Verlauf scheint der Effekt eher noch größer zu werden“, betonte der Experte. Hochrechnungen auf 12 Monate deuten auf eine relative Risikoreduktion von dann 38 Prozent hin. In Sachen Sterblichkeit gab es keinen Unterschied zwischen den Gruppen. Das bessere klinische Outcome korrelierte aber mit einem Abfall der als „Area under the curve“ (AUC) quantifizierten PA-Drücke. „Parallel dazu kam es in der Kontrollgruppe zu einer Vergrößerung der AUC“, so Admason. Das spricht dafür, dass die PA-Druck-Messung tatsächlich kausal mit der Verringerung der Hospitalisierungen in Zusammenhang steht.

      Alle Fragen werden durch die bisher vorgestellten Daten – hier die Präsentation vom Heart Failure 2010-Kongress – allerdings nicht beantwortet. So ist bisher nicht bekannt, wie intensiv die klinische Überwachung der Patienten in der Kontrollgruppe tatsächlich war. Immerhin wäre denkbar, dass die Einstellung der medikamentösen Therapie in der Interventionsgruppe nur deswegen besser gelang, weil dank Implantat häufiger kontrolliert wurde. Diesen Effekt kennt man auch aus Telemedizinstudien, wo der Vorteil der Telemedizin regelmäßig dahin schmilzt, wenn nicht mit Standard of Care, sondern mit einer Intensivbetreuung durch eine Herzinsuffizienzschwester verglichen wird. Das spricht natürlich weder gegen das Implantat noch gegen die Telemedizin. Die Frage, ob ein invasiver Eingriff wirklich nötig ist, wenn es auch ohne geht, muss aber schon erlaubt sein…