Der „Übeltäter“ soll SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach sein, der gefordert hatte, man solle den Gesetzlichen Krankenkassen „verbieten“, die Homöopathie zu bezahlen. In die selbe Kerbe haut der kommende Chef des „Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit“ Jürgen Windeler. Für ihn ist die Homöopathie ein „spekulatives, widerlegtes Konzept". Ein medizinischer Nutzen sei nicht erwiesen. Windeler: „Die Sache ist erledigt.“ Auch der Vorsitzende des „Gemeinsamen Bundesausschusses“ Rainer Hess scheint kein Freund davon zu sein, dass Krankenkassen über Wahltarife ihren Mitgliedern die Homöopathie bezahlen. Es gebe bisher keinen klaren Nutzennachweis für die Homöopathie, wird Hess im „Spiegel“ zitiert.
Kontra erhalten Lauterbach und Co. erwartungsgemäß von den Grünen, deren Liebe zur angeblich sanften Medizin ja ebenso bekannt ist wie ihre Antipathie gegen manche schulmedizinische Verfahren. Grünen-Chefin Claudia Roth führt ein gigantisches Sparpotenzial in der Schulmedizin und natürlich die vielen positiven Erfahrungen ins Feld, was man selbstverständlich nicht als wissenschaftliches Argument ansehen sollte, sondern als politisches Glaubensbekenntnis. Renate Künast, Fraktionschefin der Grünen, lässt Sachverstand mit der Behauptung glänzen, dass „selbst die Schulmedizin in vielen Fällen auf die industrielle Nachahmung von Heilmitteln zurückgreift, die es in der Natur kostenlos“ gebe. Die Linke hält generelles Streichen ohnehin für nicht zielführend und plädiert für ganzheitliche Ansätze, was immer das auch sei. Die CDU dagegen soll - in Gestalt ihres Experten Jens Spahn - Gesprächsbereitschaft signalisiert haben. CSU-Kollege Johannes Singhammer jedoch plädiert für den Status quo. Die SPD wiederum legt Wert auf die Feststellung, dass Mitglied Lauterbach eine Einzelmeinung vertrete. Und Gesundheitsminister Philipp Rösler sieht in dessen Forderung auch keinen Grund, etwas zu ändern.
Mit Kanonen auf Spatzen schießen
Kontra bekommen Lauterbach und Co. erwartungsgemäß auch von pharmazeutischen Verbänden: Als „reinen Oppositionspopulismus“ bezeichnet der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller die professorale Forderung. Bei dieser Debatte, „der die Steigbügelhalter einer Rationierungspolitik bereitwillig beispringen“, würden die Patienten außen vorgelassen, so Barbara Sickmüller, Vize-Chefin des Bundesverbandes der Pharmazeutischen Industrie. Die Streichung könnte nie das Defizit der Kassen auffangen. Von den 28 Milliarden Euro, welche die GKV 2009 für Arzneimittel ausgegeben haben, entfielen nur 25 Millionen Euro auf homöopathische Mittel. Auch im Vergleich zu den 13 Milliarden Euro, die allein 2011 für die Sanierung der Kassen eingesammelt werden müssten, erscheine das Sparpotenzial lächerlich. So werde mit Kanonen auf Spatzen geschossen.
Kontra gibt es auch von den Krankenkassen. Bezweifelt wird vor allem, dass eine solche Streichung der Leistung Geld sparen würde. Im Gegenteil: Die Homöopathie helfe sogar beim Sparen. Befürchtet wird der Verlust an Mitgliedern. Außerdem: Es könne nicht sein, dass zuerst die nächste Honorarerhöhung für Ärzte und dann Leistungskürzungen für die Versicherten diskutiert würden, wettert der Sprecher des GKV-Spitzenverbandes, Florian Lanz. Dass einige Kassen homöopathische Leistungen anbieten und andere nicht, zeuge von funktionierendem Wettbewerb. Was die Monopolkommission aber nicht ganz so zu sehen scheint: Die Wissenschaftler der Kommission bemängeln laut „FAZ“ unter anderem die fehlende Konkurrenz zwischen den Krankenkassen. Möglicherweise haben die Krankenkassen es aber auch gar nicht nötig zu sparen. Denn 2009 haben sie noch mehr Gewinne verbucht als erwartet.
Relikt aus dem 19. Jahrhundert
Unter Ärzten selbst herrscht ebenfalls kaum Konsens. Die einen, etwa Naturheilkundler Dr. Markus Wiesenauer aus Weinstadt, argumentieren, dass auch in der Schulmedizin nicht alles evidenzbasiert sei. Was zwar stimmt, aber nicht zwangsläufig für die Homöopathie spricht. Selbstverständlich unterbleibt auch nicht das Standardargument der Alternativmediziner: Wer heile, habe recht. Auch Deutschlands oberster Arzt, der Präsident der Bundesärztekammer (BÄK), Professor Jörg-Dietrich Hoppe, hat sich gegen die Lauterbachsche Forderung gewandt. „Die Wirkung von homöopathischen Mitteln ist zwar nicht naturwissenschaftlich belegbar, trotzdem ist die Homöopathie ein wichtiger Zweig in der Ausbildung von Ärzten geworden“, sagte Hoppe. Besonders bei Befindlichkeitsstörungen wie Reiseübelkeit oder Wetterfühligkeit könnten mit der Homöopathie laut Hoppe Erfolge erzielt werden. Auch in der Vorsorge sei sie ein wichtiger Helfer. Solche besonderen Behandlungsformen seien Bestandteil des Gesamtspektrums der Medizin, so Hoppe. Etwas leiser, aber überzeugender dagegen wird von einigen Ärzten immerhin zugegeben, dass sich mit der Homöopathie das Honorar aufbessern lässt.
Unterstützung erhalten Lauterbach und Co. natürlich von jenen, für die Homöopathie Quacksalberei mit wirkfreien, aber überteuerten Zuckerkügelchen ist. Die Ausgaben für diese Scharlatanerie sollten besser in die Regelversorgung fließen. Im 19. Jahrhundert mag die Homöopathie vielleicht nützlich gewesen sein, aber nur, weil sie viele Patienten vor den Irrtümern der damaligen Schulmedizin bewahrt habe. Heute könne es jedoch umgekehrt laufen. Statt lebensnotwendiger Medikamente oder Impfungen könnten Patienten wirkfreie Präparate bekommen. Andere Ärzte wiederum sind zwar keine Anhänger der Globuli, aber auch keine Gegner, plädieren jedoch dafür, dass die Kosten die Patienten selbst tragen sollten.
Sparen an der falschen Stelle.
Und was meinen die Patienten? Laut einer Studie des Instituts für Demoskopie Allensbach, vom BAH in Auftrag gegeben, haben mehr als 50 Prozent der erwachsenen Bundesbürger schon einmal homöopathische Mittel verwendet. 25 Prozent davon gelten gar als „überzeugte Verwender", wobei aber mehr als 80 Prozent der Befragten Homöopathika für Naturheilmittel oder Heilkräuterprodukte halten.
Es sieht also nicht so aus, als würden sich Lauterbach und Co. mit ihrer Forderung sehr viele Freunde machen. Gleichwohl erscheint die Frage berechtigt, ob es nicht ungerecht und Verschwendung ist, einerseits Geld - egal von wem und wie viel - für eine Medizin auszugeben, deren Wirksamkeit und Nutzen zweifelhaft sind, andererseits aber gesicherte schulmedizinische Therapien wegen eines angeblich fehlenden Zusatznutzens zu rationieren. Das angeführte Argument, das Sparpotenzial bei der Homöopathie sei eh vernachlässigbar, erinnert da doch stark an die berühmte „Peanuts“-Argumentation. Die Finanzierung von Humbug wäre auch dann noch Verschwendung, wenn es sich nur um zwei Milliönchen handeln würde.
Nichts hoch 100 bleibt Nichts
Man muss die Homöopathie ja nicht gleich für Humbug halten. Doch an ihrer über einen Placebo-Effekt hinausgehenden Wirkung kann man schon zweifeln - ganz in Anlehnung etwa an Karl Valentin, der einfach nicht verstehen konnte, wie ein hohler Zahn Schmerzen verursachen kann. Denn: „Wenn etwas hohl ist, dann is doch nix drin. Und wie einem des "nix" so wehtun kann, des is mir schleierhaft."
Die bekannten Erklärungsversuche, dass eine „Potenzierung“ durch Schütteln besondere Kräfte freisetze, oder auch das berühmte Wasser-Gedächtnis helfen den meisten naturwissenschaftlich gebildeten Menschen leider kaum auf die Sprünge. Ein „Nichts hoch 100“ oder auch ein „Bisschen-Was hoch 100“ ergeben, etwas polemisch formuliert, eben immer noch nicht sehr viel. Auch die vielen Studien und Metaanalysen, die gemacht wurden, sorgen nicht für Klarheit. Die beiden meist diskutierten Metaanalysen der letzten Jahre etwa kommen zu gegensätzlichen Ergebnissen.
Zeit für einen Beweis
In der einen Metaanalyse von 1997 wurden 89 randomisierte placebo-kontrollierte Studien ausgewertet. Diese Analyse ergab einen deutlich über Placebo hinausgehenden Effekt. Eine acht Jahre später von einer Berner Arbeitsgruppe durchgeführte und ebenfalls im „Lancet“ publizierte Metaanalyse zu 110 placebo-kontrollierten Studien ergab dagegen, dass die Homöopathie doch nicht mehr ist als ein Placebo.
Die nur auf Studien basierende Beurteilung führt also auch nicht viel weiter, mal davon abgesehen, dass diese inzwischen herrschende Art und Weise, Medizin zu betreiben, Grenzen hat. Man denke nur an die Möglichkeiten der Manipulation von Studien, aber vor allem daran, dass Studien methodisch bedingt oft keine große Nähe zur Versorgungsrealität haben - von philosophischen Betrachtungen ganz zu schweigen.
Was im Moment zu bleiben scheint, ist wohl ein gewisser Pragmatismus. Gleichwohl könnte aber darauf gedrängt werden, dass die Verfechter der Homöopathie nach rund 200 Jahren endlich überzeugend Zusatznutzen und Kosteneffektivität belegen. Sicher nicht falsch wäre es auch, darüber nachzudenken, ob nicht eine bessere Honorierung ärztlicher Gesprächs- und Beratungsleistungen jenseits der Homöopathie auf Dauer sinnvoller sein könnte. Spätestens dann könnte sich zeigen, dass die 25 Millionen Euro, die die Gesetzlichen Kassen pro Jahr für die Homöopathie ausgeben, vielleicht doch mehr als nur „Peanuts“ sind. Oder halt Spatzen, auf die zu schießen sich durchaus lohnt.
Meine persönliche Meinung ist, obwohl kein klassischer Homöopath, dass
wer dafür sorgt, dass Homöopathie nur noch selten verwendet wird,
fatale Auswirkungen auf die Gesundheit der Bürger haben wird.
Da ich selbst schon einige Präparate experimentell probiert und von so mancher Wirkung überrascht war, kann ich sie beruhigt als Bereicherung in der Medizin bezeichnen. Die Salbe von Heel oder eine gute B12 Salbe bei
Neurodermitis sind hervorragende Mittel.
Nur wird den Kassenärzten weiter die Bezüge beschnitten, verlieren diese noch mehr ihre Motivation zum genauen Hinsehen und sich Zeit nehmen.
Das führt dazu das Patienten wie Schlachtvieh durch die Praxis getrieben wird, um die eigene Existenz zu sichern.
Wenn man sich die Zahlen in der Entwicklung chronischer Erkrankungen ansieht und diese als langfristige Betrachtung für das Gesundheitssystem begreift, kann man bei gesundem Verstand nicht anders handeln, als dafür
mitzuwirken diesen derzeitigen Trend ins Gegenteil umzukehren.
Liebe Grüße
ABRAXAS