Blick nach Karlsruhe

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  • Blick nach Karlsruhe

    Hallo

    Die Lissabonner Verträge haben bekanntlich alle parlamentarischen Hürden genommen. Nun steht eine der letzten Hürden in Deutschland bevor, das Verfassungsgericht in Karlsruhe.

    Hier ein Auszug aus der Sueddeutschen Zeitung:


    Der Bundestag hat dem EU-Reformvertrag von Lissabon schon vor einem Monat zugestimmt; der Bundesrat hat es soeben getan. Von deutscher Seite steht also dem gewaltigen Vertragswerk, das der Europäischen Union mehr Kraft und mehr Macht gibt, eigentlich nichts mehr im Wege.

    Eigentlich. Peter Gauweiler, CSU-Abgeordneter im Bundestag, einst der politische Ziehsohn von Franz Josef Strauß, ist nämlich eigentlich ein Nichts neben dem Heer von EU-Beamten, die diesen Vertrag ausgearbeitet, neben der Phalanx von Regierungschefs, die diesen Vertrag besiegelt hat und neben den geballten Interessen, die hinter diesem Vertrag stehen. Aber dieser streitbare politische Außenseiter Peter Gauweiler ruft eine Instanz zu Hilfe, die ein letztes, ein allerletztes Mal die Kompetenz hat, in die europäischen Dinge einzugreifen - das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe.

    Der Vertrag von Lissabon, der Vertrag also, gegen den Gauweiler klagt, nimmt nämlich dem Gericht diese Kompetenz. Die Klage, die seit Freitagmittag in Karlsruhe liegt, ist für dieses Gericht also die letzte Chance, seine eigene Entmachtung zu verhindern. Vorderhand wird das höchste Gericht darüber entscheiden müssen, ob sich die Bundesrepublik, ohne das Volk zu fragen, in einem europäischen Bundesstaat auflösen darf wie ein Stück Zucker im Kaffee.

    Das, so behauptet Gauweiler, sei nämlich die Folge des Lissabonner Vertrages. Gleichzeitig wird das Gericht jedoch quasi auch in eigener Sache entscheiden - darüber nämlich, ob die Herrlichkeit des Karlsruher Gerichts samt dem finalen Grundrechtsschutz, der ihm bisher anvertraut ist, weitgehend nach Luxemburg übergeht, zum Europäischen Gerichtshof. Das ist der Grund, warum die Klage Gauweilers Sprengkraft hat.




    Geführt wird der Prozess von Prof. Schachtmeister im Auftrag von Dr. Gauweiler. Prof. Schachtmeister klagt nicht zum ersten Mal in dieser Thematik. Sehr informativ, wenn auch subjektiv, ist ein Vortrag, den er in Salzburg zum Thema gehalten hat. Trotzdem unbedingt sehenswert.
    youtube.com/view_play_list?p=86EF311FC83D1447

    Gruß
    "Wir sind alle Sternenstaub, daher teilen wir alle dieselben Vorfahren, wir sind die Sterne. Und wir sind die Brüder der wilden Tiere und die Lilien auf dem Felde sind unsere Vettern." Trinh Xuan Thuan
  • Ein kleines Land....

    Am zwölften Juni findet die einzige Volksabstimmung, über die Zustimmung zum Vertrag, in Irland statt. In allen anderen Ländern wird ohne Volksabstimmung entschieden. Hier die aktuellen Umfragen. Mal sehen, wie es ausgeht.

    [IMG:http://www.cliquenabend.de/spiele/asterix/asterix1.jpg]
    "Wir sind alle Sternenstaub, daher teilen wir alle dieselben Vorfahren, wir sind die Sterne. Und wir sind die Brüder der wilden Tiere und die Lilien auf dem Felde sind unsere Vettern." Trinh Xuan Thuan
  • @Phasenverschobener,
    danke für die Info.
    Also hat man direkt die vorangegangenen "Nein-Sager" wie z.B. Frankreich direkt außen vorgelassen und über den Löffel barbiert. Bin auch gegen den Vertrag mit meinem kleinen Verstand, hab ihn zum Teil nämlich gelesen.
    Sollte Irland den Vertrag kippen, na dann wird es beim nächsten Mal mit Sicherheit überhaupt keinen Volksentscheid geben, obwohl ich glaube gelesen zu haben (im EU-Vertrag in dem auch die Zwangsabgabe, sprich Solidaritätsbeitrag, verankert ist, dass Volksentscheide wichtig sind).
    Muß mal nachsehen, ob der von Madame "M" geforderte Absatz "Todesstrafe für Regimekritiker" noch drin steht.

    Bin gespannt auf das Ergebnis,
    LG Jo
    "Nehmt Eure Sprache ernst! Wer es hier nicht zu dem Gefühl einer heiligen Pflicht bringt, in dem ist nicht einmal der Keim für eine höhere Bildung vorhanden."
    "Es wurde bisher grundsätzlich immer nur die Wahrheit verboten."

    Friedrich Nietzsche
  • jo schrieb:


    Muß mal nachsehen, ob der von Madame "M" geforderte Absatz "Todesstrafe für Regimekritiker" noch drin steht.



    Wie?!
    Wer ist "Madame "M"? (Angela Merkel?)
    Und soll die Todesstrafe für "Regimekritiker" drin stehen??! Das kann wohl nicht sein, oder?
    Was müssen denn die "Regimekritiker" verbrochen haben, um die Todesstrafe zu verdienen? Allein ein Regime zu kritisieren ist ja noch kein Verbrechen, und schon lange kein Kapitalverbrechen, oder? ?(

    Da wir bei dem EU-Recht sind erwähne ich am Rande einen Artikel aus der FAZ vom 21.05.08, der Widerstände unter deutschen Politikern gegen Rahmengesetze aufzeigt:

    Gezerre um Diskriminierung

    Strassburg, 20. Mai 2008. Das Europaische Parlament verlangt ein neues EU-Rahmengesetz zur Bekämpfung von Diskriminierung. Gegen die Aufforderung an die Europäische Kommission, ihre Zusage einzulösen und einen entsprechenden Vorschlag vorzulegen, sprachen sich vor allem konservative Abgeordnete sowie die deutschen Liberalen aus. Sie fordern, vor weiteren gesetzlichen Schritten dafür zu sorgen, den Antidiskriminierungsgesetzen aus dem Jahr 2000 überall Geltund zu verschaffen. Der CDU-Politiker Thomas Mann warnte vor Zentralismus und vor erheblichen Kosten. "Allein in Deutschland haben die Schulungen für das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz jährlich mehr als 1,7 Milliarden Euro gekostet", sagte Mann.

    Auch nach einem Treffen von Kommissionspräsident José Manuel Barroso mit einer Grünen-Abordnung am Dienstag war ungewiss, ob es zu dem umfassenden, von Sozialkommissar Vladimir Spidla befürworteten Vorschlag kommt. Bisher besteht eine Regelung, die allgemein eine Schlechterstellung aufgrund der Rasse oder der ethnischen Herkunft verbietet. Eine ebenfalls im Jahr 2000 verabschiedete Richtlinie fordert generell die Gleichstellung am Arbeitsplatz und untersagt jegliche Diskriminierung aufgrund der Rasse, ethnischer Herkunft, Geschlecht, eine Behinderung, der Religion, Weltanschauung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung. Im Kern geht es dem Parlament nun darum, die bisher auf den Arbeitsmarkt zugeschnittenen Regeln zu verallgemeinern und auf den Zugang zu Gütern, zu Dienstleistungen sowie zum Bildungs- und Gesundheitswesen auszuweiten.[...]


    Mich stimmt das Argument des Politikers Thomas Mann nachdenklich: zu viele Schulungskosten würden für die Durchsetzung und Ausweitung des Antidiskriminierungsgesetzes einfallen... Als ob die Menschenrechte in Europa nur eine Frage des Geldes und der "Schulungskosten" seien...

    Muß man denn bei uns die Menschen noch extra "schulen", damit sie die Menschenrechte erkennen und respektieren können? :( ;( Dann wäre etwas in unserer Gesellschaft und in unserem Bildungssystem wohl falsch gelaufen, oder?

    Viele Grüße
    Jocelyne Lopez
  • Jocelyne Lopez schrieb:

    Muß man denn bei uns die Menschen noch extra "schulen", damit sie die Menschenrechte erkennen und respektieren können? :( ;( Dann wäre etwas in unserer Gesellschaft und in unserem Bildungssystem wohl falsch gelaufen, oder?
    Also, wenn das der Fall ist, dann ist mit der gesamten Menschheitsentwicklung etwas falsch gelaufen.


    EU Verfassung
    Auf Seite 433 der EU-Ersatz-Verfassung in Titel I, Artikel 2 Abs. 2 heißt es z.B. "Niemand darf zur Todesstrafe verurteilt oder hingerichtet werden"

    In den Erläuterungen zu diesem Artikel, sozusagen versteckt im Kleingedruckten, schimmert dann auf Seite 434 aber durch, wie das zu verstehen ist. In den Erläuterungen finden sich unter Punkt 3 die Ausnahmen von der Regel:

    ‘3. Die Bestimmungen des Artikels 2 der Charta (2) entsprechen den Bestimmungen der genannten Artikel der EMRK und des Zusatzprotokolls. Sie haben nach Artikel 52 Absatz 3 der Charta (3) die gleiche Bedeutung und Tragweite. So müssen die in der EMRK enthaltenen “Negativdefinitionen” auch als Teil der Charta betrachtet werden:

    a) Artikel 2 Absatz 2 EMRK:
    “Eine Tötung wird nicht als Verletzung dieses Artikels betrachtet, wenn sie durch eine Gewaltanwendung verursacht wird, die unbedingt erforderlich ist, um

    a) jemanden gegen rechtswidrige Gewalt zu verteidigen;

    b) jemanden rechtmäßig festzunehmen oder jemanden, dem die Freiheit rechtmäßig entzogen ist, an der Flucht zu hindern;

    c) einen Aufruhr oder Aufstand rechtmäßig niederzuschlagen”.

    b) Artikel 2 des Protokolls Nr. 6 zur EMRK:
    “Ein Staat kann in seinem Recht die Todesstrafen für Taten vorsehen, die in Kriegszeiten oder bei unmittelbarer Kriegsgefahr begangen werden; diese Strafe darf nur in den Fällen, die im Recht vorgesehen sind, und in Übereinstimmung mit dessen Bestimmungen angewendet werden ...’.

    Noch einmal das hier wesentliche als Auszug:
    “Eine T?tung wird nicht als Verletzung dieses Artikels betrachtet, wenn sie durch eine Gewaltanwendung verursacht wird, die unbedingt erforderlich ist, um einen Aufruhr oder Aufstand rechtmäßig niederzuschlagen”
    und
    “Ein Staat kann in seinem Recht die Todesstrafe für Taten vorsehen, die in Kriegszeiten oder bei unmittelbarer Kriegsgefahr begangen werden...”


    Frankreichs Führung, dessen Bevölkerung sich 2005 mehrheitlich gegen die EU-Verfassung ausgesprochen hatte, hat den Ersatz-Vertrag bereits fern von Volkes Wille ratifiziert, und in England hat die Labour-Regierung ein Referendum verhindert. Nach Plan sollen die 27 EU-Staaten den EU-Vertrag von Lissabon bis Anfang 2009 ratifiziert haben, damit er bei den Wahlen zum Europaparlament im Juni 2009 bereits in Kraft ist. Die EU-Staatschefs wollen die Wiederholung einer Ablehnung wie 2005 vermeiden. Einzig die Iren dürfen wohl im Mai (wie man jetzt weuß im Juni) direkt über das Vertragswerk entscheiden. Dort schrieb die Verfassung ein Referendum vor. Im Mai wird der Bundestag den Vertrag
    verabschieden. Ab Mitte 2009 wird er gültig. ....

    http://www.lutz-forster.de (Lutz Foster ist letztes Jahr leider im Alter von 42 Jahren verstorben)

    Man braucht nur in Google "EU Verfassung Seite 433" einzugeben. Aber ob dies noch genauso in der Verfassung, die ratifiziert werden soll drinsteht, entzieht sich im Moment noch meiner Kenntnis.

    Jo
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    Friedrich Nietzsche
  • Hm das is ja die EU Verfassung auf die du dich da beziehst, weiss jemand wie das in der "Änderung" aussieht? Ich steig bei dem Reformvertrag von Lissabonn nich durch, soll ja angeblich genau das selbe sein -.-
    Hier auswaertiges-amt.de/diplo/de/E…/ReformvertragInhalt.html gibt es den als pdf. Also ich sehe da keine Änderung zu diesem Artikel... aber is sehr unübersichtlich find ich, gibt kein Inhaltsverzeichnis.
  • Also für mich stellt sich das folgendermaßen dar:
    Die Seite: bpb.de, ist die Seite "Bundeszentrale für politische Bildung" und hier gibt es das Vertragswerk der EU-Verfassung, und ich denke auf dem neuesten Stand, was hätte es sonst für einen Sinn?

    Der Vertrag von Lissabon enthältr nur etwaige Änderungen in Bezug auf die ursprüngliche EU-Verfassung.

    Jo
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