Jahren wirft man denen, die die sogenannten Anti-Terror-Gesetze
kritisieren, vor, sie würden schlimmste Panikmache betreiben, einen
apokalyptischen Staat herbeiphantasieren und diesen politisch
instrumentalisieren, regelrecht eine Dystopie beschwören, die eben
durch solche Gesetzesmaßnahmen erst verhindert, nicht verwirklicht
würde. Diesbezügliche Gesetzespakete als Teufelswerk zu stilisieren,
wurde und wird als blinder Aktionismus dieser Apokalyptiker gesehen.
Denn den einzig wahren Aktionismus bedarf es nur in der Frage der
schnellen Umsetzung und in der effektiven Anwendung solcher Gesetze.
Wir sollten einsehen, dass man diese Kritiker zurecht gemaßregelt hat.
Denn wir brauchen diesen Schutz, wir müssen uns wahrlich vor dem
weltumspannenden Terrorismus schützen. Er lauert überall, kann uns
jederzeit ins Unglück stürzen.
Und um dieses Schutzbedürfnisses
willen, verabschiedete kürzlich der Senat und das Repräsentantenhaus
ein neues Geheimdienstgesetz. Prompt folgte die Antwort der Terroristen und machten damit ersichtlich, wie dringend nötig diese Kontrollgesetze doch eigentlich sind: "US-Präsident
George W. Bush hat sein Veto gegen ein Verbot der umstrittenen
Verhörmethode "Waterboarding" eingelegt, bei der die Gefangenen das
Gefühl haben zu ertrinken. Solche gesetzlichen Vorgaben würden die
Hände des Auslandsgeheimdienstes CIA im Kampf gegen "abgehärtete
Terroristen" binden, sagte Bush am Samstag in seiner wöchentlichen
Radioansprache." - Die Methoden der Terroristen sind wirklich
ausgefeilt und von höchstem technologischem Anspruch. Sie stürmen nicht
nur mit ordinären Teppichmessern Flugzeuge, sondern sie haben sich "alternative Methoden" entworfen, die gefangenen Personen vorgaukeln, dass man ihnen das Leben rauben würde, wenn sie nicht kooperierten.
Dies
ist die vielzitierte freiheitliche Demokratie, welche die westliche
Welt - allen voran die Vereinigten Staaten - dem gesamten Erdenrund
angedeihen lassen will. Man verurteilt und verfolgt muslimische
Fundamentalisten, die sich terroristischen Mitteln bedienen, wendet
aber gleichermaßen Terror an, wenn es sich der eigenen Sache als
dienlich erweist. Aber Terror ist erlaubt, wenn er im Sinne unserer
Ideologie, der Ideologie der freiheitlichen Gesellschaft, die sich
lediglich als "Freiheit der Renditen"
manifestiert, angewandt wird. Niemand denkt an die ETA, wenn man vom
internationalen Terrorismus spricht. Nein, der internationale
Terrorismus ist jener, der kulturell - und somit soziologisch - bedingt
die "Freiheit der Renditen"
nicht haben will. Die ETA bombt zwar, erschießt, bedroht, erpresst und
foltert, aber all diese Tätigkeiten nehmen sich milde aus, solange sie
das kapitalistische Wesen unserer Gesellschaft axiomatisch abnicken.
Die qualitative Unterscheidung nimmt sich folgendermaßen aus: Die
baskischen Separatisten lassen aus nationalistischen Gründen Bomben
detonieren, stellen das System aber nicht in Frage und morden demgemäß
nicht aus Gründen ideologischer Andersartigkeit. Daher ist das Tun
westlicher Folterknechte nicht als unmenschlich, sondern als notwendig
zu bewerten. Und daher verfolgen die geheimdienstlichen Inquisitoren,
wie einst die Ochrana, nicht nur Andersdenkende, sondern - wie im Falle
al-Masris - auch Andersaussehende.
Wer beschützt die Menschen
also vor dem wirklichen Terror? Vor dem Terror, der legitimiert durch
Volksvertreter, Parlamente und Gesetze wütet? Vor dem Terror, den man
als notwendiges Übel, als unvermeidlichen Teil des Systems begreift?
Vor dem Terror, der Krieg meint, wenn er Frieden sagt; der Sklaverei
meint, wenn er Freiheit sagt; der Unwissenheit als Grundlage seiner
Stärke ansieht? Vor dem Terror, den man kaum erkennt, weil er als
staatliche Institution auftritt? Vor dem Terror, den man nicht
kritisieren kann, weil man sonst selbst unter Verdacht gerät?
Terror ist zur Ansichtssache verkommen...
Geschrieben von
Roberto J. De Lapuente aus ad sinistram
Eine Frage von mir wäre noch, warum erkennen die meisten Staaten ohne einwände den Kosovo an, aber kein freies Baskenland, kein Kurdistan, kein Tschetschenien, kein Tibet,...?
Die Vollkommenheit ist unerreichbar. Gewiß ist die Vollkommenheit unerreichbar. Sie hat nur den Sinn, deinen Weg wie ein Stern zu leiten. Sie ist Richtung und Streben auf etwas hin.
- Antoine de Saint-Exupéry, Die Stadt in der Wüste
- Antoine de Saint-Exupéry, Die Stadt in der Wüste