[Deutschland] Sanktionen gegen Steueroasen

Diese Seite verwendet Cookies. Durch die Nutzung unserer Seite erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Cookies setzen. Weitere Informationen

  • [Deutschland] Sanktionen gegen Steueroasen

    BERLIN/VADUZ. Das deutsche Finanzministerium prüft die Möglichkeiten, den Geschäftsverkehr mit Liechtenstein zu erschweren. Eine Quellensteuer auf Geldströme wird überlegt. Liechtenstein wehrt sich heftig gegen die Vorwürfe aus Berlin.


    Die deutsche Regierung strebt nach Medienberichten konkrete Maßnahmen gegen Steuerhinterziehung mit Hilfe von Steueroasen wie Liechtenstein an. Das gehe aus einem Papier des deutschen Finanzministeriums hervor, berichteten gestern mehrere Tageszeitungen übereinstimmend.

    Die „Financial Times Deutschland“ und die „Frankfurter Rundschau“ schrieben unter Bezug auf dieses Papier des Finanzministeriums, deutschen Bürgern solle der Geschäftsverkehr mit derartigen Ländern erschwert werden. So könne beispielsweise eine Quellensteuer auf alle Geldströme erhoben werden.

    Entspannung brachte auch das gestrige Gespräch zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem liechtensteinischen Regierungschef Otmar Hasler nicht. Deutschland erhöht den Druck auf das Fürstentum. Man erwarte von Vaduz „konstruktive Mitarbeit“ beim Kampf gegen unfairen Steuerwettbewerb.

    Im Ministeriums-Papier steht laut „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ auch, dass der Finanzplatz Liechtenstein „zu einem guten Teil vom internationalen Steuerhinterziehungsgeschäft“ lebe.

    Für den Linzer Volkswirtschafts-Professor Friedrich Schneider ist diese Aussage eindeutig zu hart: „So kann man das wirklich nicht sagen!“ Liechtenstein müsse sich ändern und und überalterte Gesetze reformieren.

    Aber Liechtenstein sei längst nicht das größte Problem: „Wer genug Geld hat, geht in die Karibik“, sagt Schneider im OÖN-Gespräch. Dort gäbe es genügend Steueroasen.

    Dass die Steuerflucht gerade in Deutschland so ein Problem sei, habe sicher auch mit dem komplizierten Steuersystem zu tun. Wer findig sei, finde dort legale und illegale Wege, Steuer zu vermeiden. „Mit einigen Maßnahmen könnte man das deutsche Steuersystem sicher transparenter und gerechter machen“, sagt Schneider.

    Die „pragmatische Lösung“ Österreichs mit der Kapitalertragssteuer (KESt) und der Privatstiftung könne man sicher als Vorbild für Deutschland ansehen. Eine deutsche Variante der KESt, bei den Nachbarn Abgeltungssteuer genannt, ist ohnehin in Vorbereitung.

    Aufregung in deutschen Medien löste Schneider mit seiner Berechnung aus, dass der Großteil des von ihm auf 25 Milliarden Euro geschätzten Schadens durch Steuerhinterziehung von Beziehern kleiner und mittleren Einkommen verursacht werde. „Steuerhinterziehung ist die Rache des kleinen Mannes an der Gier der Großen“, sagte Schneider.

    Um diese Gier der Reichen zu bekämpfen, seien aus seiner Sicht Gefängnisstrafen die richtige Form der Abschreckung. Die Leute müssten vorher wissen, dass etwa bei einem Schaden von mehr als einer Million Euro eine Haftstrafe unabdingbar sei, dann wäre das eine ungleich wirksamere Abschreckung als hohe Geldstrafen und Freiheitsstrafen auf Bewährung.

    Quelle: nachrichten.at
  • soll die frage ein witz sein?

    gegenfrage:
    wem nützen bestrebungen zu mehr überwachung der kapitalströme?

    anders:
    welche rolle spielt es, ob kapitalflucht "legal" oder "illegal" stattfindet?

    lösung:
    ein gerechtes, überschaubares und ein weniger ausbeuterisches steuersystem, bringt tausendmal mehr, als jedes neue gesetz (...hydra köpfe abschneiden....)

    p. s.
    Bist Du jetzt dafür oder dagegen?

    im übrigen, bin ich wohl der selben ansicht wie du, vielleicht, falls ich dein statement dazu noch finde, finden werde =>


    gruß auch
  • wem nützen bestrebungen zu mehr überwachung der kapitalströme?
    Beim Thema Steuerhinterziehung zu allererst denjenigen der in Dtl. arbeiten geht und hier auch Steuern zahlt und dementsprechend Leistungen in Anspruch nimmt. Sekundär dem Staat.

    Hier noch ein Text wie Steueroasen funktionieren.

    Paradiesische Zustände
    Die Deutschen empören sich über Steuerflüchtige. Björn Tenger aber lebt gut von ihnen. Der Finanzmanager hat eine eigene Definition von dem, was erlaubt ist; Moral spielt da kaum eine Rolle. Kommt ein reicher Kunde zu ihm mit dem Wunsch, wenig zu versteuern, sucht Tenger nach Schlupflöchern. Dann verschiebt er internationale Gelder, auch wenn das heißt, dass der deutsche Fiskus leer ausgeht. "Das finde ich nicht verwerflich", sagt er. Schließlich seien Steuerberater für ihre Mandanten da und nicht für die deutschen Finanzbehörden.

    Tenger arbeitet seit neun Jahren in der westfälischen Provinz als Financial Manager. Auf seiner Homepage steht, was das bedeutet: "Steuerminimierung, Offshore-Handling", vor allem aber "Firmengründung." Auf Letzteres hat sich Tenger spezialisiert. Er hat Kontakte in die Schweiz, nach Asien, aber auch in die USA, nach Nevada und Delaware. Kunden vermittelt er eine Firma von der Stange, organisiert den Geldtransfer in die Welt und entwirft verwinkelte Konstruktionen, die den deutschen Finanzbehörden die Sicht auf Vermögen und Einkommen versperren sollen.

    Der gelernte Betriebswirt ist einer von Tausenden Beratern, ohne die im internationalen Finanztourismus nichts liefe. Sie sind Teil eines Systems, das dafür sorgt, dass "jene, die mehr Geld haben, auch mehr Möglichkeiten haben, Steuern zu umgehen", sagt der Schweizer Anwalt Lucius Blattner, der sich auf dem Feld der Wirtschaftskriminalität spezialisiert hat. Keiner dieser Berater wird nun zur Rechenschaft gezogen werden, wenn im Zuge der Liechtensteiner Affäre Steuersünder auffliegen. Meist schützen sie sich durch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen und verweisen auf die Handlungsfreiheit der Vermögenden.

    Stiftungs-Konstruktionen, wie der zurückgetretene Post-Chef Zumwinkel sie wählte, sind dabei eher nebensächlich. Das Netz der Möglichkeiten spannt sich längst weiter, über Asien, die USA, die Karibik hinüber zu Ländern wie Gibraltar oder den Marshall-Inseln. Auch gründen die Mandanten von Tenger zumeist keine Stiftungen, sondern Unternehmen in Ländern, in denen internationale Abkommen oft nicht greifen. Nach Schätzungen von Fachleuten liegt der Anteil des Schwarzgeldes, das über solche Firmenmodelle um die Welt fließt, bei sieben Prozent. Das Prinzip ist oft ähnlich, doch nie gleich. Tenger sagt: "Kein Fall ist wie ein anderer. Man muss für jeden Kunden eine maßgeschneiderte Lösung finden."

    Möglichkeiten gibt es genug. Die Wissenschaftler Dhammika Dharmapala und James R. Hines Jr. zählten in einer Studie vor anderthalb Jahren die Zahl möglicher Steuerhäfen - sie kamen auf vierzig. Was diese Finanzplätze gemein haben: Fast alle verfügen über ein robustes Regierungssystem, sind geopolitisch bedeutungslos und haben ein Gesellschaftsrecht, das es den Kapitalisten der Welt ermöglichst, unterzutauchen, ohne steuerlich belangt zu werden. Die Offshore-Plätze bieten zumeist nur ihr Rechtssystem für Geschäfte an, die sich in anderen Ländern abspielen. Davon profitiert die Steueroase oft selbst, die Pro-Kopf-Einkommen sind dort in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen.

    Gleichzeitig schaden die Off-Shore-Plätze dem internationalen Wirtschaftssystem. Denn die Anonymität nutzen nicht nur Steuerflüchtige, sondern auch Diktatoren, Betrüger und Verbrecher. Etliche Formen von Korruption können in den Steuerparadiesen ebenso verschleiert werden wie Insidergeschäfte. John Christensen, Sekretär der Organisation Tax Justice Network meint deshalb, dass Offshore-Finanzplätze zur Armut in der Welt beitragen. Im Jahr 2006, schätzt die Unternehmensberatung Boston Consulting, lagerten rund sechs Billionen Euro auf Konten von Finanzplätzen wie Jersey, Bermuda oder den Kaiman-Inseln.

    Doch es müssen nicht immer nur die Kaimans sein. Eine beliebte Steueroase liegt auch in Delaware, USA. Hier sitzen Google, Coca-Cola oder die Citibank und weitere 40 Prozent der Unternehmen, die an der Wallstreet gelistet sind. Das ist die Folge eines Wettlaufs um das liberalste Gesellschaftsrecht in den 60er Jahren mit den Bundesstaaten Maine und New Yersey. Am Ende gewann Delaware. Eine Firmengründung ist hier seither per Mausklick oder Anruf möglich. Vor allem aber benötigen die Firmen keine Mindesteinlage. Der Gründer wird Aktionär, zeichnet Anteilsscheine ohne Nennwert, bezahlt eine Gebühr und ist anschließend Besitzer einer Aktiengesellschaft. Dann setzt er einen Treuhänder ein, der seine Firma verwaltet und kauft für sein Geld Anteile an demselben Unternehmen. Für den deutschen Fiskus ist das nur selten zu durchschauen - das Geld ist außer Landes.

    Diese Konstruktion ist nur eine von vielen Spielarten. Sie funktioniert überall dort, wo Staaten kein Doppelbesteuerungsabkommen mit Deutschland oder einem anderen EU-Staat abgeschlossen haben. Dann haben die deutschen Finanzbehörden nichts mehr zu sagen. Doch selbst wenn Abkommen existitieren, lassen sie sich um gehen.

    Beispiel Gibraltar. Die britische Kronkolonie hat kein Doppelbesteuerungsabkommen mit den meisten europäischen Ländern, auch nicht mit Deutschland. Gründet ein deutscher Unternehmer nun eine Gesellschaft (Limited) in England, die wiederum eine deutsche GmbH als Muttergesellschaft hat, und macht gleichzeitig eine Firma in Gibraltar auf, die sowohl die deutsche wie die englische Firma übernimmt, kann er die Gewinne dort bilanzieren - in Deutschland und England hingegen nur die Kosten. Die Gewinne aber muss er in Gibraltar nicht versteuern.

    Ähnliches funktioniert in den Niederlanden. Auch dort wird eine Firma gegründet, niederländisch BV abgekürzt. Sie allerdings dient nur als Zwischenstation. Vielmehr braucht es noch eine Gesellschaft als Holding auf den niederländischen Antillen, also auf Curacao, Aruba oder Bonaire. Diese Inseln gehören zwar zum niederländischen Königreich, nicht aber zum Staat der Niederlande selbst und sind deshalb auch nicht Mitglied der Europäischen Union. Die Holding in der Karibik übernimmt anschließend die niederländische BV. Wegen des Doppelbesteuerungsabkommens innerhalb der EU muss der deutsche Besitzer hierzulande keine Steuern zahlen - die Firma sitzt ja in Holland. Dort fallen jedoch nur Kosten oder kleine Gebühren an. Der Gewinn wird in die Karibik zur Holding verschoben, wo die Steuersätze sehr gering sind. Allerdings braucht es hier einen Verwalter. Ganz so leicht wie in Delaware ist das System also nicht. Und auch bekannter. Der Tennis-Manager Ion Tiriac beispielsweise flog damit vor Jahren auf.

    Doch so leicht wie es ist, Geld aus dem Land zu schaffen, so schwer ist es, dasselbe wieder zurückzuholen. Denn wenn auf einmal große Mengen frisches Geld auftauchen, werden die Behörden oftmals stutzig. Deshalb bleibt vielen nur, das Geld im Ausland zu belassen - oder auf Reisen zu gehen. "Was meinen Sie, warum so viele Menschen in St. Moritz Skilaufen", fragt der Schweizer Anwalt Blattner. "Sicherlich nicht nur, weil es dort so schön ist, sondern weil die Leute nur dann an ihr Geld und ihre Konten rankommen."

    Doch auch hierfür haben Steuertrickser ein Patentrezept. So könnte zum Beispiel die gegründete Firma in Gibraltar, Kaiman oder den Antillen hierzulande ein Haus kaufen. Der Eigentümer der Firma wohnt dann zur Miete darin und bezahlt der Firma, die ihm selbst gehört, monatlich Miete. Der Clou daran: Diese kann er unter Umständen auch noch von der deutschen Steuer absetzen.

    Versuche, die Steueroasen zu bekämpfen, gab es einige. 1998 startete die OECD eine Initiative und listete alle Staaten auf, die nicht kooperieren. Zwar lenkten einige Staaten ein; Kritiker wie der Linzer Ökonom Friedrich Schneider mutmaßen aber: nur auf dem Papier. Tatsächlich böten die Länder noch immer sichere Häfen für Gelder aus aller Welt. Finanzmanager wie Tenger dürften dagegen nichts einzuwenden haben. Schlupflöcher sind gut für's Geschäft.

    Quelle: Die Zeit

    Noch etwas aus der Zeit.


    »Das Monster ist außer Kontrolle«
    Der britische Steuerfluchtexperte Richard Murphy wirft den Regierungen vor, dass sie Steueroasen tolerieren.

    DIE ZEIT: Sind Sie überrascht, dass gleich knapp 1.000 Deutsche in die Liechtensteiner Affäre verwickelt sein sollen?

    Richard Murphy: Nein, das ist keine Überraschung. In Großbritannien hatten wir im vergangenen Jahr einen Fall, bei dem sich am Ende etwa 60.000 Menschen freiwillig selbst anzeigten. Steuerexperten wissen, dass eine sehr große Zahl Deutscher in Steueroasen wie Luxemburg und Liechtenstein Konten unterhält, um Steuerpflichten zu umgehen. Die Methoden sind nur feiner geworden.

    ZEIT: Mit dem klassischen Geldkoffer, der unter dem Autositz in die Alpen geschmuggelt wird, hat das also nichts mehr zu tun?

    Murphy: Nein, der ist aus der Mode gekommen, jedenfalls in diesen Kreisen. Üblicher ist es, Scheingeschäfte zu tätigen. Da fließen gewaltige Beraterhonorare, da werden Transaktionen vorgetäuscht, komplett mit Rechnungen und Geschäftsbüchern und Meldungen an die Behörden. Man schätzt, dass sieben Prozent allen Schwarzgeldes durch scheinbar legale Firmen um die Welt fließt.

    ZEIT: Wer organisiert so etwas?

    Murphy: Einige der großen Steuerberatungs- und Buchprüfungsfirmen. Solche Firmen sitzen in Liechtenstein, einem Staat, der gut 34.000 Einwohner zählt, das ist eine kleine Stadt in den Alpen. Wirtschaftlich ist da nichts los. Doch irgendwer ist offenbar bereit, die hohen Gebühren dieser Firmen zu bezahlen. Wenn Sie übrigens die Websites großer Steuerprüfer besuchen, wird es Ihnen nur schwer gelingen, die Liechtensteiner Büros zu finden. Auf der Website von Ernst & Young ist es zum Beispiel unter »Schweiz« versteckt.

    ZEIT: In Liechtenstein und an anderen Offshore-Finanzplätzen weist man Ihren Vorwurf der Geheimniskrämerei weit von sich. Dort hört man: Die Leute kommen wegen unserer spezialisierten Finanzprodukte.

    Murphy: Ja, nur wenn Sie dann genau hinschauen, werden diese Finanzprodukte anderswo auf der Welt gemanagt! In Wahrheit geben diese Staaten lediglich ihr Rechtssystem für finanzielle Vorgänge her, die de facto anderswo geschehen. Eine Scheinwelt. Nehmen Sie Liechtenstein. Das grundlegende »Finanzprodukt«, das dieses Finanzzentrum anzubieten hat, ist die Liechtensteiner Stiftung…

    ZEIT: …die jetzt angeblich von Klaus Zumwinkel und anderen Steuersündern missbraucht wurde.

    Murphy: Was heißt hier missbraucht? Die Liechtensteiner Stiftung ist eines der geheimnisvollsten Finanzvehikel der Welt. Das Regelwerk einer solchen Stiftung kann nicht eingesehen werden. Nirgendwo werden Aufzeichnungen darüber geführt, wer die Stiftung gegründet hat. Theoretisch bekommt Liechtenstein eine geringe Steuer, doch selbst dort sind die Steuerbehörden auf die Ehrlichkeit des verwaltenden Anwalts angewiesen. Es gibt nämlich auch keine Pflicht zur Kontoführung.

    ZEIT: Noch kein Beweis für Illegales.

    Murphy: Kann denn irgendjemand – ein Steuerberater, ein Anwalt, ein Bankier – glauben, dass diese Konstruktionen für irgendetwas anderes benutzt werden als für verwerfliche Zwecke? Es kommen ausschließlich Kunden aus dem Ausland. Die Gründer zahlen sehr hohe Gebühren. Die meisten geben selbst an, dass sie nicht in Liechtenstein wohnen. Die Berater in Liechtenstein wissen also, dass irgendwo auf der Welt Steuern auf die Erträge dieser Stiftungen anfallen müssten, und ich garantiere Ihnen, dass diese in den allermeisten Fällen nicht gezahlt werden. Die Berater wissen also, dass dieses Spiel betrügerisch ist. Doch Liechtenstein ist eine verschwiegene Welt.

    ZEIT: Die 1.000 Namen, die den deutschen Behörden zugespielt wurden, waren also ein einmaliger Glücksfall?

    Murphy: Richtig. Aber Ermittler sind fast immer auf solche Glücksfälle angewiesen, um den Schutzwall der Geheimhaltung zu durchbrechen. Sonst ist es fast unmöglich, Einzelpersonen auf die Spur zu kommen. Bei registrierten Unternehmen sind unsere Chancen schon größer, weil deren Buchungen mehr Spuren im System hinterlassen.

    ZEIT: Wie häufig werden Fahnder fündig?

    Murphy: Das kommt auch darauf an, wie viele Leute intensiv hinschauen. Die britischen Steuerbehörden etwa kamen im vergangenen Jahr dahinter, dass die Banken einiger Steueroasen bestimmte Computerbuchungen auf dem britischen Festland vornahmen. Also konnten sie diese Daten beschlagnahmen. Gelegentlich gibt es undichte Stellen im System der Geheimniskrämer, wie jetzt in Liechtenstein. Wer die Augen offen hält, kann auch viele Fakten aus Gerichtsakten oder dem Kleingedruckten in Geschäftsberichten ablesen.

    ZEIT: Klingt trotzdem so, als kratzten die Fahnder nur an der Oberfläche herum.

    Murphy: Fast nie sind seriöse und umfassende Studien über die Finanzströme gelungen, über die wirtschaftliche Basis dieser Finanzplätze, über die wichtigsten Akteure. Es gibt auch kaum ernsthafte rechtswissenschaftliche Arbeiten darüber, wie man diese Finanzzentren zur Herausgabe von Informationen zwingen könnte. Wir wissen über all diese Dinge noch sehr wenig.

    ZEIT: Kein Wunder, wenn alles so geheim ist.

    Murphy: Es wird aber auch nicht konsequent darüber nachgedacht. Wir müssen uns darüber klar werden, dass dies ein internationales Phänomen ist, das man nicht am Beispiel eines einzelnen Landes erschöpfend untersuchen kann – und auch nicht in einem einzigen Land bekämpfen. Da fließt Geld durch komplexe finanztechnische Strukturen, die von Banken, Buchhaltern und Anwälten aufgebaut werden und die weder technisch noch rechtlich einen festen Platz auf der Welt haben.

    ZEIT: Sie meinen, niemand fühlt sich zuständig?

    Murphy: Genau. Deutsche Behörden kümmern sich um Finanztransaktionen in Deutschland. Wenn sie den Eindruck haben, dass sie in Großbritannien stattfinden, bitten sie die britischen Behörden um Amtshilfe. So funktioniert das System der Überwachung und Regulierung. Aber hier richten Regierungen wie die von Liechtenstein bewusst Strukturen ein, die die Regeln anderer Staaten unterwandern sollen.

    ZEIT: Man könnte die Staaten unter Druck setzen.

    Murphy: Schon, aber da kommt ein Problem hinzu: Viele Regierungen und Behörden wollten das in der Vergangenheit gar nicht. Für den eigenen Finanzmarkt, etwa London, können solche Einrichtungen sehr hilfreich sein. Entsprechend viel Lobbying wurde betrieben. In Offshore-Zentren geht man ja nicht nur so locker mit den Steuerpflichten in anderen Staaten um, sondern auch mit der Aufsicht über bestimmte Finanzinstrumente. Erst jetzt, wo das Problem so groß geworden ist, wo Geldwäsche als echte Bedrohung der Staaten wahrgenommen wird und enorme Steuersummen hinterzogen werden, heißt es: Das Monster ist außer Kontrolle!

    ZEIT: Und Sie sagen, das Monster wurde überhaupt erst mit offizieller Genehmigung losgelassen?

    Murphy: Ja. Auch einige Staaten haben die Offshore-Finanzzentren für ihre Zwecke benutzt, das ist ein offenes Geheimnis. Die Franzosen haben darüber ihre Ölgeschäfte unterstützt, die CIA hat verdeckte Operationen in Mittelamerika finanziert und vieles mehr. Die britische Regierung hat sogar vielen ihrer abhängigen Gebiete vorgeschlagen, Offshore-Finanzzentren einzurichten, als Einnahmequelle. Die Hälfte aller Steueroasen sind heute britische Hoheitsgebiete! Kein Zufall.

    ZEIT: Kann man das denn noch zurückschrauben?

    Murphy: Klar. Wenn die Staatengemeinschaft es ernst meint, kann sie die Steueroasen über Nacht schließen. Wir schalten die Computer ab, die diese Zentren mit unseren Finanzplätzen verbinden. Wir machen es illegal, Geld dorthin zu überweisen. Wir verbieten Kreditkartenfirmen, an diesen Orten anonyme Karten auszustellen. Bloß eine Frage des politischen Willens.

    ZEIT: Es gab doch schon solche Versuche.

    Murphy: 1998 etwa hat die OECD eine Initiative gestartet, um Steueroasen unter Druck zu setzen. Sie bekam aber gleich Probleme. Erstens, weil einige OECD-Länder nicht mitmachen wollten, etwa die Schweiz und Luxemburg. Zweitens, weil aus einer sehr rechten, wirtschaftsliberalen Ecke in Amerika großer Widerstand kam. Wirtschaftsliberale Thinktanks, gut finanziert von Banken, Buchhaltern und Rechtsanwälten, redeten auf die Bush-Administration ein. Die Strafaktion gegen Steueroasen unterwandere den Steuerwettbewerb auf der Welt. Die Initiative verlor ihren Schwung.

    ZEIT: Das war vor den Terroranschlägen vom 11. September 2001. Seither kämpfen gerade die Amerikaner erbittert gegen die Geldwäsche.

    Murphy: Ja, weil diese beim Finanzieren von Terrororganisationen hilft. Da hat es seither viele Initiativen und auch viel Druck auf die Offshore-Finanzzentren gegeben. Aber schauen Sie einmal genau hin, etwa bei den jüngsten Vorstößen des Internationalen Währungsfonds IWF zu diesem Thema: zur Steuerhinterziehung kaum ein Wort.

    Richard Murphy (49) ist ein renommierter Experte für Steuerflucht und Geldwäsche. Der gelernte Steuerprüfer spürt im Auftrag von Untersuchungskommissionen, Nichtregierungsorganisationen oder Medien Steuersünden und Korruptionsfällen nach. Er hat das Tax Justice Network mitgegründet, eine weltweit tätige Nichtregierungsorganisation, die Informationen über Finanzoasen zusammenträgt. Murphy lebt in Norfolk, England

    Die Fragen stellte Thomas Fischermann

    Quelle: Die Zeit
  • Ich fand das Statement des Luxemburger Königs (?) sehr gut:

    " Einer Studie zufolge ist das Deutsche Steuersystem weltweit das schlechteste Steuersystem, mit Ausnahme von Togo."

    Das Wahlversprechen des Rot-grünen (?) die Steuererklärung auf einen Bierdeckel zu bringen, ist kläglich untergegangen!!

    Weiss jemand, welche Studie der Luxemburger Meister herangezogen hat.

    Ich denke in eurem Faden auch oft an den Steuerzahlergedenktag!.

    ARMES DEUTSCHLAND.
    "Nur wer im Wohlstand lebt, schimpft auf ihn." Ludwig Marcuse
  • Quelle:
    radio-utopie.de/2008/02/26/sch…-eigentum-bundesrepublik/

    Zitat aus der Einleitung:
    Berlin: Die reichsten zehn Prozent der Deutschen haben Einnahmen von rund 100 Milliarden Euro, versteuern aber nur Erträge von 20 Milliarden. Zwei Drittel aller Haushalte haben dagegen nur ein geringes oder gar kein Vermögen.

    In einer Demokratie wäre die Sache schnell geklärt, wenn sie erst einmal begriffen wäre.

    Nun greift die Elite - laut Meinung des Eliteforschers Michael Hartmann etwa 4000 Personen (1) - zur Rettung ihrer Besitzstandswahrung über die Republik zum letzten Anker: schwarz-grün.
    Zitat Ende

    - danach geht der Text in die Innenpolitik.

    Aber wir halten Mal folgendes fest. Eigentlich ist Bankenkrise und den Banken fehlen etwa 10 Milliarden Euro (Tendenz steigend). Das ist natürlich unschön für den Wahlbürger. Also wird eine Ablenkung gefahren, die Verfolgung der angeblichen Steuerhinterzieher! Und es werden ja schon Erfolge gemeldet! Es wurden schon 32 Millionen Euro nachgezahlt, Tendenz steigend und es steht noch die gleiche Summe aus, durch eröffnete Untersuchungsverfahren, Hurra! "Es gibt keine Ungleichbehandlung bei der Steuerverfolgung" las ich auf der Titelzeile einer Tageszeitung, toll nicht? Und 32 x 2 ist ja mehr als 10 oder? Also 74 Millionen ist ja mehr als 10 Milliarden, nicht wahr? So soll es zumindest in die Köpfe der Bürger eindringen. Das Bundesfinanzministerium hat schon 32 Millionen überwiesen bekommen, was sind da schon 10 Mrd Verluste? Naja, eben nur 9968 Millionen mehr! Aber das wissen ja nur die, die mit Zahlen größer 100 umgehen. Und das sind nicht die Normalverbraucher, die immer nur Cents in ihrem Portemonaie rumtragen. Und das ist der eigentliche Grund dieser Jagd auf Steuersünder in der Oberliga.

    Sach ich getz ma´so!
    EO
    nenn mich EO
    zu Ende denken
  • Stützkorsett der Weltfinanzwirtschaft

    Organisierte Steuerhinterziehung ist ein so alltägliches wie weltweites Phänomen und gehört zu den Schönheiten des globalen Kapitalismus, über die man für gewöhnlich lieber schweigt. Steueroasen sind ebenso wenig neu wie der unlautere Steuerwettbewerb der Nationen.

    Einige Länder - voran die Schweiz und Liechtenstein, Monaco, Andorra und die Bermudas - haben schon vor Jahrzehnten damit begonnen und sind reich geworden. Zunächst mit niedrigen Einkommens- und Vermögenssteuern, die sich die neutrale Schweiz als Kriegsgewinnler im Ersten Weltkrieg leisten konnte.

    Während der Weltwirtschaftskrise der dreißiger Jahre bauten die Schweiz und Liechtenstein ihr Bankgeheimnis aus, um Kapitalflucht zu erleichtern.

    Aber erst während des langen Nachkriegsbooms nach 1945 und mit dem Aufstieg der multinationalen Konzerne wurde aus dem Steuerwettbewerb ein lukratives Geschäft, an dem immer mehr kleine Länder teilhaben wollten. Die einst so stolzen Nationalstaaten lernten rasch, wie viel Kapital sie anlocken konnten, indem sie ihre Souveränität künstlich teilten und Sonderzonen mit Sondergesetzen für ausländische Vermögen kreierten.

    Der eigentliche Boom der Steueroasen begann mit den deregulierten Finanzmärkten sowie dem Abbau der Devisenkontrollen seit Mitte der siebziger Jahre.

    Noch rascher als die Zahl der Steueroasen wuchs nun die Zahl der multinationalen Unternehmen und ihrer Tochterfirmen, von denen immer mehr gezielt in Offshore-Finanzzentren gegründet wurden.

    Heute gehören diese Steueroasen zum System der internationalen Finanzmärkte, sie bieten Beihilfen für Steuersparer und andere, in der Regel hoch spezialisierte Finanzdienstleistungen. Sie sind vorrangig für die international operierenden Banken und das moderne Finanzkapital - die Investmentfonds, die Hegde-Fonds und sonstige reine Finanzierungsgesellschaften - ein Stützkorsett der Weltfinanzwirtschaft. Und für die großen Geldmärkte wie London, New York oder Tokio bilden sie keine Gefahr, im Gegenteil.

    Was Liechtenstein für den Finanzplatz Schweiz, das sind die britischen Steueroasen und Offshore-Zentren für die City of London:

    Eine Parallelwelt der grauen und schwarzen Finanzmärkte, von Nationalstaaten geschaffen und für das Vereinigte Königreich gedacht, wie Anguilla, die Bahamas, die Cayman-Inseln, Gibraltar oder die Kanalinseln.

    Für die Geschäfte der Steueroasen sind die Zumwinkels und die Politikaster der bürgerlichen Parteien mit ihren Schwarzgeldkonten nicht sonderlich interessant. Sie gehören eher zur tumben Sorte.

    Wirklich clevere Manager verfahren höchst legal, indem sie sich bei verschiedenen Tochtergesellschaften ihres Konzerns in verschiedenen Ländern anheuern und bezahlen lassen. Unter anderem zu diesem edlen Zweck machen sie von der Gelegenheit Gebrauch und gründen mit wachsender Begeisterung immer neue Schein- und Tochterfirmen (oft genug reine Briefkastenadressen). Allen voran die Manager der großen internationalen Banken und Finanzkonzerne.

    Sie sind es, die von der erbitterten Konkurrenz der Steueroasen, von einer absichtsvoll geschaffenen und kunstvoll manipulierten Ex-Territorialität profitieren.

    Weltkonzerne haben heute Hunderte von Tochterfirmen, und etablierte Steueroasen beherbergen Zehntausende von Scheinfirmen besonderen Rechts - jedes Jahr kommen Tausende hinzu. Auf den britischen Jungferninseln geht die Zahl der Firmengründungen pro Jahr in die Zehntausende.

    Die G 8 halten sich an eine offizielle Liste mit 42 Steueroasen, die OECD nennt 47, beides sind lächerliche Untertreibungen. Steuer-Spezialisten gehen von wenigstens 70 politischen Einheiten aus, die hauptsächlich davon leben, ausländisches Geld und Kapital anzulocken und ihm Schutz zu gewähren. Die fälligen Gebühren für diese Dienstleistungen sind niedrig - die Masse der Transaktionen macht es.

    Wenn man sich klar macht, dass allein die britischen Jungferninseln, Hongkong und Panama zusammen mehr als eine Million Briefkastenfirmen beherbergen, versteht man, dass dies Kleinvieh sehr viel lukrativen Mist macht.

    Weltweit, besagen Schätzungen, haben die Reichen und Superreichen mehr als 30 Prozent ihres Gesamtvermögens auf den Offshore-Finanzplätzen geparkt.

    Diese Anlagen und Depots stammen größtenteils aus dem Mittleren Osten, aus Asien und Westeuropa (den Löwenanteil verwalten Schweizer Banken). Über ein Fünftel (23 Prozent ) aller Bankeinlagen weltweit befindet sich in den Steueroasen, wenigstens drei Billionen US-Dollar nach konservativen Schätzungen. Zwischen elf und dreizehn Billionen Dollar an ausländischem Kapital und Vermögen in allen Formen sind insgesamt in den Offshore-Finanzzentren untergebracht.

    Fast 50 Prozent der weltweiten, grenzüberschreitenden Finanztransaktionen gehen durch sie hindurch (die Cayman-Inseln sind das fünftgrößte Bankenzentrum der Welt). Nach den übervorsichtigen Analysen des internationalen Tax Justice Network entstehen dadurch den Herkunftsländern des Fluchtkapitals Steuerausfälle in Höhe von 250 bis 300 Milliarden Dollar pro Jahr. Peanuts sind etwas anderes.

    Auch OECD und EU haben Kampagnen gegen “unfairen Steuerwettbewerb” und Geldwäsche gestartet. Sanft und diplomatisch geht es dabei nicht zu - es wird mit schwarzen Listen und ziemlich deutlichen Boykottdrohungen operiert. Auch Liechtenstein mit seiner jährlich um gut 1.000 Eingaben wachsenden Liste ausländischer Holding-Gesellschaften und Stiftungen steht am Pranger.

    Die Europäische Union schreckt heute selbst vor altehrwürdigen Steueroasen wie dem Vatikan und der Schweiz nicht mehr zurück.

    Etliche Oasenländer haben inzwischen dem Druck nachgegeben und sich bereit erklärt, zwecks Aufklärung von Steuerdelikten und Geldwäsche zu kooperieren, also das Bankgeheimnis gelegentlich zu lüften. Liechtenstein gehört zu den schweren Fällen, doch gelingt es den Steuerbehörden der USA auch dort, ihrer Steuersünder habhaft zu werden und die US-Zins- und Dividendenbesteuerung durchzusetzen. Auch die liechtensteinische LGT-Bank, die jetzt im Mittelpunkt des deutschen Steuerskandals steht, führt seit 2002 für ihre Kunden aus den USA brav die fällige Quellensteuer auf alle Wertpapiererträge an die US-Steuerbehörde ab. Es reichte die unverhohlene Drohung, nicht-kooperationswillige Banken aus Liechtenstein vom US-Kapitalmarkt auszuschließen. Für Deutschland und die EU sollte das nicht möglich sein?

    Eigentlich schon. Wenn, ja wenn das Vereinigte Königreich, der Vormund zahlreicher Steueroasen, mitspielen würde.

    Das ist der Kern des Problems: In EU-Europa sitzen die Schurkenstaaten mit am Tisch, wenn über gemeinsame Aktionen gegen Steuerhinterziehung und Kapitalflucht beschlossen werden soll.

    Luxemburg, Österreich, die Niederlande, Großbritannien, Frankreich als Schutzmacht Monacos, sie alle spielen ein übles Spiel, sind Geschädigte und Profiteure zugleich. Und die europäischen Eliten haben sich dem Aberglauben an die wunder- und wohltätige Kraft des Wettbewerbs auf allen Gebieten verschrieben.

    Wer sollte, wer wollte also den unlauteren Steuerwettbewerb stoppen, der auf Kosten aller europäischen Gemeinwesen (und weit darüber hinaus) geht? Wer, wenn nicht die Bürger Europas, die sich die Enteignung und Verarmung ihrer Gemeinwesen, die Kommerzialisierung ihrer Souveränität nicht länger gefallen lassen müssen und können?

    Quelle: Michael R. Krätke (entnommen aus: Finanzblog24)

    Professor für Wirtschafts- und Steuerrecht
    sowie Volkswirtschaft an der
    Universität von Amsterdam.
  • Andorra beugt sich dem Druck der Steuerfahnder

    Nachdem im Zuge des Steuerskandals in Deutschland Drohungen gegen das Land in den Pyrenäen laut wurden, setzt Andorra jetzt alles daran, um von der Schwarzen Liste zu verschwinden.

    Der Pyrenäen-Kleinstaat Andorra ist um sein Image besorgt. Wie die Zeitung «La Vanguardia» (Barcelona) am Montag berichtete, will Ministerpräsident Albert Pintat dem Land bis Ende des Jahres eine weiße Weste verpassen.

    Das Fürstentum habe bereits Verhandlungen mit der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) aufgenommen, die diese Liste erstellt. In Europa stehen Liechtenstein, Monaco und Andorra auf der Schwarzen Liste der OECD. Nach Angaben der Zeitung ist allerdings nicht bekannt, welche Zugeständnisse Andorra machen will, um von der OECD-Liste gestrichen zu werden.

    Spanien hält Andorra für vorbildlich

    Die Verantwortlichen in Andorra seien besorgt, dass das Fürstentum im Rahmen der Offensive Berlins gegen die Steuerparadiese ebenfalls ins Visier der deutschen Steuerfahnder geraten könnte, schrieb «La Vanguardia». «Die Drohungen der deutschen Bundesregierung gegen die Steuerparadiese beunruhigen Andorra.»

    Spanien bescheinigte jedoch dem kleinen Nachbarland, dass die Lage in Andorra nicht mit der in Liechtenstein zu vergleichen sei. «Die Behörden in Andorra arbeiten vorzüglich mit den spanischen Finanzämtern zusammen», betonte der spanische Europa-Staatssekretär Alberto Navarro kürzlich nach einem Andorra-Besuch. «Wenn Andorra seine Hausaufgaben erledigt, wird Spanien mit dem Fürstentum ein Doppelbesteuerungsabkommen schließen. Dies wird es Andorra erlauben, von der Schwarzen Liste der OECD zu verschwinden.»

    Andorra (66 000 Einwohner) liegt in den Pyrenäen an der spanischen und französischen Grenze. Das Amt des Staatsoberhaupts teilen sich zwei Co-Fürsten. Dies sind der französische Präsident Nicolas Sarkozy und der Bischof der spanischen Kleinstadt Seu d'Urgell, Joan Enric Vives. (dpa)
  • Aufmarsch gegen Steueroasen
    Es wird eng für Europas 24 Steueroasen

    Die bestechend lukrative Geschäftsidee, geheime Bankdaten an ausländische Steuerbehörden zu verkaufen, findet Nachahmer: Nach dem folgenschweren Verkauf von Bankdaten durch einen anonymen Mitarbeiter der Liechtensteiner LGT an deutsche Steuerbehörden ist es nun ein Schweizer, der sich den Lebensabend mit dem illegalen Lüften des Bankgeheimnisses versüßen will. Diese Woche wurden den badenwürttembergischen Steuerbehörden die Daten von 30.000 Schweizer Bankkonten angeboten – Aufdeckung deutscher Steuersünder garantiert. Schweizer Bankangestellte verpflichten sich zwar, so will es das dortige Bankkundengeheimnis-Gesetz, bis zu ihrem Tod zu schweigen. Doch das Bankgeheimnis hat gerade keine gute Konjunktur.
    Die europaweite Offensive gegen Steueroasen und das Bankgeheimnis wird mit der zu erwartenden Entdeckung weiterer Steuersünder neuen Zündstoff bekommen: Deutschland zeigt sich derzeit unbarmherzig gegenüber Ländern, die das Bankgeheimnis groß schreiben – und damit deutschen Steuerflüchtlingen sichere Häfen für ihr Kapital bieten. Angela Merkel hat am vergangenen EU-Gipfel weitere Verbündete gefunden. Die großen EU-Länder haben genug davon, dass ausgerechnet ihre lukrativsten Einnahmequellen – Reiche und Konzerne – Gewinne, Einkommen und Vermögen nicht mehr versteuern, sondern sich auf Steueroasen zurückziehen. Und damit sind nicht nur die Schweiz, Liechtenstein und ein paar Karibikländer gemeint.
    Allein in Europa gibt es je nach Definition etwa 24 Steueroasen. Die meisten liegen, eng an EU-Länder angebunden, halb extraterritorial in Zwergstaaten wie Andorra, Monaco, San Marino, Liechtenstein. Oder sie können dank seltsamer Konstruktionen EU-widrige Steuergesetze erlassen: So sind die Kanalinseln zwar Teil Großbritanniens, aber nicht der EU. Aber auch EU-Länder nehmen steuerflüchtiges Kapital gerne auf: In der City of London zahlen Ausländer jahrelang keine Steuern – Herbert Grönemeyer profitiert davon ebenso wie russische Oligarchen. Belgien, Luxemburg und Ungarn gelten ebenfalls als Steueroasen. Österreich zählt halb dazu: Die OECD setzte das Land wegen „potenziell schädlicher Steuergesetzgebung“ im Jahr 2000 auf die schwarze Liste. EU-Kommissar Laszlo Kovacs forderte Österreich letzte Woche unmissverständlich auf, die OECD-Standards endlich einzuhalten: Das Bankgeheimnis sei unzeitgemäß, es aufzuheben eine „Frage der Moral“.
    Und der Druck steigt: Denn Steueroasen und Bankgeheimnis sind nicht mehr nur für Entwicklungsländer ein echtes Problem. Die Liberalisierung der Kapitalmärkte und das Fallen der Grenzen haben Kapital weltweit mobil gemacht. Die Steuerbehörden sind hingegen nach wie vor auf ihre nationalen Territorien beschränkt – und können sich da fast nur mehr an die Mittelklasse und an KMUs halten: Denn sowohl große Privatvermögen als auch internationale Unternehmen können sich der 70 Steueroasen weltweit bedienen, um der Besteuerung zu entgehen. Dieses Geld fehlt in den Staatskassen – und das wiederum gibt Merkel & Co den Rückenwind, den sie brauchen, um Druck auf die Steueroasen auszuüben.

    Jährlicher Steuerentgang: weltweit 255 Milliarden Dollar. Etwa sieben Billionen Dollar liegen weltweit in Steueroasen, schätzt die OECD. Das „Tax Justice Network“ kommt sogar auf 11,5 Billionen. Der „World Wealth Report“ von Capgemini schätzt, dass ein Drittel der großen Vermögen in Steueroasen geparkt sind. Der jährliche Steuerentgang für Staaten beläuft sich weltweit auf geschätzte 255 Milliarden Dollar allein durch die Steuerflucht bei Privatvermögen – mehr als die UN bräuchte, um all ihre Entwicklungsziele zu erreichen. Zusätzlich entgehen den Staaten jene Steuern, die Konzerne durch komplexe Vermeidungsstrukturen nicht abliefern. John Christensen, Ökonom und ehemaliger Berater des Staates Jersey in Steuerfragen, erklärt: „Wir haben ein Modell für einen Konzern entwickelt, der Bananen von Costa Rica nach England importierte. Während die Bananen real mit dem Schiff nach Rotterdam und dann nach Plymouth fuhren, legten sie auf dem Papier einen komplizierten Weg über Jersey, Luxemburg, die Cayman Islands, Virgin Islands und die Isle of Man zurück: Überall dort wurden Dienstleistungen verrechnet, bis der Gewinn sowohl im Herkunftsland als auch im Empfangsland bei null lag und keine Steuern gezahlt wurden.“
    Der Steuerexperte Raymond Baker schätzt in seinem Buch „The Achilles Heel of Capitalism“, dass jährlich 1,1 bis 1,6 Billionen Dollar an „schmutzigem Geld“ grenzüberschreitend verschoben werden, zwei Drittel davon zum Zweck der Steuerhinterziehung, ein Drittel aus anderen kriminellen Aktivitäten. Steueroasen bieten diesem Geld die nötige Diskretion.
    Selbst Menschen, die für mehr Staatsausgaben eintreten, sind vor den Verlockungen nicht gefeit: So fordert U2-Sänger und Aktivist Bono Vox etwa sein Heimatland Irland auf, wesentlich mehr Geld für Entwicklungshilfe auszugeben – trägt aber selbst nicht dazu bei: U2 hat seinen Firmensitz steuersparend in die Niederlande verlegt. „Ich kenne kein einziges Unternehmen, das mehr Steuern zahlt, als es muss“, verteidigte sich Bono Vox. Gelegenheit macht eben Diebe – noch dazu, wo es sich in diesem Fall um legale Konstruktionen handelt.

    Jährlicher Steuerentgang: weltweit 255 Milliarden. Die Gelegenheiten zur Steuerhinterziehung wollen die EU-Länder nun zumindest im eigenen Territorium unterbinden. Großbritannien machte diese Woche den Anfang und forderte per Brief 5.000 Investoren, die Geld in Offshore-Konten versteckt halten, auf, ihre Konten offenzulegen. Pikantes Detail: Der Großteil des Schwarzgeldes ist nicht etwa in der Karibik, sondern auf den britischen Kanalinseln gebunkert. Auf EU-Ebene ist man sich seit dem Gipfel letzte Woche so gut wie einig, die Zinssteuer-Richtlinie noch heuer zu verschärfen. Doch die Initiative, die auf den deutschen Finanzminister zurückgeht, könnte ins Leere gehen: In Steuerfragen gilt die Einstimmigkeit, und zwei Länder wollen ganz sicher ihr Bankgeheimnis nicht aufgeben: Luxemburg und Österreich. Finanzminister Molterer will sich erst bewegen, wenn die Schweiz das tut. Und dort stellte Finanzminister Hans-Rudolf Merz am Mittwoch in Richtung der Angreifer auf das Bankgeheimnis klar: „An diesem Bankgeheimnis könnt ihr euch die Zähne ausbeißen.“

    Quelle: format.at