Zarathustra

  • ZARATHUSTRA



    Ein Name nur rollt aus nächtigem All

    wie ein Feuerrad, wie ein Flammenball -

    Zarathustra.

    Eines Mannes Sein, eines Sinnes Macht,

    eines furchtlosen Lebens gottgeistige Fracht -

    Zarathustra.

    Du hast so wie keiner gelauscht und gelehrt,

    von Liebe durchloht,

    du hast uns das seligste Wissen beschert:

    der Gottheit Gebot.




    Du gabest als erster den Jüngern kund,

    der Lichtfeind haust zwar im grausigen Grund,

    doch gieret er nicht nur nach Himmelsschein,

    er greift auch ins menschliche Herz hinein.

    Zur trefflichsten Rüstung hast du geraten:

    Übt helle Gedanken und Worte und Taten -

    dann soll euch der tückische Dämon bekriegen -

    ihr werdet siegen!




    Was würde das Licht ohne Dunkel taugen,

    Licht, wie auch Dunkel sind Gottes Augen.

    Es handelt der Herrgott mit beiden Händen;

    seine Rechte reicht er, um Segen zu spenden,

    seine Linke leistet Lügen und Leiden;

    der Mensch ist gerufen, sich zu entscheiden.

    Die weihenden, würgenden Mächte winken,

    sie rufen zur Rechten, sie locken zur Linken.

    Sind Menschen doch irdische Gottesgedanken,

    zwei Gruppen, welche sich zerren und zanken.

    Gott wollte die Welt mit dem Bösen beschweren,

    im Ringen nur kann sich das Rechte bewähren,

    im Widerstand mag sich das Gute erzeigen -

    so wird ihm im Streite der Kosmos zu eigen.

    Ein Liebes-Licht-Frieden erstürbe im Krampf -

    doch Gottes Gesetz ist das Leben, ist Kampf,

    bis zum höchsten Triumph, der göttlichsten Tat,

    da die Urkraft ihr Urselbst geläutert hat.




    Also klang dein Lied,

    das die Herzen durchzieht -

    Zarathustra.

    Die arische Urhoffnung hast du besungen,

    nie ist sie verklungen -

    Zarathustra.
  • RE: Zarathustra

    Vor Sonnen-Aufgang

    O Himmel über mir, du Reiner! Tiefer! Du Licht-Abgrund! Dich schauend schaudere ich vor göttlichen Begierden.

    In deine Höhe mich zu werfen – das ist meine Tiefe! In deine Reinheit mich zu bergen – das ist meine Unschuld!

    Den Gott verhüllt seine Schönheit: so verbirgst du deine Sterne. Du redest nicht: so kündest du mir deine Weisheit.

    Stumm über brausendem Meere bist du heut mir aufgegangen, deine Liebe und deine Scham redet Offenbarung zu meiner brausenden Seele.

    Daß du schön zu mir kamst, verhüllt in deine Schönheit, daß du stumm zu mir sprichst, offenbar in deiner Weisheit:

    O wie erriete ich nicht alles Schamhafte deiner Seele! Vor der Sonne kamst du zu mir, dem Einsamsten.

    Wir sind Freunde von Anbeginn: uns ist Gram und Grauen und Grund gemeinsam; noch die Sonne ist uns gemeinsam.

    Wir reden nicht zueinander, weil wir zu vieles wissen –: wir schweigen uns an, wir lächeln uns unser Wissen zu.
    „Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern.“
  • RE: Zarathustra

    Vom Lesen und Schreiben
    Von allem Geschriebenen liebe ich nur Das, was Einer mit seinem Blute schreibt. Schreibe mit Blut: und du wirst erfahren, dass Blut Geist ist.
    Es ist nicht leicht möglich, fremdes Blut zu verstehen: ich hasse die lesenden Müssiggänger.
    Wer den Leser kennt, der thut Nichts mehr für den Leser. Noch ein Jahrhundert Leser - und der Geist selber wird stinken.
    Dass Jedermann lesen lernen darf, verdirbt auf die Dauer nicht allein das Schreiben, sondern auch das Denken.
    Einst war der Geist Gott, dann wurde er zum Menschen und jetzt wird er gar noch Pöbel.
    Wer in Blut und Sprüchen schreibt, der will nicht gelesen, sondern auswendig gelernt werden.
    Im Gebirge ist der nächste Weg von Gipfel zu Gipfel: aber dazu musst du lange Beine haben. Sprüche sollen Gipfel sein: und Die, zu denen gesprochen wird, Grosse und Hochwüchsige.
    Die Luft dünn und rein, die Gefahr nahe und der Geist voll einer fröhlichen Bosheit: so passt es gut zu einander.
    Ich will Kobolde um mich haben, denn ich bin muthig. Muth, der die Gespenster verscheucht, schafft sich selber Kobolde, - der Muth will lachen.
    Ich empfinde nicht mehr mit euch: diese Wolke, die ich unter mir sehe, diese Schwärze und Schwere, über die ich lache, - gerade das ist eure Gewitterwolke.
    Ihr seht nach Oben, wenn ihr nach Erhebung verlangt. Und ich sehe hinab, weil ich erhoben bin.
    Wer von euch kann zugleich lachen und erhoben sein?
    Wer auf den höchsten Bergen steigt, der lacht über alle Trauer-Spiele und Trauer-Ernste.
    Muthig, unbekümmert, spöttisch, gewaltthätig - so will uns die Weisheit: sie ist ein Weib und liebt immer nur einen Kriegsmann.
    Ihr sagt mir: »das Leben ist schwer zu tragen.« Aber wozu hättet ihr Vormittags euren Stolz und Abends eure Ergebung?
    Das Leben ist schwer zu tragen: aber so thut mir doch nicht so zärtlich! Wir sind allesammt hübsche lastbare Esel und Eselinnen.
    Was haben wir gemein mit der Rosenknospe, welche zittert, weil ihr ein Tropfen Thau auf dem Leibe liegt?
    Es ist wahr: wir lieben das Leben, nicht, weil wir an's Leben, sondern weil wir an's Lieben gewöhnt sind.
    Es ist immer etwas Wahnsinn in der Liebe. Es ist aber immer auch etwas Vernunft im Wahnsinn.
    Und auch mir, der ich dem Leben gut bin, scheinen Schmetterlinge und Seifenblasen und was ihrer Art unter Menschen ist, am meisten vom Glücke zu wissen.
    Diese leichten thörichten zierlichen beweglichen Seelchen flattern zu sehen - das verführt Zarathustra zu Thränen und Liedern.
    Ich würde nur an einen Gott glauben, der zu tanzen verstünde.
    Und als ich meinen Teufel sah, da fand ich ihn ernst, gründlich, tief, feierlich: es war der Geist der Schwere, - durch ihn fallen alle Dinge.
    Nicht durch Zorn, sondern durch Lachen tödtet man. Auf, lasst uns den Geist der Schwere tödten!
    Ich habe gehen gelernt: seitdem lasse ich mich laufen. Ich habe fliegen gelernt: seitdem will ich nicht erst gestossen sein, um von der Stelle zu kommen.
    Jetzt bin ich leicht, jetzt fliege ich, jetzt sehe ich mich unter mir, jetzt tanzt ein Gott durch mich.
    Also sprach Zarathustra.
  • RE: Zarathustra

    [size=x-large]Vierte Hymne 31[/size]



    1.Strophe

    Nun habe ich für Euch,
    die Suchenden der Weisheit, die Botschaft,
    die noch niemand erfahren hat.
    Ich möchten auch jene aufklären,
    die die Gerechtigkeit und die Wahrheit
    mit ihren Lügen und Irreführungen zerstören.
    Ohne Zweifel wird diese Lehre diejenigen, die sich Mazda verschrieben haben,
    besonders erfreuen.


    2. Strophe

    Weil es dadurch nicht einfach ist,
    den rechten Weg zu finden,
    bin ich dank Ahura Mazda als Lehrer zu beiden Gruppen gekommen,
    den Rechtschaffenen und den Truggenossen,
    um ihnen beiden den rechten Weg zu weisen.


    3. Strophe

    Was werden wir im Lichte Deines Geistes erfahren?
    Welches Glück ist es, das jedem versprochen wurde,
    und das man im Lichte der Wahrheit und der Gerechtigkeit erhält?
    Welche Forderung wurde den Wissenden dazu auferlegt?
    O Mazda,
    schenke mir die Weisheiten,
    durch die ich Menschen zur Wahrheit leiten kann.


    4. Strophe

    O Mazda,
    wir wünschen uns mit Hilfe von Asha, Armaity
    und spiritueller Bereicherung zu schützen.
    So wird es sein, dass wir im Lichte der Wahrheit,
    der Liebe und der guten Gedanken die innere Kraft finden,
    durch deren Entfaltung wir Lug und Trug besiegen.


    5. Strophe

    O Mazda,
    lasse mich im Lichte der Wahrheit wissen,
    welcher Weg der beste ist, damit ich ihn wähle.
    Lasse mich im Lichte von Asha und der guten Gedanken wissen,
    was die Unterstützung ist, die mich erfreut.
    O Mazda Ahura,
    lehre mich zu wissen, was geschehen ist,
    was geschehen wird und was nicht geschehen wird.


    6. Strophe

    Der beste Lohn und das Glück gehören den Weisen,
    die den Menschen die rechte Botschaft bringen,
    welche durch ihre Wahrheit und Reinheit
    zu Reife und Beständigkeit führt.
    Solch ein Mensch wird mit fortschreitendem Wissen belohnt,
    das sich im Lichte der guten Gesinnung vermehrt.


    7. Strophe

    Mazda
    ist der alles Umfassende und der Ursprung der Weisheit,
    der mit seinem Lichte die Schöpfung erleuchtete,
    und Asha erschuf.
    O Mazda,
    der Du ewig und unverändert bist,
    spende, beflügle und vermehre
    mit Deiner schöpferischen Weisheit
    die Kraft der guten Gedanken in uns.


    8. Strophe

    O Mazda,
    seit ich Dich mit meinen Gedanken
    als Anfang und Ende der Schöpfung erkannte,
    habe ich Dich mit dem Auge des Verstandes wahrgenommen.
    Du bist wahrhaftig der Schöpfer von Asha,
    Du bist die Quelle der guten Gedanken in der Welt.


    9. Strophe

    O Mazda Ahura, Armaity ist Dein,
    der umfassende geistige und schöpferische Verstand kommt von Dir.
    Du Schöpfer des Lebens und der Vernunft,
    Du hast den Menschen frei gestellt,
    ihren eigenen Weg zu suchen,
    und sich für Wahrhaftigkeit und rechtschaffene Führer zu entscheiden,
    oder für jemanden der zum Irrweg führt.


    10. Strophe

    Die Menschen werden zwischen diesen beiden
    den wahren Ratgeber wählen,
    den, der gerecht und weise ist und die gute Gesinnung vermehrt und verbreitet.
    O Ahura,
    ein trügerischer Führer, der Reinheit und Gerechtigkeit nur vortäuscht,
    kann die gute Botschaft nicht verbreiten.


    11. Strophe

    O Mazda,
    als Du am Anfang für uns
    Körper, Leben, Geist und Gewissen erschaffen hast,
    hast Du uns auch die Vernunft geschenkt.
    Du hast uns die Kraft zum Handeln und Reden gegeben,
    damit jeder seinen selbst gewählten Weg in Freiheit beschreiten kann.


    12. Strophe

    Deshalb verkündet jeder,
    Rechtschaffener oder Truggenosse,
    Wissender oder Unwissender,
    was ihm sein Sinn und seine Gedanken sagen.
    Und wenn er zweifelt und argwöhnt, wird es sein,
    dass ihm Armaity und sein Nachdenken beistehen,
    um seine Gedanken zu leiten.


    13. Strophe

    O, Mazda,
    Du erkennst und siehst alles,
    was man Dir verheimlicht oder offen zeigt,
    auch wenn Menschen für kleine Verfehlungen große Pein erleiden,
    dies alles siehst Du und beaufsichtigst es mit Asha.


    14. Strophe

    O Mazda Ahura,
    ich frage Dich:
    Was ist geschehen und wird noch geschehen?
    Was wird die Folge für diejenigen sein,
    die sich für den rechten Weg entscheiden?
    Welche Entbehrung werden diejenigen erdulden,
    die die Lüge gewählt haben?


    15. Strophe

    Mazda,
    ich frage Dich:
    Was ist die Folge für diejenigen, die Missetäter und Lügner beschützt hatten,
    für diejenigen, die in ihrem Leben danach getrachtet hatten,
    die Rechtschaffenen und deren Lehrer zu peinigen?


    16. Strophe

    O, Mazda Ahura,
    ich frage Dich: Jene, die mit ihrem Wissen und ihren guten Gedanken stets
    für mehr Wohlstand, Recht und Ordnung in Haus, Dorf, und Land streben,
    wie wirst Du Dich ihnen nähern?
    Wie werden sie zu Dir finden?


    17. Strophe

    Welcher von Beiden, der Rechtschaffene oder der Truggenosse,
    wird den richtigen Weg wählen?
    Der Weise soll mit seinem Wissen die Ungebildeten lehren,
    damit sie nicht auf ihrem Irrweg bleiben.
    O Mazda Ahura,
    es wird sein, das Du uns die gute Gesinnung offenbarst.


    18. Strophe

    Denn keiner von ihnen soll dem Rat und der Empfehlung
    der Lügner und Truggenossen folgen,
    weil sie Haus, Dorf, Stadt und Land in Elend und Vernichtung führen.
    Deshalb soll jeder aufstehen und Widerstand leisten,
    bis sie sich auf das Recht besinnen.


    19. Strophe

    O Ahura Mazda,
    wer auf Asha hört und gut denkt, der ist ein Weiser,
    der die Antwort auf die Schwierigkeiten des Lebens kennt.
    Er ist erfahren, erteilt gute Ratschläge und verbreitet kraftvoll die rechte Lehre.
    In Deinem Lichte,
    Mazda,
    wird er für die Rechtschaffenen und für die Ungerechten
    ein weiser Wegbreiter sein.


    20. Strophe

    Wer sich für Recht und Gerechtigkeit entscheidet,
    dessen Platz wird im Lichte sein.
    Wer aber den Irrweg der Truggenossen wählt,
    wird lange Zeit in Finsternis, Reue und Trauer sein.
    Wahrhaftig, schlechtes Gewissen
    ist Zeichen und Folge seiner schlechten Taten.


    21. Strophe

    Mazda Ahura
    schenkt durch seine Herrschaft denjenigen
    Reife, fördernde Kraft und Beständigkeit,
    die ihm mit guter Gesinnung in ihren Gedanken und Taten folgen.


    22. Strophe

    O Mazda Ahura,
    Diese Lehre ist für den Weisen offensichtlich,
    die mit ihrer guten Gesinnung und Geisteskraft,
    mit ihrer Rede und ihrem Tun der Wahrhaftigkeit folgen.
    O Mazda,
    ein solcher wird der beste Freund und Helfer der Menschen sein.

    Ahura = Schöpfer
    Armaity = Friedlichkeit, Harmonie, Ausgeglichenheit
    Asha = Weltordnung, Wahrhaftigkeit
  • RE: über Zarathustra von Friedrich Nietzsche

    Wer hier hinabwill,
    wie schnell
    schluckt den die Tiefe!
    - Aber du, Zarathustra,
    liebst den Abgrund noch,
    tust der Tanne es gleich? -

    Die schlägt Wurzeln, wo
    der Fels selbst schaudernd
    zur Tiefe blickt -,
    die zögert an Abgründen,
    wo Alles rings
    hinunter will:
    zwischen der Ungeduld
    wilden Gerölls, stürzenden Bachs
    geduldig duldend, hart, schweigsam,
    einsam ...

    Einsam!
    Wer wagte es auch,
    hier Gast zu sein,
    dir Gast zu sein?...
    Ein Raubvogel vielleicht:
    der hängt sich wohl
    dem standhaften Dulder
    schadenfroh ins Haar,
    mit irrem Gelächter,
    einem Raubvogel-Gelächter ...
    Wozu so standhaft?
    - höhnt er grausam:
    man muss Flügel haben, wenn man den Abgrund liebt ...
    man muss nicht hängen bleiben,
    wie du, Gehängter! -

    Oh Zarathustra,
    grausamster Nimrod!
    jüngst Jäger noch Gottes,
    das Fangnetz aller Tugend,
    der Pfeil des Bösen!
    Jetzt -
    von dir selber erjagt,
    deine eigene Beute,
    in dich selber eingebohrt ...
    Jetzt -
    einsam mit dir,
    zwiesam im eignen Wissen,
    zwischen hundert Spiegeln
    vor dir selber falsch,
    zwischen hundert Erinnerungen
    ungewiss,
    an jeder Wunde müd,
    an jedem Froste kalt,
    in eignen Stricken gewürgt,
    Selbstkenner!
    Selbsthenker!

    Was bandest du dich
    mit dem Strick deiner Weisheit?
    Was locktest du dich
    ins, Paradies der alten Schlange?
    Was schlichst du dich ein
    in dich - in dich? ...
    Ein Kranker nun,
    der an Schlangengift krank ist;
    ein Gefangner nun,
    der das härteste Los zog:
    im eignen Schachte
    gebückt arbeitend,
    in dich selber eingehöhlt,
    dich selber angrabend,
    unbehülflich,
    steif,
    ein Leichnam -,
    von hundert Lasten übertürmt,
    von dir überlastet,
    ein Wissender! ein Selbsterkenner!
    der weise Zarathustra! ...
    Du suchtest die schwerste Last:
    da fandest du dich -,
    du wirfst dich nicht ab von dir ...

    Lauernd,
    kauernd,
    Einer, der schon nicht mehr aufrecht steht!
    Du verwächst mir noch mit deinem Grabe,
    verwachsener Geist!

    Und jüngst noch so stolz,
    auf allen Stelzen deines Stolzes!
    Jüngst noch der Einsiedler ohne Gott,
    der Zweisiedler mit dem Teufel,
    der scharlachne Prinz jedes Übermuts! ...

    Jetzt -
    zwischen zwei Nichtse
    eingekrümmt,
    ein Fragezeichen,
    ein müdes Rätsel -
    ein Rätsel für Raubvögel ...
    sie werden dich schon "lösen",
    sie hungern schon nach deiner "Lösung",
    sie flattern schon um dich, ihr Rätsel,
    um dich, Gehenkter! ...
    Oh Zarathustra! ...
    Selbstkenner! ...
    Selbsthenker! ...
    [size=medium]Nicht wer zuerst die Waffen ergreift, ist Anstifter des Unheils, sondern wer dazu nötigt.[/size]
    Niccolò Machiavelli