VON JOACHIM WILLE
Der scheidende Präsident des Bundesverbandes Erneuerbare Energien
(BEE), Johannes Lackmann, verlässt sein Amt mit einem Paukenschlag. Er
wirft der boomenden Branche vor, kein echtes Interesse mehr an einer
Demokratisierung der Energieversorgung zu haben. "Der Kampf gegen die
Beherrschung des Strommarktes durch vier Konzerne tritt in den
Hintergrund", sagte Lackmann der FR. Viele Branchenvertreter und selbst
die Politik erwarteten nun vom BEE "reinen Lobbyismus". Das sei nicht
mehr sein Job, sagte Lackmann, der sein Amt seit neun Jahren innehat.
Der
BEE-Präsident bezeichnet die Branche, die Windkraftanlagen, Solar- und
Biomasse-Kraftwerke baut, als inzwischen erfolgreich etablierten
Wirtschaftszweig. Die Entwicklung sei "super" gelaufen. Derzeit liefern
erneuerbare Energien 15 Prozent des in Deutschland verbrauchten Stroms,
im Jahr 2020 sollen es 30 Prozent sein. Beschäftigt sind in der Branche
240 000 Menschen. Lackmanns Kommentar dazu: "Es handelt sich längst
nicht mehr um ,additive Energien', wie die Stromkonzerne früher sagten."
Re-Kommunalisierung verpasst
Selbst die
eigenen Wachstumsprognosen seien immer wieder übertroffen worden,
deswegen habe die Branche eine glänzende Zukunft mit guten Perspektiven
für Umsatz und Jobs.
Lackmann argumentiert: Das Wachstum der
neuen Energien biete neue Chancen, auch die bisher festgezurrten
Strukturen der Energiebranche zu verändern. Sie nähmen dem Oligopol der
Konzerne, das überhöhte Gewinne einstreiche, nämlich spürbar
Marktanteile weg. "Die erneuerbaren Energien sind dezentrale Energien.
Daher bietet es sich an, sie auch dezentral und demokratisch zu
kontrollieren", sagte der BEE-Präsident.
Er knüpft damit an
Vorstellungen einer "Re-Kommunalisierung" der Energiewirtschaft an.
Dieser Umbau war Teil des Konzepts einer "Energiewende", wie es etwa
vom Freiburger Öko-Institut in den 80er Jahren entwickelt worden war.
Diese Chance zu nutzen, werde nun offensichtlich verpasst.
Lackmann
warnte zudem vor einer Annäherung der Windkraft-Industrie an die
Position der EU-Komission, die das deutsche Fördermodell des
Erneuerbare Energien-Gesetzes (EEG) zugunsten eines EU-weiten Handels
mit Zertifikaten für Ökostrom kippen will. Brüssel arbeitet derzeit an
einem solchen System: Dabei würde ein Anteil von Strom aus erneuerbaren
Quellen im Energiemix festgeschrieben. Je nach Erfüllung der Quote gibt
es Zertifikate, die dann gehandelt werden können. EU-Länder mit
Nachholbedarf könnten so Grünstrom-Zertifikate aus anderen
Mitgliedstaaten kaufen.
Lackmann brach demgegenüber eine Lanze
für das EEG-Prinzip. In diesem Fall erhalten Ökostrom-Produzenten eine
erhöhte Einspeisevergütung, die auf alle Stromkunden umgelegt wird. Es
habe sich bewährt. Das Modell biete vor allem auch neuen
mittelständischen Firmen, die in den Markt einsteigen wollen, große
Chancen.
"Die Lobbyisten großer Windfirmen dagegen machen nun in
Brüssel Druck für die Zertifikate, die Stromkonzernen hohe
Mitnahmeeffekte ermöglichen und den Mittelstand faktisch ausschalten",
kritisierte der BEE-Chef. Auf die Stromverbraucher kämen dadurch bis
zum Jahr 2020 zusätzliche Kosten in Höhe von 100 Milliarden Euro zu.
Die Zertifikatsysteme hätten bisher nirgends gut funktioniert
Lackmann
sagte dazu, er wolle nicht "beliebige wirtschaftliche Interessen"
durchsetzen, wie es nun offenbar allgemein in den Wirtschaftsverbänden
gefragt sei. Nur aus Tradition werde er den von ihm mit aufgebauten
Verband nicht weiter führen.
Der Text zeigt meiner Meinung nach wieder ein großes Problem auf, welches sich durch alle Branchen zieht, sobald sie anfangen erfolgreicher zu werden.
Die Vollkommenheit ist unerreichbar. Gewiß ist die Vollkommenheit unerreichbar. Sie hat nur den Sinn, deinen Weg wie ein Stern zu leiten. Sie ist Richtung und Streben auf etwas hin.
- Antoine de Saint-Exupéry, Die Stadt in der Wüste
- Antoine de Saint-Exupéry, Die Stadt in der Wüste