Was ist transpersonale Psychologie ? Welche Erfahrungen habt ihr damit ?

Diese Seite verwendet Cookies. Durch die Nutzung unserer Seite erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Cookies setzen. Weitere Informationen

  • Was ist transpersonale Psychologie ? Welche Erfahrungen habt ihr damit ?

    Hallo !

    Die neue Rubrik GEISTES - Wissenschaften hat mich dazu inspiriert, mir und euch diese Fragen zu stellen und hoffentlich viele schöne Antworten darauf zu finden.

    Transpersonal bedeutet: das Persönliche überschreitend.



    Die Transpersonale Psychologie weist auf die Beziehung zur Ganzheit, zum Seinsgrund, zum Religiösen und Spirituellen hin .
    Sie würdigt die personale Einzigartigkeit genauso , wie die transpersonale Perspektive, die über das Ego hinausreicht.

    Sie versteht sich als Bindeglied zwischen der herkömmlichen Psychologie und den spirituellen
    Wegen und den Weisheiten der Ewigen Philosophie .

    Die transpersonale Psychologie ist ein noch relativ junger Zweig der Psychologie, der in seiner modernen Form seit Ende der 60er Jahre entwickelt wurde.
    Wesentliche Begründer und Theoretiker der transpersonalen Psychologie waren und sind u.a.
    Stanislav Grof, Abraham Maslow, Charles Tart, Francis Vaughan, Roger Walsh und Ken Wilber.
    Die europäische Wurzeln der transpersonalen Psychologie
    liegen u.a. in den Arbeiten von C.G. Jung, Viktor Frankl, Roberto Assagioli
    und Karlfried Graf Dürckheim und gehen auf den Anfang des 20.Jahrhunderts zurück.
  • Hallo Isis,

    herzlich Willkommen bei uns im Forum. Dein erster Beitrag ist gleich einer welcher eine Thematik vertritt, der ich mich persönlich sehr stark hingezogen fühle.
    Meine bisherige Erfahrung damit ist, dass sich sehr viele neue Sichtweisen auftun und der Blickwinkel sich stark vergrößert zu den herkömmlichen "Disziplinen".
    Das Ego ist Teil vom Ganzen aber nicht das Ganze ansich. Das Problem welches viele Menschen haben ist, dass sie sich von ihrem Ego leiten lassen anstatt ihr Ego zu leiten.

    Es ist auch eine Frage des Bewusstseins, welches die Fähigkeit gibt, die Standpunkte zu wechseln und gegenseitig zu vergleichen um neue Erkenntnisse zu gewinnen.

    Da ich eh ein Freu(n)d bin von den Schriften des C.G. Jung ist dieser wissenschaftliche Bereich einer der mich besonders interessiert.
    Gerade wenn man u.a. sich beruflich der Psychotherapie widmen möchte. ;)

    Danke für deinen Beitrag

    Gruß

    Abraxas
    Die Vollkommenheit ist unerreichbar. Gewiß ist die Vollkommenheit unerreichbar. Sie hat nur den Sinn, deinen Weg wie ein Stern zu leiten. Sie ist Richtung und Streben auf etwas hin.
    - Antoine de Saint-Exupéry, Die Stadt in der Wüste
  • erstmal wilkommen, Isis
    also ich persönlich habe in den 2 Jahren Fachabi Sozialwesen (Psychologie gehört dazu) diesen Begriff nie gehört. Aber C.G. Jung sagt mir schon etwas *schmunzel*, ich kann wenig über die anderen genannten Psychologen sagen, aber Jung sollte man mit Vorsicht genießen, Freud zwar auch, aber Jung ganz besonders. Zudem impliezeirt mir dein Name grausige Erinnerungen *schauder* egal, wirst du schon nicht sein 8|
    Yukkuri shiteitte ne! = take it easy :D
  • Isis: verstehe jetzt nicht ganz, was damit überhaupt gemeint ist, sorry. Also psycholoige beschäftigt sich ja mit der person, was soll den eine psychologie sein die sich mit dem befasst, was die person transzendiert? was ist denn da der Angelpunkt an dem man überhaupt noch von "person" reden kann bzw. was soll das einem bringen?

    Abraxas: bevor ich hier gross anfange zu diskutieren: Was ist denn deine Definition von diesem "Ego" genau? Weil ehrlich gesagt klingts für mich ein wenig wishiwashi I dunno...von dem her könnt ich jetzt schon einiges dazu sagen, aber ich denke s'bringt nichts, wenn wir schon von anfang an aneinander vorbeireden, oder?
  • Danke Abraxas,
    für das herzliche *Willkommen* hier im Forum !

    Auch ich meine, das die transpersonale Psychologie für die heutigen Umstände einen sehr guten Einstieg in die Sphären der Spiritualität anbietet.
    Gerade auch für Skeptiker und eher materiell orientierte Menschen, die sonst alles, was über ihren momentanen Ego-Horizont hinausreicht, als Spinnerei abtun...
    Das mein Pseudonym bei Dir Cloud negative Assoziationen weckt, könnte auch als Gelegenheit aufgefasst werden "daran" zu arbeiten, warum das denn so ist, da wir uns sicher noch nicht begegnet sind !
    Wenn Du erlaubst, bleibe ich also erstmal bei Isis .

    Als Einstieg für das Verständnis von zum Beispiel Jung, möchte ich den Begriff SYNCHRONIZITÄT nennen.
    Damit gemeint ist kurz umrisssen die Verbundenheit von Ereignissen und Personen jenseits des herkömmlichen Ursache /Wirkung Denkens.
    Diese Perspektive ermöglicht u.a. den Blick auf die jeweiligen Umstände einer Person völlig zu wechseln und beispielsweise Begegnungen und Konflikte als Lernaufträge wahrzunehmen, bei deren Absolvierung und Integration *neue* Wahrheiten zugänglich werden können, die personelles Wachstum und Hinwendung zu Transformation und Transzendenz des sonst als normal Vorausgesetzten ermöglichen.






  • Hallo Robin,

    ich sehe das Ego als ein Zentrum der Persönlichkeit, welcher den Charakter steuert. Hier treffen auch alle Gefühle, Empfindungen und Emotionen ein und werden bewertet.
    Das Ego sehe ich als den dualistischen Teil. Hier werden die Standpunkte bestimmt, nach denen wir als Mensch handeln. Wenn wir uns völig unserer "Selbst" sicher sind, können wir bewusst entscheiden welche Standpunkte wir wählen und was wir an Taten ausüben. Ich sehe das Ego als einen wichtigen Schaltpunkt an aber nicht als die oberste Steuerzentrale.

    Wir haben als Mensch einen freien Willen, sofern wir nicht unser Schicksal in die Hand des Egos geben sondern eben unser Schicksal selbst bestimmen.

    Liebe Grüße

    Abraxas
    Die Vollkommenheit ist unerreichbar. Gewiß ist die Vollkommenheit unerreichbar. Sie hat nur den Sinn, deinen Weg wie ein Stern zu leiten. Sie ist Richtung und Streben auf etwas hin.
    - Antoine de Saint-Exupéry, Die Stadt in der Wüste
  • ISIS schrieb:

    Das mein Pseudonym bei Dir Cloud negative Assoziationen weckt, könnte auch als Gelegenheit aufgefasst werden "daran" zu arbeiten, warum das denn so ist, da wir uns sicher noch nicht begegnet sind !
    Wenn Du erlaubst, bleibe ich also erstmal bei Isis .

    8| ... achso, nein ich habe nicht erwartet, das du deinen nick änderst :P (das wäre doch mehr als unhöflich und das will ich ncht sein)
    "dran" zu arbeiten? gut, aber welches "dran"???

    ISIS schrieb:

    Damit gemeint ist kurz umrisssen die Verbundenheit von Ereignissen und Personen jenseits des herkömmlichen Ursache /Wirkung Denkens.

    Wir müssen aber auch aufpassen, das wir nicht jegliches Gefühl für das "herkömmliche" Ursache-Wirkung verhältniss nicht verlieren und anfangen alles auf etwas Größeres zu schieben, denn manchmal ist eine Zigarre wirklich nur eine Zigarre. muhahahaha ( das mit der Zigarre spielt auf ein Zitat von S. Freud an:"Manchmal ist eine Zigarre nur eine Zigarre")
    Yukkuri shiteitte ne! = take it easy :D
  • Abraxas schrieb:

    Hallo Robin,

    ich sehe das Ego als ein Zentrum der Persönlichkeit, welcher den Charakter steuert. Hier treffen auch alle Gefühle, Empfindungen und Emotionen ein und werden bewertet.
    Das Ego sehe ich als den dualistischen Teil. Hier werden die Standpunkte bestimmt, nach denen wir als Mensch handeln. Wenn wir uns völig unserer "Selbst" sicher sind, können wir bewusst entscheiden welche Standpunkte wir wählen und was wir an Taten ausüben. Ich sehe das Ego als einen wichtigen Schaltpunkt an aber nicht als die oberste Steuerzentrale.

    Wir haben als Mensch einen freien Willen, sofern wir nicht unser Schicksal in die Hand des Egos geben sondern eben unser Schicksal selbst bestimmen.

    Liebe Grüße

    Abraxas


    k, also, das Ego ist das Zentrum der Persönlichkeit, gut, soweit komm ich noch nach *schmunzel* und was ist dann dieses andere "ich" welches offenbar entweder dem Ego oder nicht dem Ego nach handeln können soll?
    und was meinst du mit "dualistischer Teil"? bzw, was wäre denn der nicht-duale Teil für dich?
  • Das SELBST ist das ewige ICH , während das EGO lediglich die gesammelten Erfahrungen einer Inkarnation repräsentiert und sich selbst durch Gewohnheiten und die sog. Charakterbildung immer mehr reduziert, da die Offenheit regelmäßig auf der Lebens-Strecke bleibt.
    Immer mehr Konzepte und Vorurteile schränken das Erfahrungsspektrum während einer Lebensspanne stetig ein, es sei denn jemand entwickelt bewusst sein SELBST und befreit sich selbst (!) aus dem Würgegriff des EGO.




  • ISIS schrieb:

    Das SELBST ist das ewige ICH , während das EGO lediglich die gesammelten Erfahrungen einer Inkarnation repräsentiert und sich selbst durch Gewohnheiten und die sog. Charakterbildung immer mehr reduziert, da die Offenheit regelmäßig auf der Lebens-Strecke bleibt.
    Immer mehr Konzepte und Vorurteile schränken das Erfahrungsspektrum während einer Lebensspanne stetig ein, es sei denn jemand entwickelt bewusst sein SELBST und befreit sich selbst (!) aus dem Würgegriff des EGO.


    ja gut und was ist nun dieses "Selbst"?

    Wenn all das, was du weisst, was du bist (also eben Erfahrung, Charakter etc.) Ego ist, was bleibt dann übrig, was dieses "wahre Selbst" sein könnte?



    klingt für mich halt einfach nach sonem 08/15 Spiri-Konzept: man teilt das falsche ich (Ego) in ein falsches, böses (nennt das dann "Ego") und in eine wahres, gutes (und nennt es Selbst ode "wahres ich"), so kann das falsche im Deckmantel des wahren weiterleben und braucht sich nciht mehr um seine eigenen Falschheit zu kümmern, da es sich ja nun selbst als "wahr" bezeichnen kann...

    ich meine nur schon der Satz:"und befreit sich selbst (!) aus dem Würgegriff des EGO." ist ja schon brutal falsch. Da das Ego ja die Person darstellt, kann sich ja nur das Ego wieder vom Ego befreien (respektive, eben genau das geht ja nicht). Daher klappt das natürlich nie. Das einzige was klappen könnte wäre wenn sich das Ego selbst als unwirklich sieht und anfängt sich selbst zu demontieren. Spiritueller Selbstmord sozusagen. Dann kann es vorkommen, dass sich das Selbst als Selbst erkennt, nur ist dann halt keiner mehr da, den das betreffen könnte (da die Person (das Ego) ja dann nicht mehr als echt wahrgenommen wird)


    btw ist jemand von euch sonst mal im Chat? (also Abraxas oder ISIS) hätte mal Lust ein wenig zu plaudern und so jeden Tag einen Beitrag ins Forum zu setzen ist halt auch nicht so das wahre..

    Lieben Gruss
  • ich sehe schon, das alte thema ist wieder im gespräch...

    kurz und knapp: das ego ist die materielle manifestierung der seele. die seele ist das gleiche, nur in gegenteiliger form und damit nichtmateriell.



    nun mal wieder ontopic:

    Transpersonale Psychologie

    > Transpersonale Psychologie ist eine seit den 60er Jahren im Entstehen begriffene, neue Richtung der Psychologie. Ihre Kennzeichen sind:

    > die Einbeziehung spiritueller und religiöser Erfahrung in die Forschung, in die Lebenspraxis von Menschen und in die therapeutische Praxis;

    > die Betrachtung von Erfahrungen, die über das einzelne individuelle Ich hinauszuweisen scheinen; dazu gehören außergewöhnliche Bewusstseinszustände, wie sie durch Meditations- oder Trancetechniken erreicht oder durch Spontanerfahrungen wie Nahtoderfahrungen induziert werden;

    > eine Reflexion auf die Gültigkeitsbereiche und Zuständigkeit klassisch-wissenschaftlicher Erkenntnisgewinnung im Vergleich und zur Abgrenzung anderer Modi von Einsicht, wie sie beispielsweise durch innere Erfahrung oder Intuition möglich ist;

    > die Reflexion auf den Ich-Begriff und die Konsequenzen, die sich aus den o.g. Bereichen für das Verständnis dessen ergibt, was wir gemeinhin als "Ich" bezeichnen;

    > Verständnis von spontan auftretenden außergewöhnlichen Erfahrungen, ihre wissenschaftliche Analyse, sowie kompetente klinische Hilfestellung für Menschen mit solchen Erfahrungen zu erarbeiten.

    Die Transpersonale Psychologie hat sich seit dem Aufkommen dieser Forschungsfragestellung, die sich vor allem aus der Humanistischen Psychologie entwickelte, in sehr vielen, zum Teil getrennt operierenden Bereichen weiterentwickelt. Ihr gemeinsamer Nenner ist mehr ein Interesse an all diesen Themenbereichen als eine einheitliche dogmatische Fixierung oder eine verbindliche Methodologie. Transpersonale Psychologie ist also vor allem (noch) durch einen starken Pluralismus der Meinungen und Methoden gekennzeichnet, deren gemeinsamer Nenner das Thema spirituell-religiöser Erfahrungsinhalte von Menschen und deren Relevanz für Wissenschaft und Lebenspraxis ist.

    Die Begriffe "Spiritualität" und "Religiosität" oder "Religion" werden dabei z.Zt. sehr lose und vage definiert gehandhabt. Sie sind außerdem kulturspezifisch in ihrer Bedeutung verschieden. Während "spirituell" im amerikanischen Sprachgebrauch sehr weit und beinahe inflationär verwendet wird, bedeutet dieser Begriff im deutschen Sprachraum eher die von einer konkreten religiösen Bindung losgelöste Erfahrung einer über den Menschen hinausgehenden, absoluten oder größeren Wirklichkeit. "Religion" oder "Religiosität" hingegen meint eine stärker an konfessionelle oder traditionelle Glaubensrichtungen gebundene Erfahrung und vor allem der dazu gehörige Ausdruck. In Abgrenzung zur Religionspsychologie interessiert sich die Transpersonale Psychologie weniger für die Auswirkung der Systeme oder der sozialen Zugehörigkeit zu Konfessionen als stärker für die Erfahrungen selbst.

    Historisch gesehen speiste sich die transpersonale Bewegung aus verschiedenen Quellen: Zum einen haben verschiedene, vor allem amerikanische Psychologen, durch Kontakt mit östlichen Meditationstechniken die Bedeutung dieses Potenzials für die klinische Tätigkeit entdeckt und begonnen, diese zu erforschen und publik zu machen. Zum anderen haben klassisch arbeitende Psychologen wie Abraham Maslow bemerkt, dass das menschliche Bedürfnis nach Selbstverwirklichung von innen heraus an Grenzen stößt, die es zu übersteigen trachtet. Des Weiteren haben Psychologen wie Roberto Assagioli versucht, traditionell-esoterisches Gedankengut mit psychologischer Erkenntnis zu verbinden. Außerdem haben Psychiater und Personen, die mit bewusstseinserweiternden Drogen und Techniken arbeiteten wie beispielsweise Stanislav Grof, versucht, die Bedeutung der dabei induzierten Erfahrungen zu ergründen und praktisch nutzbar zu machen. Die Transpersonale Psychologie stellt somit ein Sammelbecken für derartige Ansätze und Bestrebungen zur Verfügung.

    (Quelle: dktp.org/)


    ich verstehe nicht ganz, worauf diese wissenschaftler hinaus wollen, da schon das wort "spirituell" in jeden kulturkreis verschieden definiert wird.
    für mich ist es sogar unmöglich spirituelle energie untersuchen zu wollen, aber wahrscheinlich werden die wissenschaftler dieses wort wieder
    anders belegen als ich.
    sehr interessant finde ich hingegen die untersuchung "bewusstseinserweiternden Drogen und Techniken". Diese Dinge werden leider vielzusehr verteufelt,
    anstatt objektiv beleuchtet zu werden und eine vernünftige aufklärung erfolgen zu lassen.

    maky

  • Du hast recht maky, daß die Abgrenzung zu Schamanismus und Mystik sicherlich nicht "scharf" sein kann.
    Doch dieses weite Feld der Bewusstseinsforschung ist doch höchst attraktiv und faszinierend und sollte nicht nur bei wenigen Auserwählten im Focus der Aufmerksamkeit sein.

    >Ist Schamanismus Mystik?<>
    Oder ist Transpersonale Psychologie "moderner" Schamanismus ?



    Sollen Beziehungen von Mystik und Schamanismus untersucht werden, so istzunächst zu definieren, was unter Mystik überhaupt zu verstehen ist.
    Bei dem hier intendierten Vergleich werde ich die Mystik repräsentativer Hochreligionen wie Christentum und Buddhismus den mystischen Aspekten des Schamanismus gegenüberstellen. Der BegriffMystik hat seinen Ursprung im Griechischen Verb "myein" = sichschließen,zusammengehen. Eine andere Bedeutung ist verbunden mitBegriffen wie "Geheimnisvolles", "Dunkles", "das den Sinnen und der Vernunft verschlossene".
    In dem hier verwendeten Sinne meint Mystik anschließend an den mittelalterlichen Sprachgebrauch die Erfahrung einer Versenkung der Seele in ihren göttlichen Grund, die innerlich einigende Begegnung mit der den Menschen und alles Seiende begründenden göttlichen Unendlichkeit (sog. "Unio Mystica"). Im Christentum, demIslam und dem Judentum wird diese vornehmlich erfahren als die Vereinigung mit einem persönlichen Gott. Somit soll hier Mystik als eine Form religiösen Erlebens verstanden werden, die durch Versenkung in die innere oder äußere Welt mittels kultischer Mittel die Herbeiführung entsprechender seelischer Erlebnisse anstrebt, um auf diese Weise das Einswerden der Einzelseele mit dem Göttlichen zum unmittelbaren Erlebnis zu machen.
    Um das mystische Erleben genauer zu beschreiben und einzugrenzen, werde ich mich im folgenden auf die Typologie universaler Merkmale mystischen Erlebens durch den anerkanntermaßen grundlegenden Ansatz des amerikanischen Philosophen Stace (1960) beziehen. Dieser beschreibt als die wesentlichen Elemente des mystischen Erlebnisses:

    1. Transzendieren der Subjekt-Objekt Relation.
    Hierunter sind Einheitserlebnisse zu verstehen, in denen der Betreffende den Unterschied von Ich und Umwelt nicht mehr erfährt; es kommt gleichsam zu einem Verschmelzen des Ichs mit der Umwelt. Der mittelalterliche Mystiker Meister Eckhart prägte die Formel "Alles ist Eines und Eines ist Alles" für diese Erlebnisse.
    2. Transzendenz von Raum und Zeit.
    Während des mystischen Erlebnisses kommt es zu einem Verschwinden der Zeitempfindung; beschrieben häufig als Empfindung der "Ewigkeit",
    zeitlosen Glücks usw. Außerdem scheinen Vergangenheit und Zukunft nicht mehr von Bedeutung zu sein und es kommt zum Empfinden des "absoluten Augenblicks"; auch beschrieben als Vereinigung von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Das Transzendieren des Raumes will besagen, daß die Person während des Erlebens die gewöhnliche Orientierung i.S. einer dreidimensionalen Wahrnehmung der Umgebung verliert; erfahren wird dies als Erlebnis der "Unbegrenztheit".
    3. Tief empfundene positive Stimmung.
    Die tragenden Gefühle mystischer Erlebnisse werden beschrieben als Freude,Seligkeit, Liebesempfindungen und innerer Frieden. Die sie
    auszeichnende Intensität hebt sie auf die höchste Stufe menschlicher Erfahrungen. überdies sind die Erinnerungen an sie ungewöhnlich lebhaft
    und intensiv.
    4. Gefühl der Heiligkeit.
    Das"Gefühl der Heiligkeit" ist eine nicht rationale, intuitive, Schweigen herbeiführende, Gefühlsempfindung voller Ehrfurcht und Erstaunen
    gegenüber beseligenden Gegebenheiten.
    5. Empfindung der Objektivität und Wirklichkeit.
    Diese Kategorie hat zwei aufeinander bezogene Momente: 1. auf einer intuitiven, nicht-rationalen Ebene erfühlte Erleuchtung bzw. wissender
    Einblick, der durch direktes Erleben gewonnen wird und 2. den Gültigkeitsanspruch, d.h. die unmittelbare Gewißheit, daß solches Wissen wirklich wahr ist im Gegensatz zu dem Gefühl, daß das Erlebniseine subjektive Täuschung ist. Was gewußt wird, wird intuitiv als maßgebend gefühlt, bedarf also keines Beweises auf rationaler Ebene und ist begleitet von einem Gewißheitsgefühl objektiver Wahrheit.
    6. Paradoxie.
    Beschreibungen mystischen Erlebens haben die charakteristische Eigenschaft sich als logisch widersprüchlich zu erweisen. Beim Erleben innerer Einheit geht z.B aller empirischer Gehalt in einer leeren Einheit verloren, die zugleich angefüllt und vollständig ist. Das "Ich" existiert (z.B. als
    das Erlebnis erinnerndes) und existiert doch nicht.
    7. Unaussprechbarkeit.
    Die Mystiker bestehen darauf, daß das mystische Erleben nicht in Wortenausgedrückt werden kann. Der Grund dafür mag in einem Denken und
    Verbalisierungen hinter sich lassenden Charakter des überwältigenden Erlebnisses und seiner widersprüchlichen Natur zu suchen sein. Die
    Mystik, die der Philosoph Eduard von Hartmann als letzten und tiefsten Urgrund aller Religiösität bezeichnet, "weil in ihm die Religion ihre
    Fundierung und Selbstgewißheit hat", ist nachweislich als Erfahrungstatsache und Bestandteil selbst ursprünglichster Religiösitätin erstaunlicher Übereinstimmung weltweit verbreitet.
    So bescheinigt der Orientalist Gelpke: "Vergleicht man die Berichte von Mystikern aus
    den verschiedenen Jahrhunderten und Kulturen miteinander, so wird man
    feststellen, daß sie bei formaler Unterschiedlichkeit inhaltlich
    übereinstimmen" (Gelpke 1969: 202).

    ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ?

    Drei Formen der Mystik
    Nach
    einem religionsgeschichtlich begründeten Ansatz des Oxforder
    Religionswissenschaftlers Zaehner (1960) lassen sich drei Formen der
    Mystik aufgrund ihres Eingebundenseins in jeweils unterschiedliche
    Gottesvorstellungen differenzieren. So unterscheidet er:
    1. die Naturmystik;
    2. die monistische Mystik und
    3. die theistische Mystik.

    Um diese Formen näher zu charakterisieren, lasse ich hier einige Beispiele folgen.

    Naturmystik
    Zunächst eines für ein Erlebnis der Naturmystik:
    "Werde
    ich je wieder so wunderbare Träume haben damals ... im Gebirge zur Zeit
    der Mittagssonne oberhalb von Lavey, als ich unter einem Baum und drei
    Schmetterlinge mich umspielten. Und noch einmal in der Nacht an der
    sandigen Küste des Ozeans, als ich im Sand auf dem Rücken lag und mein
    Auge die Milchstraße verfolgte. Großartige, weite, unsterbliche
    kosmogonische Träume: man reicht bis zu den Sternen und ist im Besitz
    des Unendlichen! Göttliche Augenblicke, Stunden des Entzückens, in
    denen unsere Gedanken von einer Welt zur anderen fliegen und das große
    Rätsel durchdringen, da unser Sinnen so ruhig und tief ist wie das Meer
    und so still und endlos ... wie das Firmament ... Augenblicke eines
    unmittelbaren Anschauens, in denen man sich so groß wie das Universum
    und so erhaben wie Gott fühlt ..."
    (Amiel 1883: 43f.).

    Und noch ein Weiteres: "Es
    war, als hätte ich nie zuvor erkannt, wie lieblich die Welt war. Ich
    legte mich auf den Rücken in das warme feuchte Moos und hörte dem
    Gesang der Lerche zu ... Keine andere Musik hatte mir je solche Freude
    gemacht wie dieser leidenschaftliche Jubelgesang.Es war eine Art
    hüpfende, überströmende Verzückung, ein heller, flammengleicher Klang,
    jubelnd in sich selbst. Und dann kam eine merkwürdige Erfahrung über
    mich. Es war, als ob alles, das vorher außerhalb und um mich herum zu
    sein schien, plötzlich in mir sei. Die ganze Welt schien in mir zu
    sein. In mir wiegten die Bäume ihre grünen Kronen, in mir sang die
    Lerche, in mir schien die heiße Sonne und in mir war der kühle
    Schatten. Eine Wolke stieg am Himmel auf und zog mit einem leichten
    Regenschauer vorbei, der auf die Blätter trommelte, und ich fühlte, wie
    die Frische in meine Seele fiel, und in meinem ganzen Sein spürte ich
    den köstlichen Geruch der Erde, von Gras, Pflanzen und dunkelbraunem
    Acker. Ich hätte vor Freude schluchzen können"
    (Reid 1902).
    Diese
    Beispiele machen deutlich: die Naturmystik ist das Erleben der Einheit
    von Ich und Welt. Die Welt wird als Teil des expandierten Ichs
    erfahren. Man ist von daher geneigt, die Naturmystik als Höhepunkt
    eines Gefühls der Naturverehrung oder Naturvergötterung zu betrachten.

    monistische Mystik
    In
    der monistischen Mystik dagegen zieht sich das Ich bewußt von der durch
    die Sinne vermittelten Naturwelt zurück. Diese Form hat sich besonders
    in der östlichen Mystik herausgebildet. Im Yoga etwa liegt die
    Seligkeit in der endgültig geglückten Isolierung des Geistes von der
    Sinneswelt, das heißt in der ausschließlichen Betrachtung der Seele
    durch sich selbst. Weltanschauliche Widerspiegelung findet das im
    Vedanta: Brahman ist das Absolute, die Seele des Menschen ist von ihrem
    Wesen her mit dem Absoluten identisch, d.h. die Wirklichkeit des
    Geistes ist die einzige Wirklichkeit, unabhängig von Raum, Zeit und
    Kausalität. Die sichtbare Sinnenwelt ist dagegen Täuschung und
    Illusion: Sie hat keine wirkliche Existenz. Um ein derartiges
    mystisches Erleben in seiner Eigenart zu verdeutlichen, sei der
    englische Mystiker Symonds zitiert: "Es
    war ein allmähliches und doch schnelles Verschwinden von Raum, Zeit,
    Empfindung und all den anderen Erfahrungen, die das ausmachen, was wir
    so gern unser Selbst nennen. In dem Maße aber, wie diese Bedingungen
    des gewöhnlichen Bewußtseins schwanden, gewann das Gefühl von einem
    tiefer liegenden Bewußtsein an Kraft. Schließlich blieb nichts übrig
    als das reine, absolute Ich. Die ganze Außenwelt verlor Gestalt und
    Inhalt ... die Rückkehr in den gewöhnlichen Bewußtseinszustand setzte
    damit ein, daß ich die Sinnesempfindung wiedererlangte und daß dann
    allmählich aber schnell die bekannten Eindrücke und täglichen
    Interessen wieder erwachten"
    (Brown 1895: 29ff.).
    Der japanische Zen-Meister Yamada Kyozo beschreibt das Erleuchtungserlebnis des "Satori" als "...
    das Erlebnis, daß das Ich und das All absolut eins sind. Man erkennt,
    daß alles, Ich und das, was um mich ist, leer ist. Alle Dinge sind nur
    Erscheinungen. ... Während der Erleuchtung gibt es kein Gefühl, da man
    in dem Moment nicht mehr existiert. Man hört nichts und man sieht
    nichts. Man erlebt keine Erweiterung des Ichs, keine Verschmelzung mit
    dem All; sondern das All und das Ich sind plötzlich eins"
    (Schüttler 1974: 49f.).
    Das
    Ziel der östlichen monistischen Mystik ist demnach die unbedingte
    Konzentration auf den reinen Geist und ineins damit die Abkehr von
    allem, was nicht dieser Geist ist, denn das Göttliche und die
    menschliche Seele sind identisch die erfahrbare Außenwelt dagegen
    Illusion. Zaehner bezeichnet alle mystischen Strömungen, in denen sich
    der menschliche Geist auf eine einzige (innere oder äußere)
    Wirklichkeit beschränkt, als monistische Mystik.

    theistische Mystik
    Die
    theistische Mystik, die hier nur kurz gestreift werden kann, intendiert
    und erfährt nicht die Vereinigung mit einem göttlichen Urgrund im
    mystischen Erlebnis, sondern vernimmt darin vielmehr die Vereinigung
    mit einem persönlichen Gott. Sie ist im Christentum, dem Judentum und
    Islam ausgeprägt. Diese Anschauung setzt einen persönlichen Gott
    voraus, der das Universum erschaffen hat, und zu den menschlichen
    Einzelseelen in einem besonderes Verhältnis steht. Er ist allerdings
    keinesfalls identisch mit der Einzelseele oder der Natur. In der
    christlichen Mystik bleibt von daher das Bewußtsein der
    Geschöpflichkeit gegenüber dem Schöpfer gewahrt. Hingabe an ihn wird
    nie zu völliger Identifizierung mit ihm, wohl aber zu höchster
    Geborgenheit in ihm. Ein Beispiel dafür liefert deutsche
    mittelalterliche Mystiker Heinrich Seuse: "...
    Der gute und getreue Knecht wird eingeführt in die Freude seines Herrn:
    Da wird er trunken von dem unermeßlichen Überfluß des göttlichen
    Hauses. Denn ihm geschieht in unaussprechlicher Weise ... daß er nicht
    mehr sein Selbst ist, daß er sich ganz seines Selbst entäußert und sich
    ganz in Gott verloren hat ...,wie ein kleines Tröpflein Wasser, das man
    in viel Wein gegossen hat. Wie das Tröpflein Wasser seine Eigenschaft
    verliert, so daß es Farbe und Geruch des Weines annimmt und in sich
    zieht, so geschieht denen, die im Vollbesitz der Seligkeit sind: Ihnen
    gehen alle menschlichen Begierden verloren, sie gehen sich selbst
    verloren und tauchen ganz in den göttlichen Willen ein"
    (Seuse 1966: 340f.).



    ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ?


    Um weitere Anhaltspunkte für einen Vergleich von Hochmystik und
    Schamanismus zu gewinnen, werde ich Stace folgend eine weitere
    Unterteilung einführen. Es handelt sich um eine Typologie der Mystik
    die sich die dominierende Gerichtetheit des Erlebens zur Grundlage
    macht. Demnach lassen sich zwei Formen unterscheiden:
    1. eine "extrovertierte Mystik" und
    2. eine "introvertierte Mystik".

    Der
    wesentliche Unterschied zwischen den beiden liegt darin, daß sich das
    extrovertierte Erlebnis durch die Sinne nach außen richtet, während
    sich das introvertierte nach innen auf den Geist hin orientiert. Beide
    gipfeln in der Wahrnehmung einer höchsten Einheit und der Empfindung
    des Menschen, daß er selbst damit verschmilzt oder sogar identisch
    wird. Aber der extrovertierte Mystiker nimmt die Vielheit der äußeren
    Gegenstände in einer mystisch verwandelten Weise wahr: durch die
    Vielheit hindurch erscheint ihm der Einheitsgrund aller Wesen, so das
    sich auch das Ich nur mehr vom Sein her fühlt. Von daher ergibt sich
    für ihn die feste Auffassung eines einheitlichen inneren Grundes in
    allen Dingen, beschrieben als allgegenwärtiges Leben und Bewußtsein,
    gepaart mit der Gewißheit, daß nichts wirklich "tot" ist. Der deutsche
    Mystiker Jacob Boehme beschreibt ein solches Erlebnis: "Mit
    einem großen Sturme ... brach der Geist durch ... bis in die innerste
    Geburt der Gottheit und werde allda von Liebe umfangen. ... Was aber
    für ein triumphieren in dem Geiste gewesen sei, kann ich nicht
    schreiben noch reden, es läßt sich auch mit nichts vergleichen ... In
    diesem Lichte hat mein Geist alsbald durch alles gesehen und an allen
    Kreaturen, am Kraut und Grass Gott erkannt, wer er, wie er und was sein
    Wille war"
    (Zit. n. Bucke 1925: 131). Wie dieses Beispiel
    zeigt, wird das innere Wesen der Objekte intuitiv erlebt und in seinem
    Ursprung als gleich erfühlt. Ähnliches beschreibt der Sioux-Schamane
    Black Elk bei einer indianischen Visionserflehung: "Der
    wichtigste Grund zu flehen ist aber wohl, daß es uns hilft, unser
    Einssein mit allen Dingen zu erkennen, zu wissen, daß alle Dinge unsere
    Verwandten sind; und dann beten wir im Namen aller Dinge zu Wakan
    Tanka, er möge uns die Erkenntnis von ihm geben, von der Quelle aller
    Dinge, die doch größer als alle Dinge ist"
    (Tedlock 1975: 43).

    Der
    introvertierte Mystiker hingegen sucht in die Tiefen des eigenen Ichs
    einzutauchen, indem er die Sinnesempfindungen ausblendet und bewußt die
    Vielfalt der Empfindungen, Bilder und Gedanken aus dem Bewußtsein zu
    löschen trachtet. In dieser Dunkelheit und Stille nimmt er das "Eine"
    wahr und wird mit ihm vereinigt, bar jeglicher Vielheit. Im Buddhismus
    wird dies als Bewußtsein des Nichtformbereiches bezeichnet: "Nach
    Aussschaltung aller Dingund Formvorstellungen ist der Raum das
    unmittelbare Objekt des Bewußtseins. Es hat zwei Eigenschaften: die der
    Unendlichkeit und die der Nichtgegenständlichkeit"; beide sind Objekte
    des intuitiven Bewußtseins (Govinda 1992: 110). In diesem Zustand des
    Bewußtseins sind Freiheit, Ruhe und Serenität verwirklicht. Die
    Meditation wird als ein Vorgang fortschreitender Vereinheitlichung
    verstanden: von der Differenzierung des Oberflächenbewußtseins (und des
    dieser Form zugehörigen Ich-Bewußtseins) zur Einheit des
    Tiefenbewußtseins. "In der buddhistischen
    Leere gibt es keine Zeit. keinen Raum, kein Werden, keine
    Dinghaftigkeit. Reine Erfahrung ist, wenn der Geist sich selbst sieht
    ... Das ist nur möglich, wenn der Geist ... leer ist von all seinen
    möglichen Inhalten außer sich selbst"
    (Suzuki 1927: 28).
    Um
    den Vergleich von Hochmystik und "schamanistischer Mystik" leisten zu
    können, soll zunächst Definitorisches vorrausgeschickt werden. Unter
    Schamanismus wird hier eine Ursprungsform der Religiösität und des
    Medizinwesens verstanden. Als Schamanen werden gemäß
    kulturanthropologischer und religionswissenschaftlicher Definitionen
    die religösen Mittler und Heilkundigen der sog. Naturvölker bezeichnet.
    Neben einer detaillierten Kenntnis der überlieferten Stammesmythologie
    sowie der religiösen Vorstellungswelt und der traditionellen
    Heilverfahren/pflanzen, wird ihm insbesondere die Fähigkeit
    zugesprochen, mittels bestimmter Kulthandlungen und Techniken in ein
    breites Spektrum von veränderten Bewußtseinszuständen eintreten zu
    können. Aufgrund dieser Fähigkeit zwischen der alltäglichen
    Wirklichkeit und den ihr über und untergeordneten Weltregionen: der
    Geisterwelt, den Ahnen und den Naturkräften zu vermitteln (vgl. Eliade
    1957; Findeisen 1957; Halifax 1983). Bei den schamanistischen Praktiken
    und Ritualen geht es in erster Linie um die Herstellung bzw.
    Wiederherstellung von Gleichgewichten mit/in der umgebenden Natur sowie
    die Harmonisierung in der Gruppe und der Einzelseele. In diesem
    Zusammenhang spielen auch mystische Erlebnisweisen der im Vorstehenden
    skizzierten Formen eine Rolle. Das naturmystische Erleben scheint dabei
    zu dominieren und bestimmt auch wesentliche Teile des Naturempfindens
    und Naturverhältnisses dieser Völker. Trotz der Schwierigkeit aus den
    durch kulturspezifische Metaphern verschlüsselten
    Erlebnisbeschreibungen explizit mystische Erlebnisse herauszulesen die
    zudem in der Literatur selten sind repräsentiert der Schamanismus "...
    die glaubwürdigste mystische Erfahrung der Welt der Primitiven.
    Innerhalb der archaischen Welt spielt er dieselbe Rolle wie die Mystik
    in der offiziellen Religiösität der großen historischen Religionen vom
    Buddhismus bis zum Christentum"
    , so der bekannte
    Religionsgeschichtler Eliade (1951: 96). Einige Gründe für die
    Schwierigkeit Beschreibungen mystischer Erlebnisse, trotz deren
    grundlegender Bedeutung für die Weltanschauung der Naturvölker, in der
    Literatur zu finden, sind im Folgenden quellenkritisch zu erörtern.
    Ethnographische Berichte über den Schamanismus sind größtenteils zu
    Beginn des Jahrhunderts verfaßt worden. Sie leiden von daher unter
    einer damals weitgehend unreflektierten eurozentristischen Perspektive
    und sind von daher mit deren Implikationen für eine Minderbewertung der
    Lebensauffassungen sog. "Primitiver" behaftet. Sie dokumentieren nur in
    seltenen Fällen originale mündliche Aussagen der Schamanen. Das
    Schamanen selbst zu Wort kommen, ist erst in neuester Zeit der Fall
    (vgl. Halifax 1981). Dazu kommt die Tatsache, daß die "Aushörungen"
    durch ethnographische Feldforscher oft von einem Bemühen der Schamanen
    bestimmt sind, ihre persönlichen Visionen, und weniger überindividuelle
    zudem schwer beschreibbare Erlebnisse zu schildern. Ein weiterer Grund
    mag darin liegen, daß die von Schamanen erzeugten "Veränderten
    Bewußtseinszustände" (Tart 1969) ein breites Spektrum
    verschiedenartiger Zustände umfassen. Insbesondere tranceund
    traumartige Erlebnisweisen werden von den Schamanen im Unterschied zur
    Hochmystik sehr hoch eingestuft. Auch starke Erregungszustände bis hin
    zum Halluzinieren (meist erzeugt durch Trommeln und Tanzen sowie
    stimulierende Drogenpräparate (vgl. Rosenbohm 1991)) haben einen
    wichtigen Platz in schamanistischen Praktiken und sind weltweit
    verbreitet. Trotz der Vielfalt der von den Schamanen erzeugten
    veränderten Bewußtseinszustände, lassen sich einige immer
    wiederkehrende Themenkomplexe bzw. Metaphern innerhalb dieser
    Erfahrungswelten im veränderten Bewußtsein mit erstaunlicher
    Gleichförmigkeit weltweit nachweisen: Weltenschichtung in Oberund
    Unterwelt, Zerstückelungsvisionen, Seelenflug, Gottesanflehung,
    Ahnenkontakte, Lebensbaum sowie die Verbindung zu Pflanzenund
    Tiergeistern. Diese Zentralthemen verweisen häufig auf Probleme in der
    Lebenswelt der Naturvölker (Wetter, Jagdtiere u.ä.). In einem weiteren
    Sinne würde mancher Religionswissenschaftler auch Teile solcher
    Erlebnisse den mystischen Erlebnissen zurechnen. Aber gemäß dem hier zu
    Beginn skizzierten engen Sinn können bestenfalls einzelne Passagen
    derartiger Erlebnisse den mystischen Erlebnissen zugerechnet werden.
    Von daher wird klar, daß im Schamanismus nicht nur ein breiteres
    Spektrum von Bewußtseinszuständen eröffnet und genutzt wird, sondern
    auch die daraus hervorgehenden Erlebnisse anderen regulativen
    Funktionen als die der Hochmystik dienen. Obgleich meist eingebunden in
    andere Formen veränderten Wachbewußtseins, spielen mystische Erlebnisse
    anscheinend durchaus eine tragende Rolle in vielen Formen des
    Schamanismus und stimmen in wesentlichen Punkten mit den zu Beginn
    skizzierten Grundelementen mystischen Erlebens überein. Um das zu
    belegen, bringe ich im Folgenden einige Beispiele. "Von
    einer Sekunde zur anderen war ich hellwach. Ein Gefühl der
    Schwerelosigkeit, Energie und unbeschriebliochem Glück durchströmte
    mich. Es war so stark, daß ich außer dieser körperlichen Empfindung
    nichts anderes mehr wahrnahm. Eine zeitlang schwebte ich in einer
    schwarzen Unendlichkeit, aus der plötzlich, mit der Leuchtkraft von ...
    Blitzen, Farben explodierten. ... es war etwas tief in mir drinnen, das
    lachte. ... Das normale Bewußtsein schien außerhalb von mir zu sein.
    ... Es hatte keinen Einfluß mehr auf den grenzenlosen Zustand, in dem
    ich mich befand"
    (Haan 1985: 152f.). Eine ähnliche mystische Vision im Rahmen eines indianischen Huichol-Rituals beschreibt Prem Das: "Ich
    verlor das Bewußtsein für meine Umgebung und fiel in einen dunklen Gang
    hinein, der spiralförmig nach unten führte, tief ins innere der Erde.
    Mir war, als ob ich in Felsritzen und unterirdische Höhlen hinabsteigen
    würde, wo es dunkel und abweisend war. Eine unbekannte Kraft bewegte
    mich ... ; es war, als würde ich auf einem reißenden Strom dahintreiben
    ... Als ich mir sicher war, daß meine Situation völlig hoffnungslos war
    und ich nicht mehr zurückkehren konnte, tauchte plötzliche ein grelles
    Licht auf. ... Mein Herz hüpfte vor Freude ... Wärme umhüllte mich und
    belebte mein Leben neu ..."
    (Prem Das 1987: 225). Ein weiteres Beispiel liefert der sibirische Schamane Aua: "Das
    große Meer hat mich in Bewegung gebracht, hat mich in Fahrt gebracht.
    Es treibt mich wie eine Alge im Fluß. Das Himmelsgewölbe und die
    gewaltige Luft bewegen mich, sie bewegen mein Inneres und haben mich
    mitgerissen, daß ich zittere vor Freude"
    (Rinne 1983: 20).
    Obgleich sich in den Beschreibungen extrovertierte und introvertierte
    Mystik zu überschneiden scheinen, ergibt sich doch bei einer
    systematischen Durchsicht einer größeren Zahl von
    Erlebnisbeschreibungen (vgl. Adami 1983; Passie 1992) unzweideutig die
    Tendenz der schamanistischen Mystik zur extrovertierten Richtung. Auch
    eine stärkere Mitbeteiligung der Sinne scheint im Unterschied zur
    Hochmystik im Schamanismus typisch zu sein. Einen weiteren Beleg mag
    dafür auch die Tatsache abgeben, daß schamanistische Rituale häufig an
    speziellen, aufgrund bestimmter Eigenschaften für besonders kraftvoll
    bzw. heilig erachteten, Naturplätzen abgehalten werden (Swan 1989;
    Myerhoff 1980; Sharon 1980). Im Spektrum der von den Schamanen
    zugänglich gemachten Bewußtseinserlebnisse haben mystische
    Erlebnisweisen sicherlich einen hohen Rang, machen aber dennoch nur
    einen begrenzten Ausschnitt aus. Allerdings werden bei bestimmten
    Gruppenritualen wie dem Peyote-Kult (La Barre 1989; Myerhoff 1980) und
    der Ayahuasca-Religion (MacRae 1992) solcherart mystische Erlebnisse
    nicht nur von den Schamanen, sondern auch einem Großteil der
    Normalpopulation gezielt angestrebt. Sie vermitteln Gefühle der
    Geborgenheit, des Aufgehobenseins in der Welt der natürlichen Kräfte
    und fördern so die innere Harmonisierung der Einzelseele wie auch den
    Zusammenhalt der Gruppe. Aus der über diese Erlebnisse vermittelten
    Verankerung im Transzendenten gewinnt der Schamane bzw. die Teilnehmer
    der Rituale Kraft und Vertrauen, um die Unbilden der alltäglichen
    Wirklichkeit zu ertragen und lernend zu überwinden. Schon aufgrund des
    in entsprechenden Naturvölkern viel stärkeren Ausgesetztseins gegenüber
    den Naturgewalten ergibt sich sowohl eine ausgeprägte Zngstigung des
    Menschen durch das Ausgeliefertsein an die Naturkräfte, als auch die
    Notwendigkeit ihre ungerichteten Kräfte zu besänftigen und symbiotisch
    zu nutzen. Insofern sind der angstmindernde Aspekt mystischen Erlebens
    sowie eine darüber vermittelte Förderung der Gruppenkohäsion in seiner
    Bedeutung größer als bei den Hochreligionen einzuschätzen. Mystisches
    Erleben gemahnt die Menschen somit an ihre unverbrüchliche Einheit mit
    der Natur. Von daher könnte es sogar einen prägenden Einfluß auf das
    Naturverhältniss dieser Menschen gewinnen, indem es ihnen trotz stets
    präsenter Bedrohung durch die ungezügelten Naturgewalten ein Gefühl
    seliger Geborgenheit im Schoß der Natur vermittelt. Insbesondere im
    Peyote-Kult der nordamerikanischen Indianer gewinnt diese Tendenz eine
    hochkomplexe ritualisierte Gestalt. "Während
    der Peyote-Jagd wird Wirikuta als Ort des Beginns und als Zustand der
    Einheit wiedererlangt. ... Diese Vereinigungen geschehen gleichzeitig
    auf mehreren Ebenen: Auf der gesellschaftlichen Ebene werden ...
    soziale Schranken transzendiert, wenn der Marakame (Huichol-Schamane)
    und seine Gruppe ein einziges Wesen werden ... sogar biologische
    Unterschiede zwischen männlich und weiblich, alt und jung,
    verschwinden, da Männer, Frauen und Kinder gleichwertig und vollständig
    teilnehmen ... Erschreckt und erhoben durch diese Freiheit, die seit
    dem Augenblick vor der Geburt ... nicht mehr erfahren wurde, stehen sie
    nackt nebeneinander, undefiniert, verwundbar und rein menschlich.
    Die
    reine Landschaft wird geheiligt, die Höhlen, Quellen, Berge, Flüsse,
    Kakteenhaine, und die Züge der mythischen Welt werden zur kosmischen
    Bedeutung erhoben. 'Pflanzen' und 'Tiere' werden zu bloßen Etiketten,
    sbereinkünften, menschlichen Denkkategorien. Unterschiede zwischen
    ihnen sind Illusion. Der Mensch ist Natur, er ist eine Ausdehnung von
    ihr.... Die Bedingung der Sterblichkeit wird transzendiert und dem
    Menschen ozeanische Seligkeit und Allmacht zurückgegeben. ... Für einen
    Moment ist das Paradies der menschliche Ursprung. ... Er ist der
    Kosmos, ohne Haut und Membran, ohne ein Ich, das ihn hält und trennt.
    Er erreicht die ekstatische Durchdringung aller Grenzen"
    (Myerhoff 1980: 175f.).
    Auch
    diese Beschreibung verdeutlicht nochmals die Naturverbundenheit und den
    auf Sinneswahrnehmungen beruhenden extrovertierten Charakter eines
    Großteils der "schamanistischen Mystik". Die Hochmystik scheint
    dagegen, nicht zuletzt aufgrund ihrer anderen sozialen Funktion und
    Einbettung, eine ganz spezifische Form mystischen Erlebens die hier als
    "introvertiert" beschriebene monistische und theistische Mystik
    kultiviert zu haben. Das systematische Streben in Richtung auf
    "Erleuchtung" bleibt hier meist Mitgliedern einer sozial abgehobenen
    Gruppe vorbehalten (Priester, Mönche usw.). Diese durchlaufen einen
    systematischen Schulungsweg, der zu immer größerer Näherung an das
    Numinose, bis hin zum mystischen Erleuchtungserlebnis, führen soll.
    Individuelle Heilung und Harmonisierung sind zwar auch hierbei wichtige
    Ziele, beziehen sich aber auf Nächstenliebe, Einvernehmen mit Gott,
    eigene innere Erlösung und weniger auf konkrete Konflikte und
    Disharmonien des sozialen Zusammenlebens, anderer Individuen, des
    Verhältnisses zu den Ahnen oder des Gesamtverhältnisses Mensch Natur.
    Die Beziehung zur Natur spielt in den konkreten Lebensverhältnissen
    dieser Menschen (auch geographisch-klimatisch) nur (noch) eine
    untergeordnete Rolle und tritt somit auch in den Erlebnissen der
    introvertierten Mystiker kaum noch in Erscheinung. Die erstrebte
    höchste Erfahrung hat im Unterschied zum Schamanismus einen ganz
    spezifischen Charakter und alle andersartigen Bewußtseinserlebnisse
    werden als Störungen oder Vorstufen angesehen. Was die im Titel
    ausgesprochene Frage angeht, ergibt sich aus der vorstehenden
    Darstellung ergibt sich, daß im Schamanismus mystische Erfahrungen
    durchaus eine nicht nur periphere, sondern vielleicht sogar zentrale
    Rolle spielen können. Der Vergleich mit der sog. Hochmystik zeigt, daß
    dabei jeweils spezifische Formen mystischer Erlebnisweisen im
    Vordergrund stehen: In der Hochmystik eine kultivierte und auf die
    Erfahrung des reinen, allumfassenden Bewußtseins zielende
    monotheistische oder theistische Mystik der introvertierten Richtung.
    Im Schamanismus scheint demgegenüber eine Naturmystik der
    extrovertierten Richtung zu dominieren.Diese Feststellungen können
    allerdings nur Schwerpunkte und Tendenzen markieren, da sich das
    Problem vielfältiger Überschneidungen stellt. Kaum ein anderer als der
    transkulturell versierte Religionsgeschichtler Eliade dürfte mehr
    berufen sein die bei allen Differenzen grundsätzliche Universalität
    mystischen Erlebens abschließend zu betonen: "Bei den 'primitiven'
    Völkern, genauso wie bei den Heiligen und den christlichen Theologen,
    ist die mystische Ekstase eine Rückkehr ins Paradies, die sich durch
    Überwindung von Zeit und Geschichte ausdrückt ... und eine
    Wiederentdeckung des ursprünglichen Zustandes des Menschen darstellt"


    Quelle : Mircea Eliade
  • Sieht ja ganz so aus, als hätte hier kaum jemand Erfahrung mit transpersonaler Psychologie, Mystik oder Schamanismus !

    Wenn ich so überlege, was für ungeheure Möglichkeiten fast jeder zur Verfügung hätte (Reisen, SELBST-Erfahrung, Bildung und Experimente aller Art.... etc..), drängt sich mir schon die Frage auf, warum das wohl so ist und was dem entgegensteht ?


    *grübel*
  • Hallo ISIS,

    die Möglichkeiten sind sicher grenzenlos. Das kreative Chaos lässt ja unendlich viele Möglichkeiten zu.
    Vielleicht könntest du ja noch mehr dazu schreiben, Beispiele geben und dann kann man auch sehen, ob vielleicht schon jemand wenn auch unbewust damit zu tun hatte.

    Das Selbst würde ich ähnlich wie das von Jung erwähnte "Über-Ich" bezeichnen.
    Das wo sich alles drin befindet. Man ist ja nicht nur der gegenwärtige Charakter welcher durch das Ego definiert ist, sondern alles befindet sich schon in uns.
    Wir müssen es uns nur ins Bewusstsein holen und schon streben wir danach. Darin liegt die Chance alles frei zu wählen und gezielt an Dinge heranzugehen.
    Die Vollkommenheit ist unerreichbar. Gewiß ist die Vollkommenheit unerreichbar. Sie hat nur den Sinn, deinen Weg wie ein Stern zu leiten. Sie ist Richtung und Streben auf etwas hin.
    - Antoine de Saint-Exupéry, Die Stadt in der Wüste
  • Sieht ja ganz so aus, als hätte hier kaum jemand Erfahrung mit transpersonaler Psychologie, Mystik oder Schamanismus!


    nun, ich kenne mich mit mystik etwas aus. die höchste mystik ist eindeutig die völlige hingabe zu Gott.
    aber das ist nichts, was man von einem psychologen bekommt, oder was wissenschaftlich untersucht werden kann.
    deswegen bekomme ich die psychologie einfach nicht mit mystik zusammen.
    genauso wie schamanismus. das sind alles eher spirituelle dinge, bei einer wissenschaftlichen betrachtung
    kann da nur quatsch rauskommmen, besonders bei unseren doch sehr mageren wissensstand.

    grüsse vom maky
  • Wahrheitsfindung???


    Unglaublich, warum so umständlich, wenn es einfach geht?

    DAS soll auch noch Wahrheitsfindung sein?

    Bin hoffentlich wirklich nur zufällig hier gelandet.

    Als Mystikerin von Jugend an, kann ich zu all dem hier nur sagen,

    lange Rede kurzer Sinn,

    lass alles Fremde und nimm DICH hin.

    *Mystiker* glauben an nichts anderem, als an ihre ureigene spontane Erkenntnis.

    UND liegen damit auch noch anhaltend lange - unwidersprochen richtig.



    gedichte2000.de/features/forum…aabbd5b52bb1a05f111ff0891