Über den Bundesnachrichtendienst - BND -

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  • Über den Bundesnachrichtendienst - BND -

    Vortrag von

    Erich Schmidt-Eenboom



    Guten Abend, meine sehr verehrten Damen und Herren!

    Insbesondere mit Blick auf die durchgängige Einseitigkeit, mit der die
    nachrichtendienstliche Dimension des Kalten Krieges, das Schattenboxen
    der westdeutschen mit den ostdeutschen Nachrichtendiensten in der
    Bundesrepublik derzeit dargestellt wird, ist es hohe Zeit, den Blick
    auf den westdeutschen Auslandsnachrichtendienst, den
    Bundesnachrichtendienst, zu richten. Ich will dazu kurz die
    Gelegenheit ergreifen, weil die Alternative Enquete-Kommission so
    freundlich war, mich dazu einzuladen und weil unsere Verfassung
    generell die Freiheit von Forschung, Lehre und Meinung zuläßt. Der
    Berliner Tagesspiegel war so freundlich, am 22. 10. 1993 dieses
    Verfassungsrecht auch für diese Veranstaltung gelten zu lassen, als er
    formulierte, "alle würden legitimiert sein zu sprechen, alle".

    Sie finden in den ausgelegten Unterlagen) eine kurze Synopse über den
    Bundesnachrichtendienst, Angaben über die siebeneinhalbtausend
    Mitarbeiter. Für deren Tätigkeit in diesem Dienst gab es bis zum Ende
    des Kalten Krieges keine gesetzliche Grundlagen, sie wurden erst am
    20.12.1990 geschaffen.

    Ich will dieses Profil nur in zwei Punkten strukturell ergänzen. Sie
    werden sehen, daß durch eine sehr lange Namensliste des Führungs- und
    Gründungspersonals der Organisation Gehlen und des daraus gebildeten
    Bundesnachrichtendienstes eine durchgängig faschistische Herkunft
    dieser Behörde ausgewiesen ist. Sie war nicht nur darin begründet, daß
    man eben nachrichtendienstliche Experten rekrutieren mußte, sondern
    auch darin , daß man ein personelles Vorratsbecken für die anstehende
    Wiederbewaffnung der Bundesrepublik Deutschland schaffen wollte. Herr
    Gehlen hatte mit seiner von den USA und dann der Bundesregierung
    legalisierten bzw. übernommenen "Organi-sation Gehlen" die
    weggefallene schützende Hand des faschistischen Staates über diese
    Nachrichtendienstler ersetzt.

    Zu ergänzen ist dieses Bild durch eine Übersicht über die
    Inlandsdienststellen des Bun-desnachrichtendienstes, der überwiegend
    mit seinen Offizieren, Beamten und Angestellten vom sicheren Boden
    Westdeutschlands aus agiert. Sie alle kennen die Zentrale in Pullach,
    aber insgesamt unterhält der BND weltweit 200 Dienststellen, davon
    mehr als 100 auf dem Territorium der alten Bundesrepublik bis zur
    Wende, inzwischen auch einige in den fünf neuen Bundesländern. Das
    sind Dienststellen wie z.B. Schulen, etwa 10, darunter sehr kleine
    konspirative Zwergschulen, Verbindungsbüros zu den Landesregierungen,
    zum Bundesamt für Verfassungsschutz nach Bonn, etwa 15 konspirative
    Außenstellen für die Spionage, ein Wirtschaftsverbindungsdienst
    speziell für die Wirtschaftsspionage, Verwaltungsaußenstellen, 13
    Befragungsstellen für Übersiedler und Asylbewerber, allein 17
    inländische Stellungen für die fernmeldeelektronische Aufklärung,
    Stellungen für Observationskommandos, Fälscherwerkstätten,
    Mobilmachungsstützpunkte, konspirative Wohnungen. Also all das, was
    wir aus der Debatte um das MfS an nachrichtendienstlichen Strukturen
    kennen, findet sich in analoger Weise auch für den BND auf dem Boden
    der Bundesrepublik Deutschland.

    Da es so viele sind, kann ich nicht wie Klaus Eichner alle hier
    darlegen, also das Observationskommando in München in der
    Biedersteiner Straße genauso öffentlich machen wie eine Scheinfirma,
    die als Demoskopieunternehmen für den BND arbeitet. Das muß
    gründlicherer Analyse überlassen bleiben.

    Alle Nachrichtendienste, ließ uns ein General des MfS vor zwei Monaten
    im Fernsehen wissen, arbeiten mit gleichen oder ähnlichen Methoden.
    Und das war sicherlich eine flankierende Maßnahme zum Wolf-Prozeß, um
    deutlich zu machen, daß Markus Wolf möglicherweise nur erfolgreicher,
    aber nicht viel anders gearbeitet hat als westliche
    Nachrichtendienste. Wenn dem so wäre, könnte ich diesen Abschnitt
    meines Vortrages beenden, aber ich denke, es gibt Unterschiede.

    Natürlich ist es richtig, daß Nachrichtendienste auch gemeinsame
    nachrichtendienstliche Methoden anwenden, wenn z. B. zwei Mitarbeiter
    des BND im Sommer 1990, vor der Einigung, versucht haben, von
    sowjetischen Offizieren in Neuruppin für hohe Geldsummen sowjetische
    Geheimunterlagen abzukaufen, so erfüllt das strafrechtlich auch den
    Straftatbestand der Bestechung. Und es ist naiv, anzunehmen, daß der
    BND seine Agenten mit Fleißkärtchen belohnt. Er operiert in derselben
    Weise und in sehr viel größerem Umfang, als es dies dem MfS möglich
    war, mit Geld.

    Strategische Fernmeldekontrolle

    Zu den nachrichtendienstlichen Besonderheiten des BND, resultierend
    aus der Frontstaatensituation, gehörte zum einen die Observierung des
    Post- und Telefonverkehrs der westdeutschen Bevölkerung mit den
    "Brüdern und Schwestern in der DDR" unter dem Deckmantel einer
    sogenannten strategischen Fernmeldekontrolle, die Hinweise auf einen
    eventuell bevorstehenden Angriff des Warschauer Vertrages bringen
    sollte. Nun ist dadurch alles mögliche in den Wissenstand von BND und
    seiner Partnerdiensten geraten, aber nie ein Hinweis auf einen
    Angriff. Findige Juristen des BND rechtfertigen diese "strategische
    Fernmeldekontrolle" damit, daß man sich derart sicher sein konnte,
    militärisch nicht bedroht zu sein.

    Zu den Frontstaat-Besonderheiten gehörten sicherlich auch die
    zahllosen Befragungsstellen für Übersiedler aus der DDR, der Einsatz
    von Transitagenten auf den Reisestrecken zwischen der Bundesrepublik
    und Westberlin und auch der relativ hohe Aufwand für die elektronische
    Aufklärung, in die der BND über Jahrzehnte Milliarden von DM
    investiert hat.

    Prioritätsstufen - "DDR, DDR, DDR"

    Seine nachrichtendienstliche Aufträge hat der BND überwiegend aus dem
    Bundeskanzleramt erhalten. In der Aufklärung gab es sechs
    Prioritätsstufen. Zur ersten, also von "allerhöchstem Interesse",
    gehörten in der Endzeit des Kalten Krieges, in den späten 80er Jahren,
    alle Fragen, die den Warschauer Vertrag betrafen, politische
    Integrationsbestrebungen, Militärdoktrin, Militärpolitik,
    elektronische Kampfführung, Streitkräfte etc. und was sich
    dementsprechend in der DDR tat. Horst Ehmke hat einmal als
    Kanzleramtsminister die alleroberste Priorität für den BND auf die
    Formel gebracht: "DDR, DDR, DDR". Die Wirtschaftsbeziehungen innerhalb
    des Warschauer Vertrages und die internationale Erdöl- und
    Rohstoffpolitik rangierten eher auf Platz zwei in der
    Prioritätenliste.

    Der andere deutsche Teilstaat, der Nachbar- und Konkurrenzstaat, war
    das allererste Aufklärungsziel des BND. Etwa 40 Prozent seiner
    operativen Kapazitäten konzentrierten sich auf die
    Informationsbeschaffung aus der DDR und über die DDR und die Gewinnung
    von z.B. Reise- oder Auslandskadern der DDR für eine
    nachrichtendienstliche Zusammenarbeit mit dem BND. Wenn man sich die
    Erfolgsquote des BND auf diesem Gebiet anschaut, dann muß man jedoch
    konstatieren, daß sie sehr gering war, und das sicherlich deshalb,
    weil nicht nur der politische und wirtschaftliche Bereich der
    Bundesrepublik von Agenten, Spionen, Informanten des MfS durchsetzt
    war, sondern gerade auch die Nachrichtendienste. Ich erinnere nur an
    Kuron im Bundesamt für Verfassungsschutz oder Alfred Spuhler und Dr.
    Gisela Gast im BND, die dazu beigetragen haben, daß keiner der 300
    BND-Agenten in der DDR lange erfolgreich operieren konnte, ohne
    gegengesteuert oder mindestens observiert zu werden.

    An zweiter Stelle der Prioritäten des BND standen übrigens die
    Europapolitik Großbritanniens und Frankreichs, sowie die Außenpolitik
    der USA. Auch die engsten Verbündeten hat man sowohl durch operative
    Referate USA und Skandinavien z. B., als auch mittels
    fernmelde/elektronischer Aufklärung, Abhören des Botschaftsfunks,
    Durchkämmen der Post von NATO-Partnern u.v.a.m. auszuforschen
    versucht, damit man Klarheit darüber hatte, wie Thatcher, Mitterand,
    Bush, Reagan und andere agieren wollten, insbesondere auch bezüglich
    ihrer Deutschland- und Europapolitik.

    Globale Aktivität seit 1956

    Der BND beschloß 1956, seine Aktivitäten nicht auf den europäischen
    Kontinent zu beschränken, sondern global zu agieren. Die "Organisation
    Gehlen" entwickelte bereits Ende der 40er Jahre enge
    nachrichtendienstliche Kontakte nach Spanien und in die Türkei und
    baute legale Residenturen auf. Bis Ende der 60er Jahren sind nahezu
    alle Staaten, die zu den engsten Verbündeten in der NATO zählten, mit
    Legalresidenturen überzogen worden, ebenso auch neutrale Staaten, also
    Österreich, die Schweiz, Schweden und Finnland. Gegen Ende der 50er
    Jahre wurden erste Schritte zum Aufbau nachrichtendienstlicher Stellen
    in Lateinamerika unternommen, beginnend in Argentinien, wo über 2.000
    Nazikriegsverbrecher untergetaucht waren, und von hier aus den ganzen
    Kontinent überziehend.

    Im arabischen Raum gab es Anfang der 50er Jahre mit
    nachrichtendienstlicher Hilfe für Saudi -Arabien und Ägypten erste
    Einstiegsversuche. Aber erst zum Anfang der 80er Jahre gelang die
    nachrichtendienstliche Durchdringung von Afghanistan bis Marokko,
    Libyen bis Pakistan. Überall entstanden Legalresidenturen des BND, der
    seine Partnerdienstbeziehung nachhaltig dadurch vertiefte, daß er
    fernmeldeelektronische Aufklärungsmittel, Auswertecomputer und
    dergleichen an die Dienste der arabischen Staaten liefern ließ und
    auch entsprechende Einarbeitungslehrgänge in der Bundesrepublik
    angeboten hat. Der derzeitige Außenminister, Herr Kinkel, hat sich in
    besonderer Weise hervorgetan, dem Geheimdienst Saddam Husseins jede
    Art von Unterstützung zukommen lassen, von der Ausbildungshilfe über
    nachrichtendienstliche Technik bis hin zur Preisgabe von irakischen
    Asylbewerbern in der Bundesrepublik. Auch in den Apartheidstaat
    Südafrika hat der BND nachrichtendienstliche Aufklärungsanlagen
    geliefert, dessen Nachrichtendienstler in der BRD ausgebildet und
    geschult.

    Die jungen Nationalstaaten Afrikas - von Nigeria, Kenia, Tansania,
    Simbabwe, Neuguinea, Sambia bis Uganda - wurden vom
    Bundesnachrichtendienst in Konkurrenz zu den traditionellen dort
    vorhandenen Kolonialmächten mit einem nachrichtendienstlichen Netz
    überzogen. Der Bundesnachrichtendienst hat vielen dieser Staaten
    intensive Ausbildungshilfe zuteil werden lassen. Sie war hier bei uns
    eingebunden in ein System von Rüstungshilfe, Ausbildungshilfe durch
    die GSG 9, Wirtschaftshilfe, also in diesem ganzen Konzept der
    operativen Außenpolitik, mit der die Bundesrepublik ab dem Ende der
    60er Jahre, nach dem das sogenannte Wirtschaftswunder gegriffen hat,
    ihre wiedererstarkte ökonomische Position genutzt hat, um
    weltpolitischen Einfluß zu gewinnen. Selbst im fernen Osten war man
    über Hongkong bis zum Ende der 60er Jahre schon präsent, in Tokio,
    Manila, Jakarta und Singapur aktiv, man hat Tschiang Kai-schek Anfang
    der 60er Jahre fernmeldeelektronische Aufklärungsgeräte überantwortet
    und gerade diese Traditionslinie setzt sich fort bis 1993. Denn
    entgegen der offiziellen Ein-China-Politik der Bundesregierung, die
    auch dazu führt, daß Peking nachrichtendienstliche Elektronik bekommt,
    hat der Bundesnachrichtendienst eine modernste Computerauswerteranlage
    für funkelektronische Aufklärung nach Taiwan geliefert. Sie wird
    betreut durch eine Tarnfirma mit drei Mitarbeitern des
    Bundesnachrichtendienstes, die dort unter ziviler Abdeckung täglich
    für die Taiwaner analytisch arbeiten.

    Nebenaußenpolitik

    Das macht deutlich, was man in vielen Fällen beobachten kann, daß
    nämlich der BND eine Nebenaußenpolitik etabliert hat, d. h. entgegen
    der offiziellen Politik, die z. B. UNO-Embargos einhielt, Waffendeals,
    schmutzige Waffengeschäfte, Unterlaufen von Embargos oder auch einfach
    Besetzen von Positionen im Feld des Gegners unternommen hat. Das ist
    für Nachrichtendienste auf dem Sektor der Operation, der Aktion
    durchaus üblich. Zu den schmutzigsten Aktionen des BND zählt dabei
    sicherlich seit 1976 die Unterstützung der RENAMO, also jener
    Terroristenorganisation, die versucht hat, das sozialistische System
    Mocambiques zu destabilisieren. Wenn Sie in die
    Amnesty-International-Berichte dieser Jahre schauen, werden Sie sehen,
    daß der Anspruch unseres Bundesaußenministers, unsere Außenpolitik sei
    an Menschenrechten orientiert, durch die tatsächliche Politik
    weitgehend ausgehebelt wird.

    Wie die CIA mit drei bis fünf Prozent aller nachrichtendienstlichen
    Aktivitäten, Operationen und Aktionen in schmutzige Kriege und
    dergleichen verwickelt ist, ist das auch der BND (sicherlich in noch
    beschränkterem Umfang). Und wenn er so in Mocambique, Afghanistan,
    Nigeria tätig geworden ist, dann überwiegend in Joint Venture mit dem
    großen Bruder CIA. Kaum jemals im Alleingang nationaler Verantwortung,
    sondern immer in Abstimmung mit dem westlichen Bündnis.

    Wir erleben eine Debatte um die Änderung unserer Verfassung zugunsten
    des Auslandseinsatzes unserer Streitkräfte und der Botschaftsrat der
    Bundesrepublik in Argentinien, Hans-Georg Neumann, hat 1985 einen sehr
    deutlichen Hinweis darauf gebracht, was das für die
    nachrichtendienstliche Dimension bedeuten kann. Er hat nämlich gesagt,
    daß der BND an der gleichberechtigten Teilhabe am schmutzigen Krieg
    durch dieselben Verfassungsbeschränkungen gehindert ist, die auch den
    Auslandseinsatz der Bundeswehr nicht erlauben. Im Umkehrschluß heißt
    das, wenn wir durch eine Änderung des Grundgesetzes oder durch eine
    schleichende Aushöhlung der Verfassungspraxis zu regelmäßigen
    Auslandseinsätzen der Bundeswehr kommen, dann wird auch der
    Bundesnachrichtendienst sehr viel intensiver sich in schmutzige Kriege
    sich einmischen. Durch die Beobachtung des Kriegsschauplatzes
    Jugoslawien kann ich sagen, daß es bereits erste und deutliche
    Anzeichen gibt, wie der BND z. B. durch die Steuerung illegaler
    Waffengeschäfte auf diesem Sektor nachhaltiger tätig wird. Mit diesem
    ersten Überblick über die Aktivitäten des BND will ich es bewenden
    lassen.

    Danke!