Georgische Feier im Flüchtlingshaus

  • Georgische Feier im Flüchtlingshaus

    Geburtstagsfeier im Flüchtlingshaus



    Feier im Flüchtlingshaus bei den Georgiern. Ich bin eingeladen und es
    wird aufgetischt: Hühnchen, Champignons, Pizza, Käsefladenbrote, Wein,
    Orangensaft, Kekse, Schokolade, Mangos, Kiwis, Bananen, Pflaumen,
    Erdbeeren, und vieles, vieles mehr... Kein Geld - viele sind noch nicht
    einmal als Flüchtlinge anerkannt, sondern erst "Asylwerber" und warten
    noch darauf, ob sie abgewiesen werden oder bleiben dürfen- aber wenn
    jemand Geburtstag hat, dann werde ich jedesmal eingeladen samt meinen
    Kindern, und muss mit ihnen feiern, und dann geben sie wirklich ihr
    letztes Hemd für uns.

    Zur Erklärung: Eine Weile hatte ich die Betreuung der Flüchtlingskinder
    während den Deutschstunden für die Eltern übernommen. Damit wuchs auch
    die Beziehung zu den Müttern, und später auch zu den Vätern der Kinder,
    die mich Anfangs eher argwöhnisch beobachteten.

    Es waren mindestens zehn Menschen in dem kleinen Zimmer versammelt,
    zwei Tische wurden zusammen geschoben, Musik angemacht, und der Wein
    floss in Strömen.

    Ich habe natürlich nur Saft getrunken, aber das war in Ordnung. Die
    Georgier trinken jedes Glas ex aus, und dabei werden Glückwünsche
    gesprochen. Ein Glas für die Kinder, damit sie gesund bleiben und damit
    sie wachsen, damit sie in der Schule gut lernen und den Eltern keine
    Sorgen machen. Eines für die Österreicher, weil sie die Flüchtlinge
    aufgenommen haben und weil es ein schönes Land ist. Und sie bitten
    darum, dass wir Flüchtlinge immer herzlich aufnehmen. Eines für
    Georgien, damit der Krieg zu Ende geht. Eines auf die Frauen, damit sie
    viele Kinder gebären können und gesund bleiben und Freude bringen.
    Eines auf die Männer, damit sie Arbeit finden, ihre Familien ernähren
    können. Ein Glas auf alle guten Freunde, dabei wird wirklich von jedem
    etwas erzählt und jeder wird persönlich angesprochen, es wird erklärt,
    warum jemand ein besonderer Freund ist, dabei werden die Gläser in den
    Händen gehalten und es wird geredet, geredet, geredet und viel gelacht.


    Eines auf die verstorbenen (da hab ich dann Tränen gelacht, weil ich
    sagte, wenn ihnen die Lebenden ausgehen, müssen sie noch auf die Toten
    trinken, damit sie einen Grund haben weiter trinken zu können), wir
    haben also an alle Verstorbenen gedacht, die von uns gegangen sind, es
    wurde erzählt, wer verloren wurde. Wer im Krieg gefallen ist. Wen wir
    ins Herz geschlossen haben. Wer nicht vergessen werden sollte. Eines
    auf die Brüder, damit sie gesund und stark bleiben und zusammenhalten
    mit den Schwestern, eines für die Schwestern, eines auf das Land, damit
    es stark bleibt und alles gut wächst.

    So ist das also dahingegangen. Jeder sagte immer etwas dazu.

    Es war wirklich rührend irgendwie. Und schön. Niemand wurde vergessen. Jeder wurde immer einzeln angesprochen.

    So etwa: "Diese Glas sein für deine Bruder. Wieviel Bruder hast du?
    Eine? Ok. Ist für deine Bruder Gesundheit. Damit immer helfen, wenn du
    brauchen Bruder. Ist gute Bruder? Ja? Gut. Ist für gute Bruder, soll
    stark bleiben für dich, und wenn er Hilfen braucht, du musst kommen zu
    deine Bruder. Gesundheit!"

    "Und diese Glas sein für deine Mutter! Du haben Mutter? Wo leben sie!
    Ist gute Mutter? Ok. Diesen Glas für deine Mutter. weil sie haben dich
    geboren. Ist gute, starke Frau. Kann gut kochen? Ja? Gute Mutter. Wir
    trinke auf deine Mutter"

    Und es wurde nicht nur meine Mutter erwähnt, sondern die Mütter aller anwesenden Gäste!

    "Diese Glas für Freunde. Gutes Freunde, wenn wir in Herze tragen.
    Sonja, du gute Freunde geworden. Du einzig österreichisch Freunde.
    Deshalb wir einladen dich zu Geburtstag. Wir immer trinken so. Immer
    gute Wünsche für alles. Verstehen? Immer wünsche Gutes für Zukunft, für
    Träume, für gute Träume, damit gutes Zukunft. "



    Das hat natürlich Stunden gedauert, und es wurden etwa zehn Flaschen Wein vernichtet.

    Und ich wurde bestimmt zwanzig mal gefragt, weshalb ich keinen Alkohol
    trinke, wurde auch gefragt, ob ich muslimisch wäre, weil ich nichts
    trinke, was wieder für allgemeines Gelächter gesorgt hat. Die Gläser
    wurden übrigens jedes mal ex ausgetrunken und innerhalb kürzester Zeit
    war eine Partystimmung, so etwas hatte ich noch nie erlebt. Es wurden
    Lieder gesungen, ihre Frauen saßen dabei, der ganze Tisch war zum
    bersten voll mit guten Dingen, plötzlich stand Lachs da und falscher
    Kaviar, die Kinder bekamen Süßigkeiten, einer begann zu tanzen.

    Am Ende der Feier haben wir noch eine Tasche voller Bananen,
    Schokoriegel und Pralinen zum mit nach Hause nehmen geschenkt bekommen.


    Es waren Mongolen da, Kroaten, Tschetschenen, Russen und Georgier.

    An einem Tisch.

    Die Kinder liefen zwischen den Tischen herum, krabbelten laut kreischend durch die Betten des Zimmers, und spielten neben uns.

    Ein Fest für alle. Und nicht sinnlos rein gesoffen, sondern mit jedem
    Glas bedankt für etwas, das wichtig ist. Austausch. Reden.
    Missverständnisse bei Tisch klären.

    Ich fand es richtig schade, als ich diese Runde Abends verlassen musste. Die Feier dauerte noch bis spät in die Nacht.

    Zwei Monate lang haben die Flüchtlinge für dieses Fest Lebensmittel
    zusammen gespart und gesammelt. Für die Toten, für die Brüder, für die
    Mütter und Kinder, für die Schwestern, Väter und Freunde.
    schamanismus:
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    kunst und lyrik:
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