Tr?umen mit Diderot

  • Tr?umen mit Diderot

    Tr?umen mit Diderot

    Der Gedanke der Aufkl?rung, dass wir uns eine bessere Zukunft erschaffen k?nnen, ist noch jung und hat noch immer ?berall auf der Welt z?ndende Wirkung.



    Die Anf?nge der Aufkl?rung liegen im 17. Jahrhundert. Seither haben ihre Ideen immer wieder K?mpfe um religi?se Toleranz, Freiheit der wissenschaftlichen Forschung, Demokratie und pers?nliche Freiheit ausgel?st. Noch heute wird um Aufkl?rung und Fortschritt gerungen, und das Schlachtfeld hat mittlerweile sogar unsere Keimzellen und Neuronen erreicht.

    Den Gedanken, sich die Technik zunutze zu machen, um ?ber die Grenzen des menschlichen K?rpers und Gehirns hinauszugehen, nannte der Biologe Julian Huxley, Bruder von Aldous Huxley, "Transhumanismus". Huxley war der ?berzeugung, dass sich der Mensch, wenn er es wolle, durch so genannten Evolutionshumanismus selbst ?bertreffen k?nne. Die Vorstellung vom Transhumanismus, der die menschliche Form und nicht einfach nur unsere gesellschaftlichen Institutionen verbessert, geh?rte allerdings schon von Anfang an zur Aufkl?rung: von Denis Diderot, Jean de Condorcet, William Godwin und Robert Boyle bis hin zu Benjamin Franklin und Tom Paine.

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    Denis Diderot

    Im Jahre 1769 schrieb Diderot, Herausgeber der "Enzyklop?die", drei phantastische Essays, die als "D'Alemberts Traum" bekannt sind und in denen er imagin?re Dialoge zwischen ihm selbst, seinem Freund d'Alembert, einer kultivierten jungen Dame und einem Arzt wiedergibt. Darin meint Diderot, dass das Bewusstsein, da es ein Produkt von Hirnsubstanz sei, zerlegt und wieder zusammengef?gt werden k?nne. Die Wissenschaft wird Tote wieder zum Leben erwecken. Tiere und Maschinen k?nnen zu intelligenten Gesch?pfen umgeformt werden, und die Menschheit kann sich selbst in eine gro?e Typenvielfalt umwandeln, "wobei es unm?glich ist, ihre Metamorphosen und ihren k?nftigen endg?ltigen K?rperbau vorherzusagen."

    Es sieht so aus, als w?rde sich Diderots Voraussicht in diesem Jahrhundert best?tigen. In dem Ma?e, in dem sich Pharmakologie, k?nstliche Intelligenz, Nanotechnik und Biotechnologie in den n?chsten Jahrzehnten einander ann?hern werden, wird sich die Lebensdauer der Menschen gut auf ?ber 100 Jahre verl?ngern. Unsere Sinne werden sich erweitern und intensiver als heute Bilder, T?ne und Empfindungen aufnehmen. Wir werden uns deutlicher an mehr Einzelheiten aus unserem Leben erinnern k?nnen. Wir werden Herr sein ?ber M?digkeit, Erwachen und Aufmerksamkeit und uns mit mehr praktischer Intelligenz ausstatten. Wir werden st?rkere Kontrolle ?ber unsere Gef?hle haben und weniger unter Depressionen, Zw?ngen und Geisteskrankheiten leiden.

    Unsere K?rper und Gehirne werden von Computern umgeben und mit denselben verschmelzen. Die Computer selbst wiederum werden mindestens so leistungsf?hig wie unsere Gehirne. In dem Ma?e, in dem Maschinen mit unserem Geist verschmelzen, werden wir tats?chlich zerlegt und wieder zusammengef?gt. Wir werden diese Technologien nutzen, um uns selbst, unsere Kinder und Tiere in nicht vorhersehbare Arten intelligenten Lebens umzuwandeln.

    In den letzten dreihundert Jahren haben sich konservative Religionsanh?nger, autorit?re Politiker und romantische Verteidiger einer idyllischen Vergangenheit dem Gedanken, dass die Menschen kreative Verantwortung f?r die Verbesserung des Werks des Intelligenten Sch?pfers - ob Monarchien oder Fortpflanzungsbiologie - ?bernehmen sollten, immer wieder widersetzt. In der aktuellen Debatte ?ber die Zukunft der menschlichen Evolution haben sich diese mannigfaltigen Stimmen von links und rechts in einer biokonservativen Allianz gegen Technologien zur Lebensverl?ngerung und Verbesserung des Menschen zusammengetan. F?r die Biokonservativen sind die Versuche, ein deutlich l?ngeres Leben, ges?ndere K?rper und schnellere Gehirne zu erwerben, eine hochm?tige Flucht fort von Gott, falsches kapitalistisches Bewusstsein, neo-eugenischer Brave-Neue-Welt-Ismus oder ein Faustscher Pakt mit dem technisch-industriellen Zeitalter. Von diesen Kritikern der Aufkl?rung wird der Wunsch, mehr als menschlich zu werden, als Bedrohung der "W?rde des Menschen" angesehen und als Katastrophe verdammt.

    Wie schon von Diderot ausgemalt, steht im Mittelpunkt dieser aufkommenden Biopolitik die Debatte dar?ber, ob Verstand nur dem Menschen eigen und "menschlich" eine sinnvolle moralische Kategorie ist. F?r die Anh?nger der Aufkl?rung ist Verstand ein Gut der Materie und "menschlich" eine sich st?ndig weiterentwickelnde Kategorie mit verschwommenen Grenzen. Unser Zufallsgeschenk des Verstandes teilen wir in unterschiedlichem Ma?e mit unseren s?ugenden Vettern und j?ngsten Vorfahren. Wenn wir und unsere Mitb?rger uns mehr als menschlich machten - wo auch immer die Trennlinie verlaufen mag - und wenn unsere Gesellschaft durch intelligente Tiere oder Maschinen erweitert w?rde, w?re dies kein unhaltbares Gr?uel, sondern eine Bereicherung unserer Vielfalt. Biokonservative lehnen diese k?nftige Vielfalt ab, weil nur Menschen Rechte haben k?nnen und unsere Kultur und Politik auf die Einheit und Reinheit der menschlichen Rasse angewiesen ist.

    Zwischen den verwirrenden Extremen des naiven Techno-Utopismus einerseits und biokonservativer Verbote neuer Technologien andererseits stellen sich viele legitime Fragen zu den Risiken von St?mperei. Eine Herausforderung besteht darin, daf?r zu sorgen, dass die Verbesserungstechnologien m?glichst vielen Menschen zug?nglich gemacht werden, damit wir nicht durch das Entstehen einer verbesserten Elite zersplittert werden. Allerdings mag universeller Zugang zur Verbesserung in unserer ungleichen Welt unm?glich erscheinen. Aber es besteht durchaus Grund zu Optimismus.

    Einige Verbesserungstechnologien werden vermutlich preiswert sein. Gentherapien oder Mittel gegen das Altern und zur Wiederherstellung von K?rper und Geist k?nnten so preiswert angeboten werden wie Kondome, Moskitonetze und Impfstoffe. Allerdings wissen wir nat?rlich, dass den Armen dieser Welt noch nicht die ben?tigten Kondome, Moskitonetze und Impfstoffe zur Verf?gung stehen, sodass es gef?hrlich und dumm erscheinen kann anzunehmen, dass sie ein Recht auf Lebensverl?ngerung und Brain-Booster haben. Doch vor zehn Jahren, als antiretrovirale Therapien gegen HIV noch 40.000 Dollar im Jahr kosteten, konnte sich auch noch niemand vorstellen, dass wir heute Milliarden von Dollar in einem globalen Fonds haben w?rden und diese Behandlungen so auch den ?rmsten der Armen angeboten werden k?nnen. Die Antwort auf die Forderung nach globalem Zugang zu HIV-Therapien bestand nicht im Verbot antiretroviraler Mittel im Norden, sondern darin, die Pharmaindustrie zu zwingen, humanit?re Aspekte zu ber?cksichtigen, preiswertere Therapien zu entwickeln und in die Gesundheitssysteme des S?dens zu investieren. Nun brauchen wir dasselbe Vorgehen zur Sicherung des Zugangs zu Verbesserungstechnologien, von 100-Dollar-Laptops zu Gentherapien und kybernetischen Implantaten.

    Auch wenn Verbesserungstherapien nicht billig sind, werden sie dank ihres gesellschaftlichen Nutzens im Gro?en und Ganzen schlie?lich doch kostenwirksam sein. Diderot w?nscht d'Alembert eine gute Nacht mit den Worten: "Geben Sie dem Menschen - ich sage nicht die Unsterblichkeit, sondern nur die doppelte Lebensdauer, und Sie werden sehen, was dabei herauskommt." Da die Baby Boomer in den Industriel?ndern jetzt ?ber siebzig werden und die Zahl der Kinder, die ihren Platz in der Arbeitswelt ?bernehmen, zur?ckgeht, geraten unsere Gesundheits- und Rentensysteme ins Wanken. Wenn altersbedingte Krankheiten und Behinderungen durch Therapien hinausgez?gert werden k?nnen, die die Alterung aufhalten und das Gehirn reparieren, wird das Ergrauen der Gesellschaft weitaus weniger traumatisch. Eine wirtschaftliche Konsequenz w?rde darin bestehen, ein oder zwei Prozent mehr vom Bruttoinlandsprodukt f?r die Entwicklung von Anti-Aging-Therapien und Gew?hrleistung ihrer allgemeinen Zug?nglichkeit aufzuwenden.

    ?hnlich verh?lt es sich bei kognitiven Defiziten wie Demenz, Sucht und Geisteskrankheit. Auch hier wird der universelle Zugang zu kognitiven Verbesserungstherapien zu einer nahe liegenden M?glichkeit. Aber die Neurotechnologien bergen auch gro?e Risiken in sich. In Diderots Dialogen sinniert sein schlafender Freund d'Alembert dar?ber, dass sich der Mensch in eine "gro?e, inaktive, unbewegliche Ablagerung" verwandeln k?nnte. Mit anderen Worten k?nnten wir zuf?llig oder absichtlich Gaben verlieren, die wir hoch sch?tzen, wie Einf?hlungsverm?gen, Kreativit?t, Ehrfurcht und ruhiges ?berlegen. Einige Suchtmittel wie Methamphetamin polen das Gehirn so um, dass es sich nur auf den n?chsten Fix konzentrieren kann, w?hrend Hormone und Neurotransmitter unsere Gef?hle und Interessen manipulieren k?nnen. Wir brauchen Richtlinien und Regeln, die die menschliche Evolution aus der Sackgasse radikaler Selbstsucht und Sucht erzeugender Versunkenheit hin zu gr??erer Geselligkeit, Selbstbewusstsein und Vernunft lenkt. Sogar selbst gew?hlte Hirnmanipulation k?nnte uns alle weniger menschlich machen. Statt dessen m?ssen wir einander ermutigen, die von uns gesch?tzten Tugenden st?rker herauszubilden.

    In Diderots drittem Dialog geht es um eine andere biokonservative Angst, die Kreuzung von Menschen und Tieren. Das Verwischen der Trennlinie zwischen Mensch und Tier verletzt tief sitzende Tabus und ruft die Visionen vom Minotaurus und der "Insel von Dr. Moreau" wach. Der amerikanische Pr?sident Bush und die Church of Scotland fordern ein Verbot von Hybriden. Ein solches Verbot w?rde aber der biomedizinischen Forschung, in der Tiere mit menschlichen Genen und Geweben zur Erforschung von Heilungsm?glichkeiten f?r viele Krankheiten genutzt werden, heftigen Schaden zuf?gen.

    Es gibt aber auch berechtigte Bedenken gegen die Mensch-Tier-Hybridforschung. An welchem Punkt erwerben die Kreuzungen Rechte von Menschen? D'Alemberts Arzt schl?gt die Z?chtung eines Ziegenmenschen zur Befreiung des Menschen von der Schinderei vor. Aber warum w?re es moralischer, Ziegenmenschen st?rker zu versklaven als andere Menschen? Vielleicht hat Diderot diesen Einwand vorhergesehen, als er in der letzten Zeile des Dialogs erw?hnte, dass ein franz?sischer Kardinal einmal angeboten habe, einen Orang-Utan zu taufen, wenn dieser nur sprechen w?rde.

    Tats?chlich ist die spanische Regierung im Begriff, grundlegende "Menschenrechtsgesetze" auf gro?e Affen auszudehnen. Gegner argumentieren, dass Affen keine Rechte haben d?rften, weil sie weder Gedanken noch Kultur von menschlichem Niveau h?tten. Was w?re nun aber, wenn Affen durch Genmanipulation geistige F?higkeiten auf menschlichem Niveau erhielten? G?be es dann noch immer Einw?nde gegen die Gew?hrung von B?rgerrechten? Nun, da die Genome von Menschen und Affen vollst?ndig entschl?sselt sind und wir die wichtigsten genetischen Unterschiede zwischen den Gehirnen erkannt haben, ist dies eine durchaus denkbare M?glichkeit. Der moralische Status eines solchen Affen w?re eine der deutlichsten Trennlinien zwischen den Verfechtern des Menschengeschlechts und den Aufgekl?rten.

    Diderot sieht auch die M?glichkeit eines empfindungsf?higen und beseelten Klaviers, das die F?higkeit bes??e, sich fortzupflanzen. Wenn Diderot diese Aussicht auch nicht zu besorgen scheint, ist von allen Risiken, die die neuen Technologien mit sich bringen, Maschinenintelligenz wohl das gr??te. In Diderots Dialog ?u?ert die kultivierte Dame die Ansicht, dass, da das Gehirn ?ber Nerven mit dem K?rper verbunden sei, alle Gehirne ?ber empfindliche F?den wie ein riesiges Spinnennetz miteinander und mit dem Rest des Universums verbunden seien. Der Doktor erwidert, dass es, wenn es derart ausgedehnte Intelligenz g?be, "das Aussterben der guten und b?sen Geister" bedeuten w?rde und "die konstantesten Naturgesetze w?ren von nat?rlichen Agentien durchbrochen." Die F?higkeit zu apokalyptischem Chaos durch eigensinnige Intelligenz, die aus unserem exponentiell gr??er werdenden Netz von Maschinen erw?chst, kommt den Risiken von Klimaver?nderung und Bioterrorismus zweifellos gleich. Wenn wir ?ber diese potenziell apokalyptische "Singularit?t" die Kontrolle behalten wollen, m?ssen wir mit unserem Netz, unserer Exocortex verschmelzen und unsere Intelligenz auf eine Vielzahl von K?rpern und Maschinen verstreuen, um kl?ger und schneller zu werden und die Weber des Netzes zu bleiben und nicht seine gefangenen Opfer zu werden.

    Wenn wir die liberale Gesellschaft verteidigen und Wissenschaft, demokratische Gesinnung und besonnene Regelungen nutzen, um diese Herausforderungen zu meistern, versuchen wir einen Weg in eine unvorstellbar transzendente Zukunft, in der wir dieses Puppenstadium der Menschheit hinter uns lassen. Der tr?umende d'Alembert stellt sich vor, dass sich der Mensch aufl?st und unz?hlige Kokons bildet, die jeweils bestimmte menschliche Eigenschaften besitzen - Beamte, Philosophen, Dichter - und ihre eigenen individuellen Schmetterlinge geb?ren. "Wer wei?, welche neue Gattung sp?ter aus einer so gro?en Anh?ufung von empfindsamen lebenden Punkten wieder hervorgehen kann?" Wir k?nnen eine neue Art mit gro?er Vielfalt werden, die durch unsere gemeinsame W?rdigung der Kostbarkeit des Selbstbewusstseins in einem riesigen, dunklen Universum in Br?derlichkeit vereint ist. Dies ist die positive Vision der Aufkl?rung, dass jeder von uns in vollstem Umfang sein technisch m?gliches Potenzial erreicht und alle als eine tolerante, reiche, demokratische Gesellschaft zusammenleben.

    Trotzdem fragt der Skeptiker, wozu das Ganze? Warum den Weg in die Posthumanit?t riskieren? Welche Vorhaben w?rden wir mit unseren unsterblichen K?rpern, grenzenlosen Hirnen und au?ergew?hnlichen Sinnen verfolgen? So, wie unsere Vorfahren aus der Steinzeit unsere gro?en St?dte, unsere K?nste und Maschinen oder unsere geistigen Traditionen nicht vorhergesehen haben konnten, k?nnen wir uns heute nicht die Gr??e der Leistungen unserer posthumanen Nachkommen vorstellen. Die kultivierte Dame stellt sich in dem Dialog vor, das Gehirn eines Genies auseinander zu nehmen, aufzubewahren und sp?ter wieder zusammenzusetzen, um "das Ged?chtnis, die Vergleiche, die Urteilskraft, die Vernunft, die Begierden, die Abneigungen, die nat?rliche Begabung, das Talent wiederentstehen" zu sehen. Vielleicht nutzen unsere Nachkommen die Nanotechnik, um ganze Planeten in intelligente, beseelte Materie zu verwandeln, jedes Atom ein Prozessor in einem planetengro?en Gehirn, sich des Sturzes jedes Spatzes bewusst und in der Lage, die Erinnerungen jedes Lebens zu bewahren. In einer solchen Welt k?nnte unsere pers?nliche Identit?t Milliarden von Jahren weiterbestehen.

    Als d'Alembert erwacht, fragt er, "wenn alles ein allgemeiner Fluss ist, wie ihn mir das Schauspiel des Universums ?berall zeigt: was werden dann hier und anderswo die Dauer und die Wandlung einiger Millionen Jahrhunderte nicht alles hervorbringen? Wer wei?, wie das empfindende und denkende Wesen auf dem Saturn ist?" Vielleicht machen sich unsere Nachkommen daran, die anderen weit verstreuten Formen von Intelligenz in unserer Galaxie zu suchen und beginnen, das Universum so zu gestalten, dass seine rasante Ausdehnung bis zum W?rmetod gestoppt wird. Oder wie Michio Kaku meint, bauen sie vielleicht ein neues, angenehmeres Universum und wandern dorthin aus.

    Ganz gleich, wie die Vorhaben unserer Nachkommen aussehen werden, sie - und vielleicht auch einige von uns - werden auf unser heutiges Leben mit dem Erstaunen, dem Mitleid und der Dankbarkeit zur?ckblicken, die wir f?r unsere Vorfahren aus der Steinzeit empfinden. So, wie unsere Vorfahren ihre H?hlen verlie?en, um Bauernh?fe und St?dte zu bauen, m?ssen wir nun bewusste rationale Kontrolle ?ber unser biologisches Schicksal ?bernehmen und wachsen, um nach den Sternen greifen zu k?nnen.

    Artikel-URL: http://www.heise.de/tp/r4/artikel/24/24329/1.html
  • Huxleys Sch?ne, neue Welt!

    Hallo MANUkey,

    ich hatte mir den Text zum "noch Mal lesen" vorgemerkt und bin erst jetzt dazu gekommen. Du hast ihn unkommentiert hier reingestellt. So soll er aber nicht bleiben. Ich halte diesen gesamten Text f?r eine subtile Verwirrung des gesunden Menschenverstandes.

    Als erstes Frage ich mich, warum der Verfasser sich auf Diderot beziehen mu?. Ein Denker der Aufkl?rung und Aufkl?rung ist ja eine gute Sache, oder wie? Und was der damals schon angedacht hatte mu? ja heute realisiert werden? Es geht eher darum sich fremde autorit?t anzueignen, damit der Text nicht ganz so offensichtlich erkennbar wird in dem Ziel, dass er verfolgt.

    Es scheint nur eine Diskussion zwei verschiedener Denkweisen zu sein, da der Text ganz eindeutig Stellung bezieht und, wie ich finde, unhaltbare Schlu?folgerungen zieht.

    Betrachten wir nur die Wortwahl, die den Leser f?r den gew?nschten Standpunkt einnehmen soll:

    Es sieht so aus, als w?rde sich Diderots Voraussicht in diesem Jahrhundert best?tigen. In dem Ma?e, in dem sich Pharmakologie, k?nstliche Intelligenz, Nanotechnik und Biotechnologie in den n?chsten Jahrzehnten einander ann?hern werden, wird sich die Lebensdauer der Menschen gut auf ?ber 100 Jahre verl?ngern. Unsere Sinne werden sich erweitern und intensiver als heute Bilder, T?ne und Empfindungen aufnehmen. Wir werden uns deutlicher an mehr Einzelheiten aus unserem Leben erinnern k?nnen. Wir werden Herr sein ?ber M?digkeit, Erwachen und Aufmerksamkeit und uns mit mehr praktischer Intelligenz ausstatten. Wir werden st?rkere Kontrolle ?ber unsere Gef?hle haben und weniger unter Depressionen, Zw?ngen und Geisteskrankheiten leiden.


    Hier wird erst einmal die Glorie der zuk?nftigen Hybrid-Menschen beschrieben. Eine Mischung aus nat?rlich geborenen Menschen und "verbessernden" Chemikalien und technischen Prothesen.
    Die geforderte Kontrolle des Geistes und K?rpers ist also nur ?ber industrielle Produkte zu erlangen!?

    Unsere K?rper und Gehirne werden von Computern umgeben und mit denselben verschmelzen. Die Computer selbst wiederum werden mindestens so leistungsf?hig wie unsere Gehirne. In dem Ma?e, in dem Maschinen mit unserem Geist verschmelzen, werden wir tats?chlich zerlegt und wieder zusammengef?gt. Wir werden diese Technologien nutzen, um uns selbst, unsere Kinder und Tiere in nicht vorhersehbare Arten intelligenten Lebens umzuwandeln.


    Ich bin froh, dass meine Kinder sind, wie sie sind. Und ich erkenne keinen Fortschritt in experimenten, die eine Verbesserung ergeben sollen, die in ihrem Umfang nicht bekannt ist. Das legt den Schlu? nahe, dass hier auch das Gegenteil heraukommen kann.

    Im n?chsten Absatz kommen dann die Schl?sselbegriffe, die die sogenannte Gegenseite diffamiert:

    rechts, links, biokonservativ gegen...
    Lebensverl?ngerung Verbesserung des Menschen

    ...ein deutlich l?ngeres Leben, ges?ndere K?rper und schnellere Gehirne zu erwerben

    Biokonservative lehnen diese k?nftige Vielfalt ab...


    Beachten wir hierbei die Verwendung der Silbe "Bio". Es wird nicht von Konservativen gesprochen, sondern von Biokonservativen, was den Schlu? nahelegen soll, das es sich bei den Verbesserungen um "biologische" Verbesserungen handelt und nicht um mechanische und chemische Prothesen.

    In den letzten dreihundert Jahren haben sich konservative Religionsanh?nger, autorit?re Politiker und romantische Verteidiger einer idyllischen Vergangenheit


    Diese Bezeichnungen sind abwertend gemeint. Die so Benannten kommen in die Schublade "R?ckw?rtsgewandte Hinterw?ldler". Das ist nicht nett, aber beabsichtigt.

    Zwischen den verwirrenden Extremen des naiven Techno-Utopismus einerseits und biokonservativer Verbote neuer Technologien andererseits stellen sich viele legitime Fragen zu den Risiken von St?mperei. Eine Herausforderung besteht darin, daf?r zu sorgen, dass die Verbesserungstechnologien m?glichst vielen Menschen zug?nglich gemacht werden, damit wir nicht durch das Entstehen einer verbesserten Elite zersplittert werden.


    ...verwirrenden Extremen... genau, Unruhe stiften, dass keiner klar denken kann und dann herkommen und sagen: "Ich habe die L?sung"!

    Allerdings mag universeller Zugang zur Verbesserung in unserer ungleichen Welt unm?glich erscheinen. Aber es besteht durchaus Grund zu Optimismus.


    Das Ungleichgewicht in unserer Welt ist nicht einfach so passiert, es wurde ganz gezielt geschaffen. Daher kann ich auch den Optimismus im letzten Satz nicht teilen, denn solange dieses gewollte Ungleichgewicht nicht beseitigt wird, gibt es keinen Grund f?r Optimismus.


    Der n?chste Absatz zeigt eine interessante Verdrehung von Tatsachen und Abh?ngigkeiten:

    Einige Verbesserungstechnologien werden vermutlich preiswert sein. Gentherapien oder Mittel gegen das Altern und zur Wiederherstellung von K?rper und Geist k?nnten so preiswert angeboten werden wie Kondome, Moskitonetze und Impfstoffe. Allerdings wissen wir nat?rlich, dass den Armen dieser Welt noch nicht die ben?tigten Kondome, Moskitonetze und Impfstoffe zur Verf?gung stehen, sodass es gef?hrlich und dumm erscheinen kann anzunehmen, dass sie ein Recht auf Lebensverl?ngerung und Brain-Booster haben. Doch vor zehn Jahren, als antiretrovirale Therapien gegen HIV noch 40.000 Dollar im Jahr kosteten, konnte sich auch noch niemand vorstellen, dass wir heute Milliarden von Dollar in einem globalen Fonds haben w?rden und diese Behandlungen so auch den ?rmsten der Armen angeboten werden k?nnen. Die Antwort auf die Forderung nach globalem Zugang zu HIV-Therapien bestand nicht im Verbot antiretroviraler Mittel im Norden, sondern darin, die Pharmaindustrie zu zwingen, humanit?re Aspekte zu ber?cksichtigen, preiswertere Therapien zu entwickeln und in die Gesundheitssysteme des S?dens zu investieren. Nun brauchen wir dasselbe Vorgehen zur Sicherung des Zugangs zu Verbesserungstechnologien, von 100-Dollar-Laptops zu Gentherapien und kybernetischen Implantaten.


    Wo kommen die Milliarden her, die heute f?r die angebliche Aids-Behandlung in dritte Welt-L?ndern ausgegeben werden? Ist durch diese Investtion das Leben in der Dritten Welt billiger geworden? Fiel das Geld vom Himmel? Und wer bekommt es denn schlu?endlich. Die zum Humanismus "gezwungene" Pharmaindustrie in deren Taschen dieses Geld auch gleich wieder landet? Geld zur Behandlung einer Krankheit die aus westlichen Milit?rlabors stammt?
    Eine Pharmaindustrie, die nicht einmal Krebs heilen kann, nun aber voranst?rmt den Leuten kybernetische Implantate zu verkaufen, nur um sie letztendlich wieder an Zivilisationskrankheiten verrecken zu lassen? Das ist eine sehr seltsame Darstellung der m?glichen Menschlichen Zukunft!

    Auch wenn Verbesserungstherapien nicht billig sind, werden sie dank ihres gesellschaftlichen Nutzens im Gro?en und Ganzen schlie?lich doch kostenwirksam sein.


    Und jetzt diese Argumentation. Was bedeutet das denn bitte? Verbesserung des Menschen durch industrielle Produkte stellen eine Investition dar, die sich amortisieren mu?. Also mu? dieser Mensch eine h?here Produktivit?t aufweisen, als seine "normalen" Mitmenschen, die letztendlich den Nutzen aus der Investion in die Verbesserung bezahlen m?ssen. Oder geht es blo? um "Kosmetik", bzw. Angeberei. Keinen Spoiler mehr am Auto, sondern ddas Handy in den Sch?del implantiert und damit angeben?

    Nat?rlich erwachsen aus dieser Technologie auch Gefahren, denen begegnet werden mu?:

    Wir brauchen Richtlinien und Regeln, die die menschliche Evolution aus der Sackgasse radikaler Selbstsucht und Sucht erzeugender Versunkenheit hin zu gr??erer Geselligkeit, Selbstbewusstsein und Vernunft lenkt. Sogar selbst gew?hlte Hirnmanipulation k?nnte uns alle weniger menschlich machen. Statt dessen m?ssen wir einander ermutigen, die von uns gesch?tzten Tugenden st?rker herauszubilden.


    Also noch mehr Regeln und Kontrolle, aber auch die Forderung Tugenden herauszubilden. Wunderbar. Diese Forderung besteht sowieso, ohne technische Implantate!

    Und nun die Gewinnung von Tieren mit menschlichem Genom. Warum, im transplantationsf?hige Organe zu gewinnen ohne auf menschliche Spender angewiesen zu sein!

    Ein solches Verbot w?rde aber der biomedizinischen Forschung, in der Tiere mit menschlichen Genen und Geweben zur Erforschung von Heilungsm?glichkeiten f?r viele Krankheiten genutzt werden, heftigen Schaden zuf?gen.


    Das ganze wird nat?rlich ein wenig verpackt, damit man nicht gleich merkt, was eigentlich gemeint ist. W?re es nicht weniger aufw?ndig und moralisch erstrebenswerter allen Menschen eine nat?rliche Lebensf?hrung zu erlauben, die organischen Verschlei? gar nicht erst aufkommen l??t?

    Die technologische Maximierung l??t Gefahren entstehen, die unbeherrschbar scheinen. Hieraus wird dann aber die Schlu?folgerung gezogen:

    Die F?higkeit zu apokalyptischem Chaos durch eigensinnige Intelligenz, die aus unserem exponentiell gr??er werdenden Netz von Maschinen erw?chst, kommt den Risiken von Klimaver?nderung und Bioterrorismus zweifellos gleich. Wenn wir ?ber diese potenziell apokalyptische "Singularit?t" die Kontrolle behalten wollen, m?ssen wir mit unserem Netz, unserer Exocortex verschmelzen und unsere Intelligenz auf eine Vielzahl von K?rpern und Maschinen verstreuen, um kl?ger und schneller zu werden und die Weber des Netzes zu bleiben und nicht seine gefangenen Opfer zu werden.


    ...Klimaver?nderungen und Bioterrorismus... wir wissen mittlerweile, das die Regierungen und ihre Geheimdienste es selbst sind, die den Terrorismus als Unterdr?ckungswerkzeug z?chten und auch mit Biowaffen ausstatten. Und die L?sung soll sein, noch mehr Vernetzung, technologische Weiterentwicklung und Kontrolle? Wo soll das enden? Eine solche Spirale von aus sich selbst erzeugten Problemen und technischen L?sungen, die wiederum Probleme generieren erhitzt sich doch selbst ?ber den Siedepunkt hinaus, und dann?

    So, wie unsere Vorfahren ihre H?hlen verlie?en, um Bauernh?fe und St?dte zu bauen, m?ssen wir nun bewusste rationale Kontrolle ?ber unser biologisches Schicksal ?bernehmen und wachsen, um nach den Sternen greifen zu k?nnen.


    Hier ist das Schl?sselwort "rational". Es gibt in diesem Text keinen beseelenden Geist, sondern nur die Vernunft. Der Verstand ist eine Maschine, die man zerlegen, wieder zusammensetzen und "technisch" verbessern kann. Das ist eine grotesk einseitige Sichtweise. SO werden wir die Zukunft nicht gewinnen. Die vorgeschlagenen L?sungen sind auch kein "Gewinn" f?r das Individuum. Hier haben wir einen Text, der einen "Holzweg" zum technokratischen Fortschritt der Menschen sch?nschreibt, und gleichzeitig v?llig verdeckt, wer die nutznie?er einer Solchen Entwicklung sind. Nat?rlich wieder die ?blichen Geldkartelle. Und ihr k?nnt sicher sein, dass deren Vorst?nde nicht eine der vorgestellten "Verbesserungen" an sich selbst anwenden werden!

    Also, immer wach bleiben und genau hinschauen beim Lesen!
    nenn mich EO
    zu Ende denken
  • Nachtrag:
    Bedenke, neue Technologien werden als erstes zum Gebrauch f?r das Milit?r entwickelt. Haben die dann was Besseres wird die Technologie f?r den Markt freigegeben. Heute werden Kriege nicht mehr Armee gegen Armee gef?hrt, sondern ?ber Kommandounternehmen, Unterwanderung, Sabotage und Spionage. Und nat?rlich die heimliche Ermordung missliebiger Personen. Der erste "verbesserte" Mensch wird also ein Meuchelm?rder sein, der f?r irgend ein Firmenkartel t?tig wird. Nat?rlich wird der Betreffende den ?blichen Unsinn von Schutz des Vaterlandes in die Ohren geblasen bekommen, oder er ist schlichtweg ohne jede Moral und k?uflich, weil er die Actionspiele Mal im richtigen Leben erleben will.
    Und das ist der Fortschritt der Menschheit? Nein, danke!
    nenn mich EO
    zu Ende denken