Florian R?tzer 01.09.2006
From: Paul Boos [mailto:[email protected]]
Sent: Monday, September 04, 2006 05:43
http://www.telepolis.de/r4/artikel/23/23465/1.html
In erster Lesung wurde im NRW-Landtag die von Innenminister Wolf (FDP)
erstellte Novellierung des Verfassungsschutzgesetzes behandelt, die dem
Geheimdienst "offensive Internetbeobachtung" und das Eindringen in private
Rechner erm?glichen w?rde ? f?r die Opposition ist das Hausfriedensbruch
In erster Lesung behandelte gestern der Landtag von Nordrhein-Westfalen das
"Gesetz zur ?nderung des Gesetzes ?ber den Verfassungsschutz in
Nordrhein-Westfalen". Von den Gr?nen und der SPD wird der Entwurf abgelehnt,
der es dem Verfassungsschutz erm?glichen w?rde, heimlich ?ber das Internet
in private Rechner einzudringen ( Verfassungsschutz soll auf Computer ?bers
Internet zugreifen d?rfen (1)). Die Novellierung war bereits auf dem Weg,
bevor der missgl?ckte Anschlag auf die Regionalz?ge stattgefunden hat.
Innenminister Wolf (FDP) berichtete dem Plenum zun?chst vom Stand der
Ermittlungen. Offenbar herrscht trotz der erfolgten Festnahmen noch
Unkenntnis ?ber die Motive der Verd?chtigen vor.
Die Polizei tappt offenbar, den Ausf?hrungen (2) des Innenministers zufolge,
noch weitgehend im Dunklen, was den Hintergrund und die Motive der
mutma?lichen Bombenleger betrifft:
Es ist deshalb auch noch keine belastbare Bewertung dazu m?glich, aus
welchen Gr?nden Deutschland f?r die Anschl?ge ausgew?hlt wurde. Noch liegen
keine gesicherten Erkenntnisse dazu vor, inwieweit etwa famili?re
Strukturen, eine islamistische Gesinnung oder Einbindung in ein Netzwerk,
pers?nliche Erlebnisse oder sonstige Beeinflussung Ausl?ser f?r die Tat
waren.
Gleichwohl wurde f?r Wolf mit der Entdeckung der beiden ? nach Experten
offenbar falsch konstruierten und daher nicht funktionsf?higen ? Sprengs?tze
best?tigt, dass Deutschland "Teil eines weltweiten Gefahrenraumes" ist. Nach
dem 11.9. habe man sich schnell auf diese Bedrohungslage eingestellt und
einen "ganzheitlichen Bek?mpfungsansatz" entwickelt, um so alle Beh?rden
zusammen arbeiten zu lassen. "Internationale terroristische Netzwerke und
auch inl?ndische Terroristen nutzen", so Wolf, "das Internet und die
elektronische Kommunikation zunehmend zur Propaganda und f?r logistische
Zwecke. Die Beobachtung von Internetseiten, Chats und auch das Eindringen in
Rechnersysteme ist daher ein notwendiges Instrumentarium f?r einen wirksamen
Verfassungsschutz."
Eben dies soll unter anderem die Novellierung des Verfassungsschutzgesetzes
erm?glichen, die dem Geheimdienst die nach dem 11.9. gew?hrten
Sonderbefugnisse zur Auskunft ?ber internationale Terroristen auch im Inland
f?r heimische Terroristen gestatten w?rde.
Daher sollen die Auskunftsbefugnisse gegen?ber Banken und
Telekommunikationsunternehmen auch gegen?ber inl?ndischem Extremismus
gelten. Wir m?ssen k?nftig die sogenannten homegrown-terrorists - Islamisten
mit deutscher Staatsangeh?rigkeit ebenso beobachten k?nnen wie ausl?ndische
Gef?hrder. Dies bedeutet nicht, dass zum Beispiel die Bankverbindungen jedes
Einzelnen ?berpr?ft werden k?nnten. Nur bei Anhaltspunkten f?r das Vorliegen
von schwerwiegenden Gefahren ? wie z.B. der geplante Anschlag auf eine
Synagoge - darf der Verfassungsschutz solche Ausk?nfte einholen.
Ingo Wolf (3) am 31.8. vor dem Landtag
Man d?rfe die Welt, in der sich die modernen Terroristen bewegen, nicht von
der Beobachtung durch den Geheimdienst ausschlie?en. Wolf verweist darauf,
dass auch die Bundesregierung bei der anstehenden Ver?nderung des
Bundesverfassungsschutzgesetzes ?hnliche Erweiterungen plane, diese aber in
Nordrhein-Westfalen durch die FDP st?rker beschr?nkt w?rden. So soll zwar
der Verfassungsschutz Auskunft ?ber Personen von Luftfahrt- und
Telekommunitionsunternehmen, Banken und Postdiensten verlangen und
"offensive Internetma?nahmen" ausf?hren k?nnen, aber nur dann, wenn
"hinreichend Anhaltspunkte f?r schwere Straftaten vorliegen" und die
parlamentarische G10-Kommission dies genehmigt hat. Bei manchen ?u?erungen
des Innenministers zweifelt man allerdings ein wenig, ob er ?berhaupt wei?,
wovon er spricht.
Zu dieser offensiven Internetbeobachtung geh?rt neben der Beobachtung von
Homepages auch das Lesen von e-mails auf Festplatten. Als verantwortlicher
Innenminister m?chte ich f?r die Sicherheit unseres Landes wissen, welche
Extremisten sich Anleitungen zum Bombenbauen aus dem Internet ziehen und wer
in verdeckten Chatrooms ?ber geeignete Anschlagsziele diskutiert.
Ingo Wolf
Der Paragraph 5 des Verfassungsschutzgesetzes soll auf die auf "die
Beobachtung von Bestrebungen nach ? 3 Abs. 1 Nr. 1 erweitert" werden, hei?t
es im Entwurfstext, "um dem neuen Ph?nomen der home-grown-terrorists mit
wirksamen Aufkl?rungsmitteln begegnen zu k?nnen." Allerdings bezieht sich ?
3 Abs. 1 Nr. 1 (4) nicht auf "inl?ndische Terroristen", sondern auf weit
mehr:
? 3
Aufgaben
(1) Aufgabe der Verfassungsschutzbeh?rde ist die Sammlung und Auswertung von
Informationen, insbesondere von sach- und personenbezogenen Ausk?nften,
Nachrichten und Unterlagen ?ber
1. Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den
Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder
eine ungesetzliche Beeintr?chtigung der Amtsf?hrung der Verfassungsorgane
des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziel haben,
? im Geltungsbereich des Grundgesetzes, soweit tats?chliche Anhaltspunkte
f?r den Verdacht solcher Bestrebungen und T?tigkeiten vorliegen.
Im Gesetzesentwurf wird die bereits im Rahmen des Artikels 10 Grundgesetz
geregelte ?berwachung des Brief-, Post- und Fernmeldeverkehrs auf folgende
Befugnisse erweitert:
heimliches Beobachten und sonstiges Aufkl?ren des Internets, wie
insbesondere die verdeckte Teilnahme an seinen Kommunikationseinrichtungen
bzw. die Suche nach ihnen, sowie der heimliche Zugriff auf
informationstechnische Systeme auch mit Einsatz technischer Mittel. Soweit
solche Ma?nahmen einen Eingriff in das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis
darstellen bzw. in Art und Schwere diesem gleichkommen, ist dieser nur unter
den Voraussetzungen des Gesetzes zu Artikel 10 Grundgesetz zul?ssig.
Danach w?re den Verfassungssch?tzern die "Teilnahme an Chats, Auktionen und
Tauschb?rsen, die Feststellung der Domaininhaber, die ?berpr?fung der
Homepagezugriffe, das Auffinden verborgener Webseiten sowie der Zugriff auf
gespeicherte Computerdaten" erm?glicht. Dabei scheint dem Verfassungsschutz
die erweiterten Befugnisse auch dann genehmigt zu sein, wenn "die Wirkungen
der Ma?nahmen" ?ber die "territorialen Grenzen" des Bundeslandes
hinausreicht, was hei?t, dass der Verfassungsschutz NRW auch in Hamburg oder
Bayern in Rechner eindringen und "Emails lesen" d?rfte.
Bei der CDU stie? der Gesetzesentwurf auf Zustimmung. So sagte Peter
Biesenbach: "Wir wollen Befugnisse erweitern, damit wir nicht Fahrrad
fahren, wenn andere mit dem Auto unterwegs sind." Bei der FDP ist man
gespalten. W?hrend Horst Engel bef?rchtet, dass eine Beschneidung der
B?rgerrechte drohe und das vorhandene Instrumentarium zur
Terrorismusbek?mpfung ausreiche, stellt sich Robert Orth hinter den
FDP-Innenminister und will die Ausweitung der Befugnisse zeitlich
beschr?nken. F?r Karsten Rudolph w?re das Eindringen in Computer
verfassungswidrig.
Monika D?ker (B?ndnis 90/die Gr?nen) monierte (5) nicht nur die Ausweitung
der Befugnisse ?ber "inl?ndische Terroristen" hinaus, sondern vor allem,
dass das Gesetz wegen der Erlaubnis, in private Rechner eindringen zu
k?nnen, gegen das Grundgesetz versto?e. Hier gehe es nicht um die Kontrolle
durch die G10-Kommission, also um die ?berwachung des Brief-, Post- und
Fernmeldeverkehrs, sondern um Artikel 13 des Grundgesetzes, der die
Unverletzlichkeit der Wohnung sch?tzt. D?ker verweist auf ein Urteil (6) des
Bundesverfassungsgerichts vom M?rz dieses Jahres, das eben einen solchen
Fall behandelt hat. Danach sind Daten, die "nach Abschluss des
?bertragungsvorgangs im Herrschaftsbereich des Kommunikationsteilnehmers
gespeichert" wurden, nicht vom Art. 10 Abs. 1 GG umfasst: "Die Daten sind
durch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und gegebenenfalls
durch das Recht auf Unverletzlichkeit der Wohnung gesch?tzt." Damit w?re ein
Zugriff einem Hausfriedensbruch vergleichbar. Allerdings hob das
Verfassungsgericht hervor, dass "auf die beim Kommunikationsteilnehmer
gespeicherten Daten nur unter bestimmten Voraussetzungen und insbesondere
nach Ma?gabe des Verh?ltnism??igkeitsgrundsatzes zugegriffen werden" darf.
In dem vom Verfassungsgericht verhandelten Fall hatte es sich um einen
"?u?erst geringen" Tatverdacht und keineswegs um schwere Straftaten
gehandelt.
Copyright ? Heise Zeitschriften Verlag
