entwickelt bei Bertelsmann.
DU BIST BERTELSMANN - ?Wie ein globaler Drahtzieher Medien, Bildung und Politik steuert war das Thema eines Seminars in der vergangen Woche.
Der Tagungsband des letztj?hrigen Bertelsmann-Kongresses erschien zum
Kongress: Barth, T. (Hg.), Bertelsmann: Ein Medienimperium macht Politik
(124 Seiten, 9,80 Euro, ISBN 3-939594-01-6, www.bod.de).
Das Thema: die Einflussnahme des Bertelsmann-Konzerns und seiner
Stiftung auf die Durchsetzung neoliberaler Ideologie in der Politik,
wobei ein kaum ?berschaubares Gespinnst von Verbindungen, Seilschaften und ?konomischen Abh?ngigkeiten.
Bertelsmann nutzt seine Finanzmacht als gr??ter europ?ischer
Medienkonzern um bis in WTO und GATS hinein globale Interessenpolitik zu betreiben; seine mediale Macht verschafft ihm in Deutschland eine
bedeutende Stellung und die Stiftung (eine der finanzst?rksten
Unternehmensstiftungen weltweit) ist ein neoliberaler Think Tank nebst
PR-Agentur mit Zugang zu h?chsten Kreisen (Kanzler, Bundespr?sidenten).
Im Rahmen der neoliberalen "Reform"-Walze der letzten beiden Dekaden
scheint Bertelsmann sich auf die Bearbeitung des linken und gr?nen
politischen Spektrums spezialisiert zu haben und hat dort
Privatisierungsvorhaben diskutabel oder gar zum Konsens gemacht, z.B.
die Einf?hrung von Studiengeb?hren, ma?geblich propagiert durch Centrum f?r Hochschulentwicklung (CHE).
Das Gerede von der ?Globalisierung? und die Ideologie des
Neoliberalismus dominieren seit drei Jahrzehnten in all ihren Varianten
die westliche Wirtschafts- und Finanzpolitik. Privatisierung ist der
Schlachtruf, Senkung der Staatsquote, Senkung der Lohnquote, Senkung der Transferleistungen an Arme, Alte und Kranke das Programm. Die Umleitung von m?glichst viel Geld in die Taschen der Privatwirtschaft wird mit allen Mitteln betrieben, dabei ist die zugrunde liegende Ideologie weder liberal noch neu. Es handelt sich vielmehr um einen R?ckfall in
fr?hkapitalistischen Sozialdarwinismus, der als Wettbewerb und
?Eigenverantwortung? gepriesen und mit modernster Logistik-,
?berwachungs- und Straftechnologie bewaffnet wird. Als ideologische
Begleitmusik werden die Errungenschaften sozialer und demokratischer
Bewegungen im Gesundheits-, Sozial- und Bildungsbereich als
b?rokratisch, traditionalistisch oder alteurop?isch diffamiert.
Aush?hlung und Abbau von sozialen und Freiheitsrechten werden seit
Jahrzehnten mit der gewaltigen Propagandamacht der Medienindustrie als
?Reformen? angepriesen ? unter ma?geblichem Einflu? Bertelsmanns, des
gr??ten europ?ischen Medienkonzerns. Im folgenden soll gezeigt werden,
wie diese Propagandamacht unter subtiler ideologischer F?hrung der
Bertelsmann-Stiftung Politik und ?ffentlichkeit auf die Linie des
Neoliberalismus bringen konnte.
Die angebliche Notwendigkeit neoliberaler ?Reformen? wird
gebetsm?hlenartig mit leeren Staatskassen begr?ndet, die zuvor von
neoliberaler Finanzpolitik gepl?ndert wurden. Ein ?briges tut die von
dieser Wirtschaftspolitik keineswegs gesenkte Massenarbeitslosigkeit,
deren Nutznie?er wiederum die Privatwirtschaft ist. Unternehmen k?nnen
bequem L?hne dr?cken und mit Arbeitsplatzverlagerung Regierungen
erpressen. Wie ist aber der propagandistische Siegeszug dieser immerhin
f?r die Masse der Normalverdiener wenig attraktiven Ideologie zu
erkl?ren?
Lobbyarbeit
Neue Ideen sucht man bei den neoliberalen Ideologen zwar meist
vergeblich, aber sie haben daf?r etwas anderes: Geld, sehr viel Geld.
Hinter ihnen stehen die gewaltigen, durch kapitalfreundliche Politik
st?ndig schneller anwachsenden Finanzmittel der Privatwirtschaft.
Offensichtlich ist, da? die privatwirtschaftlichen Massenmedien,
dominiert vom Bertelsmann-Konzern, ?berwiegend ins neoliberale Horn
blasen. Die Politik, soweit f?r Schmier- und Spendengelder empf?nglich,
trompetet mit. Profis aus PR und Werbung werden zus?tzlich mit
Millionenbetr?gen f?r Kampagnen angeheuert, etwa f?r die ?Initiative
Neue Soziale Marktwirtschaft?, hinter der bekanntlich nicht besorgte
B?rger, sondern Strohm?nner der Metallindustrie stecken. Subtiler geht
die G?tersloher Konzern-Stiftung vor.
Die Bertelsmann-Stiftung ist ein Think Tank, der bei neoliberalen
?Reformen? wie Studiengeb?hren, Controlling in Schulen, Hartz IV, aber
auch in Kampagnen wie ?Du bist Deutschland? politische Macht im Sinne
des Konzerns aus?bt. Hinter hehren Zielen wie Integration und
V?lkerverst?ndigung klingelt die Kasse des Milliard?rsclans Mohn, der
?ber seine ?Medienfabrik? G?tersloh etwa bei der Vermarktung der
FIFA-Rechte eine patriotische Dividende einstreichen konnte. Die Mohns
haben es stets verstanden, ihre ?konomischen und politischen Motive in
ein Licht der Tugendhaftigkeit zu r?cken.
Gerne werden dabei ausgew?hlte kritische Gruppen und Projekte gef?rdert und mit Preisen oder Publikationsm?glichkeiten bedacht, wie etwa Transparency International oder das aktuelle Buch ?Beraten und verkauft? (C. Bertelsmann Verlag), in dem man nichts ?ber die tiefe Verstrickung der Bertelsmann-Stiftung in das dubiose Beratungswesen findet.
Die Stiftung wurde 1977 von Reinhard Mohn gegr?ndet, aber erst 1993 mit
einem gro?z?gigen Stiftungskapital ausgestattet: 68,8 Prozent der
Anteile an der Bertelsmann AG wurden ihr damals zun?chst ?bertragen, was den Mohn-Erben k?nftig die Verf?gung ?ber den Konzern erschwert und gegenw?rtig gro?e Steuervorteile mit sich bringt. Neben dem Streben nach gesellschaftlicher Einflu?nahme ist ein wahrscheinliches Motiv, da? so
erzielte Steuerersparnisse die Stiftungsausgaben deutlich ?bersteigen.
Vor diesem Hintergrund klingt es wenig ?berzeugend, wenn die Einrichtung sich selbst als ?unabh?ngig? bezeichnet. Bei der Bertelsmann-Stiftung handelt es sich mittlerweile um die gr??te operative
Unternehmensstiftung in Deutschland, wobei ?operativ? bedeutet, da? man
nur seine eigenen Projekte finanziert. Antr?ge von unabh?ngigen
Forschern auf F?rdergelder sind prinzipiell zwecklos. Die Stiftung
verf?gt ?ber einen Jahresetat von zirk 65 Millionen Euro sowie ?ber etwa
300 Mitarbeiter, die mehr als 100 Projekte betreuen. Dabei orientiert
sie sich explizit an den US-amerikanischen Think Tanks; ihre
T?tigkeitsfelder erstrecken sich ?ber Wirtschaft, Medien, Kultur,
Politik und Bildung.
Die Stiftung widmet sich offiziell gemeinn?tziger Arbeit, hinter der oft
jedoch Lobbyarbeit f?r Konzerninteressen aufscheint; zuweilen betritt
sie dabei sogar das Hauptfeld des Konzerngesch?fts, die Medien, wenn
etwa Strategien f?r die k?nftige Mediengesellschaft ausgebr?tet werden
oder man sich ? um staatlichen Regelungen vorzubeugen ? Gedanken zur
Internet?konomie und ihrer unternehmerischen Selbstverpflichtung zur
Ethik macht.
Die Bertelsmann-Stiftung ist ein politischer Akteur, der sich selbst
durch professionelle PR-Arbeit mit einem salbungsvollen Image
ausgestattet hat. Sie betreibt hinter den Kulissen effiziente
Lobbyarbeit. Mit allein in der letzten Dekade zirka 400 Millionen Euro
wirkte sie an vielen von SPD und Gr?nen verbrochenen neoliberalen
Sozialabbau-?Reformen? (Hartz I, III, IV, Agenda 2010) mit, bis hinein
in Gesundheits- und Sicherheitspolitik. Bertelsmann ?bt immensen
politischen Einflu? ?ber seine Stiftung und die mit ihr verbundenen
halbprivaten Organisationen wie das Centrum f?r Hochschulentwicklung
(CHE) oder das Centrum f?r Angewandte Politikforschung (CAP) aus.
Die Bertelsmann-Stiftung arbeitet gern mit anderen Einrichtungen
zusammen, angefangen mit den beiden ihr weltanschaulich nahestehenden
Heinz-Nixdorf- und Ludwig-Erhard-Stiftungen ?ber die gewerkschaftsnahe
Hans-B?ckler- bis hin zur Heinrich-B?ll-Stiftung der Gr?nen. In der
?Stiftungsallianz b?rgernaher Bundesstaat? nahmen die G?tersloher sogar
Einflu? auf die deutsche Verfassung und sorgten f?r die neoliberale
Ausrichtung der jetzigen F?deralismusreform. Das sozialdarwinistische
Prinzip vom Sieg des St?rkeren wird die Bundesl?nder, wie schon die
Bev?lkerung, noch mehr in Arm und Reich spalten. Daneben unterh?lt sie
Verbindungen zu einer Vielzahl ?ffentlicher und halb?ffentlicher
Einrichtungen. Durch Kontakte an Universit?ten, z.B. ?ber CHE und CAP,
hat sie prominenten Zugang zum Wissenschaftsfeld. So kann die Stiftung
auf ein enges personelles und organisatorisches Netzwerk zur?ckgreifen,
um gesellschaftlichen Einflu? auszu?ben, und sie nutzt das ausgiebig?
auch zum Wohle und Ruhme ihres Gr?nders Reinhard Mohn. In einem
Sammelsurium von weltanschaulichen Stiftungsbrosch?ren breitet dieser
seine ideologischen Vorstellungen aus, was entgegen der darin
propagierten Bescheidenheit einem skurrilen Personenkult gleicht.
Die Macht der G?tersloher Stiftung haben gerade linke Kritiker der
?Reformagenda? 2010 bislang kaum ausreichend wahrgenommen, denn anders als etwa die ?Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft?, die schnell als propagandistische S?ldnertruppe des Unternehmerlagers entlarvt wurde, wendet sich die Bertelsmann-Stiftung meist nicht direkt an das breite Publikum.
Geopolitischer Akteur
Mit ihrem ?Bertelsmann Transformation Index? (BTI), der im Herbst 2005
zum zweiten Mal publiziert wurde, konnte sich die Bertelsmann-Stiftung
als geopolitischer Akteur auf der internationalen Politikb?hne
positionieren. Sie propagiert dort als Teil einer Armada von Think Tanks
das globale Leitbild einer neoliberal gepr?gten ?marktwirtschaftlichen
Demokratie?. In diesem Szenario spielt der BTI eine wichtige Rolle: Der
Index wird alle zwei Jahre erstellt und mi?t die Reformbereitschaft von
119 Entwicklungs- und Schwellenl?ndern. Er wird vom CAP im Auftrag der
Bertelsmann-Stiftung erstellt, ?berpr?ft den Ver?nderungswillen der
Regierungen und gibt Ratschl?ge f?r die zuk?nftige Politik.
Ziel ist die Suche nach den geeignetsten strategischen Verfahren, mit
denen weltweit das System einer ?marktwirtschaftlichen Demokratie?
installiert werden kann. Die Einflu?nahmen Dritter sind f?r ?rmere
L?nder nichts Neues. Aufgrund ihrer schwachen Stellung sind sie in
wirtschaftlichen und entwicklungspolitischen Fragen oft auf reiche
Investoren angewiesen. Dabei werden ihnen nicht selten Ma?nahmen zur
?Strukturanpassung? diktiert, die einer Pl?nderung gleichkommen:
Privatisierung staatlicher Wirtschaftszweige, Einsparungen im
Gesundheitswesen, Senkung von Umweltstandards etc.
Argentinien hat das im Jahr 2001 sehr schmerzhaft erfahren m?ssen, als
ein Staatsbankrott das wohlhabende Land fast ?ber Nacht ins Elend
st?rzte. Ursache der Trag?die waren die neoliberalen Rezepte des
Internationalen W?hrungsfonds (IWF), denen gem?? man Staatsbetriebe und soziale Sicherungssysteme privatisierte. Doch davon wollte der BTI
nichts wissen. Vielmehr rief Bertelsmann schon 2003 wieder nach
?reformbereiten Eliten?, obgleich gerade die neoliberalen Reformen der
1980er und 1990er Jahre Argentinien in den Ruin und an den Rand eines
B?rgerkriegs gef?hrt hatten.
Nahe liegt daher auch die Besch?ftigung mit milit?rischen Aspekten. Laut
dem Internetdienst German-foreign-policy prognostizierte die
Bertelsmann-Stiftung das baldige Ende der globalen US-Dominanz und
verlangte ?ber das M?nchner CAP eine dramatische Aufr?stung der
Europ?ischen Union. Im EU-Parlament wurde Milit?rforschung im
Haushaltsplan j?ngst mit j?hrlich 500 Millionen Euro veranschlagt, wobei
m?glicherweise Bertelsm?nner als R?stungslobbyisten fungierten. So
machte der EU-Parlamentarier Tobias Pfl?ger j?ngst darauf aufmerksam,
da? der Vorsitzende des Ausw?rtigen Ausschusses, Elmar Brok (CDU), auf
der Gehaltsliste von Bertelsmann steht.
Profitabler Bildungsbereich
?ber die Beteiligung am European Round Table of Industrialists (ERT)
agierte der Bertelsmann-Konzern bis hinauf in die Verhandlungen der
Welthandelsorganisation (WTO). Die WTO ist heute ein Instrument, um
global eine sogenannte Liberalisierung durchzusetzen, die sich zugunsten
der gro?en multinationalen Konzerne und reicher L?nder auswirkt.
Zugleich geht diese ?Liberalisierung? zu Lasten armer L?nder sowie
sozialer, gesundheitspolitischer und ?kologischer Standards weltweit.
Hauptziel des ERT ist es, Europapolitik als europ?ische Industrie- und
Wettbewerbspolitik zu betreiben. Ein wichtiges Feld ist dabei die
Bildungspolitik, auch f?r Bertelsmann, denn der Konzern strebt seit
langem auf den Markt der Wissensgesellschaft und der privatisierten
Bildungsdienstleistungen. Der ERT verfolgt in seiner sogenannten
Hochschulreform das Ziel, Bildung und Wissenschaft als Teil der
Industriepolitik zu propagieren, ganz im Sinne der G?tersloher, denn es
kann als sicher gelten, da? man dort auf eine Kommerzialisierung des
Bildungswesens abzielt. Schlie?lich w?re Bertelsmann als f?hrender
europ?ischer Medienkonzern mit traditionell gro?en Ambitionen im
?Gesch?ftsfeld Bildung? ein Hauptprofiteur.
An den Hochschulen ist dabei insbesondere die Einf?hrung von
Studiengeb?hren wichtig, weil gerade Geb?hren diesen Bereich f?r private
Investoren lukrativ machen k?nnen. Doch auch die einfache Schulbildung
liegt im Blickfeld des Konzerns und seiner Stiftung. Gem?? dem
strategisch angewendeten Public-Private-Partnership-Modell sollen sich
dabei privat finanzierte Institutionen durch Kooperation mit
?ffentlichen Gremien Renommee und Einflu? sichern. Den Anfang machte
1992 die Bildungskommission NRW, die ihren Bericht 1995 pr?sentierte.
Das Gremium bestand aus Politikern, Hochschullehrern sowie
Gewerkschafts- und Unternehmervertretern. An prominenter Stelle war der
damalige Leiter der Bertelsmann-Stiftung, Reinhard Mohn, selbst
beteiligt.
Als Leitbild entwickelte die NRW-Kommission das ?Haus des Lernens?, um
eine ?offene? Bildungsorganisation einzuf?hren. Zwecks Steigerung der
Selbstverantwortung der Einzelschule bef?rwortet man die Umstellung auf
ein Pauschalfinanzierungskonzept, welches es der Schule erlaubt,
individuelle Akzente der Finanzierung und Bewirtschaftung zu setzen.
Wettbewerb zwischen Schulen soll Kostenbewu?tsein etablieren, auch durch die Einf?hrung eines Controlling- und Berichtswesens. Das Ziel besteht darin, das derzeitige System durch Kosten-Leistungsrechnung zu ersetzen.
Das britische Beispiel zeigt, wohin solche Ideen f?hren: in ein
Zweiklassen-Bildungssystem, in dem reiche Eltern ihren Nachwuchs auf
gute Schulen schicken, die im Wettbewerb dann besser abschneiden und
mehr Mittel erhalten. Aus benachteiligten Gemeinden ziehen sich mit den
Geldern dann noch mehr wohlhabende Sch?ler zur?ck, da die Qualit?t der
Ausbildung gesunken ist, usw. Ungerechte Verteilung braucht mehr
Kontrolle, um die tiefer werdenden Gr?ben zwischen Arm und Reich zu
verteidigen.
Invasion der Kennziffern
Die unter der ?gide der Bertelsmann-Stiftung entwickelte Schulpolitik
stellt sich als Invasion der Kennziffern im Schulalltag heraus. ?ber 900
verschiedene Kennwerte wurden inzwischen gez?hlt, die in Projekten wie
?Schule & Co? (NRW) erprobt wurden. Dies kann als regionale Variante der von Bertelsmann gepuschten Lissabon-Strategie der EU gelten, die
Ranking- und Best-Practise-Verfahren aus der Industrie in die
Lehranstalten holen will, ungeachtet der Frage, ob Bildungsprozesse sich
ebenso wie St?ckgutkosten messen lassen, geschweige denn der Bedenken, ob dies? falls m?glich ? erstrebenswert sei.
Demokratische Entscheidungsfindung und offene Diskussion werden in
diesem Bildungsmodell durch Steuerungsverfahren aus der neueren
Betriebswirtschaftslehre ersetzt. ?berzuckert mit dynamischen
Marketing-Anglizismen, verbergen sich hinter angeblicher Partizipation
Ideen aus dem Betriebswirtschaftsfach Controlling. Fr?her sprach man
prosaischer von Rechnungswesen/Interne Revision, meinte aber dasselbe:
die innerbetriebliche Steuerung und Kontrolle von Produktionsprozessen.
Controlling erfolgt mittels Nutzwertanalyse, Erfolgsrechnung,
Budgetierung, Profit Centern, Kennzahlen f?r alles und jedes. Die
?bertragung dieser Weisheiten der BWL auf alle gesellschaftlichen
Bereiche ist zentraler Missionsauftrag der Bertelsmann-Stiftung, das Ma?
aller Dinge ist die Effizienz. Gemessen wird diese mit Vorliebe in der
finanziellen Dimension, denn Geld regiert die Welt. Man diskutiert nicht
zuf?llig weniger ?ber Bildung als ?ber Bildungsfinanzierung. Wo
unmittelbare finanzielle Bewertung scheitert, werden sogar zuweilen die
Betroffenen selbst gefragt: Umfragen, Rankings und Ratings sollen dann
den Segen des Wettbewerbs in alle Bereiche der Gesellschaft bringen,
insbesondere in Bildung und Wissenschaft.
Das klingt zun?chst nicht schlecht, denn schlie?lich werden wir alle
gern um unsere Meinung gefragt. Doch ist diese Beteiligung nicht
unbedingt ein Zeichen f?r demokratische Partizipation, denn den Rahmen
der Teilnahme setzen Technokraten in einem vorzugsweise von Bertelsmann gesponserten Hinterzimmer. Und der Rahmen bestimmt, was wir bewerten d?rfen, wor?ber wir befragt werden und welche Alternativen uns bleiben.
Die Publikation der Ergebnisse, falls diese genehm ausfallen, ?bernehmen
eben diese Technokraten, gern in Massenmedien des Bertelsmann-Konzerns.
Diese nutzen Umfragen, Rankings und Ratings dann, um damit Politiker,
demokratische Institutionen und im Zweifelsfall auch die eben noch
Befragten selbst unter Druck zu setzen, meist im Sinne der Ideen aus dem
Hause Bertelsmann: Effizienz, Wettbewerb, Kommerz.
Effizienz statt Ethik
Im bislang kostenlosen deutschen Bildungssektor w?re viel Geld zu holen.
Das wei? auch Medienmogul Reinhard Mohn, der wegen der j?ngsten
Auszahlung von 4,5 Milliarden Euro an die Group Bruxelles Lambert ? er
kaufte 25,1 Prozent der Firmenanteile zur?ck ? dringend Cash ben?tigt.
Mu? darum auch die Einf?hrung von Studiengeb?hren an deutschen
Universit?ten so hektisch vorangetrieben werden? Vielleicht sind
Studiengeb?hren deshalb das Lieblingskind der
Bertelsmann-Bildungspolitik: Das von der Stiftung abh?ngige Centrum f?r
Hochschulentwicklung (CHE) w?hlt schon lange f?r ein Bezahlstudium.
Das CHE publizierte z.B. 2004 eine von ihm initiierte Umfrage, wonach
sogar die Studenten selbst angeblich gerne f?r ihre Bildung zahlen
w?rden, Titel: ?Studierende mehrheitlich f?r Studiengeb?hren?. Nur hatte
die Befragung ihnen lediglich verschiedene Geb?hrenmodelle vorgelegt,
ohne die Alternative des freien Studiums auch nur zu erw?hnen. Wer
geglaubt hatte, seine Beteiligung bei der Entwicklung von Modellen sei
hier gefragt, war offensichtlich naiv. Man brauchte die Beteiligung der
Studierenden, um Studiengeb?hren ?berhaupt erst einmal in die Diskussion zu bringen. Wenn diese dann kommen, ist sehr fraglich, ob die Art ihrer Erhebung oder gar ihre H?he mit den Betroffenen diskutiert werden wird.
Das CHE kooperiert mit vielen Unis bei der Einf?hrung von
Studiengeb?hren und anderen Wegen, Bildung und Wissenschaft ?marktreif? zu machen.
Bertelsmann hat demonstriert, da? auch sozialdemokratische und gr?ne
Bildungspolitik dem Lockruf der Stifter nicht widerstehen kann. Wenn die
paternalistische Bevormundung nur subtil genug ist, wenn der Medienmogul nur durch ein Dickicht von Kommissionen und Stiftungen fl?stert, dann besiegt der vermeintliche Sachverstand die Vernunft. Die aber sagt uns, da? demokratische Partizipation sich nicht mit Marketingmethoden von Rating und Ranking umsetzten l??t, da? menschliche Lernprozesse sich nicht wie St?ckgutkosten im Sinne betriebswirtschaftlichen Controllings messen lassen und da? Bildung und Wissenschaft statt einer Ideologie der Effizienz gerade heute eher eine Besinnung auf ethische Grundlagen brauchen. Ethik statt Effizienz, das k?nnte man vielleicht auch dem Bertelsmann-Medienkonzern und seiner finanzgewaltigen Stiftung empfehlen.
Eine ?nderung des deutschen Stiftungsrechts nach US-amerikanischem
Vorbild k?nnte die Einsichtsprozesse in G?tersloh beschleunigen. In den
USA ist der Kapitalbesitz einer Stiftung am Unternehmen des Stifters nur
bis 20 Prozent erlaubt (bei Bertelsmann sind es 76,9 Prozent), und die
Arbeit der Stiftung im Gesch?ftsfeld des Unternehmers ist tabu. Die Idee
dahinter ist, da? ein Stifter massiven Einflu? in seiner Stiftung aus?bt
und diesen nicht zum ?konomischen Nutzen seines Konzerns einsetzen soll.
Stiftungsgelder sind steuerlich beg?nstigt und ihre klammheimliche
R?ckf?hrung in den Konzern, etwa ?ber erbrachte Dienstleistungen
strategischer Planung, k?me Steuerhinterziehung gleich und ist als
unlauterer Wettbewerbsvorteil gegen?ber wirklich nur gemeinn?tzig
stiftenden Unternehmern zu sehen.