G?nter Rohrmoser
http://www.swg-hamburg.de/Aktuell/Der_Kampf_der_Kulturen_-_Die_L/der_kampf_d
er_kulturen_-_die_l.html
Teile der islamischen Welt sind im Aufruhr als Reaktion auf die Karikatur
vom Propheten Mohammed. Das ist ein Signal, und es h?ngt sehr viel davon ab,
ob wir dieses Signal begreifen. Denn wir haben uns in diesen Breitengraden
daran gew?hnt, dass man die Gef?hle christlicher gl?ubiger Menschen mit
F??en treten kann, blasphemief?hig ist dieses Christentum schon gar nicht
mehr. Alles wird hingenommen und geschluckt, weil das h?here Gut nicht der
pers?nliche Glaube von irgendwelchen Religionsanh?ngern, sondern die
Pressefreiheit ist. Und darum sind wir jetzt ganz erstaunt, dass eine solche
Karikatur fast die ganze muslimische Welt in Aufruhr und Bewegung versetzt.
Sie schlagen zur?ck, und zwar in einer Art und Weise, die f?r unsere
Begriffe unfassbar ist, mit Morddrohungen, mit Boykottaufforderungen, mit
den Forderungen an D?nemark, als Ausgleich eine Moschee zu bauen und die
Aufforderung, sich offiziell zu entschuldigen, bis hin zu der Erkl?rung,
dass jeder D?ne ein potenzielles Terroropfer sei zur Ahndung dieser
Ungeheuerlichkeit, durch die sie das, was Muslimen das Heiligste ist,
beleidigt und in den Schmutz gezogen sehen.
Das ist zwar noch nicht der Kampf der Kulturen, aber es ist die Lunte, die
an ein Pulverfass gelegt wird, aus dem sich schneller als wir uns das
vorstellen k?nnen das entwickeln kann, was Huntington als den ?Clash of
Civilizations?, den Kampf der Kulturen voraus- und vorhergesehen hat.
Und was setzt die westliche Welt dieser Reaktion entgegen? Zun?chst einmal,
der d?nische Ministerpr?sident hat sich schon entschuldigt. Die deutsche
Regierung hat das vorl?ufig noch nicht vor, aber ich bin sicher, bei den
ersten Brandanschl?gen wird die sich auch noch ?berlegen, ob nicht doch eine
Entschuldigung der leichtere und der bessere Weg ist.
Und was verteidigen wir im Blick auf die m?glichen Entwicklungen und
Konsequenzen, die hier vielleicht angezeigt werden? Wir verteidigen die
Pressefreiheit, d.h. also die uneingeschr?nkte Freiheit, dass man auch das,
was f?r ?ber eine Milliarde Menschen das Heiligste ist, karikieren kann,
indem man den Propheten mit einer Bombe zusammen abbildet. Das Recht auf die
Freiheit, genau das zu tun, das verteidigen wir.
Aber was wir eigentlich diskutieren m?ssten ist, ob die Pressefreiheit auch
in freiheitlichen liberalen Demokratien eine Grenze hat oder eben nicht.
Gibt es ?berhaupt etwas, was der beliebigen Aus?bung der Pressefreiheit
entzogen sein soll? Und wenn wir diese Diskussion nach der Frage, ob es
Grenzen f?r die Pressefreiheit gibt, oder das was man so nennt, dann m?ssen
wir auch die Frage beantworten, in wessen Namen wir der Pressefreiheit
Grenzen ziehen wollen. Die Frage ist, ob eine Gesellschaft, der nichts
heilig ist, die selbst die Wahrheitsfrage als demokratiefeindlich praktisch
eliminiert hat, ob die ?berhaupt noch in der Lage ist, der Aus?bung der
Pressefreiheit eine Grenze zu ziehen. D.h. diese ?berlegung f?hrt zu den
fundamentalen Fragen des Selbstverst?ndnisses unserer Kultur. Und wenn wir
aus dieser Erfahrung etwas Vern?nftiges und Segensreiches machen wollen,
dann sollten wir sie zum Anlass nehmen, uns mit uns selbst zu befassen und
nach den Gr?nden zu fragen, die uns so und nicht anders darauf reagieren
lassen.
Ein Journalist berichtete j?ngst, dass er sich in den letzten Wochen mit den
Karikaturen des Vorderen Orients besch?ftigt hat und er sei vor dem, was ihn
dort zugemutet wurde voller Emp?rung, Entsetzen und Ekel zur?ckgewichen.
Denn diese Karikaturen seien so einm?tig und so extrem in ihrem Rassismus,
ihrem Antisemitismus, ihrem Kampf gegen das Christentum und die Welt im
Westen, dass er dar?ber emp?rt war, dass dieselben Leute sich dann
anl?sslich einer solchen Karikatur so aufregen. Man muss doch die Frage
stellen, wieso offenbar in der muslimischen Welt Rassismus, Antisemitismus,
Antiwestlertum in dieser radikal extremen Form ?bliche normale Praxis ist
und das bei uns nicht zur Kenntnis genommen wird, geschweige dass sich
?berhaupt einer dar?ber aufregt.
Wenn er beide Vorg?nge n?chtern analysiert, dann kann ein intelligenter
Moslem nur zu dem Ergebnis kommen, dass dieser Westen sich aufgegeben hat.
Dieses Europa verteidigt sich nicht mehr. Es kann vielleicht noch Waffen und
Wirtschaftssanktionen einsetzen, aber da wo es im Kern herausgefordert wird,
scheint es nicht mehr bereit zu sein, sich zu behaupten und zu verteidigen.
Das kann es offenbar nicht, weil es sich die Grundfrage nach der eigenen
Religion und religi?sen Gepr?gtheit und der Bestimmtheit seines
Selbstverst?ndnisses und aller G?ter, zu denen auch die Freiheit geh?rt, die
die Presse hier in dieser Form eingesetzt hat, nicht mehr stellt und
beantwortet. Also eine Frage, die man nicht polit?konomisch und mit
marxistischen Kategorien beantworten kann, sondern die best?tigt, was sich
eigentlich schon seit 20 Jahren absehen l?sst, n?mlich dass die Grundfragen
unseres Jahrhunderts nicht mehr aus der politischen ?konomie und damit aus
den westlichen Sozialwissenschaften und im weitesten Sinne auch der
Politikwissenschaften formulierbar sind, sondern dass die Theologie und die
Religion in die Weltgeschichte und auf die Weltb?hne zur?ckgekehrt sind.
Dort wo die tiefsten Leidenschaften in Bewegung gesetzt werden, geht es
nicht mehr um Fragen, die wir mit Marxismus und Sozialwissenschaften
gestellt und beantwortet haben, sondern diese neuen Fragen haben eine ganz
andere Dimension, so wie ?brigens auch schon Arnold Gehlen der Meinung war,
dass es mit der Religion wieder ernst wird, wenn sie die Kraft hat, Fronten
zu schaffen, und diese Fronten sind heute da. Aber noch ist das eine
Selbstanfrage an Europa.
Eine Zeitung hat geschrieben, wir m?ssten als heiliges Gut gegen diese
Reaktion auf die Karikatur des Mohammed das Recht auf Religionskritik
verteidigen, und das Elend des Islamismus sei, dass er keine Kritik an sich
selbst zul?sst und ausgebildet hat. Aber Religionskritik geh?rt zum
Christentum, denn Kritik am Christentum ist so alt wie das Christentum
selbst. D.h. die Kritik als Selbstkritik ist eine Form des Kampfes um eine
bessere Erfassung der christlichen Wahrheit in Sinne des ?Semper
Reformanda?, also ein konstituierendes Prinzip des Christentums selbst. Aber
heute braucht dieses Christentum keine externe Kritik mehr, das besorgen
Theologen, vor allen Dingen in Deutschland, mit einer Radikalit?t, dass es
einem nur den Atem rauben kann.
Vor ein paar Tagen hat ein ehemaliger evangelischer Dekan, also immerhin ein
Vorgesetzter von evangelischen Pfarrern, geschrieben, das ganze Christentum
sei das Produkt einer F?lschung. Und der, der es verf?lscht h?tte, bereits
von Anfang an, sei Paulus gewesen. Paulus h?tte aus dem Juden Jesus, der
eigentlich die j?dische Religion erneuern wollte, den Christus gemacht und
sei damit der Vater des Antisemitismus, und soweit das Christentum Jesus als
Christus in Anspruch genommen hat, sei es eine Erfindung, eine
antisemitische Fiktion, eine L?ge und eine F?lschung, die Paulus in die
Weltgeschichte gesetzt habe.
Das sagt nicht irgendein wild gewordener Aufkl?rer oder Freigeist, das ist
ein ausgebildeter Theologe in der heutigen christlichen Kirche. Und was
bedeutet das? Die Konsequenz dessen, was er dort gesagt hat ist, dass wir
das Christentum als eine F?lschung abtun und ?berwinden und uns zum Judentum
bekehren m?ssen. Offenbar als letzten Reueakt f?r das einzigartige
Verbrechen in der Geschichte sollen wir das Christentum ?berwinden und zu
dem urspr?nglich von Jesus gemeinten Judentum zur?ckkehren. Wer will da noch
Kritik am Christentum besorgen, das besorgen doch die Theologen selbst und
dieser beruft sich auch noch auf einen Weltkonsens.
Mit Gottes Hilfe und Gottes Erleuchtung f?hren wir ein Seminar ?ber Paulus
durch und ich hoffe, dass damit deutlich wird, worum es hier und im Grunde
genommen geht.
? 2006 Gesellschaft f?r Kulturwissenschaft e.V., Bietigheim/Baden
Wiedergabe, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung der Gesellschaft f?r
Kulturwissenschaft e.V.