Wo Politik und Spiele kollidieren

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    • Wo Politik und Spiele kollidieren

      In der Süddeutschen erschien ein Artikel von einem Pascal Paukner, der folgenden Titel trägt: "Sexismus in Videospielen - Wo Feminismus als "Terrorismus" gilt". Was meint er mit den Anführungszeichen? Gilt Feminismus in diesem Satz als Terrorismus, oder nicht? Oder wen zitiert er? Schreiben das die Spieler?

      "Die Videospielbranche wäre gerne eine der modernsten Industrien der Welt. In ihren Spielen konserviert sie aber ein Frauenbild aus vergangenen Jahrhunderten. Wer daran etwas ändern will, stößt auf den erbitterten Widerstand organisierter Gamer. Manche drohen sogar mit Vergewaltigung und Mord."
      Mit dieser Pauschalisierung sind die Spieleentwickler gemeint. Wer das im einzelnen ist, bleibt unklar. Hier wird behauptet, dass in Spielen ein überholtes Frauenbild konserviert wird. Und sofort wird emotionalisiert. Es fallen Reizworte wie Vergewaltigung und Mord. Man findet im Internet zu jedem beliebigen Thema emotionale Diskussionen, in denen einzelne Personen ihre Contenance nicht wahren konnten und ausfallend oder bewusst beleidigend wurden. Das ist allgemein bekannt, aber wird hier genutzt, um den Leser gegen diese angeblich organisierte Gruppe von Gamern aufzuhetzen. Ich vermute, dass Paukner sich diese Gruppe aus den Fingern gesogen hat, um ein Feindbild zu haben. Eine Verschwörung.

      "Fast könnte man den Eindruck gewinnen, alles wäre in bester Ordnung: Auch Frauen spielen inzwischen Computerspiele. 10,8 Millionen sollen es laut einer Studie der Gesellschaft für Konsumforschung in Deutschland sein. Das entspricht einem Frauenanteil von 44 Prozent."
      Seiner Meinung nach besteht also die beste Ordnung darin, dass Frauen alles genau so wie Männer machen. Ob sie wollen oder nicht!
      Was aus seinen Zahlen nicht deutlich wird, ist die Tatsache, dass Frauen größtenteils einen etwas anderen Geschmack haben, was Spiele betrifft. Sie spielen typischerweise keine Egoshooter, keine Wettbewerbsspiele, in denen es Sieg oder Niederlage gibt, sondern Spiele, die Kommunikation, Fantasy, Romantik und Zwischenmenschliches beinhalten. Auch Casual-Games und Browser-Games sind bei vielen beliebt und alles was man so nebenbei mal spielen kann. Bei Strategiespielen tendieren sie eindeutig mehr zu den Siedlern, als beispielsweise zu dem eher taktisch anspruchsvollen Command & Conquer.

      "Fünf solcher typischen Rollenbilder, in die Frauen von Computerspiele-Entwicklern immer wieder gezwängt werden, hatte Sarkeesian vorab identifiziert. Frauen als sexy Handlagerinnen [sic!] oder Schurkinnen, Frauen in der Rolle des kämpfenden Sexobjekts, Frauen als Hintergrunddekoration und Frauen als jungfräuliches Wesen. In den Videos wollte sie aufklären und erklären, warum solche Darstellungen ein Problem sind und welche Klischees sie befördern."
      Spieleentwickler drängen Frauen in Rollen? Völliger Unsinn. Genau so wenig drängen sie Männer in Rollen. Ein Entwickler erschafft Phantasiewelten, in denen sich der Spieler wohlfühlen soll. Denn wenn sich Spieler wohlfühlen, kaufen sie Spiele. Bei männlichen Spielfiguren lassen sich ebenfalls solche wiederkehrenden Rollenbilder feststellen, aber naturgemäß mit anderer Betonung.
      Wir haben gezeigt, dass Frauen andere Spiele bevorzugen. Ebenso haben Männer ihre Präferenzen. Diese sind biologisch bedingt, wie Harald Eia es in seiner Reportage "Das Gleichstellungsparadox" dargelegt hat. Es ist nicht primär die Gesellschaft, die uns ihre Rollen aufzwingt. Es sind die Menschen, die auf ihrer biologischen Grundlage handeln und die Gesellschaft prägen. Bestimmte Stereotypen werden von bestimmten Zielgruppen innerhalb der Computerspieler bevorzugt. Deshalb existieren sie. Jeder Film lebt von Stereotypen, oder aber dem bewussten Bruch mit Stereotypen, der ein interessantes Element darstellen kann, aber nur wenn Stereotypen auch existieren. Menschen wie Paukner und Personen die Ideologien wie Gender Mainstreaming vertreten, sehen aber nicht die Interessen der Spieler, sondern wittern Diskriminierung durch die Spieleentwickler.

      "Als hätte Sarkeesian noch eine Bestätigung für ihre These gebraucht, dass die Videospielwelt noch immer eine männerdominierte ist, krochen plötzlich aus allen möglichen Ecken des Internets diejenigen, die genau diese alte Welt erhalten wollen. Was auf ihrer Webseite, auf YouTube und in Foren zu Tage trat, war kein lächerlicher Shitstorm, sondern Hass. Hunderte sexistische, rassistische und antisemitische Kommentare liefen auf. Auf ihre Website wurden DDos-Attacken gefahren. Ihr Wikipedia-Eintrag wurde mit Pornobildern und Verleumdungen verunstaltet, ihr YouTube-Kanal als "Terrorismus" gemeldet. Schließlich wurde ihr mit Vergewaltigung und Mord gedroht. Screenshots der Angriffe wurden in Gaming-Foren veröffentlicht und wie Trophäen herumgereicht. Was Sarkeesian traf, war nicht der Hass einzelner Verwirrter, sondern koordinierte Attacken aus Teilen der Gaming-Szene."
      Männer dominieren also die Videospielwelt und unterdrücken Frauen. Ja, das Patriarchat eben, das überall lauert. Dieser Absatz ist gefüllt mit irrationaler Stimmungsmache. Es werden Internet-Trolle, die aus der Anonymität heraus Blödsinn machen, mit seriösen Kritikern in einen Topf geworfen. Der Leser soll den Unterschied nicht mehr erkennen und sich auf die Seite der Möchtegern-Weltverbesserer schlagen.

      "Das ist kein Einzelfall. Als kürzlich auf einer der größten Computerspielmessen der Welt, der E3 in Los Angeles, die schwarze Schauspielerin Aisha Tyler für den Spielehersteller Ubisoft auf einer Pressekonferenz auftrat, dauerte es nur Sekunden, bis sich in den Gaming-Foren Hass breit machte. "Das kommt davon, wenn die Industrie von Juden und Linken infiziert wird, die dann 'Diversität' und 'Fortschritt' bringen. Lasst sie nicht unsere Spiele töten!", war zu lesen. Nur weil da jemand auf der Bühne stand, der nicht in das Bild des weißen, männlichen Computerspielers passen wollte."
      In Gaming-Foren schreiben also hasserfüllte Rechtsradikale, die Schwarze nicht von Juden unterscheiden können. So ist das also.
      Wer sich gegen Diversität richtet, ist nicht der Spieler oder der Entwickler. Spieler wollen nicht immer das gleiche vorgesetzt kriegen, sie wollen Abwechslung. Und Entwickler wollen das, was der Spieler will. Aber manche sind eben gegenüber dieser Freiheit intolerant und wollen genau vorschreiben, wie ein Spiel auszusehen hat.
      Dieser ganze Artikel vermittelt eine Botschaft: Es muss gesellschaftlicher Druck auf Spieleentwickler ausgeübt werden, damit weibliche Spielfiguren männliche Rollen einnehmen. In der Praxis sehen solche Bemühungen meist so aus, dass Frauen in allen Belangen über die Männer gestellt und bevorzugt werden (siehe Frauenquote). Und alle, die das nicht gut finden, sind hasserfüllte Rechtsradikale. Diese einseitige Bevorzugung (auch positive Diskriminierung genannt) wird dann so verkauft, als wäre sie nur ein Ausgleich für sonstige Benachteiligungen. Die aber sind wiederum größtenteils der Phantasie oder Vergangenheit entsprungen. Da stellt sich doch glatt die Frage, wer hier tatsächlich nach veralteten Mustern denkt.

      Die zweite Seite des Artikels beginnt schon mit einer Überschrift, die sich gewaschen hat: "Manifest gegen Rassismus, Homophobie und Sexismus"
      Das Manifest kennen wir ja schon von Marx und Engels. Damit wird auch schon klar, wes Geistes Kind der Autor ist.

      "Man könnte es sich leicht machen und die Angreifer als typischen Bodensatz des Internets relativieren - und damit akzeptieren. Das hieße aber, die Computerspielhersteller zu früh aus ihrer Verantwortung zu entlassen."
      Klar, wer sich gegen erzwungene feministische Gleichmacherei und Bevormundung stellt, ist Bodensatz des Internets. Und die Hersteller der Spiele sind in der Verantwortung, diese Ideologie den Spielern schmackhaft zu machen. Ob sie wollen, oder nicht!

      "Wer sich 2012 noch immer nicht zu schade ist, neue Games mit halbnackten Messehostessen anzupreisen, wer noch immer wie in "Hitman: Absolution" Computerspiele entwickelt, in denen ein einziger Mann acht schwer bewaffnete Latex-Killer-Nonnen tötet, und wer Lara Croft, die Protagonistin einer der bekanntesten Videospielserien der Welt, zwar entsexualisiert, sie aber gleichzeitig nur knapp einer Vergewaltigung entgehen lässt, der scheint kein großes Interesse an einem modernen Frauenbild zu haben."
      Da scheint sich eine neue Welle der Prüderie anzubahnen. Mag ja sein, dass Paukner und seinen Gesinnungsgenossen die Ästhetik des menschlichen oder speziell des weiblichen Körpers zuwider ist, aber das gilt eben für die meisten Menschen nicht.
      Hitman ist natürlich ein Paradebeispiel für ein regelrechtes Killerspiel. Dass in einem Trailer zu so einem Spiel Gewaltszenen vorkommen, ist zu erwarten. Dabei kommt der Held des Spiels selbstverständlich sehr gut weg. Es geht ja um den Werbe-Effekt. Woran sich der Autor hier stört, ist die Tatsache, dass Frauen hier auch mal als Gewaltopfer dargestellt werden. Dabei berücksichtigt er nicht, dass Männer nicht nur in Computerspielen und Filmen, sondern auch in der Realität ein vielfach höheres Risiko tragen, Opfer von Gewalttaten jeder Art zu werden. Diese Darstellung im Trailer von Hitman Absolution ist also eher eine absolute Ausnahme. Aber man muss dazusagen, dass diese Frauen trotz ihrer Kleidung in ihrer Vorgehensweise ein sehr maskulines Auftreten haben und in der Geschichte des Spiels nicht die Opfer sind, sondern Aggressoren.
      Was will uns der Autor aber mit seiner Vorstellung eines neuen Frauenbilds sagen? Offenbar etwas anderes als das hier:

      [IMG:http://s14.directupload.net/images/130227/temp/c8n54ufn.jpg]

      "Warum aber ist es, wie es ist? Mathias Fuchs ist Medientheoretiker an den Universitäten in Potsdam und Manchester und hat eine einfache Erklärung für das Phänomen: "Die Branche ist noch immer sehr männerdominiert. Die Entscheidungsträger sind quasi zu 95 Prozent Männer", sagt der Wissenschaftler."
      Warum ist es, wie es ist? Manchmal sind einfache Erklärungen eben nicht ausreichend. Warum gibt es unter den Spieleentwicklern und Programmierern so viele Männer? Lässt man Frauen nicht an den Code ran? Nein, jeder kann mit Materialien aus dem Internet oder einem guten Buch programmieren lernen. So etwas wie eine Gläserne Decke existiert nicht. Es gibt nur eine einzige Voraussetzung: Wirkliches Interesse! Und genau daran scheitert es häufig.

      "Noch wesentlicher sei aber, dass die meisten Programmierer zwischen 18 und 28 Jahre alt seien. Die Fähigkeit, zu hinterfragen, welche Stereotype sie reproduzierten, sei oft nur eingeschränkt vorhanden."
      Nun gut, im Laufe des Lebens können sich besonders bei wankelmütigen oder ganz besonders offenen Menschen Interessen und Ansichten ändern, aber 27-jährigen Männern pauschal die Fähigkeit abzusprechen, zu wissen was sie tun, ist doch sehr anmaßend. Wie alt wird wohl Herr Paukner selbst sein, dass er die Situation so trefflich beobachten kann?
      Wenn man diese Art von Diskussionskultur beim Studium von Politik- und Kommunikationswissenschaft erlernt, dann sollte man noch einmal ernsthaft darüber nachdenken, was man mit dieser Zeit hätte besseres anfangen können. Vielleicht ein gutes Spiel spielen.

      "Bewegungs-, Musik- und Tanzspiele haben dazu beigetragen, dass heute fast die Hälfte der Spielerinnen weiblich ist. Ebenso der Popularitätszuwachs von Browsergames, gefördert durch den Boom des Social Webs. Das sind aber häufig Spiele, die ohne besonders ausgeprägte Story auskommen, weil sie zum Zeitvertreib für zwischendurch oder als Gemeinschaftserlebnis mit Freunden gedacht sind."
      Die Hälfte der Spielerinnen ist weiblich? Das stimmt nicht. Alle Spielerinnen sind weiblich. Aber nicht alle Spieler. Und genau die oben aufgezählten Genres sind es eben, die weibliche Spieler normalerweise bevorzugen. Niemand zwingt sie. Es macht ihnen einfach Spaß!

      "Viele männliche Gamer lehnen einen solch dumpfen Sexismus inzwischen ab."
      Dumpfen Sexismus lehnen wohl die allermeisten ab. Ich habe aber die begründete Befürchtung, dass der Verfasser überall dort Sexismus wittert, wo es klar erkennbar ist, wer eine Frau und wer ein Mann ist.

      "Im vergangenen Dezember stellten Computerspielerinnen ein sehenswertes Manifest auf YouTube, in dem sie ihre männlichen Mitspieler auffordern, sie nicht wie den letzten Dreck zu behandeln. Ihr Appell: "Sei nicht rassistisch. Sei nicht homophob. Sei nicht sexistisch"."
      Das lustigste daran ist der Youtubename dieser Computerspielerinnen: SexyNerdGirlPresents

      Die inhaltliche Weiterentwicklung von Computerspielen in allen Ehren. Es ist auch schön und gut, wenn sich Entwickler finden, die Frauen als Zielgruppe mehr ansprechen, als es bisher der Fall war. Aber deshalb Spiele zu verdammen, die sich durch ihr Konzept explizit an männliche Spieler richten, die ja immer noch die Mehrheit darstellen, ist grober Unfug.

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      Wo wir sind, da ist immer auch Ägypten.
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    • Meine persönliche Schwierigkeit mit solchen Botschaften besteht vor allem darin, dass zwar klargestellt wird, was *nicht* gewollt wird, allerdings nicht, wie sie wünschen, dass Frauen dargestellt werden.

      Ich sehe das ganze Thema sehr aus der Perspektive der "mathematischen Optimierung" (in dieser mathematische Vertiefungsrichtung wird sich sich übrigens mit ganz anderen Dingen, als man intuitiv vermuten würde, beschäftigt). Zur Erklärung:

      Es wird in der Geschlechterforschung viel Geld dafür ausgegeben, unerwünschte Rollendarstellungen zu identifizieren (also mit anderen Worten: irgendwelche Diskriminierungen nachzuweisen). Jedoch sehe ich bislang keine Forschung zu dem Thema, wie man mit Sicherheit beweisen kann, dass in einem bestimmten Fall *keine* Diskriminierung stattfand.

      In der mathematischen Optimierung bezeichnet man so etwas als "primale" und "duale Zertifikate". Diesen dualen Aspekt (also *nicht*: "wie klage ich Diskriminierung an", sondern "wie kann man, wenn keine Diskriminierung stattfand [in welchem Sinne auch immer], sicherstellen, dass niemand (auch die allerkrasseste Emanze mit Wahnideen) behaupten kann, es hätte eine stattgefunden") vermisse ich persönlich (analoge Argumente gelten in meinen Augen auch für andere politische Themen, wie Gewerkschafts-Verhandlungen (irgendwelche Ungerechtigkeiten im Arbeitsleben, wie zu geringe Bezahlung, werden angeprangert. Aber wie kann man ein Tarifsystem entwickeln, in welchem sich kein rational denkender Mensch als ungerecht bezahlt o. ä. bezeichnen könnte?).
      Erst wenn der letzte Programmierer eingesperrt und die letzte Idee patentiert ist, werdet ihr merken, dass Anwälte nicht programmieren können.
    • Das sehe ich auch so. Diese politischen Interessengruppen sind nicht lösungsorientiert, denn sie wollen gar keine Lösung, sondern weiter das Opfer spielen. Opfer bekommen eine soziale Vorzugsbehandlung.
      Das Problem könnte auch sein, dass das Problem erfunden ist und es deshalb auch gar keine richtige Lösung gibt.
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