Es folgt jetzt nur noch ein Ausschnitt aus der Summa Theologiae, geschrieben von Thomas von Aquin (13. Jhdt.), übersetzt aus dem Lateinischen von Hans Zimmermann. Wer sich wirklich für das Thema interessiert und nicht bloß anderen seine Überzeugungen überstreifen möchte, der sollte sich auf jeden Fall auch mit diesem Text befassen:
Ich antworte, daß gesagt werden muß,
daß in fünf Beweisgängen bewiesen werden kann, das "Gott IST".
Der erste und handgreiflichere Beweisgang ist einer,
der von Seiten der Bewegung bzw. Veränderung genommen wird.
Es ist nämlich gewiß und steht sinnlich erfahrbar fest,
daß etwas in dieser Welt bewegt bzw. verändert wird.
Alles aber, was bewegt bzw. verändert wird,
wird von einem anderen bewegt bzw. verändert.
Nichts nämlich wird verändert, wenn nicht dem gemäß,
daß es in Möglichkeit ist zu jenem, zu dem es verändert wird;
es verändert aber etwas dem gemäß, daß es in Verwirklichung ist.
Verändern nämlich ist nichts anderes, als
"etwas von der Möglichkeit in die Verwirklichung hinauszuführen",
von der Möglichkeit aber kann nicht etwas in die Verwirklichung zurückgeführt werden,
es sei denn durch etwas, was in der Verwirklichung besteht,
wie z.B. das Heiße in Verwirklichung, etwa das Feuer, bewirkt,
daß das Holz, das erst in der Möglichkeit heiß ist, dann in Verwirklichung heiß ist;
und dadurch verändert und verwandelt jenes eben dieses.
Es ist nämlich nicht möglich,
daß ein und dasselbe zugleich in Verwirklichung und in Möglichkeit ist in gleicher Hinsicht,
sondern nur in verschiedener Hinsicht;
was nämlich in Verwirklichung heiß ist,
kann nicht zugleich in Möglichkeit heiß sein,
sondern ist nur zugleich kalt in Möglichkeit.
Es ist folglich unmöglich,
daß in ein und derselben Art und Weise etwas verändernd und verändert sein kann,
oder daß es sich selbst bewegt bzw. verändert.
Alles folglich, was verändert wird, muß von einem anderen verändert werden.
Wenn folglich das, von dem aus verändert wird, selbst verändert wird,
muß auch es selbst von einem anderen verändert werden
und jenes wieder von einem anderen.
Hier aber ist kein Vorschreiten ins Unendliche,
weil so kein Erstes Bewegendes bzw. Veränderndes wäre;
und demzufolge gäbe es nichts, was ein anderes bewegte bzw. veränderte,
weil die zweiten Bewegenden nichts weiter bewegen,
es sei denn dadurch, daß sie selbst bewegt werden vom Ersten Bewegenden aus,
wie der Stock nichts bewegt, es sei denn dadurch, daß er von der Hand bewegt wird.
Folglich ist es notwendig, hinabzuschreiten
zu einem Ersten Bewegenden bzw. Verändernden,
das selbst von keinem anderen bewegt bzw. verändert wird,
und das begreifen alle als "Gott".
Der zweite Beweisgang wird geführt mit der intelligenten Struktur der Wirkursache.
Wir finden nämlich, daß in der Sinnenwelt eine geordnete Reihe von Wirkursachen statthat;
dennoch wird nicht vorgefunden und ist auch nicht möglich,
daß etwas eine Wirkursache seiner selbst sei,
weil es so früher als es selbst sein müßte, was unmöglich ist.
Es ist aber nicht möglich, daß man bei den Wirkursachen ins Unendliche vorschreitet,
weil bei allen aufgereihten Wirkursachen das Erste die Ursache des Mittleren,
und das Mittlere die Ursache des Letzten ist,
sei es, daß das Mittlere in mehreren oder nur in einem besteht.
Wenn aber die Ursache aufgehoben wird, wird die Wirkung mit aufgehoben.
Folglich wird es, wenn es kein Erstes in den Wirkursachen gibt,
auch kein Letztes noch Mittleres geben.
Aber wenn man bei den Wirkursachen ins Unendliche vorschreiten könnte,
würde es keine Erste Wirkursache geben,
und so gäbe es weder eine letzte Wirkung noch mittlere Wirkursachen,
was offensichtlich unlogisch wäre.
Folglich ist es notwendig, eine Erste Wirkursache zu setzen,
die alle "Gott" nennen.
Der dritte Beweisgang wird aus dem Möglichen und dem Notwendigen genommen
und ist solcherart:
Wir finden nämlich in den Dingen etwas, dem möglich ist, zu SEIN oder nicht zu SEIN,
weil vorgefunden wird, daß etwas erzeugt wird und zugrundegeht
und demzufolge die Möglichkeit hat, zu SEIN und nicht zu SEIN.
Es ist aber unmöglich, daß alles, was es gibt, solcherart ist,
weil das, dem es möglich ist, nicht zu SEIN, auch irgendwann nicht IST.
Wenn also allem möglich ist, nicht zu SEIN, war irgendwann Nicht-SEIN in den Dingen.
Aber wenn dies wahr ist, dann WÄRE auch jetzt nichts,
weil, was nicht IST, nicht anfängt zu SEIN, es sei denn durch etwas, was IST;
wenn also nichts SEIEND war, war es unmöglich, daß etwas anfing zu SEIN,
und so wäre jetzt bloßes Nicht-SEIN, was offensichtlich unlogisch wäre.
Folglich ist nicht alles Seiende möglich,
aber es muß etwas Notwendiges SEIN in den Dingen.
Alles Notwendige aber hat entweder die Ursache seiner Notwendigkeit von anderem her,
oder hat sie nicht von anderem her.
Es ist aber nicht möglich, daß man ins Unendliche vorschreitet bei den Notwendigen,
die eine Ursache ihrer Notwendigkeit haben,
so wie dies ja auch nicht bei den Wirkursachen möglich war, wie bewiesen worden ist.
Folglich ist es notwendig, etwas zu setzen, was von selbst notwendig ist,
was die Ursache seiner Notwendigkeit nicht von anderem her nimmt,
aber Ursache der Notwendigkeit für die anderen ist,
was alle "Gott" nennen.
Der vierte Beweisgang wird genommen aus den Abstufungen, die sich in den Dingen finden.
Es findet sich nämlich in den Dingen etwas als mehr oder weniger gut, wahr und edel,
und so auch bezüglich anderer derartiger Beschaffenheiten.
Aber "mehr" und "weniger" sagt man von Verschiedenen,
dem gemäß, wie sie sich annähern auf verschiedene Art an etwas, das am meisten so ist,
wie dasjenige mehr heiß ist, was sich mehr annähert dem am meisten Heißen.
Es ist also etwas, das das Wahrste und Beste und Edelste ist,
und demzufolge ein am meisten SEIENDES,
denn das, was am meisten wahr ist, ist am meisten SEIEND, wie in Metaphysik 2 gesagt wird.
Was aber ein "am meisten so Beschaffenes" genannt wird in irgendeiner Gattung,
ist die Ursache all dessen, was jener Gattung angehört,
wie das Feuer, das am meisten heiß ist, Ursache alles Heißen ist,
wie in demselben Buch gesagt wird.
Folglich ist etwas, das allen SEIENDEN Ursache ist
zu SEIN, und ihrer Gutheit, und jeder beliebigen Vollkommenheit,
und das nennen wir "Gott".
Der fünfte Beweisgang wird genommen aus der Steuerung der Dinge.
Wir sehen nämlich, daß gewisse Dinge, die der Erkenntnis ermangeln,
etwa die Naturkörper,
ins Werk gesetzt sind auf ein Ziel hin,
was dadurch einleuchtet,
daß sie immer oder häufiger auf gleiche Art ins Werk gesetzt werden,
so daß das folgt, was das Beste ist.
Daher ist offensichtlich, daß sie nicht zufällig, sondern aus Absicht zum Ziel gelangen.
Das aber, was keine Erkenntnis hat, strebt nicht nach einem Ziel,
es sei denn, es ist gelenkt von irgendeinem Erkennenden oder Intelligentem,
wie der Pfeil vom Schützen.
Folglich IST ein Intelligentes,
von dem alle Naturdinge auf ein Ziel zugeordnet werden,
und das nennen wir "Gott".
Wo wir sind, da ist immer auch Ägypten.
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