zu analysieren (dem ich nur teilweise zustimmen kann). Da die Analyse jedoch recht lange wurde und in genanntem Thread unterginge, entschloss ich hierfür einen eigenen Thread zu öffnen.Ich habe hier oft genug gehört dass Wissenschaft auch nur eine Meinung sei. Und das ist eben schlichtweg falsch, im Sinne von Irrtum.
Ich werde mich auf Naturwissenschaften beschränken. Der Grund liegt zum einen darin, dass insbesondere in Strukturwissenschaften eine vollkommen andere Situation vorliegt, die von Naturwissenschaften getrennt betrachtet werden muss. Zum anderen darin, dass sich in Bezug auf "weichere" Wissenschaften sich deutlich schwieriger auf Basis naturwissenschaftliche Argumente debattieren lässt. Meine Gegenthese ist:
Zu ersten Teil meiner Gegenthese:Ergebnisse naturwissenschaftlicher Forschung stellen "nur" eine Meinung da, welche jedoch deutlich stärker untermauert und (das ist zentral!) widerlegbar (falsifizierbar) sind. Jedoch reicht dies nicht aus. Vielfach muss man auch meta-wissenschaftliche Argumente betrachten.
Was eine Theorie "wissenschaftlich" (im Sinne des naturwissenschaftlichen Wissenschaftsbegriffs!) macht, ist die Eigenschaft der Falsifizierbarkeit. Das heißt: es gibt eine Möglichkeit, falls die Theorie falsch ist, diese zu widerlegen (im Allgemeinen durch ein Experiment).
Einfaches Beispiel: falls wir im erdnahen Gravitationsfeld einen Körper im Vakuum fallen lassen und die Messungen der Position, Geschwindigkeit etc. unter Herausrechnen der Messungenauigkeiten nicht dem entsprechen, was man gemäß dem Newtonsche Gravitationsgesetz im erdnahen Gravitationsfeld erwarten würde, so hätten wir dieses widerlegt (d. h. die Theorie muss überarbeitet werden)
Gegenbeispiel: zwei religiöse Texte schreiben einer Gottheit unterschiedliche Eigenschaften zu. Es gibt (leider) im Allgemeinen keine Methode nachprüfbar (!) zu widerlegen, dass eine der beiden Seiten unrecht hat. Man kann nur daran glauben oder nicht.
Hochpräzise Messungen zeigen jedoch beispielsweise, dass die Newtonschen Bewegungsgleichungen bei hohen Geschwindigkeiten nicht gelten. Hier liefern die Einstein-Gleichungen eine deutlich präzisere Beschreibung. Sind die Newton-Gleichungen deswegen falsch? Jein: auf der einen Seite gibt es eine bessere Theorie (spezielle Relativitätstheorie), aber auf der anderen Seite gehen die beiden Theorien für den Grenzfall geringer Geschwindigkeiten ineinander über.
Wir können also nie sicher sein, ob (natur-)wissenschaftliche Theorien korrekt sind. Ich würde ziemlich viel darauf wetten, dass sie es nicht sind (sonst gäbe es keinen Fortschritt!).
Demnach stellen sie "nur" eine Meinung dar - aber eine die (zumindest im Falle sehr gut untersuchter Theorien) bereits ausführlich - durch Experimente - auf Plausibilität geprüft wurde. Ebenso kann - falls jemand Zweifel daran hat und er eine andere Meinung veröffentlicht - durch experimentelle Methoden geklärt werden, ob mindestens eine der beiden Meinungen falsch sind (vielleicht sind es auch beide ).
Nun zum zweiten Teil meiner These:
Ein sehr häufig verbreitetes Missverständnis will ich erst einmal an einem satirischen Beispiel erläutern, um es anschließend auf ein konkreteres Problem anzuwenden.
Laut "Intelligent Falling" de.wikipedia.org/wiki/Intelligent_Falling (einer satirischen Theorie!) fallen Körper nicht durch Gravitationskraft auf den Boden, sondern aufgrund einer höheren Intelligenz, die sie zu Boden drückt (und das macht diese Intelligenz derart, dass es "so aussieht", als stecke eine Gravitationskraft dahinter).
Frage: ist diese Theorie aus naturwissenschaftlicher Sicht falsch? Die (überraschende) Antwort ist: da sie keinerlei Aussagen macht, welche im Widerspruch zu anerkannten physikalischen Theorien steht, ist sie aus naturwissenschaftlicher Sicht genauso richtig/falsch wie die anerkannten physikalischen Theorien zur Gravitation.
Warum wird sie dennoch nicht als wissenschaftlich anerkannt?
An dieser Stelle wird es etwas komplizierter: hier kann man nämlich nicht mit naturwissenschaftlichen Argumenten kommen (die - wie schon erläutert - die beiden "Theorien" nicht separieren können), sondern benötigen Argumente auf höherer Ebene, sogenannte Meta-Argumente.
In diesem Fall ist das Argument "Ockhams Rasiermesser": de.wikipedia.org/wiki/Ockhams_Rasiermesser
Dieses sagt im Kern aus, dass wenn zwei verschiedene Theorien einander gegenüber stehen, die Theorie gewählt werden sollte, welche einfacher ist bzw. weniger Annahmen voraussetzt. Im Falle "Intelligent Falling" vs. "physikalische Gravitationstheorien" sollte klar sein, welche dieser Theorien hier gewinnt.
Dennoch ist es ganz wichtig sich klarzumachen, dass es sich hier nicht um eine experimentelle Widerlegung von "Intelligent Falling" handelt, sondern um eine Widerlegung auf Basis eines meta-wissenschaftlichen Arguments.
Warum hacke ich da so darauf herum? Der Grund liegt darin, dass diese beiden Sichtweisen (experimentelle Widerlegung vs. meta-wissenschaftliche Argumente (in diesem Fall "Ockhams Rasiermesser") gerade wenn es um die Anwendung (schul-)wissenschaftlicher Methoden zur Untersuchung parawissenschaftlicher Phänomene geht, häufig diese beiden Sichtweisen vermischt werden.
Dazu ein Beispiel: ein Team von Wissenschaftlern will einem Poltergeist-Phänomen auf den Grund gehen. Nach einigen Tagen Forschungen finden sie eine Erklärung, wie sich das Phänomen mittels bekannten Naturgesetzen (im Sinne von "anerkannter wissenschaftlicher Theorie") erklären lässt. Haben wir damit die Existenz des Poltergeists widerlegt?
Nach der Vorbetrachtung weiter oben wissen wir die Antwort: nein, haben wir im Allgemeinen (im Sinne naturwissenschaftlicher Methoden) erst einmal nicht. Wir haben nur gezeigt, dass wir zur Erklärung des Phänomens keinerlei zusätzliche Hypothese a la "Poltergeist" benötigen.
Erst auf Basis des meta-wissenschaftlichen Arguments von Ockhams Rasiermesser können wir behaupten, die Existenz des Poltergeistes widerlegt zu haben. Hierzu reichten - wie demonstriert - naturwissenschaftliche Methoden (Experiment) nicht aus; wir brauchten zusätzlich Ockhams Rasiermesser als meta-wissenschaftliches Argument.
Ein weiteres meta-wissenschaftliches Argument (auf das ich jedoch hier nicht näher eingehen will), welches gerne benutzt wird, ist das sogenannte "anthropische Prinzip": de.wikipedia.org/wiki/Anthropisches_Prinzip
Hier gelten die selben Vorsichtsmaßnahmen: meta-wissenschaftliche Widerlegungen sind keine Widerlegungen aufgrund eines Experimentes (welcher "prinzipiell jeder durchführen könnte, um sich zu vergewissern", womit die Frage geklärt wäre), sondern Argumente von höherer Ordnung.
Erst wenn der letzte Programmierer eingesperrt und die letzte Idee patentiert ist, werdet ihr merken, dass Anwälte nicht programmieren können.