Detlef Alsbach: Ich möchte Ausländer werden!

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    • [IMG:http://www.gif-paradies.de/gifs/natur/blumen/verliebt/verliebt_0001.gif] bitte schön - hatte zwar nicht vor dir Blumen zu schenken, aber Du sollst sie haben :)

      @ Sonja,
      Also ich kann Dich auch sehr gut verstehem - nur habe ich hier das Gefühl, dass wir hier etwas aneinander vorbeireden. Es geht nicht darum, Menschen nicht zu helfen oder wirklich politisch Verfolgte nicht zu unterstützen. Das Thema hier ist ein anderes. - Es geht um Gerechtigkeit an sich. Auch in anderen europäischen Ländern fühlt sich die europäische Bevölkerung gegenüber Migranten benachteiligt.
      Ich plaudere zwar nicht viel aus meinem Leben, aber ich kenne sehr gut die Seite, die Du unterstützt. Ich bin vetrieben aus meiner Heimat - nicht geflohen, fliehen tut man mehr oder minder freiwillig, weil man sich ein besseres Leben erhofft, bei Vertreibung hat man keine Wahl, man wird aus seinem Haus und seinem Land geschmissen, man wird zwangsentwurzelt. Mein Leben ist reich an Erfahrungen und ich bin Ausländer in dem Land, in dem ich wohne. Und noch etwas, ich habe noch nie im Leben auch nur einen Pfennig Sozialhilfe erhalten.

      Gruß Jo
      "Nehmt Eure Sprache ernst! Wer es hier nicht zu dem Gefühl einer heiligen Pflicht bringt, in dem ist nicht einmal der Keim für eine höhere Bildung vorhanden."
      "Es wurde bisher grundsätzlich immer nur die Wahrheit verboten."

      Friedrich Nietzsche
    • Kommen wir zur großen Politik. Tun wir den Einwohnern bestimmter Länder
      wirklich gut, wenn wir sagen: "Kommt alle her, lebt hier, weil es bei
      euch zu Hause so schwer ist, wir machen es euch leicht."? Werden wir
      ihnen nicht eben genau das signalisieren: "Wir lösen eure Probleme, müht
      euch selber lieber nicht!" Dann gleichen wir der Mutter, die ihren
      Kindern jeden Stein aus dem Weg räumt und sich dann wundert, dass sie
      lebensunfähig werden. Sie wurden nicht gefordert!


      aber wie kommen wir dazu, uns als "mutter" zu sehen und die anderen als "kinder" vielleicht ist es genau andersrum und WIR lernen von IHNEN?
      bzw. vielleicht meinen wir nur, wir würden helfen und in wahrheit helfen die ausländer uns unsere beschränkte sicht aufzugeben?

      (nur so ne gedankenspielerei)

      ein "helfersyndrom" habe ich persönlich nicht, ich kann auch sehr gut nein sagen, vor allem wenn jemand nur jammert und nichts tut um sich selbst aus der scheisse zu ziehen.
      die meisten ausländer tun ja schon einiges. sie gehen an einen anderen ort wo frieden herrscht und versuchen das beste draus zu machen. respekt. ich finde das ziemlich mutig, heisst es doch, dass man da seine wurzeln verlässt, und nun kein starker baum mehr ist, der festen halt hat und dem wetter trotzt, sondern ein blatt, das im wind weht sozusagen...

      da fällt mir noch ein sprichwort ein:

      hilfe, 6 milliarden ausländer stehen vor der tür und alle wollen meine arbeit!!!!

      :D :D :D
    • raabenweib schrieb:

      aber wie kommen wir dazu, uns als "mutter" zu sehen und die anderen als "kinder" vielleicht ist es genau andersrum und WIR lernen von IHNEN?
      bzw. vielleicht meinen wir nur, wir würden helfen und in wahrheit helfen die ausländer uns unsere beschränkte sicht aufzugeben?

      ?( Das war eine Metapher von Nanabosho.
      Ich persönlich bin davon überzeugt, das ich eine ausgesprochen weit gefasste und gute Sicht auf die Dinge habe. Im übrigen ist das ganze Leben ein Lernen.

      raabenweib schrieb:

      da fällt mir noch ein sprichwort ein:

      hilfe, 6 milliarden ausländer stehen vor der tür und alle wollen meine arbeit!!!!

      Wenn das alles ist, was Dir dazu einfällt Sonja, hast Du meiner Meinung nach ein Informationsdefizit.

      LG Jo
      "Nehmt Eure Sprache ernst! Wer es hier nicht zu dem Gefühl einer heiligen Pflicht bringt, in dem ist nicht einmal der Keim für eine höhere Bildung vorhanden."
      "Es wurde bisher grundsätzlich immer nur die Wahrheit verboten."

      Friedrich Nietzsche
    • Nun gut, raabenweib,
      sagen wir mal, mein Beispiel sei sehr schlecht gewählt und absolut nicht zutreffend. Lassen wir es dabei bewenden, es ist eben auch nur meine Sicht. Ich verstehe auch die Hierarchie anders, weshalb ich das Beispiel gewählt habe. Heutzutage steht das Kind hierarchisch ü b e r der Mutter, weil die Mutter längst die Sklavin ihres Kindes ist. Sie braucht praktisch Hilfe, um aus der Sklaverei herauszukommen, und das wollte ich mit dem Beispiel andeuten.
      Mit dem Lernen ist es für mich eben auch so eine Sache. Es gibt manche Dinge, die ich lernen möchte und manche, die ich n i c h t lernen möchte, weil ich glaube, da schon drüber raus gewachsen zu sein.
      Ich möchte z. B. n i c h t lernen, meine Schwester zu erschießen, weil sie einen Liebhaber hat. Ich möchte auch n i c h t lernen, meine Frau (weiß gar nicht, ob auch Freundin geht) zum Lastesel zu machen oder sie zur Uniformierung zu zwingen. Ich möchte auch n i c h t lernen, sie zur Gebärmaschine zu machen oder zu schlagen. Ich möchte n i c h t lernen, meine Tochter zu zwingen, einen Mann zu heiraten, den sie nicht möchte. Ich halte etwas von starken und selbstbewussten Frauen.
      Ich möchte auch n i c h t lernen, Menschen umzubringen, weil sie den Glauben, den ich mit ihnen einmal teilte, verlassen haben und zu einem anderen konvertiert sind.
      Ich kann akzeptieren, dass es Menschen gibt, die gern all das tun, aber ich möchte nicht mit ihnen zusammenleben oder nur unter gewissen Bedingungen. Ich glaube nicht, dass ich von ihnen überhaupt etwas lernen kann.

      Es gibt tausend Dinge, die ich lernen kann und lernen möchte, aber es ist dann in mir drin, etwas, das mir sagt, dass ich genau das lernen will. Vielleicht bin ich sehr unterentwickelt und lerne zu langsam, vielleicht auch altmodisch und passe nicht in diese Welt. Vor Ausländern, die mir meine Arbeit wegnehmen, habe ich keinerlei Angst, weil ich das, was ich tue, aus dem Bewusstsein der Berufung tue und es mir überhaupt niemand wegnehmen k a n n. Außerdem wird es in absehbarer Zeit kaum noch Lohnarbeit geben, eine derartige Diskussion wäre also verfehlt. Es nimmt uns auch kein Ausländer irgendetwas an Besitz weg oder so. Darum geht es ebenfalls nicht. Das einzige, was sie bedrohen k ö n n e n und u. U. auch w e r d e n, ist unsere Freiheit. Weil sie mit einer solchen Freiheit - noch - nicht viel anfangen können oder wollen.
      Sie sind an einer anderen Stelle des Weges, das ist alles. Sie haben ein anderes Schrittmaß. Vieles ist tolerierbar, aber nicht alles ist "kompatibel".

      Mein Vater hat einer persischen Familie eine Wohnung besorgt und ich habe den Umzug arrangiert und tatkräftig geholfen. Wir sind heute noch befreundet, obwohl die Familie längst in Köln lebt (in Leipzig war es aussichtslos, Arbeit zu finden). Da der Mann sehr gut deutsch konnte, war er imstande, mir viele der tatsächlichen Vorgänge im Iran zu schildern, auch viele der tatsächlichen Vorgänge in bestimmten islamischen Glaubensgruppen. Und einen Teil der Beweggründe, das Land zu verlassen. Von ihm her kam es zu weiteren Bekanntschaften, nicht nur mit Iranern, sondern auch einem Afghanen, einem Libanesen und zwei Irakern. Von daher glaube ich zu wissen, was diese Leute e i g e n t l i c h von Deutschland erwarten. Aber sie lassen sich bestimmt nicht alle über einen Kamm scheren.
      Ein Türke - in Bremen geboren, in Istanbul aufgewachsen, in Antalya arbeitend - besuchte mich einmal nach seiner Hinwendung zum fundamentalistischen Islam. Von all den sieben Tagen der Woche, die er bei mir war, versuchte er mich an jedem einzelnen davon zu bekehren. Weder meiner Frau noch meiner Tochter wollte er die Hand geben und erst zuletzt war er bereit, mit uns gemeinsam zu essen. Warum? Er sagte es selbst: "Es ist verrückt, du bist kein Muslim, deshalb wollte ich nicht essen mit dich. Aber es ist besser,, mit dir sein als mit meine Familie. Du nicht sagen zu mir: Warum du nicht arbeit, warum du nicht heiraten? Du lassen mich sein, wie ich bin. Das geht nicht bei Muslime.(!!!) Aber ich muss Muslim sein, sonst ich finde kein Frau. (Er war gerade 28 Jahre alt.) Ich habe ein Gelübde gemacht zu Allah, dass ich gutes Muslim sein will, dann kriege ich auch Frau. -
      Lustig ja, wir haben viel gelacht. Aber l e r n e n möchte ich das nicht.
      Und die Welt retten kann ich auch nicht und ich möchte es auch nicht.

      Es mag sein, dass ich daher ein böser und ausländerfeindlicher Mensch bin, und dass meine Vorstellungen und Visionen auch überhaupt nichts wert sind. Dann lebe ich damit. Ohne Helfersyndrom fühle ich mich wohler, ausgeglichener, gesünder. Das ist mir lieber.
      Und obwohl in diesem unserem Land so manches reformbedürftig sind, leben wir extrem viel freier als die Mensche z. B. im Iran oder in Syrien. Einige von ihnen beneiden uns darum, aber andere h a s s e n uns auch d e s w e g e n.

      Herzliche Grüße,
      nanabozho
      Ich wünsche mir Chancen, nicht Sicherheiten.
      Albert Schweitzer

      Dieser Beitrag wurde bereits 2 mal editiert, zuletzt von nanabozho ()

    • raabenweib schrieb:

      [u]ich wünsche dir wirklich von ganzem herzen, dass du nie in die lage kommst, auf ein fremdes wohnzimmer angewiesen zu sein, denn es könnte sein, dass dann jemand auch behauptet, es wäre SEIN wohnzimmer und du hättest keinen platz darin. meiner persönlichen ansicht nach gehört die erde UNS MENSCHEN, egal woher wir kommen und grenzen exiostieren allenfalls in unseren köpfen und am papier... weißt du, einige flüchtlinge kommen nicht aus jux und tollerei, sondern weil sie aus dem eigenen land flüchten mussten, weil sie dort verfolgt werden, gefoltert, politisch, oder aus religiösen gründen, usw...


      Vielleicht auch noch ein paar Worte dazu, raabenweib:
      Auch ich habe John Lennons IMAGINE immer gern gehört und höre es heute noch gern. Dieses Lied bringt ungeheuer viel Motivation, in diese Richtung zu gehen. Es ist aber nicht gleichzeitig auf alle Menschen, die diese Welt bevölkern, anwendbar. Warum? - Sie haben einen unterschiedlichen seelischen Entwicklungsstatus (gut, ich müsste jetzt bekennen, dass ich an Seelenalter und -entwicklungen glaube und mir einleuchtend erscheint, dass ein Siebenjähriger nicht über die Erfahrung eines Zwanzigjährigen verfügt...). Das heißt, nicht jeder würde derzeit eine solche Freiheit v e r k r a f t e n. Ein Deutscher fühlt sich u. U. eingeengt, wenn er inmitten eines gut organisierten Familienclans leben soll, für einen Araber ist das das Non plus Ultra und unbedingt Wichtige. Deshalb würde eine gewisse Anzahl Menschen die andere Seite - nicht mal absichtlich - missverstehen, wenn diese in einer vergleichbaren Freiheit leben will.
      Ich kenne eine Menge Leute, die das Leben in Kommunen ausprobiert haben. Die meisten wollten es nicht bis zu ihrem Tode tun und meinten, es hätte ständig Konflikte gegeben. Es gibt so gut wie immer diejenigen, die sich für andere "den Arsch aufreißen" und diejenigen, die sich darauf ausruhen. Da es für die, die sich ausruhen, zu schwer ist, sich zu verändern, müssen es die anderen tun (also: sich verändern) und mit dem "Arsch aufreißen" aufhören.
      Und was das "Wohnzimmer" betrifft - ich kenne auch den berühmten Song von Heinz Rudolf Kunze gut ("Du wirst niiiiieee zu Hause sein...") und mag ihn. Und meine Tür stand immer für jeden (ohne Ansehen der Rasse, Religion, Nation, des Geschlechts oder des Doktorgrades) offen, aber - das geschah erst nach einem langwierigen Lernprozess - neuerdings schmeiße ich jeden wieder raus, der mutwillig die Regeln in meinem "Reich" missachtet. Und ich glaube, dass ich ein eigenes Reich, und wenn es noch so klein ist, haben darf. Selbst ein Indianer hat ein Tipi, und - ich bin Hobbyvölkerkundler und kenne mich da ein wenig aus - wehe dem, der die darin geltenden Regeln missachtet....
      Nebenbei: Meine derzeitige Freundin (Deutsche) hätte auf der Straße (in einem alten Auto) leben müssen, wenn ich sie nicht "aufgenommen" hätte... Wir haben also auch Landsleute, die sich "ausgestoßen" fühlen, wie kommt das eigentlich?

      Herzliche Grüße,
      nanabozho

      P.S.: Ich kriege diese blöde Unterstreichung nicht weg, tut also so, als sei sie nicht da.
      Ich wünsche mir Chancen, nicht Sicherheiten.
      Albert Schweitzer