Balladen

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    • Ältere Balladen erzählen uns eine spannende Geschichte, in der Gefahren, Gespenster und Zauberei im Mittelpunkt des Geschehens stehen. Die Hauptfiguren führen interessante Dialoge und die im Text gebrauchten bildhaften, vergleichenden und lautmalenden Wörter erzeugen Spannung. Um die Spannung anderen nahe zu bringen gibt es die Möglichkeit, mithilfe von Instrumenten die Balladen zu vertonen. Die Autoren benutzen – wie in Gedichten üblich – Verse, Strophen und manchmal sogar Reime.
      Zu den berühmtestendeutschen Balladendichtern gehören Johann Wolfgang von Goethe mit dem "Erlkönig" und dem "Zauberlehrling, Friedrich Schiller mit "Der Handschuh" , sowie C.F. Meyer "Die Füße im Feuer", um Beispiele zu nennen. " Ihre Balladen handeln meist von einem dramatischen Konflikt mit tragischem Ausgang.

      Die heutigen Balladen in der Pop- und Rockmusik dagegen widmen sich oft Themen wie Liebe und Partnerschaft oder Trauer und Leid. Sie sind nicht vergleichbar mit dem, was man unter "Deutscher Ballade" versteht.

      Im nächsten Beitrag möchte ich gerne eine Ballade von C.F. Meyer vorstellen, die schon ewig zu meinen Lieblingsballaden zählt,

      Gruß Jo :)
      "Nehmt Eure Sprache ernst! Wer es hier nicht zu dem Gefühl einer heiligen Pflicht bringt, in dem ist nicht einmal der Keim für eine höhere Bildung vorhanden."
      "Es wurde bisher grundsätzlich immer nur die Wahrheit verboten."

      Friedrich Nietzsche
    • Die Füße im Feuer

      Wild zuckt der Blitz. In fahlem Lichte steht ein Turm.
      Der Donner rollt. Ein Reiter kämpft mit seinem Ross,
      Springt ab und pocht ans Tor und lärmt. Sein Mantel saust
      Im Wind. Er hält den scheuen Fuchs am Zügel fest.
      Ein schmales Gitterfenster schimmert goldenhell
      Und knarrend öffnet jetzt das Tor ein Edelmann ...

      - "Ich bin ein Knecht des Königs, als Kurier geschickt
      Nach Nîmes. Herbergt mich! Ihr kennt des Königs Rock!"
      - "Es stürmt. Mein Gast bist du. Dein Kleid, was kümmert's mich?
      Tritt ein und wärme dich! Ich sorge für dein Tier!"
      Der Reiter tritt in einen dunkeln Ahnensaal,
      Von eines weiten Herdes Feuer schwach erhellt,
      Und je nach seines Flackerns launenhaftem Licht
      Droht hier ein Hugenott im Harnisch , dort ein Weib,
      Ein stolzes Edelweib aus braunem Ahnenbild ...
      Der Reiter wirft sich in den Sessel vor dem Herd
      Und starrt in den lebendgen Brand. Er brütet, gafft ...
      Leis sträubt sich ihm das Haar. Er kennt den Herd, den Saal ...
      Die Flamme zischt. Zwei Füße zucken in der Glut.


      Den Abendtisch bestellt die greise Schaffnerin
      Mit Linnen blendend weiß. Das Edelmägdlein hilft.
      Ein Knabe trug den Krug mit Wein. Der Kinder Blick
      Hangt schreckensstarr am Gast und hangt am Herd entsetzt ...
      Die Flamme zischt. Zwei Füße zucken in der Glut.
      - "Verdammt! Dasselbe Wappen! Dieser selbe Saal!
      Drei Jahre sind's ... Auf einer Hugenottenjagd
      Ein fein, halsstarrig Weib ... 'Wo steckt der Junker? Sprich!'
      Sie schweigt. 'Bekenn!' Sie schweigt. 'Gib ihn heraus!' Sie schweigt.
      Ich werde wild. D e r Stolz! Ich zerre das Geschöpf ...
      Die nackten Füße pack ich ihr und strecke sie
      Tief mitten in die Glut ... 'Gib ihn heraus!' ... Sie schweigt ...
      Sie windet sich ... Sahst du das Wappen nicht am Tor?
      Wer hieß dich hier zu Gaste gehen, dummer Narr?
      Hat er nur einen Tropfen Bluts, erwürgt er dich."
      Eintritt der Edelmann. "Du träumst! Zu Tische, Gast ..."

      Da sitzen sie. Die drei in ihrer schwarzen Tracht
      Und er. Doch keins der Kinder spricht das Tischgebet.
      Ihn starren sie mit aufgerissnen Augen an -
      Den Becher füllt und übergießt er, stürzt den Trunk,
      Springt auf: "Herr, gebet jetzt mir meine Lagerstatt!
      Müd bin ich wie ein Hund!" Ein Diener leuchtet ihm,
      Doch auf der Schwelle wirft er einen Blick zurück
      Und sieht den Knaben flüstern in des Vaters Ohr ...
      Dem Diener folgt er taumelnd in das Turmgemach.

      Fest riegelt er die Tür. Er prüft Pistol und Schwert.
      Gell pfeift der Sturm. Die Diele bebt. Die Decke stöhnt.
      Die Treppe kracht ... Dröhnt hier ein Tritt? ... Schleicht dort ein Schritt?...
      Ihn täuscht das Ohr. Vorüberwandelt Mitternacht.
      Auf seinen Lidern lastet Blei, und schlummernd sinkt
      Er auf das Lager. Draußen plätschert Regenflut.
      Er träumt. "Gesteh!" Sie schweigt.
      "Gib ihn heraus!" Sieschweigt.
      Er zerrt das Weib. Zwei Füße zucken in der Glut.
      Aufsprüht und zischt ein Feuermeer, das ihn verschlingt ...
      - "Erwach! Du solltest längst von hinnen sein! Es tagt!"
      Durch die Tapetentür in das Gemach gelangt,
      Vor seinem Lager steht des Schlosses Herr - ergraut,
      Dem gestern dunkelbraun sich noch gekraust das Haar.
      Sie reiten durch den Wald. Kein Lüftchen regt sich heut.
      Zersplittert liegen Ästetrümmer quer im Pfad.
      Die frühsten Vöglein zwitschern, halb im Traume noch.
      Friedsel'ge Wolken schwimmen durch die klare Luft,
      Als kehrten Engel heim von einer nächt'gen Wacht.
      Die dunkeln Schollen atmen kräft'gen Erdgeruch.
      Die Ebne öffnet sich. Im Felde geht ein Pflug.
      Der Reiter lauert aus den Augenwinkeln: "Herr,
      Ihr seid ein kluger Mann und voll Besonnenheit
      Und wisst, dass ich dem größten König eigen bin.
      Lebt wohl. Auf Nimmerwiedersehn!" Der andre spricht:
      "Du sagst's! Dem größten König eigen! Heute ward
      Sein Dienst mir schwer ... Gemordet hast du teuflisch mir
      Mein Weib! Und lebst! ... Mein ist die Rache, redet Gott."

      Conrad Ferdinand Meyer
      (Erstdruck 1864)
      "Nehmt Eure Sprache ernst! Wer es hier nicht zu dem Gefühl einer heiligen Pflicht bringt, in dem ist nicht einmal der Keim für eine höhere Bildung vorhanden."
      "Es wurde bisher grundsätzlich immer nur die Wahrheit verboten."

      Friedrich Nietzsche
    • Der Kaiser und der Abt

      Ich will euch erzählen ein Märchen gar schnurrig.
      Es war `mal ein Kaiser, der Kaiser war kurrig;
      Auch war `mal ein Abt, ein gar stattlicher Herr,
      Nur schade! sein Schäfer war klüger als er.

      Dem Kaiser ward’s sauer in Hitz’ und in Kälte:
      Oft schlief er gepanzert im Kriegesgezelte,
      Oft hatt’ er kaum Wasser zu Schwarzbrot und Wurst.
      Und öfter noch litt er gar Hunger und Durst.

      Das Pfäfflein, das wusste sich besser zu hegen
      Und weidlich am Tisch und im Bette zu pflegen:
      Wie Vollmond so glänzte sein feistes Gesicht,
      Drei Männer umspannten den Schmerbauch ihm nicht.

      D'rob suchte der Kaiser am Pfäfflein oft Hader.
      Einst tritt er mit reisigem Kriegesgeschwarder
      In brennender Hitze des Sommers vorbei;
      Das Pfäfflein spazierte vor seiner Abtei.

      "Ha!" dachte der Kaiser, "zur glücklichen Stunde!"
      Und grüßte das Pfäfflein mit höhnischem Munde:
      "Knecht Gottes, wie geht’s dir? Mir däucht, wohl ganz recht,
      Das Beten und Fasten bekomme nicht schlecht.

      Doch däucht mir daneben, euch plage viel Weile:
      Ihr dankt mir’s wohl, wenn ich euch Arbeit erteile?
      Man rühmet, ihr wäret der pfiffigste Mann;
      Ihr höret das Gräschen fast wachsen, sagt man.

      So geb’ ich denn euren zwei tüchtigen Backen
      Zur Kurzweil drei artige Nüsse zu knacken;
      Drei Monden von nun an bestimm’ ich zur Zeit,
      Dann will ich auf diese drei Fragen Bescheid.

      Zum Ersten: wann hoch ich im fürstlichen Rate
      Zu Throne mich zeige im Kaiser-Ornate,
      Dann sollt’ ihr mir sagen, ein treuer Wardein,
      Wie hoch ich wohl wert bis zum Heller mag sein.

      Zum Zweiten sollt ihr mir berechnen und sagen,
      Wie bald ich zu Rosse die Welt mag umjagen,
      Um keine Minute zu wenig, zu viel,
      Ich weiß, der Bescheid darauf ist euch nur Spiel.

      Zum Dritten noch sollst du, o Preis der Prälaten,
      Auf’s Härchen mir meine Gedanken erraten,
      Die will ich dann treulich bekennen, allein
      Es soll auch kein Titelchen Wahres dran sein.

      Und könnt ihr mir diese drei Fragen nicht lösen,
      So seid ihr die längste Zeit Abt hier gewesen;
      So lass’ ich euch führen zu Esel durch’s Land,
      Verkehrt, statt des Zaumes, den Schwanz in der Hand."

      D'rauf trabte der Kaiser mit Lachen von hinnen.
      Das Pfäfflein zerriß und zerspliß sich mit Sinnen,
      Kein armer Verbrecher fühlt mehr Schwulität,
      Der vor hochnotpeinlichem Halsgericht steht.

      Er schickte nach ein, zwei, drei, vier Un’vers'täten;
      Er fragte bei ein, zwei, drei, vier Fakultäten;
      Er zahlte Gebühren und Sportuln vollauf;
      Doch löste kein Doktor die Fragen ihm auf.

      Schnell wuchsen bei herzlichem Zagen und Pochen
      Die Stunden zu Tagen, die Tage zu Wochen,
      Die Wochen zu Monden; schon kam der Termin:
      Ihm ward’s vor den Augen bald gelb und bald grün.

      Nun sucht’ er, ein bleicher, hohlwangiger Werther,
      In Wäldern und Feldern die einsamsten Örter.
      Da traf ihn, auf selten betretener Bahn,
      Hans Bendix, sein Schäfer, am Felsenhang an.

      "Herr Abt," sprach Hans Bendix, "was mögt ihr euch grämen?
      Ihr schwindet ja wahrlich dahin wie ein Schemen.
      Maria und Joseph! wie hotzelt ihr ein!
      Mein Sixchen, es muß euch was angetan sein!"

      "Ach guter Hans Bendix, so muß sich’s wohl schicken.
      Der Kaiser will gern mir am Zeuge was flicken,
      Und hat mir drei Nüss’ auf die Zähne gepackt,
      Die schwerlich Beelzebub selber wohl knackt.

      Zum Ersten: wann hoch er im fürstlichen Rate
      Zu Throne sich zeiget im Kaiser-Ornate,
      Dann soll ich ihm sagen, ein treuer Wardein,
      Wie viel er wohl wert bis zum Heller mag sein.

      Zum Zweiten soll ich ihm berechnen und sagen,
      Wie bald er zu Rosse die Welt mag umjagen,
      Um keine Minute zu wenig, zu viel;
      Er meint, der Bescheid darauf wäre nur Spiel.

      Zum Dritten, ich ärmster von allen Prälaten!
      Soll ich ihm gar seine Gedanke erraten.
      Die will er mir treulich bekennen, allein
      Es soll auch kein Titelchen Wahres dran sein.

      Und kann ich ihm diese drei Fragen nicht lösen,
      So bin ich die längste Zeit Abt hier gewesen,
      So lässt er mich führen zu Esel durch’s Land,
      Verkehrt, statt des Zaumes, den Schwanz in der Hand."

      "Nichts weiter?" erwidert Hans Bendix mit Lachen;
      "Herr, gebt euch zufrieden! Das will ich schon machen.
      Nur borgt mir eu’r Käppchen, eu’r Kreuzchen und Kleid,
      So will ich schon geben den rechten Bescheid.

      Versteh’ ich gleich nichts von lateinischen Brocken,
      So weiß ich den Hund doch vom Ofen zu locken.
      Was ihr euch, Gelehrte, für Geld nicht erwerbt,
      Das hab’ ich von meiner Frau Mutter geerbt."

      Da sprang wie ein Böcklein der Abt vor Behagen;
      Mit Käppchen und Kreuzchen, mit Mantel und Kragen
      Ward stattlich Hans Bendix zum Abte geschmückt
      Und hurtig zum Kaiser nach Hofe geschickt.

      Hier thronte der Kaiser im fürstlichen Rate,
      Hoch prangt’ er mit Zepter und Kron’ im Ornate:
      "Nun sagt mir, Herr Abt, als ein treuer Wardein,
      Wie viel ich wohl wert bis zum Heller mag sein?"

      "Für dreißig Reichsgulden ward Christus verschachert;
      Drum geb’ ich, so sehr ihr auch pochet und prachert,
      Für euch keinen Deut mehr als zwanzig und neun;
      Denn Einen müßt ihr doch wohl minder wert sein!"

      "Hum," sagte der Kaiser, "der Grund läßt sich hören
      Und mag den durchlauchtigsten Stolz wohl bekehren.
      Nie hätt’ ich bei meiner hochfürstlichen Ehr’!
      Geglaubet, daß so spottwohlfeil ich wär’.

      Nun aber sollst du mir berechnen und sagen,
      Wie bald ich zu Rosse die Welt mag umjagen,
      Um keine Minute zu wenig, zu viel!
      Ist dir der Bescheid darauf auch nur ein Spiel?"

      "Herr, wenn mit der Sonn’ ihr früh sattelt und reitet
      Und stets sie in einerlei Tempo begleitet,
      So setz’ ich mein Kreuz und mein Käppchen daran,
      In zweimal zwölf Stunden ist Alles getan."

      "Ha!" lachte der Kaiser, "vortrefflicher Hader!
      Ihr füttert die Pferde mit Wenn und mit Aber.
      Der Mann, der das Wenn und das Aber erdacht,
      Hat sich aus Häckerling Gold schon gemacht.

      Nun aber zum Dritten, nun nimm dich zusammen,
      Sonst muß ich dich dennoch zum Esel verbannen:
      Was denk’ ich, was falsch ist? das dringe heraus!
      Nur bleib mir mit Wenn und mit Aber zu Haus!

      "Ihr denket, ich sei der Herr Abt von St. Gallen."
      "Ganz recht! und das kann von der Wahrheit nicht fallen."
      "Sein Diener, Herr Kaiser, euch trüget eu’r Sinn;
      Denn wißt, daß ich Bendix, sein Schäfer, nur bin!"

      "Was Henker! Du bist nicht der Abt von St. Gallen?"
      Rief hurtig, als wär’ er vom Himmel gefallen,
      Der Kaiser mit frohem Erstaunen darein:
      "Wohlan denn, so sollst du von nun an es sein!

      Ich will dich belehnen mit Ring und mit Stabe,
      Dein Vorfahr besteige den Esel und trabe,
      Und lerne fortan erst quid iuris verstehn;
      Denn wenn man will ernten, so muß man auch säh’n."

      "Mit Gunsten, Herr Kaiser! Das laßt nur hübsch bleiben!
      Ich kann ja nicht lesen, nicht rechnen noch schreiben;
      Auch weiß ich kein sterbendes Wörtchen Latein:
      Was Hänschen versäumet, holt Hans nicht mehr ein!"

      "Ach guter Hans Bendix, das ist ja recht Schade!
      Erbitte dir denn eine andere Gnade!
      Sehr hat mich ergötzt dein lustiger Schwank,
      Drum soll dich auch weiter ergötzen mein Dank."

      "Herr Kaiser, groß hab’ ich so eben nichts nötig,
      Doch seid ihr im Ernst mir zu Gnaden erbötig,
      So will ich mir bitten zum ehrlichen Lohn
      Für meinen hochwürdigen Herren Pardon."

      "Ha bravo! Du trägst, wie ich merke, Geselle,
      Das Herz wie den Kopf auf der richtigen Stelle,
      Drum sei der Pardon ihm in Gnaden gewährt,
      Und obendrein dir ein Panis-Brief beschert.

      Wir lassen dem Abt von St. Gallen entbieten:
      Hans Bendix soll nicht mehr die Schafe ihm hüten;
      Der Abt soll sein pflegen nach unserm Gebot
      Umsonst bis an seinen sanftseligen Tod."

      von Gottfried August Bürger
      ( 1747 bis 1794
      "Nehmt Eure Sprache ernst! Wer es hier nicht zu dem Gefühl einer heiligen Pflicht bringt, in dem ist nicht einmal der Keim für eine höhere Bildung vorhanden."
      "Es wurde bisher grundsätzlich immer nur die Wahrheit verboten."

      Friedrich Nietzsche
    • Das Trauerspiel von Afghanistan

      Der Schnee leis stäubend vom Himmel fällt,
      Ein Reiter vor Dschellalabad hält,
      "Wer da!" - "Ein britischer Reitersmann,
      Bringe Botschaft aus Afghanistan."

      Afghanistan! Er sprach es so matt;
      Es umdrängt den Reiter die halbe Stadt,
      Sir Robert Sale, der Kommandant,
      Hebt ihn vom Rosse mit eigener Hand.

      Sie führen ins steinerne Wachthaus ihn,
      Sie setzen ihn nieder an den Kamin,
      Wie wärmt ihn das Feuer, wie labt ihn das Licht,
      Er atmet hoch auf und dankt und spricht:

      "Wir waren dreizehntausend Mann,
      Von Kabul unser Zug begann,
      Soldaten, Führer, Weib und Kind,
      Erstarrt, erschlagen, verraten sind.

      Zersprengt ist unser ganzes Heer,
      Was lebt, irrt draußen in Nacht umher,
      Mir hat ein Gott die Rettung gegönnt,
      Seht zu, ob den Rest ihr retten könnt."

      Sir Robert stieg auf den Festungswall,
      Offiziere, Soldaten folgten ihm all',
      Sir Robert sprach: "Der Schnee fällt dicht,
      Die uns suchen, sie können uns finden nicht.

      Sie irren wie Blinde und sind uns so nah,
      So lasst sie's hören, dass wir da,
      Stimmt an ein Lied von Heimat und Haus,
      Trompeter blast in die Nacht hinaus!"

      Da huben sie an und sie wurden's nicht müd',
      Durch die Nacht hin klang es Lied um Lied,
      Erst englische Lieder mit fröhlichem Klang,
      Dann Hochlandslieder wie Klagegesang.

      Sie bliesen die Nacht und über den Tag,
      Laut, wie nur die Liebe rufen mag,
      Sie bliesen - es kam die zweite Nacht,
      Umsonst, dass ihr ruft, umsonst, dass ihr wacht.

      "Die hören sollen, sie hören nicht mehr,
      Vernichtet ist das ganze Heer,
      Mit dreizehntausend der Zug begann,
      Einer kam heim aus Afghanistan."
      Theodor Fontane


      "Nehmt Eure Sprache ernst! Wer es hier nicht zu dem Gefühl einer heiligen Pflicht bringt, in dem ist nicht einmal der Keim für eine höhere Bildung vorhanden."
      "Es wurde bisher grundsätzlich immer nur die Wahrheit verboten."

      Friedrich Nietzsche
    • Bettlerballade

      Prinz Bertarit bewirtet Veronas Bettlerschaft
      Mit Weizenbrot und Kuchen und edlem Traubensaft.
      Gebeten ist ein jeder, der sich mit Lumpen deckt,
      Der, heischend auf den Brücken der Etsch, die Rechte reckt.

      Auf edlen Marmorsesseln im Saale thronen sie,
      Durch Riß und Löcher gucken Ellbogen, Zeh und Knie.
      Nicht nach Geburt und Würden, sie sitzen grell gemischt,
      Jetzt werden noch die Hasen und Hühner aufgetischt.

      Der tastet nach dem Becher. Er durstet und ist blind.
      Den Krüppel ohne Arme bedient ein frommes Kind.
      Ein reizend stumpfes Näschen guckt unter struppgem Schopf.
      Mit wildem Mosesbarte prahlt ein Charakterkopf.

      Die Herzen sind gesättigt. Beginne, Musica!
      Ein Dudelsack, ein Hackbrett und Geig und Harf ist da.
      Der Prinz, noch schier ein Knabe, wie Gottes Engel schön,
      Erhebt den vollen Becher und singt durch das Getön:

      "Mit frisch gepflückten Rosen bekrön ich mir das Haupt
      Des Reiches ehrne Krone hat mir der Ohm geraubt.
      Er ließ mir Tag und Sonne! Mein übrig Gut ist klein!
      So will ich mit den Armen als Armer fröhlich sein!"

      Ein Bettler stürzt ins Zimmer. "Grumell, wo kommst du her?"
      Der Schreckensbleiche stammelt: "Ich lauscht' von ungefähr,
      Gebettet an der Hofburg ... Dein Ohm schickt Mörder aus,
      Nimm meinen braunen Mantel!" Erzschritt umdröhnt das Haus.

      "Drück in die Stirn den Hut dir! Er schattet tief! Geschwind!
      Da hast du meinen Stecken! Entspring, geliebtes Kind!"
      Die Mörder nahen klirrend. Ein Bettler schleicht davon.
      "Wer bist du? Zeig das Antlitz!" Gehobne Dolche drohn.

      "Laß ihn! Es ist Grumello! Ich kenn das Loch im Hut!
      Ich kenn den Riß im Ärmel! Wir opfern edler Blut!"
      Sie spähen durch die Hallen und suchen Bertarit,
      Der unter dunkelm Mantel dem dunkeln Tod entflieht.

      Er fuhr in fremde Länder und ward darob zum Mann.
      Er kehrte heim gepanzert. Den Ohm erschlug er dann.
      Verona nahm er stürmend in rotem Feuerschein.
      Am Abend lud der König Veronas Bettler ein.
      Cobrad Ferdinand Meyer
      "Nehmt Eure Sprache ernst! Wer es hier nicht zu dem Gefühl einer heiligen Pflicht bringt, in dem ist nicht einmal der Keim für eine höhere Bildung vorhanden."
      "Es wurde bisher grundsätzlich immer nur die Wahrheit verboten."

      Friedrich Nietzsche
    • Pidder Lüng

      Der Amtmann von Tondern, Henning Pogwisch,
      Schlägt mit der Faust auf den Eichentisch:
      Heut fahr ich selbst hinüber nach Sylt
      Und hol mir mit eigner Hand Zins und Gült.
      Und kann ich die Abgaben der Fischer nicht fassen,
      Sollen sie Nasen und Ohren lassen,
      Und ich höhn ihrem Wort:
      Lewwer duad üs Slaav.

      Im Schiff vorn der Ritter, panzerbewehrt,
      Stützt sich finster auf sein langes Schwert.
      Hinter ihm, von der hohen Geistlichkeit,
      Steht Jürgen, der Priester, beflissen, bereit
      Er reibt sich die Hände, er bückt den Nacken.
      Der Obrigkeit helf ich, die Frevler packen;
      In den Pfuhl das Wort:
      Lewwer duad üs Slaav.

      Gen Hörnum hat die Prunkbarke den Schnabel gewetzt,
      Ihr folgen die Ewer , kriegsvolkbesetzt.
      Und es knirschen die Kiele auf den Sand,
      Und der Ritter, der Priester springen ans Land,
      Und waffenrasselnd hinter den beiden
      Entreißen die Söldner die Klingen den Scheiden.
      Nun gilt es, Friesen:
      Lewwer duad üs Slaav!

      Die Knechte umzingeln das erste Haus,
      Pidder Lüng schaut verwundert zum Fenster heraus.
      Der Ritter, der Priester treten allein
      Über die ärmliche Schwelle hinein.
      Des langen Peters starkzählige Sippe
      Sitzt grad an der kargen Mittagskrippe.
      Jetzt zeige dich, Pidder:
      Lewwer duad üs Slaav!


      Der Ritter verneigt sich mit hämischem Hohn,
      Der Priester will anheben seinen Sermon.
      Der Ritter nimmt spöttisch den Helm vom Haupt
      Und verbeugt sich noch einmal: Ihr erlaubt,
      Dass wir euch stören bei euerm Essen,
      Bringt hurtig den Zehnten, den ihr vergessen,
      Und euer Spruch ist ein Dreck:
      Lewwer duad üs Slaav.

      Da reckt sich Pidder, steht wie ein Baum:
      Henning Pogwisch, halt deine Reden im Zaum!
      Wir waren der Steuern von jeher frei,
      Und ob du sie wünschst, ist uns einerlei.
      Zieh ab mit deinen Hungergesellen!
      Hörst du meine Hunde bellen?
      Und das Wort bleibt stehn:
      Lewwer duad üs Slaav!

      Bettelpack! fährt ihn der Amtmann an,
      Und die Stirnader schwillt dem geschienten Mann:
      Du frisst deinen Grünkohl nicht eher auf,
      Als bis dein Geld hier liegt zu Hauf!
      Der Priester zischelt von Trotzkopf und Bücken
      Und verkriecht sich hinter des Eisernen Rücken.
      O Wort, geh nicht unter:
      Lewwer duad üs Slaav!

      Pidder Lüng starrt wie wirrsinnig den Amtmann an.
      Immer heftiger in Wut gerät der Tyrann,
      Und er speit in den dampfenden Kohl hinein:
      Nun geh an deinen Trog, du Schwein!
      Und er will, um die peinliche Stunde zu enden,
      Zu seinen Leuten nach draußen sich wenden.
      Dumpf dröhnt's von drinnen:
      Lewwer duad üs Slaav!

      Einen einzigen Sprung hat Pidder getan,
      Er schleppt an den Napf den Amtmann heran
      Und taucht ihm den Kopf ein und lässt ihn nicht frei,
      Bis der Ritter erstickt ist im glühheißen Brei.
      Die Fäuste dann lassend vom furchtbaren Gittern,
      Brüllt er, die Türen und Wände zittern,
      Das stolzeste Wort:
      Lewwer duad üs Slaav!

      Der Priester liegt ohnmächtig ihm am Fuß;
      Die Häscher stürmen mit höllischem Gruß,
      Durchbohren den Fischer und zerren ihn fort,
      In den Dünen, im Dorf rasen Messer und Mord.
      Pidder Lüng doch, ehe sie ganz ihn verderben,
      Ruft noch einmal im Leben, im Sterben
      Sein Herrenwort:
      Lewwer duad üs Slaav!
      Detlev von Liliencron


      "Frii es de Feskfang,
      Frii es de Jaght,
      Frii es de Strönthgang,
      Frii es de Naght,
      Frii es de See, de wilde See
      En de Hörnemmer Rhee."
      "Nehmt Eure Sprache ernst! Wer es hier nicht zu dem Gefühl einer heiligen Pflicht bringt, in dem ist nicht einmal der Keim für eine höhere Bildung vorhanden."
      "Es wurde bisher grundsätzlich immer nur die Wahrheit verboten."

      Friedrich Nietzsche
    • Lenore fuhr um's Morgenrot
      Empor aus schweren Träumen:
      »Bist untreu, Wilhelm, oder tot?
      Wie lange willst du säumen?« -
      Er war mit König Friedrichs Macht
      Gezogen in die Prager Schlacht,
      Und hatte nicht geschrieben:
      Ob er gesund geblieben.

      Der König und die Kaiserin,
      Des langen Haders müde,
      Erweichten ihren harten Sinn,
      Und machten endlich Friede;
      Und jedes Heer, mit Sing und Sang,
      Mit Paukenschlag und Kling und Klang,
      Geschmückt mit grünen Reisern,
      Zog heim zu seinen Häusern.

      Und überall all überall,
      Auf Wegen und auf Stegen,
      Zog Alt und Jung dem Jubelschall
      Der Kommenden entgegen.
      Gottlob! rief Kind und Gattin laut,
      Willkommen! manche frohe Braut.
      Ach! aber für Lenoren
      War Gruß und Kuß verloren.

      Sie frug den Zug wohl auf und ab,
      Und frug nach allen Namen;
      Doch keiner war, der Kundschaft gab,
      Von allen, so da kamen.
      Als nun das Heer vorüber war,
      Zerraufte sie ihr Rabenhaar,
      Und warf sich hin zur Erde,
      Mit wütiger Gebärde
      .
      Die Mutter lief wohl hin zu ihr: -
      »Ach, daß sich Gott erbarme!
      Du trautes Kind, was ist mit dir?« -
      Und schloß sie in die Arme. -
      »O Mutter, Mutter! hin ist hin!
      Nun fahre Welt und alles hin!
      Bei Gott ist kein Erbarmen.
      O weh, o weh mir Armen!« -

      »Hilf Gott, hilf! Sieh uns gnädig an!
      Kind, bet' ein Vaterunser!
      Was Gott thut, das ist wohlgethan.
      Gott, Gott erbarmt sich Unser!« -
      »O Mutter, Mutter! Eitler Wahn!
      Gott hat an mir nicht wohlgethan!
      Was half, was half mein Beten?
      Nun ist's nicht mehr vonnöten.« -

      »Hilf Gott, hilf! wer den Vater kennt,
      Der weiß, er hilft den Kindern.
      Das hochgelobte Sakrament
      Wird deinen Jammer lindern.« -
      »O Mutter, Mutter! was mich brennt,
      Das lindert mir kein Sakrament!
      Kein Sakrament mag Leben
      Den Toten wiedergeben.« -

      »Hör, Kind! wie, wenn der falsche Mann,
      Im fernen Ungerlande,
      Sich seines Glaubens abgethan,
      Zum neuen Ehebande?
      Laß fahren Kind, sein Herz dahin!
      Er hat es nimmermehr Gewinn!
      Wann Seel' und Leib sich trennen,
      Wird ihn sein Meineid brennen.« -

      »O Mutter, Mutter! Hin ist hin!
      Verloren ist verloren!
      Der Tod, der Tod ist mein Gewinn!
      O wär' ich nie geboren!
      Lisch aus, mein Licht, auf ewig aus!
      Stirb hin, stirb hin in Nacht und Graus!
      Bei Gott ist kein Erbarmen.
      O weh, o weh mir Armen!« -

      »Hilf Gott, hilf! Geh nicht ins Gericht
      Mit deinem armen Kinde!
      Sie weiß nicht, was die Zunge spricht.
      Behalt ihr nicht die Sünde!
      Ach, Kind, vergiß dein irdisch Leid,
      Und denk an Gott und Seligkeit!
      So wird doch deiner Seelen
      Der Bräutigam nicht fehlen.« -

      »O Mutter! Was ist Seligkeit?
      O Mutter! Was ist Hölle?
      Bei ihm, bei ihm ist Seligkeit,
      Und ohne Wilhelm Hölle! -
      Lisch aus, mein Licht, auf ewig aus!
      Stirb hin, stirb hin in Nacht und Graus!
      Ohn' ihn mag ich auf Erden,
      Mag dort nicht selig werden.« - - -

      So wütete Verzweifelung
      Ihr in Gehirn und Adern.
      Sie fuhr mit Gottes Vorsehung
      Vermessen fort zu hadern;
      Zerschlug den Busen, und zerrang
      Die Hand, bis Sonnenuntergang,
      Bis auf am Himmelsbogen
      Die goldnen Sterne zogen.

      Und außen, horch! ging's trap trap trap,
      Als wie von Rosseshufen;
      Und klirrend stieg ein Reiter ab,
      An des Geländers Stufen;
      Und horch! und horch! den Pfortenring
      Ganz lose, leise, klinglingling!
      Dann kamen durch die Pforte
      Vernehmlich diese Worte:

      »Holla, Holla! Thu auf mein Kind!
      Schläfst, Liebchen, oder wachst du?
      Wie bist noch gegen mich gesinnt?
      Und weinest oder lachst du?« -
      »Ach, Wilhelm, du? - - So spät bei Nacht? - -
      Geweinet hab' ich und gewacht;
      Ach, großes Leid erlitten!
      Wo kommst du hergeritten?« -

      »Wir satteln nur um Mitternacht.
      Weit ritt ich her von Böhmen.
      Ich habe spät mich aufgemacht,
      Und will dich mit mir nehmen.« -
      »Ach, Wilhelm, erst herein geschwind!
      Den Hagedorn durchsaust der Wind,
      Herein, in meinen Armen,
      Herzliebster, zu erwarmen!« -

      »Laß sausen durch den Hagedorn,
      Laß sausen, Kind, laß sausen!
      Der Rappe scharrt; es klirrt der Sporn.
      Ich darf allhier nicht hausen.
      Komm, schürze, spring' und schwinge dich
      Auf meinen Rappen hinter mich!
      Muß heut noch hundert Meilen
      Mit dir in's Brautbett' eilen.« -

      »Ach! wolltest hundert Meilen noch
      Mich heut in's Brautbett' tragen?
      Und horch! es brummt die Glocke noch,
      Die elf schon angeschlagen.« -
      »Sieh hin, sieh her! der Mond scheint hell.
      Wir und die Toten reiten schnell.
      Ich bringe dich, zur Wette,
      Noch heut ins Hochzeitbette.« -

      »Sag an, wo ist dein Kämmerlein?
      Wo? Wie dein Hochzeitbettchen?« -
      »Weit, weit von hier! - - Still, kühl und klein! - -
      Sechs Bretter und zwei Brettchen!« -
      »Hat's Raum für mich?« - »für dich und mich!
      Komm, schürze, spring' und schwinge dich!
      Die Hochzeitgäste hoffen;
      Die Kammer steht uns offen.« -

      Schön Liebchen schürzte, sprang und schwang
      Sich auf das Roß behände;
      Wohl um den trauten Reiter schlang
      Sie ihre Liljenhände;
      Und hurre hurre, hop hop hop!
      Ging's fort in sausendem Galopp,
      Daß Roß und Reiter schnoben,
      Und Kies und Funken stoben.

      Zur rechten und zur linken Hand,
      Vorbei vor ihren Blicken,
      Wie flogen Anger, Heid' und Land!
      Wie donnerten die Brücken! -
      »Graut Liebchen auch? - - Der Mond scheint hell!
      Hurra! die Toten reiten schnell!
      Graut Liebchen auch vor Toten?« -
      »Ach nein! - - Doch laß die Toten!« -

      Was klang dort für Gesang und Klang?
      Was flatterten die Raben? - -
      Horch Glockenklang! horch Totensang:
      »Laßt uns den Leib begraben!«
      Und näher zog ein Leichenzug,
      Der Sarg und Totenbahre trug.
      Das Lied war zu vergleichen
      Dem Unkenruf in Teichen.

      »Nach Mitternacht begrabt den Leib,
      Mit Klang und Sang und Klage!
      Jetzt führ' ich heim mein junges Weib.
      Mit, mit zum Brautgelage!
      Komm, Küster, hier! Komm mit dem Chor,
      Und gurgle mir das Brautlied vor!
      Komm, Pfaff', und sprich den Segen,
      Eh wir zu Bett' uns legen!« -

      Still Klang und Sang. - - Die Bahre schwand. - -
      Gehorsam seinem Rufen,
      Kam's, hurre hurre! nachgerannt,
      Hart hinter's Rappen Hufen.
      Und immer weiter, hop hop hop!
      Ging's fort in sausendem Galopp,
      Daß Roß und Reiter schnoben,
      Und Kies und Funken stoben.

      Wie flogen rechts, wie flogen links,
      Gebirge, Bäum' und Hecken!
      Wie flogen links, und rechts, und links
      Die Dörfer, Städt' und Flecken! -
      »Graut Liebchen auch? - - Der Mond scheint hell!
      Hurra! die Toten reiten schnell!
      Graut Liebchen auch vor Toten?« -
      »Ach! Laß sie ruhn, die Toten!« -

      Sieh da! sieh da! Am Hochgericht
      Tanzt' um des Rades Spindel
      Halb sichtbarlich bei Mondenlicht,
      Ein lustiges Gesindel. -
      »Sasa! Gesindel hier! Komm hier!
      Gesindel, komm und folge mir!
      Tanz' uns den Hochzeitreigen,
      Wann wir zu Bette steigen!« -

      Und das Gesindel husch husch husch!
      Kam hinten nachgeprasselt,
      Wie Wirbelwind am Haselbusch
      Durch dürre Blätter rasselt.
      Und weiter, weiter, hop hop hop!
      Ging's fort in sausendem Galopp,
      Daß Roß und Reiter schnoben,
      Und Kies und Funken stoben.

      Wie flog, was rund der Mond beschien,
      Wie flog es in die Ferne!
      Wie flogen oben über hin
      Der Himmel und die Sterne! -
      »Graut Liebchen auch? - - Der Mond scheint hell!
      Hurra! die Toten reiten schnell!
      Graut Liebchen auch vor Toten?« -
      »O weh! Laß ruhn die Toten!« - - -

      »Rapp'! Rapp'! Mich dünkt der Hahn schon ruft. - -
      Bald wird der Sand verrinnen - -
      Rapp'! Rapp'! Ich wittre Morgenluft - -
      Rapp'! Tummle dich von hinnen! -
      Vollbracht, vollbracht ist unser Lauf!
      Das Hochzeitbette thut sich auf!
      Die Toten reiten schnelle!
      Wir sind, wir sind zur Stelle.« - - -

      Rasch auf ein eisern Gitterthor
      Ging's mit verhängtem Zügel.
      Mit schwanker Gert' ein Schlag davor
      Zersprengte Schloß und Riegel.
      Die Flügel flogen klirrend auf,
      Und über Gräber ging der Lauf.
      Es blinkten Leichensteine
      Rund um im Mondenscheine.

      Ha sieh! Ha sieh! im Augenblick,
      Huhu! ein gräßlich Wunder!
      Des Reiters Koller, Stück für Stück,
      Fiel ab, wie mürber Zunder.
      Zum Schädel, ohne Zopf und Schopf,
      Zum nackten Schädel ward sein Kopf;
      Sein Körper zum Gerippe,
      Mit Stundenglas und Hippe.

      Hoch bäumte sich, wild schnob der Rapp',
      Und sprühte Feuerfunken;
      Und hui! war's unter ihr hinab
      Verschwunden und versunken.
      Geheul! Geheul aus hoher Luft,
      Gewinsel kam aus tiefer Gruft.
      Lenorens Herz, mit Beben,
      Rang zwischen Tod und Leben.

      Nun tanzten wohl bei Mondenglanz,
      Rund um herum im Kreise,
      Die Geister einen Kettentanz,
      Und heulten diese Weise:
      »Geduld! Geduld! Wenn's Herz auch bricht!
      Mit Gott im Himmel hadre nicht!
      Des Leibes bist du ledig;
      Gott sei der Seele gnädig!«
      Gottfried August Bürger
      "Nehmt Eure Sprache ernst! Wer es hier nicht zu dem Gefühl einer heiligen Pflicht bringt, in dem ist nicht einmal der Keim für eine höhere Bildung vorhanden."
      "Es wurde bisher grundsätzlich immer nur die Wahrheit verboten."

      Friedrich Nietzsche
    • Die Mitternacht zog näher schon;
      in stiller Ruh lag Babylon.

      Nur oben in des Königs Schloß
      Da flackerts, da lärmt des Königs Troß.

      Dort oben in dem Königssaal
      Belsazar hielt sein Königsmahl.

      Die Knechte saßen in schimmernden Reihn
      und leerten die Becher mit funkelndem Wein.

      Es klirrten die Becher, es jauchzten die Knecht;
      so klang es dem störrigen Könige recht.

      Des Königs Wangen leuchten Glut;
      Im Wein erwuchs ihm kecker Mut.

      Und blindlings reißt der Mut ihn fort;
      und er lästert die Gottheit mit sündigem Wort.

      Und brüstet sich frech und lästert wild;
      die Knechtenschar ihm Beifall brüllt.

      Der König rief mit stolzem Blick;
      der Diener eilt und kehrt zurück.

      Er trug viel gülden Gerät auf dem Haupt;
      das war aus dem Tempel Jehovas geraubt.

      Und der König ergriff mit frevler Hand
      einen heiligen Becher, gefüllt bis zum Rand.

      Und er leert ihn hastig bis auf den Grund
      und rufet laut mit schäumendem Mund:

      "Jehova! dir künd ich auf ewig Hohn, -
      ich bin der König von Babylon!"

      Doch kaum das grause Wort verklang,
      dem König wards heimlich im Busen bang.

      Das gellende Lachen verstummte zumal;
      Es wurde leichenstill im Saal.

      Und sieh! und sieh! an weißer Wand,
      da kams hervor wie Menschenhand;

      Und schrieb, und schrieb an weißer Wand
      Buchstaben von Feuer, und schrieb und schwand.

      Der König stieren Blicks da saß
      mit schlotternden Knien und totenblaß.

      Die Knechtenschar saß kalt durchgraut
      und saß gar still, gab keinen Laut.

      Die Magier kamen, doch keiner verstand
      zu deuten die Flammenschrift an der Wand.

      Belsazar ward aber in der selbigen Nacht
      von seinen Knechten umgebracht.
      Heinrich Heine
      "Nehmt Eure Sprache ernst! Wer es hier nicht zu dem Gefühl einer heiligen Pflicht bringt, in dem ist nicht einmal der Keim für eine höhere Bildung vorhanden."
      "Es wurde bisher grundsätzlich immer nur die Wahrheit verboten."

      Friedrich Nietzsche
    • Johann Wolfgang von Goethe
      Musenalmanach für das Jahr 1798

      Der Zauberlehrling

      Hat der alte Hexenmeister
      Sich doch einmal wegbegeben!
      Und nun sollen seine Geister
      Auch nach meinem Willen leben.
      Seine Wort' und Werke
      Merkt ich und den Brauch,
      Und mit Geistesstärke
      Tu ich Wunder auch.

      Walle! walle
      Manche Strecke,
      Dass, zum Zwecke,
      Wasser fließe
      Und mit reichem, vollem Schwalle
      Zu dem Bade sich ergieße.

      Und nun komm, du alter Besen!
      Nimm die schlechten Lumpenhüllen!
      Bist schon lange Knecht gewesen:
      Nun erfülle meinen Willen!
      Auf zwei Beinen stehe,
      Oben sei ein Kopf,
      Eile nun und gehe
      Mit dem Wassertopf!

      Walle! Walle
      Manche Strecke,
      Dass, zum Zwecke,
      Wasser fließe
      Und mit reichem, vollem Schwalle
      Zu dem Bade sich ergieße.

      Seht, er läuft zum Ufer nieder!
      Wahrlich! ist schon an dem Flusse,
      Und mit Blitzesschnelle wieder
      Ist er hier mit raschem Gusse.
      Schon zum zweiten Male!
      Wie das Becken schwillt!
      Wie sich jede Schale
      Voll mit Wasser füllt!

      Stehe! stehe!
      Denn wir haben
      Deiner Gaben
      Vollgemessen! —
      Ach, ich merk' es! Wehe! wehe!
      Hab' ich doch das Wort vergessen!

      Ach, das Wort, worauf am Ende
      Er das wird, was er gewesen!
      Ach, er läuft und bringt behände!
      Wärst du doch der alte Besen!
      Immer neue Güsse
      Bringt er schnell herein,
      Ach! und hundert Flüsse
      Stürzen auf mich ein!

      Nein, nicht länger
      kann ich's lassen:
      Will ihn fassen!
      Das ist Tücke!
      Ach, nun wird mir immer bänger!
      Welche Miene! welche Blicke!

      O, du Ausgeburt der Hölle!
      Soll das ganze Haus ersaufen?
      Seh' ich über jede Schwelle
      Doch schon Wasserströme laufen.
      Ein verruchter Besen,
      Der nicht hören will!
      Stock, der du gewesen,
      Steh doch wieder still!

      Willst's am Ende
      Gar nicht lassen?Will dich fassen,
      Will dich halten
      Und das alte Holz behände
      Mit dem scharfen Beile spalten!

      Seht, da kommt er schleppend wieder!
      Wie ich mich nur auf dich werfe,
      Gleich, o Kobold, liegst du nieder;
      Krachend trifft die glatte Schärfe.
      Wahrlich! brav getroffen!
      Seht, er ist entzwei!
      Und nun kann ich hoffen,
      Und ich atme frei!

      Wehe! wehe!
      Beide Teile
      Steh'n in Eile
      Schon als Knechte
      Völlig fertig in die Höhe!
      Helft mir, ach! ihr hohen Mächte!

      Und sie laufen! Nass und nässer
      Wird's im Saal und auf den Stufen:
      Welch entsetzliches Gewässer!
      Herr und Meister! Hör mich rufen! —
      Ach, da kommt der Meister!
      Herr, die Not ist groß!
      Die ich rief, die Geister,
      Werd ich nun nicht los.

      "In die Ecke,
      Besen! Besen!
      Seid's gewesen!
      Denn als Geister
      Ruft euch nur, zu seinem Zwecke,
      Erst hervor der alte Meister."

      [IMG:http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/0/05/Tovenaarsleerling_S_Barth.png/350px-Tovenaarsleerling_S_Barth.png]
      Illustration: Ferdinand Barth (1882)
      Deutscher Bildhauer, Maler, Zeichner und Illustrator

      Alles Wissen ist vergeblich ohne die Arbeit, und alle Arbeit ist sinnlos ohne die Liebe. ♥ [Khalil Gibran]
    • Des Sängers Fluch

      Es stand in alten Zeiten ein Schloss, so hoch und hehr,
      Weit glänzt' es über die Lande bis an das blaue Meer,
      Und rings von duft'gen Gärten ein blütenreicher Kranz,
      Drin sprangen frische Brunnen in Regenbogenglanz.

      Dort saß ein stolzer König, an Land und Siegen reich,
      Er saß auf seinem Throne so finster und so bleich;
      Denn was er sinnt, ist Schrecken, und was er blickt, ist Wut,
      Und was er spricht, ist Geißel, und was er schreibt, ist Blut.

      Einst zog nach diesem Schlosse ein edles Sängerpaar,
      Der ein' in goldnen Locken, der andre grau von Haar;
      Der Alte mit der Harfe, der saß auf schmuckem Ross,
      Es schritt ihm frisch zur Seite der blühende Genoss.

      Der Alte sprach zum Jungen: "Nun sei bereit, mein Sohn!
      Denk unsrer tiefsten Lieder, stimm an den vollsten Ton!
      Nimm alle Kraft zusammen, die Lust und auch den Schmerz!
      Es gilt uns heut, zu rühren des Königs steinern Herz."

      Schon stehn die beiden Sänger im hohen Säulensaal,
      Und auf dem Throne sitzen der König und sein Gemahl,
      Der König furchtbar prächtig wie blut'ger Nordlichtschein,
      Die Königin süß und milde, als blickte Vollmond drein.

      Da schlug der Greis die Saiten, er schlug sie wundervoll,
      Dass reicher, immer reicher der Klang zum Ohre schwoll;
      Dann strömte himmlisch helle des Jünglings Stimme vor,
      Des Alten Sang dazwischen wie dumpfer Geisterchor.

      Sie singen von Lenz und Liebe, von sel'ger goldner Zeit
      Von Freiheit, Männerwürde, von Treu' und Heiligkeit,
      Sie singen von allem Süßen, was Menschenbrust durchbebt,
      Sie singen von allem Hohen, was Menschenherz erhebt.

      Die Höflingsschar im Kreise verlernet jeden Spott,
      Des Königs trotz'ge Krieger, sie beugen sich vor Gott;
      Die Königin, zerflossen in Wehmut und in Lust,
      Sie wirft den Sängern nieder die Rose von ihrer Brust.

      "Ihr habt mein Volk verführet; verlockt ihr nun mein Weib?"
      Der König schreit es wütend, er bebt am ganzen Leib;
      Er wirft sein Schwert, das blitzend des Jünglings Brust durchdringt.
      Draus statt der goldnen Lieder ein Blutstrahl hoch aufspringt.

      Und wie vom Sturm zerstoben ist all der Hörer Schwarm.
      Der Jüngling hat verröchelt in seines Meisters Arm;
      Der schlägt um ihn den Mantel und setzt ihn auf das Ross,
      Er bind't ihn aufrecht feste, verlässt mit ihm das Schloss.

      Doch vor dem hohen Tore, da hält der Sängergreis,
      Da fasst er seine Harfe, sie, aller Harfen Preis,
      An einer Marmorsäule, da hat er sie zerschellt;
      Dann ruft er, dass es schaurig durch Schloss und Gärten gellt:

      "Weh euch, ihr stolzen Hallen! nie töne süßer Klang
      Durch eure Räume wieder, nie Saite noch Gesang,
      Nein, Seufzer nur und Stöhnen und scheuer Sklavenschritt,
      Bis euch zu Schutt und Moder der Rachegeist zertritt!

      Weh euch, ihr duft'gen Gärten im holden Maienlicht!
      Euch zeig' ich dieses Toten entstelltes Angesicht,
      Dass ihr darob verdorret, dass jeder Quell versiegt,
      Dass ihr in künft'gen Tagen versteint, verödet liegt.

      Weh dir, verruchter Mörder! du Fluch des Sängertums!
      Umsonst sei all dein Ringen nach Kränzen blut'gen Ruhms!
      Dein Name sei vergessen, in ew'ge Nacht getaucht,
      Sei wie ein letztes Röcheln in leere Luft verhaucht!"

      Der Alte hat's gerufen, der Himmel hat's gehört,
      Die Mauern liegen nieder, die Hallen sind zerstört;
      Noch eine hohe Säule zeugt von verschwundner Pracht;
      Auch diese, schon geborsten, kann stürzen über Nacht.

      Und rings statt duft'ger Gärten ein ödes Heideland,
      Kein Baum verstreuet Schatten, kein Quell durchdringt den Sand,
      Des Königs Namen meldet kein Lied, kein Heldenbuch;
      Versunken und vergessen! das ist des Sängers Fluch!
      Ludwig Uhland

      "Nehmt Eure Sprache ernst! Wer es hier nicht zu dem Gefühl einer heiligen Pflicht bringt, in dem ist nicht einmal der Keim für eine höhere Bildung vorhanden."
      "Es wurde bisher grundsätzlich immer nur die Wahrheit verboten."

      Friedrich Nietzsche
    • In Gedenken der zwei Tage die ich mich in der 6ten Klasse gequält
      habe diese Ballade auswendig zu lernen und der tausend Tode die ich vor
      Nervosität beim Vortragen gestorben bin:


      Friedrich von Schiller

      Die Bürgschaft

      Zu Dionys, dem Tyrannen, schlich
      Damon, den Dolch im Gewande:
      Ihn schlugen die Häscher in Bande,
      "Was wolltest du mit dem Dolche? sprich!"
      Entgegnet ihm finster der Wüterich.
      "Die Stadt vom Tyrannen befreien!"
      "Das sollst du am Kreuze bereuen."

      "Ich bin", spricht jener, "zu sterben bereit
      Und bitte nicht um mein Leben:
      Doch willst du Gnade mir geben,
      Ich flehe dich um drei Tage Zeit,
      Bis ich die Schwester dem Gatten gefreit;
      Ich lasse den Freund dir als Bürgen,
      Ihn magst du, entrinn' ich, erwürgen."

      Da lächelt der König mit arger List
      Und spricht nach kurzem Bedenken:
      "Drei Tage will ich dir schenken;
      Doch wisse, wenn sie verstrichen, die Frist,
      Eh' du zurück mir gegeben bist,
      So muß er statt deiner erblassen,
      Doch dir ist die Strafe erlassen."

      Und er kommt zum Freunde: "Der König gebeut,
      Daß ich am Kreuz mit dem Leben
      Bezahle das frevelnde Streben.
      Doch will er mir gönnen drei Tage Zeit,
      Bis ich die Schwester dem Gatten gefreit;
      So bleib du dem König zum Pfande,
      Bis ich komme zu lösen die Bande."

      Und schweigend umarmt ihn der treue Freund
      Und liefert sich aus dem Tyrannen;
      Der andere ziehet von dannen.
      Und ehe das dritte Morgenrot scheint,
      Hat er schnell mit dem Gatten die Schwester vereint,
      Eilt heim mit sorgender Seele,
      Damit er die Frist nicht verfehle.

      Da gießt unendlicher Regen herab,
      Von den Bergen stürzen die Quellen,
      Und die Bäche, die Ströme schwellen.
      Und er kommt ans Ufer mit wanderndem Stab,
      Da reißet die Brücke der Strudel herab,
      Und donnernd sprengen die Wogen
      Des Gewölbes krachenden Bogen.

      Und trostlos irrt er an Ufers Rand:
      Wie weit er auch spähet und blicket
      Und die Stimme, die rufende, schicket.
      Da stößet kein Nachen vom sichern Strand,
      Der ihn setze an das gewünschte Land,
      Kein Schiffer lenket die Fähre,
      Und der wilde Strom wird zum Meere.

      Da sinkt er ans Ufer und weint und fleht,
      Die Hände zum Zeus erhoben:
      "O hemme des Stromes Toben!
      Es eilen die Stunden, im Mittag steht
      Die Sonne, und wenn sie niedergeht
      Und ich kann die Stadt nicht erreichen,
      So muß der Freund mir erbleichen."

      Doch wachsend erneut sich des Stromes Wut,
      Und Welle auf Welle zerrinnet,
      Und Stunde an Stunde ertrinnet.
      Da treibt ihn die Angst, da faßt er sich Mut
      Und wirft sich hinein in die brausende Flut
      Und teilt mit gewaltigen Armen
      Den Strom, und ein Gott hat Erbarmen.

      Und gewinnt das Ufer und eilet fort
      Und danket dem rettenden Gotte;
      Da stürzet die raubende Rotte
      Hervor aus des Waldes nächtlichem Ort,
      Den Pfad ihm sperrend, und schnaubert Mord
      Und hemmet des Wanderers Eile
      Mit drohend geschwungener Keule.

      "Was wollt ihr?" ruft er vor Schrecken bleich,
      "Ich habe nichts als mein Leben,
      Das muß ich dem Könige geben!"
      Und entreißt die Keule dem nächsten gleich:
      "Um des Freundes willen erbarmet euch!"
      Und drei mit gewaltigen Streichen
      Erlegt er, die andern entweichen.

      Und die Sonne versendet glühenden Brand,
      Und von der unendlichen Mühe
      Ermattet sinken die Kniee.
      "O hast du mich gnädig aus Räubershand,
      Aus dem Strom mich gerettet ans heilige Land,
      Und soll hier verschmachtend verderben,
      Und der Freund mir, der liebende, sterben!"

      Und horch! da sprudelt es silberhell,
      Ganz nahe, wie rieselndes Rauschen,
      Und stille hält er, zu lauschen;
      Und sieh, aus dem Felsen, geschwätzig, schnell,
      Springt murmelnd hervor ein lebendiger Quell,
      Und freudig bückt er sich nieder
      Und erfrischet die brennenden Glieder.

      Und die Sonne blickt durch der Zweige Grün
      Und malt auf den glänzenden Matten
      Der Bäume gigantische Schatten;
      Und zwei Wanderer sieht er die Straße ziehn,
      Will eilenden Laufes vorüber fliehn,
      Da hört er die Worte sie sagen:
      "Jetzt wird er ans Kreuz geschlagen."

      Und die Angst beflügelt den eilenden Fuß,
      Ihn jagen der Sorge Qualen;
      Da schimmern in Abendrots Strahlen
      Von ferne die Zinnen von Syrakus,
      Und entgegen kommt ihm Philostratus,
      Des Hauses redlicher Hüter,
      Der erkennet entsetzt den Gebieter:

      "Zurück! du rettest den Freund nicht mehr,
      So rette das eigene Leben!
      Den Tod erleidet er eben.
      Von Stunde zu Stunde gewartet' er
      Mit hoffender Seele der Wiederkehr,
      Ihm konnte den mutigen Glauben
      Der Hohn des Tyrannen nicht rauben."

      "Und ist es zu spät, und kann ich ihm nicht,
      Ein Retter, willkommen erscheinen,
      So soll mich der Tod ihm vereinen.
      Des rühme der blut'ge Tyrann sich nicht,
      Daß der Freund dem Freunde gebrochen die Pflicht,
      Er schlachte der Opfer zweie
      Und glaube an Liebe und Treue!"

      Und die Sonne geht unter, da steht er am Tor,
      Und sieht das Kreuz schon erhöhet,
      Das die Menge gaffend umstehet;
      An dem Seile schon zieht man den Freund empor,
      Da zertrennt er gewaltig den dichten Chor:
      "Mich, Henker", ruft er, "erwürget!
      Da bin ich, für den er gebürget!"

      Und Erstaunen ergreifet das Volk umher,
      In den Armen liegen sich beide
      Und weinen vor Schmerzen und Freude.
      Da sieht man kein Augen tränenleer,
      Und zum Könige bringt man die Wundermär';
      Der fühlt ein menschliches Rühren,
      Läßt schnell vor den Thron sie führen,

      Und blicket sie lange verwundert an.
      Drauf spricht er: "Es ist euch gelungen,
      Ihr habt das Herz mir bezwungen;
      Und die Treue, sie ist doch kein leerer Wahn -
      So nehmet auch mich zum Genossen an:
      Ich sei, gewährt mir die Bitte,
      In eurem Bunde der dritte!"

      (1798)

      Immerhin fehlerfrei vorgetragen. :)
      Die Vollkommenheit ist unerreichbar. Gewiß ist die Vollkommenheit unerreichbar. Sie hat nur den Sinn, deinen Weg wie ein Stern zu leiten. Sie ist Richtung und Streben auf etwas hin.
      - Antoine de Saint-Exupéry, Die Stadt in der Wüste
    • Der Glockenguß zu Breslau

      War einst ein Glockengießer
      Zu Breslau in der Stadt,
      Ein ehrenwerter Meister,
      Gewandt in Rat und Tat.

      Er hatte schon gegossen
      Viel Glocken, gelb und weiß,
      Für Kirchen und Kapellen,
      Zu Gottes Lob und Preis.

      Und seine Glocken klangen
      So voll, so hell, so rein;
      Er goß auch Lieb' und Glauben
      Mit in die Form hinein.

      Doch aller Glocken Krone,
      Die er gegossen hat,
      Das ist die Sünderglocke
      Zu Breslau in der Stadt.

      Im Magdalenenturme,
      Da hängt das Meisterstück.
      Rief schon manch starres Herze
      Zu seinem Gott zurück.

      Wie hat der gute Meister
      So treu das Werk bedachtl
      Wie hat er seine Hände
      Gerührt bei Tag und Nacht!

      Und als die Stunde kommen,
      Daß alles fertig war,
      Die Form ist eingemauert,
      Die Speise gut und gar;

      Da ruft er seinen Buben
      Zur Feuerwacht herein:
      „Ich lass' auf kurze Weile
      Beim Kessel dich allein.

      Will mich mit einem Trunke
      Noch stärken zu dem Guß
      Das gibt der zähen Speise
      Erst einen vollen Fluß.

      Doch hüte dich, und rühre
      Den Hahn mir nimmer an,
      Sonst wär' es um dein Leben,
      Fürwitziger, getan!"
      Der Bube steht am Kessel,
      Schaut in die Glut hinein:
      Das wogt und wallt und wirbelt
      Und will entfesselt sein,

      Und zischt ihm in die Ohren
      Und zuckt ihm durch den Sinn,
      Und zieht an allen Fingern
      Ihn nach dem Hahne hin.

      Er fühlt ihn in den Händen,
      Er hat ihn umgedreht;
      Da wird ihm angst und bange,
      Er weiß nicht, was er rät'.

      Und läuft hinaus zum Meister,
      Die Schuld ihm zu gestehn,
      Will seine Knie umfassen,
      Und ihn um Gnade flehn.

      Doch wie der nur vernommen
      Des Knaben erstes Wort,
      Da reißt die kluge Rechte
      Der jähe Zorn ihm fort.

      Er stößt sein scharfes Messer
      Dem Buben in die Brust,
      Dann stürzt er nach dem Kessel,
      Sein selber nicht bewußt.

      Vielleicht, daß er noch retten,
      Den Strom noch hemmen kann:
      Doch sieh, der Guß ist fertig,
      Es fehlt kein Tropfen dran.

      Da eilt er abzuräumen,
      Und sieht, und will's nicht sehn,
      Ganz ohne Fleck und Makel
      Die Glocke vor sich stehn.

      Der Knabe liegt am Boden,
      Er schaut sein Werk nicht mehr:
      Ach Meister, wilder Meister,
      Du stießest gar zu sehrl

      Er stellt sich dem Gerichte,
      Er klagt sich selber an,
      Es tut den Richtern wehe
      Wohl um den wackern Mann.

      Doch kann ihn keiner retten,
      Und Blut will wieder Blut.
      Er hört sein Todesurteil
      Mit ungebeugtem Mut.

      Und als der Tag gekommen,
      Daß man ihn fährt hinaus,
      Da wird ihm angeboten
      Der letzte Gnadenschmaus.

      „Ich dank' euch", spricht der Meister,
      „Ihr Herren lieb und wert;
      Doch eine andre Gnade
      Mein Herz von euch begehrt:

      Laßt mich nur einmal hören
      Der neuen Glocke Klang.
      Ich hab' sie ja bereitet,
      Möcht' wissen, ob's gelang

      Die Bitte ward gewähret,
      Sie schien den Herrn gering;
      Die Glocke ward geläutet,
      Als er zum Tode ging.

      Der Meister hört sie klingen,
      So voll, so hell, so rein!
      Die Augen gehn ihm über,
      Es muß vor Freude sein:

      Und seine Blicke leuchten,
      Als wären sie verklärt;
      Er hat in ihrem Klange
      Wohl mehr als Klang gehört.

      Hat auch geneigt den Nacken
      Zum Streich voll Zuversicht;
      Und was der Tod versprochen
      Das bricht das Leben nicht.

      Das ist der Glocken Krone,
      Die er gegossen hat,
      Die Magdalenenglocke
      Zu Breslau in der Stadt.

      Die ward zur Sünderglocke
      Seit jenem Tag geweiht;
      Weiß nicht, ob's anders worden
      In dieser neuen Zeit.
      Wilhelm Müller, 1794-1827

      [IMG:http://breslau-wroclaw.de/wb/media/.gallery/thumb2140.jpg]
      "Nehmt Eure Sprache ernst! Wer es hier nicht zu dem Gefühl einer heiligen Pflicht bringt, in dem ist nicht einmal der Keim für eine höhere Bildung vorhanden."
      "Es wurde bisher grundsätzlich immer nur die Wahrheit verboten."

      Friedrich Nietzsche
    • Johann Wolfgang von Goethe

      Der Erlkönig

      Wer reitet so spät durch Nacht und Wind?
      Es ist der Vater mit seinem Kind;
      Er hat den Knaben wohl in dem Arm,
      Er faßt ihn sicher, er hält ihn warm.

      Mein Sohn, was birgst du so bang dein Gesicht? -
      Siehst Vater, du den Erlkönig nicht?
      Den Erlenkönig mit Kron und Schweif? -
      Mein Sohn, es ist ein Nebelstreif. -

      "Du liebes Kind, komm, geh mit mir!
      Gar schöne Spiele spiel ich mit dir;
      Manch bunte Blumen sind an dem Strand,
      Meine Mutter hat manch gülden Gewand."

      Mein Vater, mein Vater, und hörest du nicht,
      Was Erlenkönig mir leise verspricht? -
      Sei ruhig, bleibe ruhig, mein Kind;
      In dürren Blättern säuselt der Wind. -

      "Willst, feiner Knabe, du mit mir gehn?
      Meine Töchter sollen dich warten schön;
      Meine Töchter führen den nächtlichen Reihn
      Und wiegen und tanzen und singen dich ein."

      Mein Vater, mein Vater, und siehst du nicht dort
      Erlkönigs Töchter am düstern Ort? -
      Mein Sohn, mein Sohn, ich seh es genau:
      Es scheinen die alten Weiden so grau. -

      "Ich liebe dich, mich reizt deine schöne Gestalt;
      Und bist du nicht willig, so brauch ich Gewalt."
      Mein Vater, mein Vater, jetzt faßt er mich an!
      Erlkönig hat mir ein Leids getan! -

      Dem Vater grauset's, er reitet geschwind,
      Er hält in den Armen das ächzende Kind,
      Erreicht den Hof mit Mühe und Not;
      In seinen Armen das Kind war tot.

      (1778)
      Die Vollkommenheit ist unerreichbar. Gewiß ist die Vollkommenheit unerreichbar. Sie hat nur den Sinn, deinen Weg wie ein Stern zu leiten. Sie ist Richtung und Streben auf etwas hin.
      - Antoine de Saint-Exupéry, Die Stadt in der Wüste
    • Friedrich Schiller, * 1759 in Marbach am Neckar † 1805 in Weimar

      Das war damals ein Akt diese Ballade auswendig zu lernen.

      Das Lied von der Glocke

      Festgemauert in der Erden
      Steht die Form, aus Lehm gebrannt.
      Heute muß die Glocke werden,
      Frisch, Gesellen, seid zur Hand.
      Von der Stirne heiß
      Rinnen muß der Schweiß,
      Soll das Werk den Meister loben,
      Doch der Segen kommt von oben.

      Zum Werke, das wir ernst bereiten,
      Geziemt sich wohl ein ernstes Wort;
      Wenn gute Reden sie begleiten,
      Dann fließt die Arbeit munter fort.
      So laßt uns jetzt mit Fleiß betrachten
      Was durch die schwache Kraft entspringt,
      Den schlechten Mann muß man verachten,
      Der nie bedacht, was er vollbringt.
      Das ist's ja, was den Menschen zieret,
      Und dazu ward ihm der Verstand,
      Daß er im inneren Herzen spüret,
      Was er erschafft mit seiner Hand.

      Nehmet Holz vom Fichtenstamme,
      Doch recht trocken laßt es sein,
      Daß die eingepreßte Flamme
      Schlage zu dem Schwalch hinein.
      Kocht des Kupfers Brei,
      Schnell das Zinn herbei,
      Daß die zähe Glockenspeise
      Fließe nach der rechten Weise.

      Was in des Dammes tiefer Grube
      Die Hand mit Feuers Hülfe baut,
      Hoch auf des Turmes Glockenstube
      Da wird es von uns zeugen laut.
      Noch dauern wird's in späten Tagen
      Und rühren vieler Menschen Ohr
      Und wird mit dem Betrübten klagen
      Und stimmen zu der Andacht Chor.
      Was unten tief dem Erdensohne
      Das wechselnde Verhängnis bringt,
      Das schlägt an die metallne Krone,
      Die es erbaulich weiterklingt.

      Weiße Blasen seh ich springen,
      Wohl! die Massen sind im Fluß.
      Laßt's mit Aschensalz durchdringen,
      Das befördert schnell den Guß.
      Auch von Schaume rein
      Muß die Mischung sein,
      Daß vom reinlichen Metalle
      Rein und voll die Stimme schalle.

      Denn mit der Freude Feierklange
      Begrüßt sie das geliebte Kind
      Auf seines Lebens erstem Gange,
      Den es in Schlafes Arm beginnt;
      Ihm ruhen noch im Zeitenschoße
      Die schwarzen und die heitern Lose,
      Der Mutterliebe zarte Sorgen
      Bewachen seinen goldnen Morgen. -
      Die Jahre fliehen pfeilgeschwind.
      Vom Mädchen reißt sich stolz der Knabe,
      Er stürmt ins Leben wild hinaus,
      Durchmißt die Welt am Wanderstabe.
      Fremd kehrt er heim ins Vaterhaus,
      Und herrlich, in der Jugend Prangen,
      Wie ein Gebild aus Himmelshöhn,
      Mit züchtigen, verschämten Wangen
      Sieht er die Jungfrau vor sich stehn.
      Da faßt ein namenloses Sehnen
      Des Jünglings Herz, er irrt allein,
      Aus seinen Augen brechen Tränen,
      Er flieht der Brüder wilden Reihn.
      Errötend folgt er ihren Spuren
      Und ist von ihrem Gruß beglückt,
      Das schönste sucht er auf den Fluren,
      Womit er seine Liebe schmückt.
      O! zarte Sehnsucht, süßes Hoffen,
      Der ersten Liebe goldne Zeit,
      Das Auge sieht den Himmel offen,
      Es schwelgt das Herz in Seligkeit.
      O! schöne Zeit der jungen Liebe!

      Wie sich schon die Pfeifen bräunen!
      Diese Stäbchen tauch ich ein,
      Sehn wir's überglast erscheinen,
      Wird's zum Gusse zeitig sein.
      Jetzt, Gesellen, frisch!
      Prüft mir das Gemisch,
      Ob das Spröde mit dem Weichen
      Sich vereint zum Guten Zeichen.

      Denn wo das Strenge mit dem Zarten,
      Wo Starkes sich und Mildes paarten,
      Da gibt es einen guten Klang.
      Drum prüfe, wer sich ewig bindet,
      Ob sich das Herz zum Herzen findet!
      Der Wahn ist kurz, die Reu ist lang.
      Lieblich in der Bräute Locken
      Spielt der jungfräuliche Kranz,
      Wenn die hellen Kirchenglocken
      Laden zu des Festes Glanz.
      Ach! des Lebens schönste Feier
      Endigt auch den Lebensmai,
      Mit dem Gürtel, mit dem Schleier
      Reißt der Schöne Wahn entzwei.
      Die Leidenschaft flieht!
      Die Liebe muss bleiben,
      Die Blume verblüht,
      Die Frucht muß treiben.
      Der Mann muß hinaus
      Ins feindliche Leben,
      Muß wirken und streben
      Und pflanzen und schaffen,
      Erlisten, erraffen,
      Muß wetten und wagen,
      Das Glück zu erjagen.

      Da strömet herbei die unendliche Gabe,
      Es füllt sich der Speicher mit köstlicher Habe,
      Die Räume wachsen, es dehnt sich das Haus.
      Und drinnen waltet
      Die züchtige Hausfrau,
      Die Mutter der Kinder,
      Und herrschet weise
      Im häuslichen Kreise
      Und lehret die Mädchen
      Und wehret die Knaben
      Und reget ohn Ende
      Die fleißigen Hände
      Und mehret den Gewinn
      Mit ordnendem Sinn
      Und füllet mit Schätzen die duftenden Laden
      Und dreht um die schnurrende Spindel den Faden
      Und sammelt im reinlich geglätteten Schrein
      Die schimmernde Wolle, den schneeigten Lein
      Und füget zum Guten den Glanz und den Schimmer
      Und ruhet nimmer.

      Und der Vater mit frohem Blick
      Von des Hauses weitschauendem Giebel
      Überzählet sein blühend Glück,
      Siehet die Pfosten ragender Bäume
      Und der Scheunen gefüllte Räume
      Und die Speicher, vom Segen gebogen,
      Und es Kornes bewegte Wogen,
      Rühmet sich mit solzem Mund:
      Fest, wie der Erde Grund,
      Gegen des Unglücks Macht
      Steht mir des Hauses Pracht!
      Doch mit des Geschickes Mächten
      Ist kein ewger Bund zu flechten,
      Und das Unglück schreitet schnell.

      Wohl! nun kann der Guß beginnen,
      Schön gezacket ist der Bruch.
      Doch, bevor wir's lassen rinnen,
      Betet einen frommen Spruch!
      Stoßt den Zapfen aus!
      Gott bewahr das Haus!
      Rauchend in des Henkels Bogen
      Schießt's mit feuerbraunen Wogen.

      Wohltätig ist des Feuers Macht,
      Wenn sie der Mensch bezähmt, bewacht,
      Und was er bildet, was er schafft,
      Das dankt er dieser Himmelskraft,
      Wenn sie der Fessel sich entrafft,
      Einhertritt auf der eignen Spur
      Die freie Tochter der Natur.
      Wehe, wenn sie losgelassen
      Wachsend ohne Widerstand
      Durch die volkbelebten Gassen
      Wälzt den ungeheuren Brand!
      Denn die Elemente hassen
      Das Gebild der Menschenhand.
      Aus der Wolke
      Quillt der Regen,
      Aus der Wolke, ohne Wahl,
      Zuckt der Strahl!
      Hört ihr's wimmern hoch vom Turm?
      Das ist Sturm!
      Rot wie Blut
      Ist der Himmel,
      Das ist nicht des Tages Glut!
      Welch Getümmel
      Straßen auf!
      Dampf wallt auf!
      Flackernd steigt die Feuersäule;
      Durch der Straße lange Zeile
      Wächst es fort mit Windeseile,
      Kochend wie aus ofens Rachen
      Glühn die Lüfte, Balken krachen,
      Pfosten stürzen, Fenster klirren,
      Kinder jammern, Mütter irren,
      Tiere wimmern
      Unter Trümmern,
      Alles rennet, rettet, flüchtet,
      Taghell ist die Nach gelichtet,
      Durch der Hände lange Kette
      Um die Wette
      Fliegt der Eimer, hoch im Bogen
      Spritzen Quellen, Wasserwogen.
      Heulend kommt der Sturm geflogen,
      Der die Flamme brausend sucht.
      Prasselnd in die dürre Frucht
      Füllt sie, in des Speichers Räume,
      In der Sparren dürre Bäume,
      Und als wollte sie im Wehen
      Mit sich fort der Erde Wucht
      Reißen, in gewaltger Flucht,
      Wächst sie in des Himmels Höhen
      Riesengroß!
      Hoffnungslos
      Weicht der Mensch der Götterstärke,
      Müßig sieht er seine Werke
      Und bewundernd untergehn.

      Leergebrannt
      Ist die Stätte,
      Wilder Stürme rauhes Bette,
      In den öden Fensterhöhlen
      Wohnt das Grauen,
      Und des Himmels Wolken schauen
      Hoch hinein.

      Einen Blick
      Nach dem Grabe
      Seiner Habe
      Sendet noch der Mensch zurück -
      Greift fröhlich dann zum Wanderstabe.
      Was Feuers Wut ihm auch geraubt,
      Ein süßer Trost ist ihm geblieben,
      Er zählt die Häupter seiner Lieben,
      Und sieh! ihm fehlt kein teures Haupt.

      In die Erd ist's aufgenommen,
      Glücklich ist die Form gefüllt,
      Wird's auch schön zutage kommen,
      Daß es Fleiß und Kunst vergilt?
      Wenn der Guß mißlang?
      Wenn die Form zersprang?
      Ach! vielleicht, indem wir hoffen,
      Hat uns Unheil schon getroffen.

      Dem dunkeln Schoß der heilgen Erden
      Vertrauen wir der Hände Tat,
      Vertraut der Sämann seiner Saat
      Und hofft, daß sie entkeimen werde
      Zum Segen, nach des Himmels Rat.
      Noch köstlicheren Samen bergen
      Wir trauernd in der Erde Schoß
      Und hoffen, daß er aus den Särgen
      Erblühen soll zu schönerm Los.

      Von dem Dome,
      Schwer und bang,
      Tönt die Glocke
      Grabgesang.
      Ernst begleiten ihre Trauerschläge
      Einen Wandrer auf dem letzten Wege.

      Ach! die Gattin ist's, die teure,
      Ach! es ist die treue Mutter,
      Die der schwarze Fürst der Schatten
      Wegführt aus dem Arm des Gatten,
      Aus der zarten Kinder Schar,
      Die sie blühend ihm gebar,
      Die sie an der treuen Brust
      Wachsen sah mit Mutterlust -
      Ach! des Hauses zarte Bande
      Sind gelöst auf immerdar,
      Denn sie wohnt im Schattenlande,
      Die des Hauses Mutter war,
      Denn es fehlt ihr treues Walten,
      Ihre Sorge wacht nicht mehr,
      An verwaister Stätte schalten
      Wird die Fremde, liebeleer.

      is die Glocke sich verkühlet,
      Laßt die strenge Arbeit ruhn,
      Wie im Laub der Vogel spielet,
      Mag sich jeder gütlich tun.
      Winkt der Sterne Licht,
      Ledig aller Pflicht
      Hört der Pursch die Vesper schlagen,
      Meister muß sich immer plagen.


      Munter fördert seine Schritte
      Fern im wilden Forst der Wandrer
      Nach der lieben Heimathütte.
      Blökend ziehen
      Heim die Schafe,
      Und der Ringer
      Breitgestirnte, glatte Scharen
      Kommen brüllend,
      Die gewohnten Ställe füllend.
      Schwer herein
      Schwankt der Wagen,
      Kornbeladen,
      Bunt von Farben
      Auf den Garben
      Liegt der Kranz,
      Und das Junge Volk der Schnitter
      Fliegt zum Tanz.
      Markt und Straße werden stiller,
      Um des Lichts gesellge Flamme
      Sammeln sich die Hausbewohner,
      Und das Stadttor schließt sich knarrend.
      Schwarz bedecket
      Sich die Erde,
      Doch den sichern Bürger schrecket
      Nicht die Nacht,
      Die den Bösen gräßlich wecket,
      Denn das Auge des Gesetzes wacht.

      Heilige Ordnung, segenreiche
      Himmelstochter, die das Gleiche
      Frei und leicht und freudig bindet,
      Die der Städte Bau gegründet,
      Die herein von den Gefilden,
      Rief den ungesellgen Wilden,
      Eintrat in der Menschen Hütten,
      Sie gewöhnt zu sanften Sitten
      Und das teuerste der Bande
      Wob, den Trieb zum Vaterlande!

      Tausend fleißge Hände regen,
      Helfen sich in munterm Bund,
      Und in feurigen Bewegen
      Werden alle Kräfte kund.
      Meister rührt sich und Geselle
      In der Freiheit heilgem Schutz.
      Jeder freut sich seiner Stelle,
      Bietet dem Verächter Trutz.
      Arbeit ist des Bürgers Zierde,
      Segen ist der Mühe Preis,
      Ehrt den König seine Würde,
      Ehret uns der Hände Fleiß.

      Holder Friede,
      Süße Eintracht,
      Weilet, weilet
      Freundlich über dieser Stadt!
      Möge nie der Tag erscheinen,
      Wo des rauhen Krieges Horden
      Dieses stille Tal durchtoben,
      Wo der Himmel,
      Den des Abends sanfte Röte
      Lieblich malt,
      Von der Dörfer, von der Städte
      Wildem Brande schrecklich strahlt!

      Nun zerbrecht mir das Gebäude,
      Seine Absicht hat's erfüllt,
      Daß sich Herz und Auge weide
      An dem wohlgelungnen Bild.
      Schwingt den Hammer, schwingt,
      Bis der Mantel springt,
      Wenn die Glocke soll auferstehen,
      Muß die Form in Stücken gehen.

      Der Meister kann die Form zerbrechen
      Mit weiser Hand, zur rechten Zeit,
      Doch wehe, wenn in Flammenbächen
      Das glühnde Erz sich selbst befreit!
      Blindwütend mit des Donners Krachen
      Zersprengt es das geborstne Haus,
      Und wie aus offnem Höllenrachen
      Speit es Verderben zündend aus;
      Wo rohe Kräfte sinnlos walten,
      Da kann sich kein Gebild gestalten,
      Wenn sich die Völker selbst befrein,
      Da kann die Wohlfahrt nicht gedeihn.


      Weh, wenn sich in dem Schoß der Städte
      Der Feuerzunder still gehäuft,
      Das Volk, zerreißend seine Kette,
      Zur Eigenhilfe schrecklich greift!
      Da zerret an der Glocke Strängen
      Der Aufruhr, daß sie heulend schallt
      Und, nur geweiht zu Friedensklängen,
      Die Losung anstimmt zur Gewalt.

      Freihit und Gleichheit! hört man schallen,
      Der ruhge Bürger greift zur Wehr,
      Die Straßen füllen sich, die Hallen,
      Und Würgerbanden ziehn umher,
      Da werden Weiber zu Hyänen
      Und treiben mit Entsetzen Scherz,
      Noch zuckend, mit des Panthers Zähnen,
      Zerreißen sie des Feindes Herz.
      Nichts Heiliges ist mehr, es lösen
      Sich alle Bande frommer Scheu,
      Der Gute räumt den Platz dem Bösen,
      Und alle Laster walten frei.
      Gefährlich ist's, den Leu zu wecken,
      Verderblich ist des Tigers Zahn,
      Jedoch der schrecklichste der Schrecken,
      Das ist der Mensch in seinem Wahn.
      Weh denen, die dem Ewigblinden
      Des Lichtes Himmelsfackel leihn!
      Sie strahlt ihm nicht, sie kann nur zünden
      Und äschert Städt und Länder ein.

      Freude hat mir Gott gegeben!
      Sehet! Wie ein goldner Stern
      Aus der Hülse, blank und eben,
      Schält sich der metallne Kern.
      Von dem Helm zum Kranz
      Spielt's wie Sonnenglanz,
      Auch des Wappens nette Schilder
      Loben den erfahrnen Bilder.

      Herein! herein!
      Gesellen alle, schließt den Reihen,
      Daß wir die Glocke taufend weihen,
      Concordia soll ihr Name sein,
      Zur Eintracht, zu herzinnigem Vereine
      Versammle sie die liebende Gemeine.

      Und dies sei fortan ihr Beruf,
      Wozu der Meister sie erschuf!
      Hoch überm niedern Erdenleben
      Soll sie im blauen Himmelszelt
      Die Nachbarin des Donners schweben
      Und grenzen an die Sternenwelt,
      Soll eine Stimme sein von oben,
      Wie der Gestirne helle Schar,
      Die ihren Schüpfer wandelnd loben
      Und führen das bekränzte Jahr.
      Nur ewigen und ernsten Dingen
      Sei ihr metallner Mund geweiht,
      Und stündlich mit den schnellen Schwingen
      Berühr im Fluge sie die Zeit,
      Dem Schicksal leihe sie die Zunge,
      Selbst herzlos, ohne Mitgefühl,
      Begleite sie mit ihrem Schwunge
      Des Lebens wechselvolles Spiel.
      Und wie der Klang im Ohr vergehet,
      Der mächtig tönend ihr entschallt,
      So lehre sie, daß nichts bestehet,
      Daß alles Irdische verhallt.

      Jetzo mit der Kraft des Stranges
      Wiegt die Glock mir aus der Gruft,
      Daß sie in das Reich des Klanges
      Steige, in die Himmelsluft.
      Ziehet, ziehet, hebt!
      Sie bewegt sich, schwebt,
      Freude dieser Stadt bedeute,
      Friede sei ihr erst Geläute.
      Die Vollkommenheit ist unerreichbar. Gewiß ist die Vollkommenheit unerreichbar. Sie hat nur den Sinn, deinen Weg wie ein Stern zu leiten. Sie ist Richtung und Streben auf etwas hin.
      - Antoine de Saint-Exupéry, Die Stadt in der Wüste
    • Der 6. November 1632

      Schwedische Sage

      Schwedische Heide, Novembertag,
      Der Nebel grau am Boden lag,
      Hin über das Steinfeld von Dalarn
      Holpert, stolpert ein Räderkarrn.

      Ein Räderkarrn, beladen mit Korn;
      Lorns Atterdag zieht an der Deichsel vorn,
      Niels Rudbeck schiebt. Sie zwingen's nicht,
      Das Gestrüpp wird dichter, Niels aber spricht:

      »Busch-Ginster wächst hier über den Steg,
      Wir gehn in die Irr', wir missen den Weg,
      Wir haben links und rechts vertauscht, –
      hörst du, wie der Dal-Elf rauscht?«

      »Das ist nicht der Dal-Elf, der Dal-Elf ist weit,
      Es rauscht nicht vor uns und nicht zur Seit',
      Es lärmt in Lüften, es klingt wie Trab,
      Wie Reiter wogt es auf und ab.

      Es ist wie Schlacht, die herwärts dringt,
      Wie Kirchenlied es dazwischen klingt,
      Ich hör' in der Rosse wieherndem Trott:
      Eine feste Burg ist unser Gott!

      Und kaum gesprochen, da Lärmen und Schrein,
      In tiefen Geschwadern bricht es herein,
      Es brausen und dröhnen Luft und Erd',
      vorauf ein Reiter auf weißem Pferd.

      Signale, Schüsse, Rossegestampf,
      Der Nebel wird schwarz wie Pulverdampf,
      Wie wilde Jagd, so fliegt es vorbei; –
      Zitternd ducken sich die zwei.

      Nun ist es vorüber ... da, wieder mit Macht
      Rückwärts wogt die Reiterschlacht,
      Und wieder dröhnt und donnert die Erd',
      Und wieder vorauf das weiße Pferd.

      Wie ein Lichtstreif durch den Nebel es blitzt,
      Kein Reiter mehr im Sattel sitzt,
      Das fliehende Tier, es dampft und raucht,
      Sein Weiß ist tief in Rot getaucht.

      Der Sattel blutig, blutig die Mähn',
      Ganz Schweden hat das Ross gesehn: –
      Auf dem Felde von Lützen am selben Tag
      Gustav Adolf in seinem Blute lag.
      Theodor Fontane
      (1868)
      "Nehmt Eure Sprache ernst! Wer es hier nicht zu dem Gefühl einer heiligen Pflicht bringt, in dem ist nicht einmal der Keim für eine höhere Bildung vorhanden."
      "Es wurde bisher grundsätzlich immer nur die Wahrheit verboten."

      Friedrich Nietzsche
    • Der Schatzgräber

      Arm am Beutel, krank am Herzen,
      Schleppt' ich meine langen Tage.
      "Armut ist die größte Plage,
      Reichtum ist das höchste Gut!"
      Und zu enden meine Schmerzen,
      Ging ich, einen Schatz zu graben.
      "Meine Seele sollst du haben!"
      Schrieb ich hin mit eignem Blut.

      Und so zog ich Kreis um Kreise,
      Stellte wunderbare Flammen,
      Kraut und Knochenwerk zusammen:
      Die Beschwörung war vollbracht.
      Und auf die gelernte Weise
      Grub ich nach dem alten Schatze
      Auf dem angezeigten Platze:
      Schwarz und stürmisch war die Nacht.

      Und ich sah ein Licht von weiten,
      Und es kam gleich einem Sterne
      Hinten aus der fernsten Ferne,
      Eben als es zwölfe schlug.
      Und da galt kein Vorbereiten.
      Heller ward's mit einem Male
      Von dem Glanz der vollen Schale,
      Die ein schöner Knabe trug.

      Holde Augen sah ich blinken
      Unter dichtem Blumenkranze;
      In des Trankes Himmelsglanze
      Trat er in den Kreis herein.
      Und er hieß mich freundlich trinken;
      Und ich dacht': "Es kann der Knabe
      Mit der schönen, lichten Gabe
      Wahrlich nicht der Böse sein."

      "Trinke Mut des reinen Lebens!
      Dann verstehst du die Belehrung,
      Kommst, mit ängstlicher Beschwörung,
      Nicht zurück an diesen Ort.
      Grabe hier nicht mehr vergebens.
      Tages Arbeit! Abends Gäste!
      Saure Wochen! Frohe Feste!
      Sei dein künftig Zauberwort."
      Johann Wolfgang von Goethe
      [IMG:http://www.onlinekunst.de/julizwei/rembrandt/gleichnis_schatzgraeber.jpg]
      "Nehmt Eure Sprache ernst! Wer es hier nicht zu dem Gefühl einer heiligen Pflicht bringt, in dem ist nicht einmal der Keim für eine höhere Bildung vorhanden."
      "Es wurde bisher grundsätzlich immer nur die Wahrheit verboten."

      Friedrich Nietzsche
    • das füllhorn-paradoxon .....

      Jo schrieb:

      Tages Arbeit! Abends Gäste!
      Saure Wochen! Frohe Feste!
      Sei dein künftig Zauberwort."

      Johann Wolfgang von Goethe
      "In der Natur sind Schwarze Löcher kaum zu finden. Nur in unseren Köpfen wimmelt es davon"
      Zitat: George Greenstein
    • Die Goldgräber

      Sie waren gezogen über das Meer,
      Nach Glück und Gold stand ihr Begehr,
      Drei wilde Gesellen, vom Wetter gebräunt,
      Und kannten sich wohl und waren sich freund.

      Sie hatten gegraben Tag und Nacht,
      Am Flusse die Grube, im Berge den Schacht,
      In Sonnengluten und Regengebraus
      Bei Durst und Hunger hielten sie aus.

      Und endlich, endlich, nach Monden voll Schweiß,
      Da sahn aus der Tiefe sie winken den Preis,
      Da glüht es sie an durch das Dunkel so hold,
      Mit Blicken der Schlange, das feurige Gold.

      Sie brachen es los aus dem finsteren Raum,
      Und als sie's fassten, sie hoben es kaum,
      Und als sie's wogen, sie jauchzten zugleich:
      "Nun sind wir geborgen, nun sind wir reich!"

      Sie lachten und kreischten mit jubelndem Schall,
      Sie tanzten im Kreis um das blanke Metall,
      Und hätte der Stolz nicht bezähmt ihr Gelüst,
      Sie hätten's mit brünstiger Lippe geküsst.

      Sprach Tom, der Jäger: "Nun lasst uns ruhn!
      Zeit ist's, auf das Mühsal uns gütlich zu tun.
      Geh, Sam, und hol' uns Speisen und Wein,
      Ein lustiges Fest muss gefeiert sein."

      Wie trunken schlenderte Sam dahin
      Zum Flecken hinab mit verzaubertem Sinn;
      Sein Haupt umnebelnd beschlichen ihn sacht
      Gedanken, wie er sie nimmer gedacht.

      Die andern saßen am Bergeshang,
      Sie prüften das Erz, und es blitzt' und es klang.
      Sprach Will, der Rote: "Das Gold ist fein;
      Nur schade, dass wir es teilen zu drein!"

      "Du meinst?" - "Je nun, ich meine nur so.
      Zwei würden des Schatzes besser froh" -
      "Doch wenn -" - "Wenn was?" - "Nun, nehmen wir an,
      Sam wäre nicht da" - "Ja, freilich, dann - -"

      Sie schwiegen lang; die Sonne glomm
      Und gleißt' um das Gold; da murmelte Tom:
      "Siehst du die Schlucht dort unten?" - "Warum?" -
      "Ihr Schatten ist tief, und die Felsen sind stumm." -

      "Versteh' ich dich recht?" - "Was fragst du noch viel!
      Wir dachten es beide und führen's ans Ziel.
      Ein tüchtiger Stoß und ein Grab im Gestein,
      So ist es getan, und wir teilen allein."

      Sie schwiegen aufs neu'. Es verglühte der Tag,
      Wie Blut auf dem Golde das Spätrot lag;
      Da kam er zurück, ihr junger Genoss,
      Von bleicher Stirne der Schweiß ihm floss.

      "Nun her mit dem Korb und dem bauchigen Krug!"
      Und sie aßen und tranken mit tiefem Zug.
      "Hei lustig, Bruder! Dein Wein ist stark;
      Er rollt wie Feuer durch Bein und Mark.

      Komm, tu uns Bescheid!" - "Ich trank schon vorher;
      Nun sind vom Schlafe die Augen mir schwer.
      Ich streck' ins Geklüft mich." - "Nun, gute Ruh'!
      Und nimm den Stoß und den dazu!"

      Sie trafen ihn mit den Messern gut;
      Er schwankt' und glitt im rauchenden Blut.
      Noch einmal hub er sein blass Gesicht:
      "Herr Gott im Himmel, du hältst Gericht!

      Wohl um das Gold erschluget ihr mich;
      Weh euch! Ihr seid verloren wie ich.
      Auch ich, ich wollte den Schatz allein
      Und mischt' euch tödliches Gift an den Wein."

      Emmanuel Geibel
      "Nehmt Eure Sprache ernst! Wer es hier nicht zu dem Gefühl einer heiligen Pflicht bringt, in dem ist nicht einmal der Keim für eine höhere Bildung vorhanden."
      "Es wurde bisher grundsätzlich immer nur die Wahrheit verboten."

      Friedrich Nietzsche