Das RAF-Phantom

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  • Das RAF-Phantom

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    von Ekkehard Sieker, Gerhard Wisnewski, Wolfgang Landgraeber
    Die Autoren decken auf, wie die dritte Generation der RAF zum nützlichen »Staatsfeind Nummer eins« gemacht wurde. Ihre Recherchen belegen: Die Ergebnisse der Ermittlungsbehörden sind voller Widersprüche. Auf viele Fragen gibt es bis heute keine plausible Antwort, Zweifel an der offiziellen Version der Dinge sind mehr als berechtigt.

    Das RAF-Phantom
    Neue Ermittlungen in Sachen Terror. 'Knaur Taschenbücher'. kartoniert. Ab 12,95 EURO
  • Das RAF-Phantom

    Keine Beweise für eine dritte RAF-Generation

    Anfang der 90er Jahre begannen Journalisten für eine Reportage des WDR zu recherchieren, was es eigentlich mit der dritten Generation der RAF auf sich hatte. Das Magazin Monitor brachte am 1. Juli 1992 unter dem Titel „Das Ende der RAF-Legende“ die Ergebnisse ihrer Nachforschungen. Es wurde darin die These aufgestellt, dass die sogenannte „dritte Generation der RAF“ nur als Legende existiere, die jedoch nicht weiter haltbar sei. Ihre Thesen vertiefen die Autoren Wolfgang Landgraeber, Ekkehard Sieker und Gerhard Wisnewski in dem Buch „Das RAF-Phantom.“ Als Hauptargumente führen sie u.a. an:

    1. Im Gegensatz zur ersten (Meinhof, Baader, Ensslin) und zweiten RAF-Generation (Susanne Albrecht, Christian Klar) hinterlasse die sogenannte dritte Generation niemals auch nur den „Hauch einer Spur“ am Tatort.

    2. Die der dritten RAF-Generation zugerechneten Personen, wie zum Beispiel Christian Seidler, seien alle Mitte der achtziger Jahre spurlos verschwunden, ohne jemals wieder ein Lebenszeichen von sich zu geben.

    3. Die einzigen Indizien, woraus bei den Anschlägen der letzten sieben Jahre auf eine Täterschaft der RAF geschlossen wurde, waren sogenannte Bekennerschreiben, die von den bundesdeutschen Sicherheitsbehörden als authentisch eingestuft wurden. Die dabei zugrunde gelegten Methoden hielten einer Überprüfung aber in keiner Weise stand.

    4. Im Mittelpunkt der Sendung stand ein Interview mit dem bisherigen Kronzeugen im Fall Herrhausen, Siegfried Nonne, der seine Aussagen vom Januar 1992 nun widerrief. Er sei vielmehr von Mitarbeitern des hessischen Verfassungsschutzes unter Androhung von Gefängnis und Mord zu der Falschaussage gezwungen worden, in seiner Wohnung in Bad Homburg die Täter beherbergt und mit ihnen das Attentat auf Alfred Herrhausen vorbereitet zu haben.

    Das Fernsehteam kam zu den besagten Schlussfolgerungen, dass die dritte Generation der RAF ein künstlich am Leben gehaltenes Phantom zur bewussten Irreführung der Bevölkerung sei. Darüber hinaus bestehe der Verdacht, die politische Führung der Bundesrepublik habe Ende der siebziger Jahre und Anfang der achtziger Jahre das Abtauchen eines großen Teils der RAF-Mitglieder in die damalige DDR nicht nur toleriert, sondern regelrecht daran mitgewirkt. Das "Celler Loch" und der Mord an Ulrich Schmücker sind bekannt gewordene, vor Gericht gebrachte Fälle der Zusammenarbeit von Terroristen und Geheimdiensten, die auch im Falle RAF zu Misstrauen anregen sollten.

    In der Tat ist zu bezweifeln, dass bei dem Umfang der Geheimdienstaktivitäten in der BRD eine solche Terrororganisation so lange unentdeckt bleiben und sich einer Unterwanderung entziehen könnte. Keiner der drei spektakulären Attentate, die man der dritten RAF-Generation zuschrieb, wurde bis heute aufgeklärt. Wie ist das totale Versagen der ansonsten erfolgreich arbeitenden Verfolgungsbehörden zu erklären? Und wie ist zu erklären, dass die Aktivitäten der angeblichen dritten RAF-Generation stets einen kontraproduktiven Einfluss hatten und den Todesstoß für progressive Entwicklungen bedeuteten?

    Fragwürdige Tatmotive – Wem nutzten die Morde wirklich?

    Nicht nur das: Die Opfer entsprachen ganz und gar nicht dem Feindbild linker Weltverbesserer. Im Gegenteil: Der Spitzendiplomat Gerold von Braunmühl zählte zu den Gegnern des amerikanischen SDI-Projekts. Die Beteiligung der Deutschen aber war für amerikanische Industrie- und Militärkreise wichtig. Am 10. Oktober 1986 wird er auf offener Straße ermordet. Die Autoren des „RAF-Phantoms“ sehen einen Zusammenhang zwischen dem Inhalt seiner am Tatort geraubten Aktentasche und dem einen Tag darauf stattfindenden Gipfeltreffen von US-Präsident Ronald Reagan mit dem Sowjetführer Michail Gorbatschow in Reykjavik.

    Detlev Rohwedder war als Chef der Treuhand mit der Transformation der Volkseigenen Betriebe betraut und gelangte 1990/91 zu der Erkenntnis, dass eine rücksichtslose Privatisierung der realwirtschaftlich durchaus noch nützlichen Industriebetriebe unannehmbare soziale Folgen hätte. Also beschloss er in den ersten Monaten des Jahres 1991, das Konzept der Treuhand in "Erst Sanierung, dann Privatisierung" zu ändern - immer im Hinblick auf die sozialen Auswirkungen. Dies war der Moment, als die „RAF“ wieder zuschlug. Die Autoren des „RAF-Phantoms“ knüpfen hier einen Zusammenhang zum Ausverkauf Ostdeutschlands an ausländische Investoren. Wollte Rohwedder noch ernsthaft marode Betriebe in der früheren DDR sanieren, so läuft seit seinem Tod eine fast schon brutale Privatisierungswelle.

    Und dann der Sprengstoffanschlag gegen den Vorstandssprecher der Deutschen Bank, Alfred Herrhausen. Herrhausen war ein wichtiger Berater Helmut Kohls. Er hatte nur wenige Tage vorher in einem Interview mit dem Wall Street-Journal von seinen Plänen über den Wiederaufbau Ostdeutschlands berichtet. In nur einem Jahrzehnt sollte Deutschland in Europas fortschrittlichste Industrienation verwandelt werden. Ebenfalls sprach er davon, dass er die Krise der Dritten Welt durch ein Umschuldungsprogramm mit 50prozentigem Schuldenerlass auffangen wollte; schon 1987 hatte er dies angesichts des großen Börsencrashs gefordert. Der ehemalige Pentagon-Mitarbeiter Oberst Fletcher Prouty sagte in den 90er Jahren in einem Interview mit der italienischen Zeitung „Unita“, der Grund der Ermordung Herrhausens am 30. November 1989 liege in elf Seiten einer Rede, die er eine Woche später am 4. Dezember in New York vor dem „American Council on Germany“ hätte halten sollen und die nun ungehalten blieb. In dieser Rede wollte Herrhausen seine Vision der Neugestaltung des Ost-West-Verhältnisses darlegen, die den Lauf der Geschichte nach 1989 dramatisch in eine andere Richtung gelenkt hätte.

    Während nach außen hin das dramatische Ende der kommunistischen Gewaltherrschaft gefeiert wurde, hegten bestimmte elitäre Kreise tiefste Bedenken gegen den Erfolg einer volksnahen Revolution in Osteuropa. Außerdem alarmierte sie die Aussicht, in Deutschland könnte sich eine Alternative zur Wirtschaftspolitik der USA entwickeln. Deshalb griffen die angloamerikanischen Medien auch sogleich das Stichwort „Viertes Reich“ auf. Die politischen Strategen in London und Washington sahen die längerfristigen Auswirkungen der deutschen Einheit und damit eines erneut starken und eventuell unabhängigen Deutschlands nur zu deutlich.
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