So gibt es seit den 50er Jahren durch ganz Westeuropa verwoben eine geheime Widerstands-Armee, in Italien unter dem Namen Gladio laufend, in der Schweiz nannte sie sich wohl P-26. Deren Leitung wurde 2001 von der CIA übernommen und sollte damit den Anti-Terror-Kampf im Guerilla-Stile
fortführen. Hat ja wohl auch geklappt, das Entführen von Verdächtigen
und der Betrieb von unbekannten Gefängnissen - teilweise auf Schiffen -
geht ohne parlamentarische Kontrolle einfach flinker von der Hand.
Diese Strukturen sollen auch schon bis in die 80er Jahre nicht nur
als stille Reserve rumgestanden haben, sondern waren in Italien aktiv
an Anschlägen und Morden beteiligt. Das spricht ja für die gute
Ausbildung der Truppe, gerade auch im praktischen Bereich. Da fühlt man
sich doch gleich viel sicherer beschützt und gut aufgehoben. Oder
verschaukelt.
MOSKAU, 03. April (Michail Logvinov für RIA Novosti). Bis heute
weigert sich die NATO, zu ihrem bestgehüteten Geheimnis eine klare
Stellung zu nehmen.
Es handelt sich dabei um die Unterhaltung einer an terroristischen
Operationen und Menschenrechtsverletzungen beteiligten Geheimarmee in
Europa.
Es ist noch nicht lange her, als während der Blockkonfrontation die
kommunistisch regierten Länder des Terrorkriegs gegen die NATO-Staaten
bezichtigt wurden. Nach heutigem Erkenntnisstand waren die von der NATO
und den nationalen militärischen Geheimdiensten engagierten
Konservativen und Rechtsextremisten, die nach der eventuellen Invasion
der Sowjetunion hinter der feindlichen Linie als Stay-behind-Armeen
den Aggressor bekämpfen sollten, selbst in schwere Verbrechen und
Terroranschläge in westeuropäischen Ländern verwickelt. Für diese wurde
durch gezielte Medienkampagnen den Kommunisten die Schuld gegeben.
Zu diesem Ergebnis kommt der Schweizer Historiker Daniele Ganser in
seinem Dissertationsprojekt zu verdeckten militär-politischen
Operationen in der Nachkriegszeit. Im Buch NATO-Geheimarmeen in
Europa. Inszenierter Terror und verdeckte Kriegsführung (Orell Füssli
Verlag, 2008) präsentiert Ganser der breiten Leserschaft erschütternde
Ergebnisse seiner Recherchen und offenbart eine ungeahnte und
erschreckende Ohnmacht der demokratischen Institutionen gegenüber dem
weitverzweigten geheimen Netzwerk der durch die NATO, CIA und MI6 ins
Leben gerufenen, finanzierten und logistisch unterstützten Operation
Gladio.
Auch nach dem Ende des Kalten Krieges war es höchst erschreckend zu
sehen, schildert der Autor seine Impressionen von zahlreichen
Kontaktaufnahmen mit den Vertretern von nationalen Sicherheitsbehörden
und Judikativen, wie verschiedene Regierungen, die NATO, die CIA und
andere Geheimdienste sich strikt weigerten, das Thema Geheimarmeen
aufzuarbeiten, obschon das Parlament der Europäischen Union dies
explizit gefordert hatte (S.13).
In seiner brillanten Analyse schildert Ganser aufgrund zugänglicher
Quellen sowohl die Spitze des Eisbergs - die Rolle der NATO, der CIA
und des MI6 beim Aufbau der geheimen Armeen und dem Militärtransfer in
Form von Ausbildung, Know-how (Hightech-Kommunikationsmittel),
Sprengstoff, Schusswaffen und Munition -, als auch die Entwicklung und
subversive Taktiken bzw. unkonventionelle Kriegsführung der von den
Regierungen der NATO-Staaten unterhaltenen und durch ihre Geheimdienste
geschützten nationalen Geheimarmeen.
Leitende Offiziere des geheimen Netzwerks wurden unter der Leitung der
amerikanischen Green Berets Special Forces in den Vereinigten Staaten
von Amerika und den britischen SAS-Spezialeinheiten in England
ausgebildet. Zu den geheimen Gladio-Soldaten, die in den strikt
antikommunistischen Teilen der Gesellschaft rekrutiert wurden, zählten
sowohl moderate Konservative wie auch Rechtsextreme, etwa ehemalige
Mitglieder der SS in Deutschland oder die berüchtigten rechtsradikalen
Terroristen Stefano Delle Chiaie und Yves Guerain Serac in Italien und
Frankreich, so der Historiker (S. 22).
Was die nationale geheime Kriegsführung anbelangt, so liegen
nachgewiesene Informationen vor, dass die verdeckten Operationen in den
Territorien von 14 damaligen NATO-Staaten auf Hochtouren liefen, und
zwar in Italien, Großbritannien, in den USA, Frankreich, Spanien,
Portugal, Belgien, in den Niederlanden, Luxemburg, Dänemark, Norwegen,
Deutschland, Griechenland, und in der Türkei. Wenig spricht dagegen,
dass die Gladio-Armeen auch in den damals neutralen Ländern Europas
ihren Fuß fassten.
Ganser liefert eine Menge brisanter Informationen und prägnanter
Analysen über geheime Kriege in jedem der aufgelisteten NATO-Staaten,
wirft bohrende und für die Betroffenen unerquickliche Fragen, die
leider ohne Kommentar durch offizielle Entscheidungsträger oder
Behörden bleiben.
Da die gefürchtete großangelegte Invasion des Warschauer Blocks
ausblieb, konzentrierten sich die Gladio-Netzwerke auf die Eindämmung
der inneren Gefahr und führten einen Kampf gegen die starke
westeuropäische politische Linke. Die geheimen Armeen seien an einer
Reihe der terroristischen Anschläge beteiligt gewesen, die im Anschluss
den Kommunisten vorgeworfen wurden, schlussfolgert der Autor aufgrund
zugänglicher Sekundärquellen (ebd.).
Mit Hilfe der Manipulationen der Medien ist es gelungen, die
spektakulären Anschläge in die Schuhe der linken terroristischen
Kampfgruppen zu schieben und dadurch die rote Gefahr allgegenwärtig
erscheinen zu lassen sowie die politische Linke ins Misskredit zu
bringen.
Staatsstreich, Folter, Terror, Mord und Kidnapping gehörten zu
Methoden, die antikommunistisch gesinnte Gladio-Gruppen ihren
ideologischen Gegnern entgegenzusetzen wussten, um die Ausbreitung der
roten Pest in Europa zu verhindern. Hierbei galt es, innerhalb des
Landes Spannungen zu erzeugen, reaktionäre politische und soziale
Tendenzen zu fördern sowie diejenige, die dahinter standen, in Schutz
zu nehmen. Die verantwortungslose militär-politische Unterstützung der
verdeckten Operationen dauerte bis Anfang der 90er Jahre an. Das letzte
bestätigte Treffen des Allied Clandestine Committee (ACC) habe am 24.
Oktober 1990 in Brüssel stattgefunden (S.21).
Die Operationen zielten immer darauf ab, unter der Bevölkerung
möglichst viel Angst zu schüren. Das reichte von Bombenmassakern in
Eisenbahnen und auf Märkten (Italien) über die Anwendung systematischer
Folterung von Regimegegnern (Türkei), die Unterstützung rechtsradikaler
Staatsstreiche (Griechenland und Türkei) bis hin zur Zerschlagung
oppositioneller Gruppen (Spanien und Portugal) (S. 22-23).
Das Alarmierende an der Operation Gladio war, dass diese Netzwerke wie
die Kommandozentralen sich jeglicher Kontrolle durch demokratische
Institutionen entziehen konnten (vgl. S. 51, 53). Die Beweise um
Gladio [zeigen], dass die CIA und das Pentagon während des Kalten
Krieges wiederholt außerhalb der demokratischen Kontrolle operierten
und auch nach dem Kalten Krieg für ihre Aktionen nicht verantwortlich
gemacht wurden (S. 68).
Die sich ausbreitenden Enthüllungen über die geheimen Netzwerke der
faschistischen Elemente, die im Dienste der NATO ihre Waffenverstecke
im ganzen Westeuropa eingerichtet haben, begleiteten, so der Autor, die
frechen Lügen und Desinformationsstrategien (S. 58). Kommentare wie
keine Aussage zu militärischen Geheimsachen gehören zum guten Ton der
kritischen Auseinandersetzung mit der Operation Gladio (S. 58, 59).
Dass es gute Gründe gibt, keine Statements abzugeben, weist Ganser an
mehreren Beispielen nach. So wurden z.B. in Deutschland Schwarze Listen
über Personen erstellt, die im Falle eines Krieges gegen die
Sowjetunion als unzuverlässig erachtet würden und daher liquidiert
werden müssten (S. 301). Auf dieser Liste stünden nicht nur die
westdeutschen Kommunisten, sondern auch Sozialdemokraten, die an einem
Tag X eliminiert werden müssten, wobei das Verhältnis Aufsehen erregend
war: Neben 15 Karteiblätter der Kommunisten gab es 80 Einträge über
führende Sozialdemokraten (S. 309).
Doch als noch schwerwiegender erscheinen die Anschuldigungen, die aus
weiteren Recherchen von Ganser resultieren. Der Autor stellt fest, dass
das Bundesamt für Verfassungsschutz Deutschlands (BfV), eine Behörde,
zu deren Aufgaben die Bekämpfung des politischen Extremismus gehört,
die geheime Stay-behind-Armee deckte (S. 311).
Laut einem Bericht des Gladio-Insiders, waren die Amerikaner beim
Aufbau einer zuverlässigen deutschen Truppe hauptsächlich an
ehemaligen Wehrmachtangehörigen interessiert (ebd.). Es sei also
plausibel, dass mit der Personalrekrutierung für den Technischen Dienst
des Bundes Deutscher Jugend (BDJ), so der irreführende Name eines
Stay-behind-Netzwerkes, SS- und Gestapo-Offizier Klaus Barbie
beauftragt wurde (S. 297).
Ein noch mehr spektakuläres wie aufwühlendes Kapitel der Geschichte der
NATO-Geheimarmee in Deutschland stellt die Kooperation der Amerikaner
und Briten mit dem am Mord durch Verhungern von etwa vier Millionen
sowjetischer Kriegsgefangenen schuldigen General Reinhard Gehlen in
der Hitlerzeit, der einen mit der Deckung und Führung der deutschen
Stay-behind-Armee befassten Geheimdienst leitete (S. 298).
Die deutsche Gladio-Affäre 1952 führte nicht zur Auflösung der geheimen
Armee. Nicht nur das Netzwerk, sondern auch der deutsche Geheimdienst
ORG (Abkürzung für Organisation Gehlen - M.L.) und sein Stab überlebten
1952 die Entdeckung von Teilen der deutschen Gladio fast ohne einen
Kratzer, weil sie von der mächtigen CIA geschützt wurden. General
Reinhard Gehlen blieb im Amt, und 1956 änderte die Organisation
Gehlen ihren Namen und wurde nun Bundesnachrichtendienst (BND)
genannt. Als der CIA-Direktor Allan Dulles einmal gefragt wurde, ob er
sich nicht schämte, mit dem Nazi Gehlen zusammengearbeitet zu haben,
antwortete er: Ich weiß nicht, ob er ein Schurke ist. In den
Geheimdiensten gibt es wenige Heilige Außerdem, man musste ihn ja
nicht zu sich in den Klub einladen. (S. 312)
Am Beispiel Deutschlands wie vieler anderer Fälle zeigt der Autor des
zu besprechenden Buches auf, wie die Entscheidungsträger in Sachen
Gladio-Operation unbestraft davon kommen konnten. Keiner der
bedeutenden Geheimdienste konnte öffentlich zur Rechenschaft gezogen
werden. Auch nach Jahren der Entdeckung des höchst geheimen Netzwerks
ist die offizielle Antwort der NATO, etwa wie im Jahr 1990, durch
Schweigen und Leugnen charakterisiert (S. 65). Freche Lügen scheinen
also die Oberhand zu gewinnen.
Seit den Römern gilt: Historia est magistra vitae. Das Buch des
Historikers Daniele Ganser Nato-Geheimarmeen in Europa lehrt seine
Leser nicht nur den kritischen Umgang mit der Geschichte, es klärt über
die großen Lügen auf, die durch die Feindkonstruktionen und den großen
Propagandaaufwand zur Historie zu werden droh(t)en.
Es sind viel zu viele Lügengeschichten, die uns für wahre Münze
verkauft werden. Es ist wieder einmal gelungen, einem großen
historischen Schwindel nachzugehen. Das ist das größte Verdienst des
Autors. Dennoch lehrt uns seine gründliche historische Untersuchung
noch eins: Und zwar die Notwendigkeit, die eigenen
Feindbildkonstruktionen, die für Propaganda und suggerierte mediale
Weltbilder ein fruchtbarer Boden sind, zu hinterfragen und beharrlich
auf dem Wege der Wahrheitsfindung zu bleiben. Das ist es, was dieses
Buch so unentbehrlich in der heutigen politischen Realität macht."
"
„Und so wenig hundert Hohlköpfe einen Weisen ergeben,
so wenig kommt aus hundert Feiglingen ein heldenhafter Entschluß."
so wenig kommt aus hundert Feiglingen ein heldenhafter Entschluß."