Geht mal auf die Straße und fragt die Menschen was sie vom Lissabon Vertrag behalten oder was dieser beinhaltet.
Es ist unglaublich wie schlecht informiert die Menschen sind bei Dingen, die uns eigentlich alle betreffen.
Hier ein folgender Artikel der heute bei der Linkezeitung im Netz zu finden ist:
Am 12. Juni haben in Irland 53% der WählerInnen den <img src="http://www.linkezeitung.de/cms/images/stories/LZBerlin2/ireland-watnumachet-250.jpg" alt="ireland-watnumachet-250.jpg" title="ireland-watnumachet-250.jpg" align="right" border="0" height="378" hspace="5" vspace="5" width="202" />
Vertrag von Lissabon abgelehnt. Dieser Reformvertrag
wurde unter Führung von Kanzlerin Merkel im Jahr 2006
in der EU ausgehandelt. Der Vertrag von Lissabon sollte
die zuvor in Abstimmungen in Frankreich und den
Niederlanden gestoppte EU-Verfassung über die
Hintertür doch noch einführen.
Anstelle einer Verfassung und der damit einhergehenden Beschneidung der
Souveränitätsrechte der Nationalstaaten (was in vielen Mitgliedsstaaten
eine Volksabstimmung nötig machen würde) kommt nun ein Vertrag, ein
gemeinsames Gesetz der EU Staaten - mit den gleichen Zielen und
Bestimmungen wie die EU-Verfassung.
Der Reformvertrag ist ein Produkt der führenden imperialistischen
Mächte der EU. Wie die geplante Verfassung steht auch der Vertrag von
Lissabon für Neoliberalismus, Sozialabbau, Militarismus und weitere
Angriffe des Kapitals auf Beschäftigten, Arbeitslose und Arme, auf
Jugendliche und RentnerInnen.
In der EU-Bürokratie soll das Prinzip der Einstimmigkeit abgeschafft
werden. Das soll den Großmächten Deutschland, Frankreich,
Großbritannien und Italien die Mehrheit zur Durchsetzung ihrer
Interessen sichern. Eine gemeinsame Sicherheits- und Außenpolitik mit
eigenem militärisch-industriellen Komplex soll aufgebaut werden, die
geostrategischen Interessen des europäischen Imperialismus im
Mittelmeerraum, in Afrika, im Nahen und Mittleren Osten sind Kernpunkte
des Reformvertrags.
Das irische Nein
Nach der Volksabstimmung ging eine Welle der Empörung durch die
Politikerkaste Europas. Schnell war wieder vom Europa der zwei
Geschwindigkeiten die Rede, besonders bei Sarkozy. Auch die
Wiederholung der Abstimmung wurde gefordert.
Diese Panik verweist auf die ernsten Probleme, vor denen die EU
momentan steht. Irlands Premier Brian Cowan musste sich vor der EU für
das Ergebnis rechtfertigen. Ihm und den pro-EU-Vertrags-Parteien Fianna
Fail, Fine Gael und Labor Party wurde vorgeworfen, politisch versagt zu
haben. Aus allen Parteien kam die Forderung nach Fortführung des
Ratifizierungsprozesses - trotz des irischen Neins. Welch krude
Auffassung von Demokratie dahinter steht, ist auch an den Worten des
Vorsitzenden des EU-Ausschusses des Bundestags, Axel Schäfer (SPD),
ablesbar: "Wir können nicht zulassen, dass die riesige Mehrheit Europas
von der Minderheit einer Minderheit einer Minderheit übertölpelt wird
(...) Wir halten es schon für eine gewisse Frechheit, dass das Land,
das am meisten von der EU profitiert hat, sich zu so etwas hinreißen
lässt. Es gibt kein anderes Europa, als das Europa dieses Vertrages."
Was waren die Gründe für Irlands Nein? Warum sind nur etwa 53% aller
Wahlberechtigten zur Wahl gegangen? Warum hat die Mehrheit der
ArbeiterInnen und Bauern gegen den Vertrag gestimmt?
Irland ist seit langer Zeit eine Sonderwirtschaftszone der EU. Mit
Subventionen wurde die Infrastruktur für internationale Unternehmen
geschaffen, besonders US-Firmen produzieren in Irland für den
europäischen Markt, die Steuern gehören mit 12,5% zu den niedrigsten in
der EU. Für die Europolitiker sind das Gründe, warum die IrInnen mit Ja
hätten stimmen sollen. Doch die Mehrheit der Bevölkerung sah das ganz
anders.
In diesem Jahr ist die Arbeitslosigkeit in Irland mit über 200.000 auf
den höchsten Stand seit 1999 gestiegen. Gerade im letzten Jahr stieg
sie um ein Drittel. Allein in Dublin kommen jede Woche 1.000 neue
Arbeitslose hinzu.
In Folge der weltweiten Immobilien- und Finanzkrise stiegen die Preise
für Energie (Treibstoff um 23%, Heizöl um 47%) und für Lebensmittel
(8%). Die Inflationsrate lag im April bei 4,7%.
Auch in Irland platzt die Immobilienblase, die Hypotheken für private
Darlehen sind innerhalb eines Monats um 2% gestiegen. Das irische
Wirtschaftswunder war kreditfinanziert, heute machen die Geschäfte
mit privaten Schulden mehr als 75% des irischen BIP aus, 1997 lag
dieser Anteil noch bei 24%.
Auch Irlands Bauindustrie ist in der Krise. Die internationalen
Investoren ziehen an noch billigere Standorte. Vor allem diese
Auswirkungen neoliberaler Politik haben zur Ablehnung des Vertrages
geführt. Daneben gab es auch die Propaganda des US-abhängigen Teils der
irischen Bourgeoisie (um den Unternehmer Ganvey und die Organisation
Libertas) und der katholischen Kirche. Sie wollten v.a. ihren
niedrigen Steuersatz gegen eine europäische Vereinheitlichung
verteidigen und weiterhin die Abtreibung verbieten.
Das irische Ergebnis stürzt den europäischen Imperialismus in die
nächste Krise - nach dem Konflikt und der praktischen Spaltung während
des Irakkriegs 2003 und der Ablehnung der Verfassung 2005 in Frankreich
und den Niederlanden. Zu Beginn der französischen EU-Präsidentschaft
brechen nun die Konflikte innerhalb der EU wieder auf.
Reformvertrag am Ende?
Nach der Volksabstimmung traten auch ehemalige Gegner der Verfassung
und des Vertrages wie Polens Präsident Kaczynski und sein Prager
Amtskollege Klaus wieder auf den Plan. Für Kaczynski ist der Vertrag
nun gegenstandslos. Er wird den Vertrag nicht unterschreiben, denn
die EU hätte auch ohne den Vertrag die letzten zwei Jahre gut
gearbeitet und müsste daher den Ratifizierungsprozess aussetzen.
Natürlich wissen wir um den reaktionären rechtspopulistischen Charakter
der Politik Kaczynskis. Bezeichnend ist aber, wenn der grüne
Europa-Parlamentarier Cohn-Bendit Kaczynski noch rechts überholt: Ich
habe keine Lust mehr, pausenlos von irgendwelchen Typen erpresst zu
werden. Leute wie dieser eine Zwilling in Polen, dieser Lech Kaczynski,
die wollen die Butter nicht nur essen, sondern auch noch verkaufen -
das geht nicht. Alle zwei Wochen diskreditiert irgendein Spinner die
EU. Wer nicht mitziehen will, der wäre nach so einem Referendum eben
draußen - von mir aus auch Österreich. Allerdings glaube ich, dass ein
Ja sehr viel wahrscheinlicher wird, wenn man die Frage so klar stellt.
Bei seiner Verteidigung des imperialistischen EU-Projektes bedient sich
ex-Anarchist Cohn-Bendit rassistischer Rhetorik, pfeift auf jede
Demokratie und plädiert de facto für das Ende des
Ratifizierungsprozesses. Als wahrem Basisdemokraten schwebt
Cohn-Bendit ein umfassendes Referendum vor - wer dann dagegen ist,
fliegt halt raus aus der EU. Während Kanzlerin Merkel in der Krise
beschwichtigende Worte sucht und den Begriff Kerneuropa ablehnt und
Außenminister Steinmeier sich in Durchhalteparolen erschöpft, gibt
Cohn-Bendit ein klares Votum für ein solches Kerneuropa ab:
Kerneuropa bedeutet eine EU von weniger Mitgliedern, die von den
nationalen Regierungen dominiert wird. Ich möchte weiterhin ein stark
föderales Europa, mit wie vielen Mitgliedern auch immer. Frankreich,
Deutschland, Italien, die Benelux-Staaten - der Ursprung der EU wäre
sicher dabei. Und drumherum könnte man meinetwegen für all diejenigen
eine Freihandelszone machen, die nicht dabei sind.
Damit bringt Cohn-Bendit die Hauptziele des deutschen und französischen
Imperialismus auf den Punkt. Ein Kern-Europa, das die geostrategischen
Ziele der EU umsetzt, und eine ökonomisch unterworfene Peripherie des
Euroraums sollen die EU in der Konkurrenz mit den USA stärken, gerade
gegenüber den regionalen Großmächten Russland, China und Indien.
Doch jetzt steht der Ratifizierungsprozess vor dem Ende. In Österreich
schlug der noch amtierende Kanzler Gusenbauer (SPÖ) künftige
Volksabstimmungen über EU-Verträge vor und in Deutschland wartet
Bundespräsident Köhler gnädigerweise erst die Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts ab. Dieses muss entscheiden, ob der EU
Vertrag nicht doch vom Staatsvolk abgestimmt werden müsste.
Kaczynski hat genügend innenpolitische Gründe, den Vertrag von Lissabon
nicht zu unterschreiben, seit der verlorenen Parlamentswahl regiert die
EU-freundliche Tusk-Regierung. Die Rechtspopulisten um die
Kaczynski-Zwillinge suchen eine stärkere Annäherung an den
US-Imperialismus. Auch der tschechische Präsident Klaus wird aus
gleichen Gründen nicht unterschreiben. Damit sind der Vertrag und die
Verfassung ausgesetzt.
Zwei Geschwindigkeiten?
Schon seit langem ist die EU ein Projekt mit zwei Geschwindigkeiten.
Dies zeigt sich bei der Euro-Einführung und in der europäischen
Außen- und Sicherheitspolitik. Um Britannien formiert sich der
euroskeptische Block, der den Euro nicht einführt, kein Interesse an
einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik hat und abhängig vom
US-Imperialismus ist (v.a. GB und Irland) oder eine stärkere Anbindung
an ihn sucht (Polen, Tschechien).
Dagegen steht der sich formierende europäische Imperialismus unter
deutsch-französischer Führung, mit der Eurozone und einer
europäischen Interventionstruppe. Dazu zählen inzwischen auch Spanien
und Italien, die während des Irakkriegs 2003 noch an der Seite der USA
in der Koalition der Willigen standen. Nun stimmen sie für den
EU-Reformvertrag.
Während der jetzt anstehenden französischen EU-Ratspräsidentschaft
werden wir von Sarkozy ein weiteres Beispiel der zwei Geschwindigkeiten
erleben, die Gründung der Mittelmeerunion. Sie soll alle
Mittelmeer-Anrainer unter das Diktat der EU und speziell Frankreichs
stellen. Sprach Sarkozy sich zunächst für geographisch begründbare
Mitgliedskriterien aus, wurde er schnell von Kanzlerin Merkel belehrt,
dass die maritimen Interessen des deutschen Imperialismus noch nie an
der Nord- und Ostsee halt gemacht haben, seitdem darf die ganze EU
Mitglied werden (was v.a. Deutschlands Einfluß stärkt).
Über den Mittelmeerraum will die EU auch die Vorherrschaft der USA in
diesen Regionen anfechten. Die Mittelmeerunion beginnt mit einem
Handelsabkommen, welches die Märkte für die EU öffnet, Rohstoffe für
die EU sichert und die Grundlage für spätere militärische
Interventionen bietet. Die forcierte Aufrüstung und die Einsätze im
Kongo, im Tschad und im Libanon zeigen den künftigen Charakter der
EU-Politik in Afrika und im Nahen Osten.
Trotzdem der Reformvertrag ausgesetzt ist, treibt die EU-Spitze ihre imperialistischen Projekte natürlich weiter voran.
Politische Krise
Die Tiefe der politischen Krise des imperialistischen EU-Projekts ist
angesichts der Weltmachtambitionen des deutschen und auch des
französischen Imperialismus schwer zu unterschätzen. Für sie ist die
imperialistische Blockbildung unter ihrer Vorherrschaft heute das
zentrale strategische Mittel, um ihren imperialistischen Zielen näher
zu kommen.
Schon das Scheitern der EU-Verfassung war dabei ein schwerer
Rückschlag. Der EU-Vertrag führt ebenso zu einer Stockung. Vorschläge,
langsamer vorzuschreiten sind angesichts der politischen und
militärischen Schwäche der EU gegenüber den USA für die Führungsmächte
Europas keine wirkliche Option.
Im politischen und wirtschaftlichen Konkurrenzkampf um eine
Neuaufteilung der Welt ist Zeit ein knappes Gut. Daher ist ein
Strategiewechsel der großen imperialistischen Mächte in Europa
unvermeidlich - freilich ist er nicht so leicht zu bewerkstelligen, da
sie selbst ihre inneren Gegensätze austarieren müssen und auch
fürchten, dass eine Neubestimmung (wie das Fallenlassen des Vertrags
von Lissabon) die Gegensätze in der EU vor dem Hintergrund einer
Wirtschaftskrise weiter verschärft.
Die Vollkommenheit ist unerreichbar. Gewiß ist die Vollkommenheit unerreichbar. Sie hat nur den Sinn, deinen Weg wie ein Stern zu leiten. Sie ist Richtung und Streben auf etwas hin.
- Antoine de Saint-Exupéry, Die Stadt in der Wüste
- Antoine de Saint-Exupéry, Die Stadt in der Wüste