es ist für mich eine richtige Seltenheit einen Brief an alle zu schreiben, doch es soll kein Hindernis sein. Ihr müsst mir auf diesen Brief nicht antworten, denn ich verlange von euch keine Antworten oder generell Worte. Schreibt mir nur wenn ihr es auch wirklich wollt und ihr euch auch die Zeit dafür genommen habt.
Nun, warum ein offener Brief? Es ist jetzt halb vier morgens und eigentlich möchte ich schlafen, doch meine Gedanken halten mich wach. Sogar soweit wach das ich beschlossen habe diese gleich aufzuschreiben bevor die schönen Formulierungen, die mir zufliegen, wieder weg sind. Wär doch schade drum...
Ich wollte ja schon länger mal sowas machen und hatte die eine oder andere Nacht schon gegrübelt und nachgedacht, sodass ich die tollsten Tagebucheinträge hätte, würde ich eins führen. Vielleicht mach ich das ja doch mal. Oft habe ich damit begonnen, doch genauso oft habe ich wieder aufgehört. Es ist befreiend seine Gedanken aufzuschreiben, besonders nachts oder in ruhigen Momenten wo man für sich ist.
Womit wir eigentlich schon beim Hauptthema wären. Der eine oder andere wird sicherlich bemerkt haben, das ich mich von den sogenannten social networks abgemeldet habe. Einige fragten mich nach dem Warum, doch ich konnte keine zufriedenstellende Antwort geben. Wie auch wenn ich selbst nicht mal wusste warum? Ich hatte nur das Gefühl das es das Beste wäre genau das zu tun.
Ruhe... ich wollte Ruhe. Ich wollte und will sie eigentlich immer noch. Es kommt der Punkt wo man einfach nicht mehr will. Wenn man jeden Tag mit Nachrichten und Informationen bombardiert wird kann man irgenwann nicht mehr. Alle erzählen das sie objektiv, wahr und unparteiisch sind, doch man muss noch nicht mal den Artikel gelesen haben um zu sehen, das ihre Attribute alles andere als eben genannt sind.
Wenn man dann noch so eine Ahnung hat, was hinter den Kulissen so abgeht kommt einen das alles so unglaublich sinnlos vor.
Klar kann man jetzt fragen: Wieso liest du das dann? ... aber so einfach ist das nicht.
Es ist ein innerer Kampf den man führt. Die verschiedenen Interessen und Wünsche die man im Kopf hat um umsetzen möchte, aber sich auch gegenseitig konkurrieren und hemmen, führen zu einer gewissen Unentschlossenheit.
Zum einen bin ich ein Informationsjunkie, der gern auf Suche nach neuem Wissen ist, aber zum anderen kommt das sokratische Ich weiß, das ich nichts weiß oft genug vor, der alles wieder in eine Sinnlosigkeit stürzt.
Hinzu kommt noch das Gefühl des Vergessens das an einem nagt. Wenn ich daran denke, das ich noch vor einem Jahr jemanden mehr über die USA erzählen konnte, als ein US-Bürger, und heute gerade noch so das Allgemeinwissen zusammenkriege, schauderts mich schon.
Ich wünsche mir oft wieder das alte Wissen zu haben und was zu tun. Oder auch einfach schlicht die Zeit für Dinge die man mag. Ringt man sich dann doch durch etwas zu tun verrinnt die Zeit und man stellt schnell fest Oh es ist schon Nacht, dabei wollte ich noch Aufräumen, Dies und Jenes machen.
Wer kennt dies nicht? Ich hör schon den einen oder anderen sagen Das ist doch normal, was machst du sonen Aufriß darum?. Ist dem so? Hm...
Was meinen Idealismus angeht, den hingegen habe ich behalten und ich glaube er ist sogar noch stärker als vorher. Zumindest was den Wunsch nach Umsetzung und die Inspirationen betrifft, die man dadurch bekommt.
Ideen habe ich genug, doch mit der Umsetzung ist es nicht so wie man möchte. Ich habe mich durch die verschiedensten Gruppierungen, Portale, Foren ... was das Internet halt so hergibt, gekämpft und hab auch spannende Sachen gefunden.
Manches hatte mich so beflügelt das ich sowas auch machen wollte. Doch wenn ich es dann gemacht habe, fragte ich mich was ich mir denn davon versprach. Anerkennung? Einen Schulterklaps verbunden mit den Worten: Gut gemacht?
War ich so darauf versessen?
Was will ich eigentlich? Eine Frage wo ich wohl noch ne Weile brauchen werde um die Antwort zu finden.
Tja, ich weiß nicht, alles hier erinnert mich an das intellektuelle Leiden, was schon die Philosophen beschrieben. Das schmerzliche Erkennen des Sein. Besonders wenn man so wie gern Menschen beobachtet und studiert. Auch sehr erkenntnisreich sind dann immer Dinge die Projekte scheitern ließen oder wo Streitigkeiten enstehen. Völlige banale Nichtigkeiten werden zu Problemen der Menschheit aufgeblasen, das man nur noch den Kopf schütteln kann.
Natürlich bin ich nicht besser, das maße ich mir auch nicht an zu sagen, doch ich finde es auch irgendwo traurig wie beschränkt manche sein können.
Ich habe mir vor ein Tagen bei Dussmann, was ich eher Buchladen der Möchtegern -Elite nennen würde, ein Buch über Che Guevara gekauft. An der Kasse war vor mir ein etwas älterer Herr, den man ansah das er zu den Besserverdienenden gehört. Die Kassiererin war scheißefreundlich zu dem, wie man so schön sagt. Als ich dann an der Reihe war und sie mich und das Buch sah, verhärtete sich ihr Gesicht. Ihr Lächeln war verschwunden und ich bekam nur ein mürrisches Guten Abend entgegen geschleudert. Ich hab mir nichts anmerken lassen und war freundlich wie immer, aber ich fragte mich dann doch was diese spontane Stimmungsschwankung hervorrief. Ihre ganze Mimik und Körpersprache zeigte eine völlige Ablehnung gegen mich. War es mein Aussehen was sie störte oder das ich mich für Che Guevara interessiere?
Ist man dann weniger Mensch wenn man Interessen hat die die Masse nicht hat? Darf man keine Idole mehr haben? Oder soll ich zukünftig nur noch in kleinen billigen Buchläden einkaufen, weil ich nicht der gehobenen Kaufhausnorm genüge. Ich habe sowas schon zu genüge erlebt.
Ob die Menschheit sich wohl jemals weiterentwickeln wird?
Wie auch immer... Ruhe und Rückzug... vielleicht ist es genau das was ich jetzt brauche um in der chaotischen Welt draußen weiter zu bestehen. Vielleicht sollte ich einfach leben... was immer man auch darunter verstehen mag.
Vielleicht bin ich doch sensibler und zerbrechlicher als ich mir selbst einzugestehen vermag.
Aber vielleicht ist es einfach nur die Sehnsucht wieder zum eigenen Selbst zu finden und seine Ideale endlich mal zu verwirklichen und zu verteidigen.
In letzter Zeit sind mir einige Biographien von interessanten Menschen in die Hände gekommen. Carter, der Ärcheologe, Che und diverse andere... was mir bei allen auffiel war ihr Traum und ihr Wille diesen zu verwirklichen.
Vielleicht brauche ich genau beides... Ruhe und Rückzug um meine Gedanken zu ordnen und meine Situation zu analysieren, um dann endlich der zu sein der ich schon lange sein wollte, aber nie traute zu sein.
Wie war doch gleich der Spruch? Wir haben keine Angst zu versagen. Wir haben Angst unbegrenzt mächtig zu sein ... so oder so ähnlich...
Nein ... es ist nicht nur ein vielleicht... ich hab das dumpfe Gefühl das dem genauso ist.
Wundert euch also nicht wenn ich eine Zeit lang schweige und akzeptiert bitte das ich momentan nicht der bin, den man von mir erwartet... und was ich auch in Zukunft wohl auch nicht sein werde.
Dies soll kein Abschied als solches sein. Wir sehen uns wieder.
"Der sensible Mensch leidet nicht aus diesem oder jenem Grunde, sondern ganz allein, weil nichts auf dieser Welt seine Sehnsucht stillen kann."
Jean Paul Satre
Danke das Ihr euch die Zeit genommen habt in meine Gedankenwelt einzutauchen und meinen Brief lest. Wenn man journalistisch arbeitet fragt man sich oft Warum sollen andere gerade meine Artikel lesen? Nun ich schreibe wenigstens ehrlich und mit Herzen... und als ich selbst.
Ich wünsche euch noch eine schöne Zeit und danke das es euch gibt.
mit Tränen in Augen grüßt euch
euer Tempelritter