Warum fließt so viel Geld um die Welt?

  • Warum fließt so viel Geld um die Welt?

    Warum fließt so viel Geld um die Welt?

    05. Februar 2008 Das Emirat Abu Dhabi steckt seine Ölmilliarden in die angeschlagene amerikanische Großbank Citigroup. Am chinesischen Aktienmarkt verfünffacht sich der Börsenwert nach einer einzigartigen und Jahre anhaltenden Rally. Der Wert des Dollar verfällt zusehends. Milliarden von Dollar fließen täglich um die Welt - und es werden immer mehr.

    Der Wert des globalen Finanzvermögens wuchs im Jahr 2006 um beinahe ein Fünftel auf 167 Billionen Dollar, rechnen die Finanzexperten der Unternehmensberatung McKinsey in einer gerade erschienenen Studie vor. Das übersteigt die Vorstellungskraft. Eine Million ist ja schon eine hübsche Summe, und eine Milliarde - ja, das wäre etwas. Aber eine Billion? Das ist eine Eins mit zwölf Nullen: 1 000 000 000 000. Die Kosten für eine Landung auf dem Mars werden auf eine Billion Dollar geschätzt. Und in 100 Billionen Jahren sollen alle Sonnen des Universums erloschen sein.167 Billionen Dollar also haben die Menschen gespart - in Aktien, Staats- und Unternehmensanleihen gesteckt oder schlicht auf dem Konto deponiert. Dem steht ein weltweites Bruttoinlandsprodukt von gerade einmal 48,3 Billionen gegenüber. Das Finanzvermögen übersteigt also den Wert aller Güter und Dienstleistungen, die auf der Welt in einem Jahr hergestellt werden, um das 3,5-fache. 1980 noch lagen beide gleichauf - und betrugen wenig mehr als zehn Billionen Dollar.

    Zwei alternative Erklärungen

    Wieso haben Vermögen und Kapitalströme in den vergangenen Jahren so rasant zugenommen? Wer spart so viel? Und warum? Viele Ökonomen haben sich den Kopf darüber zerbrochen, wo die globale Woge der Liquidität auf einmal herkommt, auf der die Weltwirtschaft surft. Sie haben zwei alternative Erklärungen präsentiert: die These von der kollektiven "Sparwut" (savings glut) und die Theorie von der "Geldschwemme" (money glut).

    Beide Ideen haben einiges gemeinsam. Erstens: Das viele Kapital ist vor allem das Resultat der Globalisierung, die nicht nur die Warenmärkte, sondern auch die Finanzmärkte erfasst hat. Nicht nur Handelshemmnisse und Zölle sind gefallen, auch der Kapitalverkehr wurde in den neunziger Jahren großzügig liberalisiert. Kapital ist heute wesentlich mobiler als noch vor Jahren - und das über alle Grenzen hinweg.

    Bankkredite werden durch handelbare Anleihen ersetzt

    Hinzu kommt zweitens eine Revolution der Finanzwelt: Gewaltige Fortschritte in der Kommunikationstechnologie beschleunigen den Informationsfluss. Internet, Computerhandel und blitzschneller Datenverkehr treiben den Handel von Wertpapieren rund um den Globus voran. Der Trend zu einer verstärkten Verbriefung der Kapitalströme forcierte diese Entwicklung: Bankkredite werden zunehmend durch leichter handelbare Anleihen ersetzt.

    Drittens und viertens schließlich begünstigten der Aufstieg Chinas zur wirtschaftlichen Supermacht sowie die niedrige Inflation das Anschwellen der internationalen Zahlungsströme. Seit 1990 nahmen die Kapitalmassen, die regelmäßig über die Grenzen fließen, jährlich um mehr als 14 Prozent zu - von knapp einer Billion Dollar auf mehr als acht Billionen im Jahr 2006. Die Kapitalflut stieg viel schneller als das globale Bruttoinlandsprodukt. Globalisierung, Finanzinnovationen, der Boom in China und anderen aufstrebenden Volkswirtschaften sowie ein außerordentlich günstiges konjunkturelles Klima - niedrige Inflation und hohes Wachstum - haben die Supersparwelle also angeschoben. So weit sind sich die Anhänger der beiden Theorien einig. Doch wie hängt das alles zusammen? Hier scheiden sich die Geister.

    Die Kapitalschwemme treibt die Preise

    Kern des Arguments von der „Sparwut“ ist, dass die asiatischen Schwellenländer und die ölexportierenden Nationen seit einigen Jahren viel höhere Ersparnisse bilden, als sie sicher und ertragreich an den lokalen Finanzmärkten anlegen können. Deshalb fluten die Japaner, Chinesen und Araber die Industrieländer mit ihren Ersparnissen. Sie investieren das Geld in Aktien, Anleihen und ganze Unternehmen. Weil sich aber die rentierlichen Geldanlagen nicht unbegrenzt vermehren lassen, treibt die Finanzkapitalschwemme aus den Schwellenländern die Preise vieler Vermögenswerte nach oben. Einem weltweiten Überangebot an Ersparnissen steht ein relativer Mangel von Investitionsmöglichkeiten gegenüber. Das ist im Übrigen der Stoff, aus dem Finanzmarktblasen entstehen. Das Missverhältnis aus Ersparnissen und Anlagemöglichkeiten drückt langfristig die Renditen. Besonders gut ist dies am Markt für amerikanische Staatsanleihen zu beobachten.

    Die Vereinigten Staaten schlucken schätzungsweise 70 Prozent der überschüssigen Ersparnisse, die auf der Suche nach Rendite um die Welt vagabundieren. Die „Sparwut“ in einem Teil der Welt weckt den Konsumrausch in einem anderen Teil: Amerika. Denn die niedrigen realen Zinsen, die als Folge der gewaltigen Kapitalzuflüsse entstehen, machen Kredite verlockend günstig. Das billige Geld, das in China gespart wird, wird in Amerika mit Freuden ausgegeben.

    Bernanke ist ein Anhänger der Theorie der „Sparwut“

    Der amerikanische Notenbankchef Ben Bernanke ist ein Anhänger dieser Theorie der savings glut. Das ist nicht verwunderlich, denn die Schuld an dem massiven Kapitalstrom aus den Schwellenländern - und damit an den Aktien-, Kredit- und Immobilienmarktblasen - tragen dieser Lehre zufolge die Regierungen Asiens und Arabiens. Sie erlauben entweder ihrem Volk nicht, das Ersparte im Ausland anzulegen - wie China, oder sie häufen gewaltige Erlöse aus dem Ölexport an - wie die Golfstaaten. In beiden Fällen türmen die Staaten gewaltige Devisenreserven auf - einen Überschuss an Geld. In dieser Theoriewelt ist Amerika das Opfer, und die fleißigen Sparer sind die Bösewichte, die Blasen an den Finanzmärkten erst möglich machen.

    Eine solche These fordert Widerspruch geradezu heraus. Die Theorie von der "Geldschwemme" stellt die Geschichte von der "Sparwut" auf den Kopf: Gut und Böse tauschen die Rollen. Böse sind die verschwenderischen Amerikaner, die über ihre Verhältnisse leben, und ihre Notenbank, die das eigene Volk mit leicht verfügbarem Geld zu Krediten und Konsum verführt hat.

    Die Großzügigkeit der Fed

    Die Fed war in den vergangenen Jahren ziemlich großzügig mit dem Geld. Die Notenbank bekämpfte - und bekämpft - Börsenbaisse und Rezessionsängste mit extrem niedrigen Zinsen. Die lockere Geldpolitik hat in Amerika das Kreditwachstum angekurbelt und zu einem Zusammenbruch der Sparquote geführt. Denn wer will schon sparen, wenn Geld in Hülle und Fülle vorhanden ist?

    Alan Greenspan und sein Nachfolger Ben Bernanke sind in dieser Geschichte die Hauptverantwortlichen für die niedrigen Zinsen, die den Konsum antreiben. Weil aber mehr konsumiert als produziert wird, kauft Amerika kräftig im Ausland ein. Deshalb klafft ein immer größeres Loch in der Handelsbilanz. Das schwächt den Dollar.

    Eigentlich müssten nun andere Währungen aufwerten - so wie der Euro. Aber in Schwellenländern wie China dürfen sich die Wechselkurse nicht frei bewegen. Sie sind mehr oder weniger festgezurrt. Um dem Aufwertungsdruck zu begegnen, interveniert die chinesische Notenbank fortwährend am Devisenmarkt. Wie das funktioniert? Die Zentralbank kauft den Geschäftsbanken Dollar ab und stellt ihnen im Gegenzug Guthaben in der eigenen Währung zur Verfügung. Das Zentralbankgeld dafür kann die örtliche Notenbank selber schaffen. Es gibt für eine Notenbank, die eine Aufwertung ihrer Währung verhindern will, im Grunde keine Grenze. Deswegen sitzen Chinesen und Japaner auf Reserven im Eintausend-Milliarden-Dollar-Bereich. Die gewaltig wachsenden Devisenreserven - vulgo: Ersparnisse - in Asien und den ölexportierenden Ländern sind nichts als ein Spiegelbild des kreditfinanzierten Konsums in Amerika.

    Von Catherine Hoffmann

    Quelle: faz.net