Die ungewissheit des Todes - Der Wert des lebens

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  • Die ungewissheit des Todes - Der Wert des lebens

    "Ich dachte darüber nach, was es bedeutete einen Mord begangen zu haben. Dabei blieb ich relativ kühl. Ein schlechtes Gewissen hatte ich deswegen nicht. In der Gesellschaft dieser Menschen schien es mir an der Tagesordnung zu sein einen Menschen zu töten.
    Im Übrigen brachten sich täglich Tausende Menschen gegenseitig um. Es wurden Kriege geführt und jeden Tag in aller Welt Todesurteile vollstreckt. Was machte der eine oder andere, den ich tötete, da schon aus?
    Vor allem unter dem Aspekt betrachtet, dass alle sowieso irgendwann sterben mussten.

    Ich bastelte mir folgende Gedankenverkettung zusammen: Nehmen wir an, ein Mensch würde hundert Jahre alt. Auf jeden Fall sei das die Zeitspanne, die sein natürliches Schicksal für ihn vorgesehen habe. Eine Sekunde vor Ablauf dieser hundert Jahre töte ich ihn. Zum Beispiel einen alten, schwachen Menschen, der mit dem Tode ringt. Ich verkürze sein Leiden, seine Agonie, um eine Sekunde. Ist mein Tun verwerflich? Wäre diese eine Sekunde es wert, mich auf den elektrischen Stuhl zu setzen?
    Wer könnte da von sich behaupten nicht zu zweifeln. Eine Sekunde Elend weniger kann doch kein Grund sein den Täter zu verdammen. Hätte er nicht eingegriffen, wäre sein Opfer sowieso im nächsten Moment tot gewesen.
    Nun denke ich weiter: Wenn diese eine Sekunde Leben nicht viel wert ist - auf jeden Fall nicht soviel, dass man den Mörder ruhigen Gewissens verurteilen kann -, dann dürfen auch zwei Sekunden nicht viel ausmachen. Wo soll die Grenze sein? Was ist mit einer Minute? Einer Stunde. Einem Jahr. Zehn Jahren. Alle Menschen müssen sowieso sterben. Wann, weiß keiner. Also wer kann sagen, dass ich den Mord nicht eine Sekunde vor dem Zeitpunkt begangen habe, zu dem das Opfer von sich aus gestorben wäre? Was bedeutet das Leben schon, wenn wir alle Todeskandidaten sind?

    So gesehen ist das Leben an sich eine schlimme Folter. Stell dir vor, man sperrt einen Gefangenen ein und teilt ihm mit, er sei zum Tode verurteilt. Jede Minute kann das Urteil vollstreckt werden. Keiner sagt dem Delinquenten vorher Bescheid. Er weiß nur, irgendwann kommt der Moment. Vielleicht heute, vielleicht erst in zehn Jahren, möglicherweise auch schon morgen. Eine grausame Vorstellung mit diesem Bewusstsein leben zu müssen!

    Und genauso leben wir Menschen. Um daran nicht zu zerbrechen, verdrängen alle den Gedanken an den Tod. Nur die wenigsten lernen damit zu leben.
    Manche flüchten sich in die Religion. Viele betäuben sich mit billigen Vergnügungen. Nur einige Auserwählte sehen der Tatsache gelassen ins Auge. Und nur die Allerwenigsten erkennen die Chance, die ihnen ihre Sterblichkeit bietet. Und selbst von denen haben nur ein paar den Mut diese Chance zu nutzen. Vielleicht fehlt ihnen auch nur die Kraft. Ich hatte sie. Meine Sterblichkeit erlaubte mir alles zu tun ohne die Verantwortung tragen zu müssen. Denn wenn ich jemals zur Rechenschaft gezogen würde, wäre ich tot. Selbst wenn ich eine unsterbliche Seele hätte, dann wäre das, was ich getan habe nur eine vergängliche Episode. Ich war frei. Frei zu tun, was mir in den Sinn kam oder auch etwas anderes.

    Ich verstieg mich in philosophische Konstruktionen. Entwarf Rechtfertigungen und hatte interessante Gedanken. Solange ich rational dachte, ging es mir gut. Nur wenn ich schlafen wollte oder müde war und nicht mehr gezielt denken konnte, tauchten vor meinem geistigen Auge die Bilder auf. Das ist bis heute so geblieben. Ich habe den Menschen, den ich getötet habe, in mir unsterblich gemacht. Ich habe von seinem Körper gegessen. Mein Körper ist sein Körper. Ich habe seine Kraft in mir aufgenommen. Meine Kraft ist seine Kraft. Ich sehe ihn fast ständig vor mir. Mein Leben ist sein Leben, das ich ihm genommen habe. Ich werde ihn nicht mehr los, ebenso wenig wie ich mich jemals loswerden kann. Es sei denn, ich verlöre meine Existenz. Davor kann ein Mensch wie ich weniger Furcht haben als vor einer unsterblichen Seele und einem gerechten Gott."

    334‰ Lüge - H.M.v.Stuhl
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    Diese Zeilen fanden wieder zu mir, sie machen mich nachdenklich. Ich könnte morgen tod sein ... nur aus Gewohnheit gehe ich davon aus morgen noch zu leben. Doch... noch eine Sicherheit gibt es. Ich werde nicht sterben bevor mein Schicksal erfüllt ist, wenn ich die Zeichen zu deuten weiß und nicht dagegen ankämpfe. Wie wichtig ist es zu leben? Oft habe ich gewünscht meine Existenz auslöschen zu dürfen, das war, nachdem mir bewusst wurde, dass Leben und Tod doch nur Zyklen sind. Heute genieße ich meine Stofflichkeit wieder, wie eine Welle sich bewegt...
    Wie wichtig ist es fremde Regeln zu befolgen, die Moral und Konvention der Gesellschaft?
    Wieviel ist das eigene Leben wert? Wieviel das, anderer Lebewesen?
    Der Tod kann auch Fucht sein, auf jeden fall vor einer Rechtfertigung vor Menschen in dieser Existenz - oder aber vor sich selbst. Konsequenzen ergeben sich erst nach der nächsten Geburt. Wenn man davon ausgeht das es dies nicht gibt, macht es diese Menschen um so freier! Eigentlich jedenfals 8)
    Ein Mensch der sich mit ganzem Herzen danach gesehnt hat zu sterben, der innerlich schon Tod war, der vom Leben nichts mehr erwartet hat, den begrüßt danach ein Leben in Freiheit von (fast) jeder Angst.

    Morgen schon, im nächsten Augenblick, könnten wir Tod sein - wieviele haben den Mut, vorher zu leben?
    Bewusst und frei, ohne das Damoklesschwert über sich zu fürchten?


    Vom Leben... vor dem Tod
  • Die 334 Promille Lüge ist ein enorm fesselndes Buch.
    Gefällt mir sehr gut und es gibt sicher einiges was zum weiteren nachdenken auffordert.

    Der Tod ist genauso interessant wie das Leben. Vor beidem sollte man keine Angst haben.
    Die Vollkommenheit ist unerreichbar. Gewiß ist die Vollkommenheit unerreichbar. Sie hat nur den Sinn, deinen Weg wie ein Stern zu leiten. Sie ist Richtung und Streben auf etwas hin.
    - Antoine de Saint-Exupéry, Die Stadt in der Wüste
  • Wie ich finde stellen wir einfach zu viele Fragen, wir wissen nicht was passiert wenn wir sterben und das wird sich auch nie ändern aus einem ganz einfach Grund, wenn wir etwas wissen was wir schon immer wissen wollten dann ist es für uns Menschen langweilig. Es ist genauso wie bei einem Zaubertrick so lange man nicht weiß wie er funktioniert ist er spannend, so bald wir wissen wie er funktioniert ist er langweilig.

    Außerdem glaube ich nicht das du eine festgelegte Zeit hast die du Lebst, durch seine eigene Entscheidung beinflusst man alles wie lange du lebst wem du kennenlernst oder auch nicht kennenlernst usw...
    Ich selber habe auch schon oft darüber nachgedacht ob das Leben wirklich was tolles und schönes ist, wirklich beantworten konnte ich mir die Frage nie weil die schönen und schlechten erlebnisse wirklich ausgeglichen sind. Ich war damit allerdings nicht zufrieden und habe einige sachen ausprobiert, ich habe bewust mein Leben verschlechtet und bewust sachen getan die nicht dazu beitragen das ich glücklich bin, aber nach einiger Zeit ist automatisch immer wieder ein Zeitpunkt gekommen wo es besser wurde. Vieleicht helfen einem ja die Menschen die einem geliebt haben und schon tot sind bei seinem Leben wer weiß :)

    Zum Schluss noch eine schöne Lebensweißheit die sehr gut zu den Menschen passt : Lebe so das wenn du gehst alle weinen und nur du lachen kannst.
  • Ice-Dead schrieb:

    Wie ich finde stellen wir einfach zu viele Fragen
    ich meine man kann nicht zuviele fragen stellen, außnahme natürlich man will sie sich gar nicht beantworten :P

    Ice-Dead schrieb:

    wenn wir etwas wissen was wir schon immer wissen wollten dann ist es für uns Menschen langweilig
    also meine praktische erfahrung ist das gegenteil
    je mehr ich lerne und "weiß" desto interessanter wird es

    Ice-Dead schrieb:

    Außerdem glaube ich nicht das du eine festgelegte Zeit hast die du Lebst, durch seine eigene Entscheidung beinflusst man alles wie lange du lebst wem du kennenlernst oder auch nicht kennenlernst usw...
    wenn du davon ausgehst das du deinen vollkommen freien willen hast, müsste man dir recht geben
  • hallo!

    und ich gehe mal noch einen schritt weiter und behaupte, es liegt NICHT in unserer hand, zu urteilen darüber, was richtig ist, und was falsch ist, es liegt NICHT in unserer hand, wann jemand stirbt und wann nicht.
    und meine ganz persönliche sicht ist zudem, es gibt NICHT nur dieses eine leben.
    (zudem macht sich jeder, der auf dem elektrischen stuhl einen mörder hinrichtet selber zum mörder)

    eine dauerausstellung zum thema "der wert des lebens" läuft übrigens im oberösterreichischen HARTHEIM (früher vernichtungslager für behinderte und arbeitsunfähige und kranke- heute museum und behindertenheim)
    sehr interessant... die aktion hiess damals ja "T4"...
    das thema euthanasie ist für jeden sterbebegleiter und krankenpfleger ein MUSS finde ich...
    kübler ross hat darüber einiges geschrieben das ich sehr empfehlen kann... (leider weiß ich die titel nicht auswendig. da müsst man googeln)

    und hier noch ein paar gedanken zum thema:



    ein kambodschaner, der nächtlich von alpträumen geplagt wird, die ihm
    die bilder der kriegs-zeiten heraufholen, bilder von folterungen,
    morden, den "roten khmer" und so weiter- geht zu einem mönch und bittet
    ihn um hilfe, von den bösen geistern seiner vergangenheit befreit zu
    werden.

    er bringt ihm opfergaben und fragt ihn: "mönch, sollen wir die
    damaligen mörder heute vor die anklagebank stellen?" (tatsächlich
    werden dieses jahr drei der obersten führer der roten khmer vor gericht
    gebracht)



    der mönch antwortet mit einem "nein" und schüttelt den kopf.



    der kambodschaner hat tränen in den augen, seine frau die seine qualen
    täglich miterleben muss und ihm beisteht sitzt neben ihrem mann und ihr
    schönes junges gesicht ist ebenfalls traurig...



    ich hatte mir diese antwort des mönches schon erwartet. und doch fühle ich mit dem kambodschaner mit und verstehe ihn...



    der mönch sagt: "es liegt nicht an UNS zu bestrafen. in seinen nächsten leben wird der mörder seine strafe bekommen."



    wieder denke ich so bei mir: "ja, wenn man an wiedergeburt und karma
    glaubt, dann kann man mit so einer antwort leben. aber wenn man daran
    zweifelt, dann wohl nicht..."



    und weitere gedanken kommen mir in den sinn:

    "wenn ich tatsächlich davon überzeugt bin, daß es NICHT in meiner hand
    liegt, rache zu üben, vergeltung zu üben, und so weiter, dann bin ich
    befreit von dieser last.

    wenn das leben selbst richtet, wenn etwas göttliches richtet, wenn
    niemand hier auf der erde über schuld und unschuld entscheidet, dann
    sind wir alle befreit von einer riesigen last. in allen kriegen und bei
    allen morden und so weiter"...



    aber eben- dazu braucht man jede menge vertrauen in das göttliche, in
    die führung, die gewissheit, daß alles so richtig ist, wie es ist, daß
    alles so kommen MUSS wie es kommt.



    und es geht wieder einmal um verzeihen. man muss verzeihen können.

    nicht mit dem kopf sondern richtig mit dem herzen. auch das ist so leicht gesagt und sooo schwer zu tun...



    und weiter denke ich: "wenn jeder mensch der von menschen verurteilt
    wird, der in amerika die todesstrafe bekommt, usw... wenn jeder dieser
    verurteiler und vollstrecker nicht das recht hat zu urteilen und zu
    vollstrecken, dann wird aus den opfern und aus völlig unbeteiligten
    menschen (die todesspritzen werden ja nicht von den opfern selber
    gesetzt!) ein neuer täter- ein mörder.



    so machen sich also opfer zu tätern, und menschen die nicht einmal persönlich betroffen sind, machen sich zu neuen mördern.



    das ist erschreckend.



    auch wenn ich das unbewusst schon irgendwie im kopf hatte, so wurde es
    mir doch erst klar, als in dieser dokumentation der mönch seinen kopf
    schüttelte und "nein" sagte...



    es liegt uns seit jahrtausenden im blut, rache zu üben. "auge um auge, zahn um zahn".

    "wie du mir, so ich dir"



    so kann kein krieg beendet werden.



    drei schritte sind es....



    verzeihen und loslassen und vertrauen.





    drei irrsinnig schwere schritte wenn man bedenkt, was dem voraus ging...



    aber wenn man die mal geschafft hat, dann sitzt man ebenso wie dieser
    mönch da, mit einem blinden auge, aus einem arbeitslager der roten
    khmer kommend, und sagt "nein" zu mord und rache.



    ich bin beeindruckt...

    sonja
    schamanismus:
    raabenweib.de.tl
    kunst und lyrik:
    krah-krah.de.tl