Bildung statt Ausbildung

  • Bildung statt Ausbildung

    Früher
    wurde, wenn man sich nicht auf den Hosenboden setzte, mit Hausarrest
    gedroht. Heute wird der Sechstklässlerin mit den Chinesen gedroht, die
    ihr einmal den Arbeitsplatz wegnehmen werden, wenn sie nicht endlich
    auf ihre Reitstunden und Tanzkurse verzichtet, um spätnachmittags
    nachzuholen, was ihr vormittags in der Schule wegen Zeitmangels und
    Stofffülle nicht annähernd erklärt wurde."
    - So leitet die Frankfurter Allgemeine einen Artikel ein,
    der sich mit dem achtjährigen Gymnasium befaßt. Quintessenz: Nicht nur
    in der Schule lernen Kinder. Die Verkürzung der Schulzeit bringt Kinder
    um dringend erforderliche Lebenserfahrungen.

    Was sich hinter der neutral gehaltenen Abbreviatur G8
    versteckt, degradiert Kinder zu Kosten- und Produktionsfaktoren im
    Wettbewerb des "freien" Marktes. Das Kindsein bleibt auf der Strecke,
    alle Aufmerksamkeit gilt dem Nutzen, den das Kind später im
    Erwachsenenleben haben soll. Die Mechanisierung des ungenauen "Faktors Mensch"
    wird zum Mittelpunkt einer Ausbildung (keiner Bildung) erhoben, die
    Lernen als Einimpfen von Notwendigkeiten begreift, aber nicht als
    Prozess, der zu Mündigkeit und Reife eines Menschen führen soll.
    "Unnützer Lernstoff" wird atomisiert, um ein Mehr an "nützlichen
    Wissen" zu gewährleisten.

    Doch der kindliche, noch agile Geist
    ist kein leerer "Behälter", in den man willkürlich Informationen
    hineinstecken kann. Das tägliche Lernpensum ist determiniert und es
    bedarf eines körperlichen Ausgleichs zur geistigen Arbeit. Zusätzlich
    verleugnet die neue gängige Praxis das Wesen des Kindes. Das Spielen,
    ebenfalls ein Vorgang des Lernens und Begreifens - man denke an John
    Lockes Ausspruch: "Die größte Kunst ist, den Kleinen alles, was sie tun oder lernen sollen, zum Spiel und Zeitvertreib zu machen." ("Some Thougts Concerning Education"
    von 1693) - wird zur Nebensächlichkeit ohne Nutzen stilisiert. Der
    (Aus-)Bildungsapparat steht auf Kriegsfuß mit dem Wesen des Kindes; er
    impft dem Kind ein schlechtes Gewissen ein, weil es einen Drang zur
    Freiheit hat, welchen es spielend auszuleben versucht ist.

    Es
    ist das Kindsein, welches dem Wettbewerb im Wege steht. Das Druckmittel
    der globalen Konkurrenz findet Verwendung, um den kindlichen Trieb zu
    überwinden. Mit Verweis auf die chinesische Konkurrenz ist man
    versucht, dem Kinde das Spielen abzugewöhnen, um nicht zuviel Zeit zu
    vertrödeln. Effizient muß gelernt werden, nichts Unwesentliches darf
    Eingang in die Köpfe finden. So verschwinden an den Universitäten
    "unrentable" Zweige der Geisteswissenschaften - Philosophie und
    Theologie sterben einen langsamen Tod. Und gleichermaßen vollzieht das
    gesamte Schulwesen eine Abkehr vom humanistischen Bildungsideal, in dem
    man nicht nur lehrte, um den jungen Menschen zum gut geölten Teil eines
    Systems zu machen, sondern um ihn zu einen "Menschen von Format" zu
    erziehen; nicht nur Rädchen innerhalb des Produktionsapparates, sondern
    musischer Mensch mit Allgemeinbildung.

    Insofern kann der Aufschrei, der das Ende des G8
    fordert, weil es die Würde des Kindes verletzt, nur ein erster Schritt
    sein. Den Kindern mehr Zeit einzuräumen ist nicht der Anfang einer
    Bildungsreform, sondern lediglich die Revision des Dilettantenstreichs G8.
    (Dies soll nicht vergessen werden, wenn in einigen Jahren - aufgrund
    Erfolglosigkeit - diese "Reform" zurückgenommen wird und man versucht
    ist, diesen "Schritt zurück" als große Reform des Bildungswesens zu
    verkaufen.) Dem Kind schon in jungen Jahren die Bürde aufzuerlegen,
    sich für eine höhere Schule qualifizieren zu müssen (die Wurzel der
    deutschen Ungleichheit im Bildungswesen), muß als nächstes beseitigt
    werden, um dann ein Bildungsideal zu installieren, welches Kinder nicht
    zu zukünftigen Maschinen im System heranzüchtet, sondern ihnen das
    natürliche Recht auf Bildung gewährt. Unbrauchbaren Lehrstoff gibt es
    nicht: Gemäß einem Schlagwort, das aus den Zeiten der APO stammt: "Bildung statt Ausbildung!"
    - Das derzeitige Fordern, auf alte Bahnen zurückzuschwenken, kann
    insofern nur als konservativer - also bewahrender - Schritt verstanden
    werden.







    Dieser Text wurde geschrieben von
    Roberto J. De Lapuente.


    Er zeigt auf, wie nach und nach immer mehr verändert wird, um uns Menschen nur noch zu Produktionsmitteln und Konsumenten zu machen.
    Es wird ein Feindbild aufgebaut um Angst zu schüren (Chinesische Wirtschaft) und mit einem möglichst logischen Begriff erklärt ( globaler Wettbewerb). Wir lass uns von der Wirtschaft bestimmen und in alle Lebensbereiche hineinpfuschen.


    Es geht nur noch um Profit, Geld, Geld und nochmals Geld. Der Mensch steht nur noch an zweiter Stelle.


    Dies sollte geändert werden!
    Die Vollkommenheit ist unerreichbar. Gewiß ist die Vollkommenheit unerreichbar. Sie hat nur den Sinn, deinen Weg wie ein Stern zu leiten. Sie ist Richtung und Streben auf etwas hin.
    - Antoine de Saint-Exupéry, Die Stadt in der Wüste
  • Maschinen steuern die Arbeitsgeschwindigkeit
    Produktivität bestimmt die Lerninhalte
    Konsum definiert den Menschen
    Geld regiert die Welt

    "Materialismus ist, wenn man Dinge liebt und Menschen benutzt, anstatt Menschen zu lieben und Dinge zu benutzen"
    Autor Unbekannt