[WP] Außenwirtschaftsgesetz: Investoren unter Generalverdacht

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  • [WP] Außenwirtschaftsgesetz: Investoren unter Generalverdacht

    26. Dezember 2007 In diesen Tagen ruht die Gesetzgebungsmaschinerie der großen Koalition. Doch besteht wenig Hoffnung, dass Union und SPD die Muße nutzen, um ihre wettbewerbsfeindlichen Pläne zur Beschränkung des freien Kapitalverkehrs zu überprüfen. Viel wahrscheinlicher ist es, dass das Kabinett schon im Januar eine tiefgreifende Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes billigt: Sie gesteht der Regierung ein umfassendes Vetorecht zu, um unerwünschte ausländische Investoren fernzuhalten, seien sie nun staatlich oder privat. Wenn ein ausländischer Kapitalgeber mindestens 25 Prozent an einem Unternehmen in Deutschland erwirbt, muss er damit rechnen, dass sich die Politik in dieses Geschäft einmischt und es verbietet, auch nachträglich.

    Die Ermächtigung zur Intervention steckt in einem Gummiparagraphen zum Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit der Bundesrepublik, der das Außenwirtschaftsgesetz, das bisher auf die Kontrolle von Rüstungsunternehmen zielt, kräftig erweitert. Ausländische Investoren stehen dann unter dem Generalverdacht, Deutschland Schaden zufügen zu wollen. Diese Unterstellung und der nun stets drohende Eingriff in die Vertragsfreiheit wird den Kapitalfluss nach Deutschland bremsen und auf Dauer dazu führen, dass sich auch deutsche Investoren im Ausland auf stärkere Regulierung gefasst machen müssen.

    Ängste werden geschürt

    Treibende Kraft hinter dem Gesetz ist die Union, allen voran ihr Wahlkämpfer in Hessen, Roland Koch. Der Ministerpräsident sieht hier eine Chance, sich als Schutzherr heimischer Unternehmen zu profilieren und endlich auch ein Instrument in die Hand zu bekommen, mit dem er strategische Industriepolitik wie die Franzosen betreiben kann. Um das Vetorecht politisch durchzusetzen, schüren Koch und seine Mitstreiter in der Partei seit Jahresbeginn die Ängste vor den wachsenden Staatsfonds, in denen Schwellenländer wie Russland und China, aber auch die reichen Ölstaaten, geschätzte 3000 Milliarden Dollar untergebracht haben, die meist aus Rohstofferlösen oder Währungsreserven stammen.

    Diese Summe wirkt erdrückend, doch verteilt sie sich auf 40 verschiedene Fonds mit unterschiedlichen Zielen und Anlagestrategien. Das hindert die Union nicht, pauschal zu unterstellen, diese Fonds strebten möglicherweise nicht nach Gewinn, sondern nach politischer oder wirtschaftlicher Macht – beispielsweise durch Technologietransfer. Doch auf einem freien Markt gehen die Motive des Kapitalgebers nur den Vertragspartner etwas an, entscheidend sind die Zahlungsbereitschaft und der Wille, sich an die Gesetze und Regeln des Gastlandes zu halten. Hier liegt gerade einer der großen Vorteile einer Wettbewerbswirtschaft: Der Staat setzt einen klaren Rechtsrahmen, macht sich aber nicht anheischig, Motive des Wirtschaftens auszuforschen und dann fallweise in erwünschte oder unerwünschte zu unterscheiden. Mit dem schwammigen Gesetz der großen Koalition wird die Politik zum festen Mitspieler im Investitionsgeschehen in Deutschland. Die Rechtssicherheit schwindet und damit ein wichtiger Standortvorteil.

    Exzellente Analyse des Sachverständigenrats

    Aber es könne doch nicht sein, dass ausländische Staaten die hier mühsam privatisierten Unternehmen aufkauften und sie damit quasi wieder verstaatlichten, lautet ein zweiter Argumentationsstrang. Demnach wäre es aus ordnungspolitischen Gründen, um den privaten Wettbewerb zu schützen, geboten, staatliche Investoren daran zu hindern, in der deutschen Wirtschaft Fuß zu fassen. Der Sachverständigenrat, der sich in seinem Herbstgutachten in einer exzellenten Analyse mit der Debatte befasst, kann ein „spezielles Problem mit ausländischen privaten oder staatlichen Investoren nicht erkennen“. Befürchte die Regierung Abhängigkeiten von einem solchen Investor (wie dem russischen Staatskonzern Gasprom), müsse das Wettbewerbsrecht eingesetzt werden, um Marktmacht zu beschränken.

    Wenn deutsche Unternehmen ihre Exportstärke ausspielen wollen, sind sie mehr als andere auf offene Märkte für Güter und Kapital angewiesen. Den Warenströmen entsprechen Kapitalströme, die nach Anlagemöglichkeiten suchen. Es liegt daher im deutschen Interesse, sich für freien Kapitalverkehr einzusetzen, statt Hürden aufzubauen. Und wie schnell sind die kritisierten Staatsfonds in der amerikanischen Hypothekenkrise zum Retter in der Not geworden? Eine private Großbank nach der anderen überlebt das Debakel nur dank der Finanzspritzen der Staatsfonds aus Singapur, China oder Dubai.

    Vetorecht vergrault Investoren

    Vielleicht darf man auch fragen, wessen Geld die Deutschen denn gern hätten? Die privaten „Heuschrecken“- Investoren sind ihnen zu renditehungrig, staatliche Fonds wiederum nicht renditeorientiert genug. Es spricht eine Überheblichkeit aus dieser Diskussion, offenbar vernebelt der Aufschwung den Blick auf die Wirklichkeit. Deutschlands Wachstumsraten sind im Schnitt nicht so beeindruckend, dass sich das Land leisten könnte, Investoren zu vergraulen. In der angstvollen Globalisierungsdebatte scheint die Einsicht verlorengegangen, dass Deutschland mehr Kapital und wagemutige Investoren braucht, nicht weniger. Die Regierung ist daher gut beraten, die Hände vom Außenwirtschaftsrecht zu lassen.

    Quelle: faz.de