Hölderlin

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  • Germanien

    Nicht sie, die Seligen, die erschienen sind,
    Die Götterbilder in dem alten Lande,
    Sie darf ich ja nicht rufen mehr, wenn aber
    Ihr heimatlichen Wasser! jetzt mit euch
    Des Herzens Liebe klagt, was will es anders
    Das Heiligtrauernde? Denn voll Erwartung liegt
    Das Land, und als in heißen Tagen
    Herabgesenkt, umschattet heut
    Ihr Sehnenden! uns ahnungsvoll ein Himmel.
    Voll ist er von Verheißungen und scheint
    Mir drohend auch, doch will ich bei ihm bleiben,
    Und rückwärts soll die Seele mir nicht fliehn
    Zu euch, Vergangene! die zu lieb mir sind.
    Denn euer schönes Angesicht zu sehn,
    Als wärs, wie sonst, ich fürcht' es, tödlich ists,
    Und kaum erlaubt, Gestorbene zu wecken.

    Entflohene Götter! auch ihr, ihr gegenwärtigen, damals
    Wahrhaftiger, ihr hattet eure Zeiten!
    Nichts leugnen will ich hier und nichts erbitten.
    Denn wenn es aus ist und der Tag erloschen,
    Wohl triffts den Priester erst, doch liebend folgt
    Der Tempel und das Bild ihm auch und seine Sitte
    Zum dunkeln Land, und keines mag noch scheinen.
    Nur als von Grabesflammen, ziehet dann
    Ein goldner Rauch, die Sage, drob hinüber,
    Und dämmert jetzt uns Zweifelnden um das Haupt,
    Und keiner weiß, wie ihm geschieht. Er fühlt
    Die Schatten derer, so gewesen sind,
    Die Alten, so die Erde neubesuchen.
    Denn die da kommen sollen, drängen uns,
    Und länger säumt von Göttermenschen
    Die heilige Schar nicht mehr im blauen Himmel.

    Schon grünet ja, im Vorspiel rauherer Zeit
    Für sie erzogen, das Feld, bereitet ist die Gabe
    Zum Opfermahl, und Tal und Ströme sind
    Weitoffen um prophetische Berge,
    Daß schauen mag bis in den Orient
    Der Mann und ihn von dort der Wandlungen viele bewegen.
    Vom Äther aber fällt
    Das treue Bild, und Göttersprüche regnen
    Unzählbare von ihm, und es tönt im innersten Haine.
    Und der Adler, der vom Indus kömmt,
    Und über des Parnasses
    Beschneite Gipfel fliegt, hoch über den Opferhügeln
    Italias, und frohe Beute sucht
    Dem Vater, nicht wie sonst, geübter im Fluge
    Der Alte, jauchzend überschwingt er
    Zuletzt die Alpen und sieht die vielgearteten Länder.

    Die Priesterin, die stillste Tochter Gottes,
    Sie, die zu gern in tiefer Einfalt schweigt,
    Sie suchet er, die offnen Auges schaute,
    Als wüßte sie es nicht, jüngst da ein Sturm
    Toddrohend über ihrem Haupt ertönte;
    Es ahnete das Kind ein Besseres,
    Und endlich ward ein Staunen weit im Himmel,
    Weil Eines groß an Glauben, wie sie selbst,
    Die segnende, die Macht der Höhe sei;
    Drum sandten sie den Boten, der, sie schnell erkennend
    Denkt lächelnd so: Dich, unzerbrechliche, muß
    Ein ander Wort erprüfen und ruft es laut,
    Der Jugendliche, nach Germania schauend:
    »Du bist es, auserwählt,
    Alliebend und ein schweres Glück
    Bist du zu tragen stark geworden,
    Seit damals, da im Walde versteckt und blühendem Mohn
    Voll süßen Schlummers, trunkene, meiner du
    Nicht achtetest, lang, ehe noch auch Geringere fühlten
    Der Jungfrau Stolz und staunten, wes du wärst und woher,
    Doch du es selbst nicht wußtest. Ich mißkannte dich nicht,
    Und heimlich, da du träumtest, ließ ich
    Am Mittag scheidend dir ein Freundeszeichen,
    Die Blume des Mundes zurück und du redetest einsam.
    Doch Fülle der goldenen Worte sandtest du auch
    Glückselige! mit den Strömen, und sie quillen unerschöpflich
    In die Gegenden all. Denn fast, wie der heiligen,
    Die Mutter ist von allem,
    Die Verborgene sonst genannt von Menschen,
    So ist von Lieben und Leiden
    Und voll von Ahnungen dir
    Und voll von Frieden der Busen.

    O trinke Morgenlüfte,
    Bis daß du offen bist,
    Und nenne, was vor Augen dir ist,
    Nicht länger darf Geheimnis mehr
    Das Ungesprochene bleiben,
    Nachdem es lange verhüllt ist;
    Denn Sterblichen geziemet die Scham,
    Und so zu reden die meiste Zeit
    Ist weise auch, von Göttern.
    Wo aber überflüssiger, denn lautere Quellen,
    Das Gold und ernst geworden ist der Zorn an dem Himmel,
    Muß zwischen Tag und Nacht
    Einsmals ein Wahres erscheinen.
    Dreifach umschreibe du es,
    Doch ungesprochen auch, wie es da ist,
    Unschuldige, muß es bleiben.

    O nenne, Tochter du der heiligen Erd,
    Einmal die Mutter. Es rauschen die Wasser am Fels
    Und Wetter im Wald, und bei dem Namen derselben
    Tönt auf aus alter Zeit Vergangengöttliches wieder.
    Wie anders ists! und rechthin glänzt und spricht
    Zukünftiges auch erfreulich aus den Fernen.
    Doch in der Mitte der Zeit
    Lebt ruhig mit geweihter
    Jungfräulicher Erde der Äther,
    Und gerne, zur Erinnerung, sind
    Die unbedürftigen, sie
    Gastfreundlich bei den unbedürftgen
    Bei deinen Feiertagen,
    Germania, wo du Priesterin bist
    Und wehrlos Rat gibst rings
    Den Königen und den Völkern.«


    Dem Landgrafen von Homburg

    Friedrich Hölderlin (1770-1843)

    Stammt aus Sternenfall.de
  • Und alles Getrenne findet sich wieder. / Friedrich Hölderlin

    Chiron

    Wo bist du, Nachdenkliches! das immer muß
    Zur Seite gehn, zu Zeiten, wo bist du, Licht?
    Wohl ist das Herz wach, doch mir zürnt, mich
    Hemmt die erstaunende Nacht nun immer.

    Sonst nämlich folgt' ich Kräutern des Walds und lauscht'
    Ein weiches Wild am Hügel; und nie umsonst.
    Nie täuschten, auch nicht einmal
    deine Vögel; denn allzubereit fast kamst du,

    So Füllen oder Garten dir labend ward,
    Ratschlagend, Herzens wegen;
    wo bist du, Licht?
    Das Herz ist wieder wach, doch herzlos
    Zieht die gewaltige Nacht mich immer.

    Ich wars wohl. Und von Krokus und Thymian
    Und Korn gab mir die Erde den ersten Strauß.
    Und bei der Sterne Kühle lernt' ich,
    Aber das Nennbare nur. Und bei mir

    Das wilde Feld entzaubernd, das traurge, zog
    Der Halbgott, Zeus Knecht, ein, der gerade Mann;
    Nun sitz ich still allein, von einer
    Stunde zur anderen, und Gestalten

    Aus frischer Erd und Wolken der Liebe schafft,
    Weil Gift ist zwischen uns, mein Gedanke nun;
    Und ferne lausch ich hin, ob nicht ein
    Freundlicher Retter vielleicht mir komme.

    Dann hör ich oft den Wagen des Donners
    Am Mittag, wenn er naht, der bekannteste,
    Wenn ihm das Haus bebt und der Boden
    Reiniget sich, und die Qual Echo wird.

    Den Retter hör ich dann in der Nacht, ich hör
    Ihn tötend, den Befreier, und drunten voll
    Von üppgem Kraut, als in Gesichten,
    Schau ich die Erd, ein gewaltig Feuer;

    Die Tage aber wechseln, wenn einer dann
    Zusiehet denen, lieblich und bös, ein Schmerz,
    Wenn einer zweigestalt ist, und es
    Kennet kein einziger nicht das Beste;

    Das aber ist der Stachel des Gottes;
    nie Kann einer lieben göttliches Unrecht sonst.
    Einheimisch aber ist der Gott dann
    Angesichts da, und die Erd ist anders.

    Tag! Tag! Nun wieder atmet ihr recht;
    nun trinkt,Ihr meiner Bäche Weiden! ein Augenlicht,
    Und rechte Stapfen gehn, und als ein
    Herrscher, mit Sporen, und bei dir selber

    Örtlich, Irrstern des Tages, erscheinest du,
    Du auch, o Erde, friedliche Wieg, und du,
    Haus meiner Väter, die unstädtisch
    Sind, in den Wolken des Wilds, gegangen.

    Nimm nun ein Roß, und harnische dich und nimm
    Den leichten Speer, o Knabe! Die Wahrsagung
    Zerreißt nicht, und umsonst nicht wartet,
    Bis sie erscheinet, Herakles Rückkehr


    Friedrich Hölderlin (1770-1843)
    Friedrich Hölderlin hatte ein eigenes Verständnis zu den griechichen Göttern. Für ihn waren sie nicht Statuen, sondern real und sehr lebendig, in seinen Augen griffen sie in alles Leben ein.
    "Nehmt Eure Sprache ernst! Wer es hier nicht zu dem Gefühl einer heiligen Pflicht bringt, in dem ist nicht einmal der Keim für eine höhere Bildung vorhanden."
    "Es wurde bisher grundsätzlich immer nur die Wahrheit verboten."

    Friedrich Nietzsche