[left]Wenn Schreckensherrscher eines Gegners habhaft
werden, bringen sie ihn nicht gleich um: Sie foltern ihn zunächst. Nero hat
Christen foltern lassen, der Inquisitor die Marranen, Hitler die Kommunisten.
Drohende Folter verbreitet größeren Schrecken als Mord: Sie ist wohl das
furchtbarste Herrschaftsinstrument von allen. Deshalb gilt Folter, egal in
welchem Kampf, egal gegen wen, als menschenrechtswidrig.[/left]
Menschenrechte nicht für Israels Feinde
Viele Staaten, vor allem im westlichen Herrschaftsbereich,
terrorisieren ihre Gegner durch Folter. Die meisten wahren tunlich den Schein,
sie würden die Menschenrechte achten. Der Staat Israel wahrt ihn nicht. Sein
oberster Vertreter in der Schweiz, der Botschafter Ilan Elgar, erklärte kürzlich einem Angestellten der Reformierten Kirchen Bern
Jura Solothurn:
Die Menschenrechte
seien für Europa gut, im Nahen Osten müsse man stets abwägen, inwiefern
man Politik auf ihre Grundlage stellen könne, man lebe in einem anderen,
feindlichen Kontext.
Der Staat Israel foltert. Einer seiner prominentesten Anhänger
in den USA ist Alan M. Dershowitz, Professor an der Harvard Law School und
Publizist. Wann immer andere Prominente vom Staate Israel die Einhaltung der
Menschenrechte fordern, hält er dagegen. Wie der israelische Botschafter in der
Schweiz, so findet auch Dershowitz Gründe für den israelischen Terror gegen
Palästinenser und die Nachbarvölker Israels.
Die tickende Bombe
Jetzt hat Dershowitz einen passe-partout für Folter
gefunden: die tickende Bombe. Im Wall
Street Journal vom 7. November 2007 zitiert er William Clinton, Bushs Vorgänger
im Streben nach Weltherrschaft:
Sie haben jemand gefaßt, von dem Sie wissen, daß er
die Nummer Zwei hinter Osama Bin Laden ist. Und Sie wissen, die haben binnen
drei Tagen einen Anschlag in den Vereinigten Staaten oder einer europäischen
Hauptstadt vor. Und Sie wissen, der Bursche weiß das. Richtig, das ist das
klarste Beispiel. Und Sie meinen, Sie kriegen das nur aus dem Burschen raus,
wenn Sie ihn mit Drogen vollpumpen oder zum Schein ertränken oder ihn
anders bearbeiten.
Dershowitz dazu:
Obwohl ich persönlich gegen die Anwendung von Folter
bin, habe ich doch keinen Zweifel, daß jeder Präsident und in der Tat
jeder Führer einer demokratischen Nation faktisch irgendwelche Arten
von Folter gegen einen gefangenen Terroristen genehmigen würde, wenn er wüßte,
daß das der einzige Weg ist, Informationen über eine bevorstehendes
Attentat mit zahlreichen Opfern zu erlangen. Der Streit geht allein darum,
ob er das offen und verantwortlich tut, oder heimlich und abstreitbar.
Ersteres erscheint besser mit demokratischen Grundsätzen vereinbar,
letzteres besser mit der typisch politischen Scheinheiligkeit.
Scheinertränkungen
Verfassungsrechtlich könne somit, meint Dershowitz, über
die Anwendung etwa von Scheinertränkungen nicht abstrakt entschieden werden,
sondern nur von Fall zu Fall. In Israel habe es bereits Beispiele für tickende
Zeitbomben der geschilderten Art gegeben. Präsidentschaftskandidaten, die für
vergleichbare Fälle in den USA Folter ausschließen wollten, würden folglich
chancenlos bleiben.
Mike Whitney hat auf CounterPunch
dem Harvard-Professor geantwortet. Er zitiert eine Passage von 2002 aus einem
von Dershowitz' zahlreichen Büchern:
Folter wäre nur mit einer richterlichen
Foltervollmacht zu erlauben... Die Gewährung einer Foltervollmacht müßte
auf der absoluten Notwendigkeit beruhen, sofortige Auskunft zu erhalten, um
Leben zu retten, verbunden mit Gründen für die Wahrscheinlichkeit, daß
der Verdächtige Auskunft geben kann, sie aber nicht erteilen will... Die
Vollmacht würde die Folter auf nicht-tödliche Mittel beschränken, wie
sterile Nadeln, die unter die Fingernägel geschoben werden und unerträglichen
Schmerz verursachen, ohne das Leben zu gefährden.
Es wird ja eh gefoltert
Whitney liefert weitere ältere Dershowitz-Zitate, die alle
darauf hinauslaufen, daß eh gefoltert werde und Foltern deshalb gesetzlich
normiert werden müsse. Zusätzlich behauptet Dershowitz, die Mehrheit der
US-Amerikaner befürworte Folter in Gefahrensituationen. Whitney widerspricht
unter Verweis auf Meinungsumfragen. Er urteilt:
Der wirkliche Grund, weshalb Folter abzulehnen ist,
liegt darin, daß sie dem Staat mehr Befugnisse erteilt als für die
Sicherheit und Wohlfahrt von Uns, dem Volke klug ist. Der Staat ist
jetzt und war schon immer die größte Gefahr für Menschenrecht und bürgerliche
Freiheit. Das trifft heute in unserer Nach-Elfter-September-Welt
mehr zu denn je. Der Staat ist der natürliche Feind der Freiheit des
Einzelnen.
Dershowitz Polemik hat nichts mit vorgeblicher Sorge
um die Sicherheit des amerikanischen Volkes zu tun. Das ist Quatsch. Sie ist
der Versuch, die Befugnisse des Staates auszuweiten, und zwar durch die
Aufweichung der öffentlichen Meinung über Folter. Sie ist ein
offenkundiger Griff nach der Macht, schlicht und einfach. Sie sollte von
jedem zurückgewiesen werden, der ihre wahre Bedeutung erfaßt.
Des Terroristen Anhänger in Deutschland
Der Ausschluß der israelischen Nachbarn aus dem
Geltungsbereich der Menschenrechte und Dershowitz terroristischer Griff nach
der Macht haben viel mit unserm Land zu tun. Rudolf Walther rezensierte laut Perlentaucher
in der Frankfurter Rundschau Dershowitz Kampfschrift Plädoyer für
Israel,
in dem der amerikanische Jurist Alan M. Dershowitz den
Beweis führen will, dass die Anklagen gegen Israel auf Vorurteilen beruhen.
Doch statt Behauptungen belegt und eweise erbracht [zu haben], sieht
Walther hier allenfalls "propagandistische
Rechtfertigungsgirlanden" geschwungen. Walther spricht auch von
"Scharlatanerie" und "vernagelter Einseitigkeit". Nicht
gelten lassen will Walther etwa Dershowitz' Behauptung, Israel habe als
"einziges Land in der Geschichte der modernen Kriegsführung"
keine Vergeltung gegen feindliche Städte und deren Zivilbevölkerung geü[bt].
Als "Legende" tut Walther die von Dershowitz angeführte
Friedensbereitschaft des Landes ab. Und dass in der Menschenrechtsfrage an
Israel andere Standards gerichtet werden als [an] arabische[.]
Nachbarstaaten, will Walther dann Israel selbst zugeschrieben wissen, schließlich
betone das Land stets, dass es die einzige Demokratie in der Region sei.
Zur deutschen Ausgabe des Israel-Buchs des langjährigen
Folterbefürworters Dershowitz hat 2005 ein bekannter deutscher Schlechtmensch
das noch schrillere Vorwort geschrieben: der Spiegel-Autor und
Börne-Preisträger Henryk M. Broder.
Die Vollkommenheit ist unerreichbar. Gewiß ist die Vollkommenheit unerreichbar. Sie hat nur den Sinn, deinen Weg wie ein Stern zu leiten. Sie ist Richtung und Streben auf etwas hin.
- Antoine de Saint-Exupéry, Die Stadt in der Wüste
- Antoine de Saint-Exupéry, Die Stadt in der Wüste