Die Geheimdienste der Alliierten in Deutschland ab 1945

  • Die Geheimdienste der Alliierten in Deutschland ab 1945

    Ein Überblick in Thesen - von Klaus Eichner

    Meine Damen und Herren,

    die Spezifik des Standortes Deutschland für die alliierten Dienste
    bestand grundsätzlich darin, dass die BRD und Westberlin Ausgangsbasis
    für Geheimdienstoperationen gegen den gesamten Warschauer Vertrag
    waren und darin eingeschlossen die DDR ein spezielles Operationsfeld
    darstellte. Umgekehrt war die DDR wichtige Ausgangsbasis für
    Operationen des KGB und auch der Geheimdienste anderer Staaten des
    Warschauer Vertrages gegen die NATO-Staaten und speziell gegen die
    BRD.

    Westberlin hat bis zuletzt seine besondere Rolle als
    Konzentrationspunkt einer Vielzahl von Geheimdiensten behalten. Jede
    Gliederung eines westlichen Geheimdienstes war auch in Westberlin
    präsent.


    Nachkriegsetappe

    Unmittelbar nach Kriegsende wirkten die im Krieg geschaffenen
    Geheimdienst-Strukturen mit dem Schwerpunkt der Arbeit in
    Gefangenenlagern und der Aufspürung von Nazi- und Kriegsverbrechern,
    vorwiegend als Organe der Hochkommissare. Es gab noch keine klaren
    Strukturen.

    Ein Beispiel ist das Camp King in Oberursel, das später noch bis in
    die 70er Jahre hinein eine Rolle spielte bei der
    nachrichtendienstlichen Befragung von DDR-Flüchtlingen und als
    Ausgangsbasis für eine Vielzahl von Werbungen der USA - Geheimdienste.



    Ausbau des militärischen Geheimdienst - Apparates

    Mit der Präsenz der Streitkräfte in den Besatzungsgebieten einher ging
    die Errichtung einer Vielzahl nachrichtendienstlicher Dienststellen
    aller Teilstreitkräfte unter dem Schutz der militärischen Objekte. Das
    betraf alle Besatzungsmächte. Man muss sich vorstellen, dass als Pendant
    zu den militärischen Gliederungen (Corps, Armeen, Divisionen)
    Geheimdienst-Organe operieren.

    Allein für die Geheimdienst - Strukturen der USA konnten mit Stand
    1988 mehr als 200 Dienststellen in über 75 Orten der Alt-BRD
    nachgewiesen werden.

    Ich werde mich auf die USA-Dienste konzentrieren, aber zuvor
    einige Kurzangaben zur sowjetischen Präsenz:

    Hauptkomponenten der sowjetischen Geheimdienste waren:

    die KGB-Residentur in Karlshorst mit rund 350 Mitarbeitern
    GRU-Dienststellen in Potsdam mit GRU- Einheiten in anderen Orten
    Militärabwehr in Standorten der Westgruppe
    Sowjetische Militärverbindungsmission in Frankfurt/Main
    lt. Presseberichten von 1993 gab es eine KGB-Residentur in der
    Botschaft der UdSSR in Berlin
    KGB-Residenturen in der UdSSR-Botschaft in Bonn und möglicherweise in
    Generalkonsulaten der UdSSR in anderen Orten der BRD (Hamburg,
    München).

    Die militärischen Geheimdienste der USA

    a) Die BRD ist Standort zentraler Kommandostäbe der USA-Streitkräfte
    Europa in Stuttgart, Heidelberg und Wiesbaden. Dort operieren
    entsprechende Führungsstäbe der militärischen Geheimdienste und ihnen
    nach geordnete Einheiten und Dienststellen.

    b) Beispiel Landstreitkräfte:

    Viele kennen evtl. die Begriffe MI (Military Intelligence), CIC
    (Counter Intelligence Corps), ASA (Army Security Agency) in
    verschiedenen Versionen.

    Anfang der 80er Jahre gab es Bemühungen, diese unterschiedlichen
    Richtungen einer geheimdienstlichen Tätigkeit für die Interessen des
    Heeres zu vereinen und damit einen effektiven Geheimdienst aufzubauen.
    Er sollte folgende Anforderungen erfüllen:

    1. Nutzung von allen geheimdienstlichen Quellen und analytische
    Zusammenführung aller Informationen aus diesen Quellen;

    2. Bearbeitung der Informationen auf der Basis moderner EDV-Anlagen
    mit dem Ziel, den

    Kommandeuren Lagebilder möglichst in Echtzeit anzubieten;

    3. Ausbau der Systeme zur Erfassung und Bewertung von Indikatoren für
    den Spannungsfall;

    4. effektive Vorbereitung des Übergangs auf die Kriegsstrukturen und
    Erprobung aller geheimdienstlichen Mittel und Methoden für den
    Kriegsfall ; z.B. die Mittel der elektronischen Kampfführung, aber
    auch der Einsatz von Fernspäh-Gruppen, von E-Fall-Funkern und nicht
    zuletzt die Überroll-Gruppen (Stay-Behind) .

    Im Ergebnis dieser Aktivitäten entstand das

    Intelligence and Security Command (INSCOM):

    Das Führungsorgan von INSCOM ist in Heidelberg beim Europa-Kommando
    des Heeres (USAREUR) stationiert. Ein zentraler Stab war bisher in
    München in der McGraw-Kaserne als 66th MI-Group tätig, er wurde nach
    Augsburg verlegt.

    Per 31.12.1985 waren bei INSCOM-Einheiten in der BRD und Westberlin
    4.460 Mitarbeiter beschäftigt. Die Hauptrichtungen der Tätigkeit sind:

    - Geheimdienstliche Unterstützung aller militärischen Planungen des
    Heeres für den Kriegsschauplatz Europa.

    - Nutzung aller Mittel der elektronischen Aufklärung (SIGINT = Signal
    Intelligence)

    - Nutzung menschlicher Quellen (HUMINT = Human Intelligence; umfasst
    den Einsatz aller

    menschlicher Quellen, vom Geheimdienst-Offizier z.B. als
    Militärattaché bis zum Agenten).

    Schwerpunkt-Arbeit mit Agenten:

    In jedem Geheimdienst der Teilstreitkräfte existieren große
    Struktureinheiten, die für die Werbung und Führung von Agenten für die
    Militärspionage zuständig sind. Selbst der Marine-Geheimdienst (Naval
    Intelligence Command - NIC) unterhielt - fern von den Meeren - in
    Augsburg und Westberlin solche Dienststellen.

    Militärspione wurden durch die US-Geheimdienste von Anfang an im
    großen Umfang eingesetzt. Massenwerbungen sind ein Charakteristikum -
    und auch bis zuletzt, obwohl es in den Führungen der Geheimdienste
    immer Auseinandersetzungen um die Relationen Technik - Mensch gab.

    Entwicklung und Ausbau der

    Fernmelde/Elektronischen Aufklärung
    (FmEloAufkl)

    Bis vor einigen Jahren gehörte der zentrale Geheimdienst der USA für
    die fernmelde-technische und elektronische Spionage, die NATIONAL
    SECURITY AGENCY - NSA, zu den großen Geheimnissen der USA.

    Die Aufgaben dieses Zweiges der Aufklärung sind:


    + Erfassung und Auswertung aller elektromagnetischen Abstrahlungen
    (SIGINT). Sie umfasst: COMINT (Communications Intelligence): vom
    Satellitenfunk bis zum Fernschreiber/ Faxgerät; ELINT (Electronic
    Intelligence): charakteristische Abstrahlungen von Waffen- und
    Waffenleitsystemen, Computern;

    + Brechen fremder Codes, Dechiffrierungen
    + Schutz der eigenen Nachrichtenverbindungen.
    Unter der fachlichen Aufsicht der NSA agieren spezielle Dienste aller
    Teilstreitkräfte:

    Landstreitkräfte: INSCOM:

    Ihre größeren Dienststellen sind z.B.


    + Field Station Augsburg/Gablingen (größte
    Wullenweber-Kreisantennenanlage) 1985: 1814 Mitarbeiter

    + Field Station Berlin/Teufelsberg (aufgelöst)
    1985: 795 Mitarbeiter (INSCOM-Personal); dazu Personal der Luftwaffe
    und eine britische Einheit (26. Signal Unit).

    Luftwaffe:

    Electronic Security Command - ESC

    Europa-Division in Ramstein; mit Einheiten in Augsburg, Bad Aibling,
    Flughafen Hahn, Flughafen Lindsey (Wiesbaden) und Sembach;

    in Westberlin die 690th Electronic Security Wing (1990) mit Stab in
    Tempelhof, Anlagen in Marienfelde und Teilen im Teufelsberg.

    Marine: Naval Security Group - NSG

    Europa - Stab in London; Außenstelle in Augsburg

    Wertung:

    Das Informationsaufkommen aus der Fm/Elo-Spionage der westlichen
    Geheimdienste, einschließlich der britischen und französischen
    Einheiten (und der BND-Aktivitäten), war so umfassend und in der Regel
    tagesfertig (Echtzeitaufkommen), dass damit für bestimmte Bereiche die
    aufwendige Werbung und Steuerung von Agenten (die zudem immer das
    Risiko von Gegenmaßnahmen trugen) eingeschränkt werden konnte.



    Dienststellen mit besonderen Aufgaben:

    (zur Abrundung):

    + US Army Russian Institute in Garmisch-Partenkirchen: Ausbildung von
    Geheimdienst-Offizieren für Einsatz in osteuropäischen Ländern;

    + Befragungswesen mit einem großes Zentrum in München (Außenstellen in
    den Aufnahmelagern Gießen, Zirndorf, Friedland), enge Kooperation mit
    BND und in Westberlin . Hauptaufgabe ist die umfassende
    nachrichtendienstliche Befragung von Flüchtlingen/Übersiedlern und
    Bearbeitung so genannter Rückverbindungen (d.h. Bemühungen, diese als
    Agenten zu werben).

    + Post- und Telefonkontrolle in Westberlin:

    Army Special Operations Field Office Berlin - Standort: Tempelhof.
    Eine Besonderheit ist:

    bis 1990 oblag den Alliierten diese Funktion in Westberlin. Selbst das
    Landesamt für Verfassungsschutz u.a. deutsche Stellen mussten Antrag
    bei den USA stellen und erhielten die Ergebnisse (auch "vorsortiert"?)
    von diesen. 1990 kam es übrigens zu einer Vielzahl von
    Arbeitsrechtsklagen, da die vorwiegend deutschen Angestellten eine
    Übernahme zum Verfassungsschutz anstrebten.

    Der britischen Dienst unterhielt in Westberlin das
    Observationskommando "CHARLY", dessen Einsatz vorrangig gegen
    sowjetische Vertreter in ganz Berlin gerichtet war.

    Militär-Verbindungs-Missionen (Military Liaison Mission) bestanden in
    Potsdam bzw. Neufahrland.

    Die CENTRAL INTELLIGENCE AGENCY (CIA) in Deutschland

    Auch in der BRD bedient sich die CIA der traditionellen Etablierung
    von Auslandsresidenturen in diplomatischen Vertretungen. Darüber
    hinaus geben ihr die militärischen Einrichtungen Schutz und Tarnung
    für spezielle Dienststellen. Ihre Hauptaufgaben waren die politische,
    wirtschaftliche und militärische Spionage gegen die Sowjetunion, die
    DDR und die anderen Warschauer-Vertrag-Staaten.

    Frankfurt/Main

    Seit 1945 wird das IG-Hochhaus (Abrams-Building) am Grüneburg-Platz
    von den USA genutzt. Dort und in weiteren Dienststellen sind operative
    Strukturen und technische Dienste der CIA disloziert, die Funktionen
    für die Aufgabenstellungen in ganz Osteuropa wahrnehmen.

    Außerdem sind im Raum Frankfurt die Telekommunikations-Einrichtungen
    zur Verbindung mit dem CIA-Head-Quarter (HQ) stationiert. Hier
    operieren oft auch spezielle Einsatzgruppen - z.B. für den arabischen
    Raum (es gab z.B. einige Jahre eine spezielle Libyen-Gruppe, die mit
    hochrangigen CIA-Spezialisten besetzt war; sie erfüllte evtl.
    besondere Aufgaben der Terrorabwehr).

    Stuttgart

    In den 80er Jahren wurde eine zentrale Führungsstelle für Europa beim
    Hauptquartier der USA - Streitkräfte für Europa (USEUCOM) in
    Stuttgart-Vaihingen unter der Bezeichnung "Plans and Analysis Staff "
    festgestellt.

    Residentur Bonn

    Die Residentur hatte 120 Planstellen. Sie nutzte jahrelang als Tarnung
    die Bezeichnung: "Office of Coordinator and Adviser - OCA".

    Eine Auslandsresidentur dieser Größe ist gegliedert wie eine
    Abteilung:

    Leiter-Resident (genannt: Chief of Station - COS); er ist de facto
    akkreditiert bei den Geheimdiensten des Gastlandes;
    Stellvertreter für operative Aufgaben
    Referat Abwehr
    zwei Referate für operative Aktivitäten (DDR und Sowjetblock)
    Referat Berichtswesen/Information
    Referat Administration
    Verbindungsstäbe zu den Geheimdienst der BRD (Referat Liaison) und zu
    den militärischen Geheimdiensten der USA.
    Residentur Westberlin

    Bis 1973 gingen alle Aktivitäten gegen Ostberlin und die DDR allein
    von Westberlin aus; mit der Einrichtung der USA-Botschaft in der DDR
    erfolgte eine Teilung.

    In Westberlin arbeitet ein Teil der Mitarbeiter unter diplomatischer
    Abdeckung der US-Mission, ein anderer Teil unter der militärischen
    Tarnung "U.S. Army Field System Office - USAFSO".

    Das Schema der Tarnbezeichnungen war auch hier nicht sonderlich
    kreativ: Der Resident hatte die Bezeichnung: Special Advisor to the
    Commander Berlin Brigade und sein Stellvertreter die Tarnung: Special
    Advisor to the Minister (= Botschafter). Solche Stereotype in den
    Tarnungen erleichterten der Gegenspionage der DDR die Identifizierung.

    Außenstellen

    in den Generalkonsulaten

    Die Leiter der Außenstellen werden als Chief of Bases bezeichnet und
    alle nutzten ebenfalls seit Jahren die Tarnung OCA. Wichtige Basen in
    der BRD waren:

    Hamburg: bis Anfang 70er Jahre Hauptausgangspunkt der Werbung und
    Steuerung von Agenten gegen die DDR;

    Frankfurt/Main: zentrale Funktion bei Operationen in Osteuropa;

    München: Verbindungsstab zum BND; Operationen Richtung Südosteuropa,
    Kontakte zu den Sendern Radio Free Europe/Radio Liberty.

    CIA-Residentur in der DDR ab 1973

    Mit der Errichtung von Botschaften der westlichen Staaten in
    Berlin/DDR begann auch die Installierung von Geheimdienst-Residenturen
    unter diplomatischer Abdeckung.

    Die Besonderheit bestand darin, dass die Mitarbeiter nach wie vor
    Westberlin als operatives, technisches und privates Hinterland nutzen
    konnten (d.h. Vorbereitung, Auswertung und Berichterstattung über
    nachrichtendienstliche Aktionen erfolgten immer in Westberlin - damit
    für die Abwehr weniger Angriffspunkte).

    Die CIA war in der DDR mit 6 - 7 Mitarbeitern vertreten, sie waren
    alle diplomatisch akkreditiert. Auffällig war, dass relativ häufig
    Frauen eingesetzt wurden (auch das Referat DDR im CIA-HQ hatte eine
    Chefin) und Ehepaare gemeinsam/arbeitsteilig Geheimoperationen
    durchführten.

    In 80er Jahren gab es eine starke Konzentration auf
    Gesprächsaufklärung und Abschöpfkontakte in zwei Grundrichtungen:

    mit offiziellen Stellen: Partei, Staat, Wissenschaft und Kultur
    mit oppositionellen Kräften: Kirche, Friedensgruppen.
    Insbesondere die letztgenannten Kontakte erbrachten der CIA ein hohes
    Informationsaufkommen zu speziellen Seiten der Entwicklung in der DDR
    (nicht immer ein objektives Bild). Die Bereitwilligkeit der
    Gesprächspartner, jede Information zu übergeben und auch taktische
    Orientierungen entgegenzunehmen, enthob die CIA von der Notwendigkeit,
    hier mit klassischen nachrichtendienstlichen Mitteln der
    Agentenwerbung vorzugehen. (Beispiel: Der Mitarbeiter der
    CIA-Residentur Imre Lipping führte Kontakte mit Ralf Hirsch und R.
    Eppelmann).

    Diese Entwicklung führte dazu, dass in der Struktur der
    CIA-Auslandsresidentur in der DDR eine deutliche Teilung zwischen
    Mitarbeitern zur Agentenführung und Mitarbeitern für
    Gesprächsaufklärung stattfand und die personelle Besetzung deutlich
    zugunsten der Gesprächsaufklärer verändert wurde. Außerdem wurde
    dieser Teil durch Angehörige des Geheimdienstes des Außenministeriums
    (Bureau of Intelligence and Research - INR) und durch häufig
    einreisende Mitarbeiter des Analysebereiches der CIA-Zentrale
    verstärkt.

    Besonders in der Abschöpfarbeit kam es zu einem intensiven
    Zusammenwirken der CIA-Mitarbeiter mit Angehörigen der
    Auslandsresidenturen der britischen und französischen Geheimdienste in
    der DDR (Lipping z.B. tauschte sich fast täglich mit seinen britischen
    und französischen Partnern aus).

    Abschlussbemerkung:

    Lt. Berliner Zeitung vom 1.12.1992 verstärkt die CIA die Präsenz in
    Deutschland durch Entsendung von Spezialisten für Rechtsradikalismus.

    Es kann nicht beurteilt werden, ob hier reale Interessen der
    gemeinsamen Bekämpfung des Rechtsradikalismus existieren oder diese
    Begründung nur Tarnung ist für die Verstärkung mit ganz anderen
    Zielen.