Vorstellung als neuer Moderator

  • Vorstellung als neuer Moderator

    Der Anfang ist es, der dem Menschen fehlt. Nicht das es so schwer wäre, ihn zu finden - nur die Einbildung, ihn suchen zu müssen, ist das Hemmnis. - Gustav Meyrink

    Tja, da ich nun offizieller Moderator des Unterforums für Geschichte bin, wollte ich die Gelegenheit nutzen und mich vorstellen und euch auch zeigen wieso ich das gerade machen will und was so meine Vorstellungen sind. Einige werden mich sicherlich schon kennen, andere vielleicht nicht. Ich will jetzt auch keine großen Reden über mich schwingen, dafür gibt es schließlich eigene Threads.
    Jedenfalls, als (hoffentlich) baldiger Geschichts – und Philosophiestudent, sehe ich es als gute Gelegenheit hier mal aktiv zu werden, da hier bisher noch kein Moderator gewesen ist.
    Warum Geschichte? Warum sich überhaupt die Mühe machen und Moderator für so was werden? Ich höre öfters das Geschichte, oder speziell Geisteswissenschaften nicht mehr benötigt werden. Die Debatte ist ja grad aktuell, und da wir ja im „Jahr der Geisteswissenschaften“ sind, wird dies mal wieder hervorgekramt.
    Die Debatte ist nicht neu, nein sie ist sogar recht alt. Man gibt ihr heute nur ein aktuelles Aussehen und man sei der Meinung man hätte vorher nie darüber diskutiert. Sind Geisteswissenschaften wirklich so sinnlos? Manche Journalisten und Wissenschaftler sagen, dass Geisteswissenschaften nur noch dazu dienen, die Moral in der Wissenschaft zu erhalten. Hinzu kommen noch die altbewährten Argumente, das Geisteswissenschaften keinen Bezug zur Praxis haben, unverständlich für den „Normal“bürger sind und verstaubtes Wissen darbieten.Ja es ist einfach Geisteswissenschaften als sinnlos für die heutige Gesellschaft darzustellen. Dies ist nichts Neues und wurde schon öfters probiert.
    Sicherlich gibt es Schwächen und berechtigte Kritik, aber wieso wird nie oder kaum danach gefragt, wieso das so ist oder was man dagegen tun kann?
    Eine, meiner Meinung nach, sehr gelungene Betrachtung und Kritik der Geschichtsforschung ist Joris – Karl Huysmans gelungen. Sie ist in dem Roman „Tief unten“ enthalten und ich möchte sie euch nicht vorenthalten:

    Die Geschichtsforschung verdrängte in Durtals Gunst den Roman, dessen erfabelte Handlungsführung – zu Kapiteln geschnürt, en gros verpackt, zwangsläufig platt und gängigen Mustern verhaftet – ihn unangenehm berührte.
    Und trotzdem schien ihm die Geschichtsforschung nur ein Notbehelf, denn er glaubte nicht an die Wirklichkeitstreue dieser Wissenschaft;„historische Ereignisse“, sagte er sich, „sind einem Manne von Talent doch nur ein Sprungbrett für Einfälle und persönlichen Stil; schließlich verändern sie sich ja, werden glimpflicher oder bedrohlicher, wie es die vertretende Sache jeweils erfordert oder dem Temperament des Schreibers gemäß ist, der sie zurechtrückt.
    Was die Dokumente betrifft, die sie belegen sollen – mit denen ist es noch schlimmer! Es ist nämlich keines unter ihnen, das sich nicht auf andere Quellen zurückführen ließe, und alle sind sie in sich anfechtbar. Ist ein Dokument einmal nicht apokryph, kommen irgendwann später neue, ebenso gesicherte Materialien zutage, die es als Fälschung entlarven, bis die – nach Aushebung weiterer, ebenso zuverlässiger Archive – ihrerseits in Misskredit geraten.
    Gegenwärtig, wo verbissen jeder alte Aktenkarton restlos ausgekratzt wird, dient die Geschichtsforschung bloß noch zur Befriedigung literarischer Geltungssucht von Provinzadeligen, die jene Schubladen – Pastetchen backen, denen sabbernd vor Appetit das Institut de France seine Ehrenmedaille und Großen Preise zuerkennt.“
    So betrachtete Durtal die Geschichtsforschung denn als die würdevollste der Lügen, die kindlichste der Selbsttäuschungen. (...) „Die Wahrheit ist, dass es zuverlässige Exaktheit nicht geben kann“, sagte er sich. „Wie sollte es auch gelingen, in Geschehnissen des Mittelalters einzudringen, wo doch nicht einmal Episoden der allerjüngsten Vergangenheit Erklärer finden – etwa die Hintergründe der Revolution, das unterirdische Pfahlwerk der Pariser Kommune? Da bleibt einem nur ein Weg: man muss sich seine eigene Vorstellung fabrizieren, sich Geschöpfe früherer Zeiten herbeiphantasieren, in ihre Haut schlüpfen, sich, wenn möglich, in das äußere Erscheinungsbild ihrer hinterlassenen Gewänder kleiden – kurz, aus geschickt ausgewählten Einzelheiten immer wieder ein täuschend wirklichkeitsähnliches Ganzes zusammenschmieden. Genauso ist im Grunde Michelet verfahren; nun war dieses Waschweib, diese nervenschwache Alte zwar viel durch Nebensächliches geschweift, hatte bei Nichtigkeiten verweilt, sich leicht irre redend in Anekdoten ergangen, die er aufblies und zu Unermesslichkeiten stilisierte, sobald Gefühlsausbrüche und chauvinistische Anfälle ihm heimsuchten, die die Treffsicherheit seiner Mutmaßungen beeinträchtigten, seine sonst kerngesunde Befähigung zu Hypothesen kränkeln ließen – und doch war er der einzige in Frankreich, der über den Jahrhunderten geschwebt hatte und von hoch oben herabgestoßen war auf die lange, düstere Reihe alter Berichte.
    Ja, sie war hysterisch und geschwätzig, seine 'Geschichte Frankreichs', schamlos und voller Intimitäten – und dennoch wurde sie stellenweise vom frischen Windhauch der Weite durchweht und solchen Niederungen enthoben; seine historischen Gestalten waren lebendig, verließen jene Zwischenreiche, in welche seine Kollegen sie mit Zitat – Urnen eingruften; von daher betrachtet spielte es kaum noch eine Rolle, dass Michelet unter den Historikern vielleicht der am wenigsten wahrheitsgetreue gewesen war – schließlich war er der originellste und der am stärksten künstlerisch veranlagte unter ihnen. Was die anderen betraf, so schnüffelten sie jetzt in alten Papieren herum, begnügten sich damit, Vemischte Nachrichten an ihre Korkwand zu spießen. Im Gefolge von Taine beleimten sie ihre Notizen, klebten sie der Reihe nach hintereinander, bewahrten freilich nur diejenigen auf, die die einfallsreichen Konstruktionen ihrer Erzählungen stützen konnten. Diese Leute versagten sich jegliche Phantasie, jeglichen Enthusiasmus, behaupteten, nichts zu erfinden – was sie ja auch wirklich nicht taten, doch frisierten sie sich die Geschichte nicht minder zurecht, nämlich durch die Auswahl der Dokumente. Und wie einfach war ihr System! Man entdeckte, das sich in mehreren Gegenden Frankreichs ein bestimmtes Ereignis zugetragen hatte – und schloß daraus gleich, dass an dem und dem Tag in dem und dem Jahr zu der und der Stunde das ganze Land so und so lebte, so und so dachte.
    Sie waren wackere Fälscher, darin standen sie Michelet nicht nach, aber sie hatten weder seine geistige Spannweite noch seine Schaukraft; sie waren die Kleinkrämer der Geschichtsforschung, Lumpensammler, Fußnotenhäufer, die viel herumpünkteln, ohne als Ergebnis ein Ganzes zu bieten, genau wie die heutigen Maler, die wahllos Farbtöne nebeneinanderzwecken, genau wie die Dekadenten, die Wortfrikadellen braten!
    Wiederum anders verhält es sich mit den Biographen“, sagte Durtal zu sich. „Die bilden die Fraktion der Haarauszupferinnen. Da haben Leute Bücher geschrieben, um darzutun, das Theodora keusch war und Jan Stehen keineswegs trank. Ein anderer hat den François Villon entflöht, hat sich bemüht darzutun, dass die Dicke Margot aus der Ballade wohl keine Frau, sondern ein Schenkenschild war, den Dichter stellte er fast schon als einen prüden und enthaltsamen, vernünftigen und redlichen Menschen hin.
    Diese Historiker schienen beim Verfassen ihrer Monographien zu befürchten, sie brächten Schande über sich, wenn sie Autoren oder Maler anrührten, deren leben von heftigen Windstößen durchrüttelt worden war. Ohne Zweifel hätten sie in diesen Künstlern gern solche Spießbürger gefunden, wie sie selber waren; herausgeputzt wurde das Ganze übrigens immer mit Hilfe jener berüchtigten Art von Belegstücken, die man so schön zerklauben, verdrehen, zurechtsortieren kann.“



  • Harte Kritik… aber durchaus berechtigt. Und aktuell wie eh und je. Und ich glaub das ist auch das Problem.
    Wie kann man Geschichte darstellen die Objektiv ist? Geht so etwas? Ich glaube nicht, man kann sie nur von verschiedenen Blickwinkeln aus betrachten.
    Ich selber halte es mit kritischen Material nach dem Hegelschen Prinzip These – Antithese – Synthese. Jeder hat eine andere Wahrnehmung und jeder andere Vorstellungen und Erfahrungen. Und man kann leicht sehen was passiert, wenn Weltbilder, die wir lieb gewonnen haben, schwanken. Streits zwischen Historikern, Schubladendenken und „Fachidioten“ wie man so schön sagt, bringen nichts. Und dann ist klar das der „Normal“bürger nicht mehr durchsieht und desinteressiert wird. Was ist denn nun wahr?
    Mit Geschichte und Archäologie wird auch viel Schund betrieben, nur damit man angesehen wird. Sind das die Ideale der Geisteswissenschaft?
    Doch nicht nur um Ruhm geht es - nein auch um Manipulation.
    Nehmen wir nur mal Hubertus Knabe der "erforscht" hat, die Chancen in einem nationalsozialistischen KZ zu überleben sei größer gewesen als in einem sowjetischen Speziallager der SBZ. Aja? Anscheinend ist bei ihm Papier so geduldig das es sich automatisch zur Wissenschaft erklärt. Mehrere Gerichte stuften seine Methoden als dubios ein aber das stört ihn nicht und er publiziert weiter. Oder Walentin Falin, der meinte, dass die deutsche Teilung hätte verhindert werden können, wenn die Deutschen „die Einheit ihres Landes verteidigt hätten“. Gute Idee – besonders für
    alle die sich damals persönlich beim KGB über die Teilung beschwert haben. So lässt sich Geschichte natürlich auch aufarbeiten – selber Schuld – fertig.
    Als Abschluss ließe sich noch Alexandra Hildebrandt schildern, die offen zugegeben hat bis 1989 noch nie von der Mauer gehört zu haben, aber sich dadurch berühmt machte das sie Kreuze für Maueropfer aufstellen ließ wo nie eine Mauer stand, Opfer rehabilitierte, die nie Opfer waren und somit eigentlich gar nicht weiß was sie für ihr Geld eigentlich tut.
    Diese Beispiel für die jüngste Geschichte, also DDR – Vergangenheit, zeigt doch schon die Problematik, die selbst Huysmans im 19. Jahrhundert schilderte.
    Es kann ja sogar schlimmer kommen… so wie damals 1999 die NATO alles als Massengrab definierte wo mehr als zwei Tote beerdigt waren. Oder sogar ohne Tote, wie Rudolf Scharping bei der Erfindung eines serbischen KZs in Pristina.
    So wird Geschichte benutzt um Kriege zu legitimieren… achja ich meinte natürlich „Befriedungsmissionen“.
    Die Liste ließe sich noch beliebig ausweiten, und sei es DDR, 3. Reich, Mittelalter oder was weiß ich… wer macht Geschichte?
    Sieht so Geschichte aus? Was ist eigentlich Geschichte?
    Dokumentierte Tatsachen gelten als „Geschichte“ - Daten die wissenschaftlich geprüft werden können, verschiedenen Tests standhalten und dadurch beweisen, das etwas wirklich geschah. In diesem Sinne besteht „Geschichte“ aus Namen, Daten, Schlachten, Verträgen, politischen Bewegungen, Konferenzen, Revolutionen, sozialen Umwälzungen und anderen „objektiv unterscheidbaren“ Phänomenen. Neben der „Geschichte“ gibt es noch den „Mythos“, wo wir jetzt langsam zur Mythologie kommen. Allerdings wird der „Mythos“ als irrelevant oder nebensächlich für die „Geschichte“ verworfen. Man verbannt ihn ins Reich der Phantasie, der Dichtung und Literatur. Er gilt als unechte Ausschmückung oder Verfälschung von Tatsachen, als Verzerrung der „Geschichte“; deshalbmüsse er rücksichtslos ausgemerzt werden. „Geschichte“ und „Mythos“ seien voneinander zu trennen, bevor die Wahrheit des Vergangenen enthüllt werden könne.
    Doch die ursprünglichen Schöpfer dessen, was spätere Epochen „Mythos“ nannten, kannten eine solche Unterscheidung nicht. Homers „Odyssee“ z.B. die den wahrscheinlich fiktiven Abenteuern eines einzelnen Mannes gewidmet war, wurde zu ihrer Zeit – und Jahrhunderte danach – für nicht weniger historisch zutreffend gehalten als die „Ilias“, die sich mit einem „wirklichen“ Ereignis, der Belagerung Trojas, beschäftigte.
    Doch es wird auch durch „Mythen“ neue Geschichte erschaffen. Je nachdem, wie sehr sie die Phantasie entzünden und in der Vorstellungskraft der Menschen lebendig bleiben, werden historische Ereignisse und Personen unmerklich zu Mythen. In Fällen wie denen von König Arthus oder Robin Hood hat der Mythos jede einst existierende historische „Wirklichkeit“ überlagert. Im Falle der Johanna von Orleans ist die historische „Wirklichkeit“, wenn auch nicht völlig überdeckt, so doch in den Hintergrund gedrängt worden, während der Vordergrund von Übertreibungen, Ausschmückungen und reiner Erfindung beherrscht wird. In der jüngeren Vergangenheit – denken wir nur an Che Guevara, John F. Kennedy, Elvis Presley usw. – ist die historische „Wirklichkeit“ hinter den mythischen Elementen noch auszumachen, doch letztendlich nicht von ihr zu trennen. Und gerade die die mythischen Elemente sind es, die unser Interesse an der historischen „Wirklichkeit" wecken.
    Man kann argumentieren, dass jede Geschichtsschreibung im wesentlichen eine Form des Mythos ist, so wie es Huysmans tat. Jede historische Darstellung orientiert sich an Bedürfnissen, Einstellungen und Werten der Zeit, in der sie verfasst wird, nicht an denen jener Zeit, auf welche sie sich bezieht. Jede historische Darstellung ist notwendigerweise selektiv, d.h. sie betont bestimmte Faktoren und vernachlässigt andere. Sie ist also voreingenommen und verfälscht unvermeidlich das, „was wirklich geschah“.
    Wenn moderne Medien sich schon nicht über die Interpretation von Geschehnissen einigen können, die erst gestern stattfanden, muss die
    Vergangenheit einer noch viel größeren Spannweite von Interpretationen unterworfen sein.

    Deswegen sollte meiner Meinung nach „Geschichte“ nicht nur aus äußeren, beweisbaren „Daten“ bestehen, sondern auch aus dem geistigen Zusammenhang, in dem die Daten eingebettet sind. Die Geschichte eines Volkes, einer Kultur, einer Zivilisation bezieht sich nicht nur auf äußere Daten, sondern auch auf die erfinderischen Übertreibungen, Ausschmückungen und Interpretationen des Mythos.
    Sie zeugen von tieferliegenden Bedürfnissen, Wünschen, Mängeln, Träumen und Überkompensierungen, und daher sind sie trotz ihrer vermeintlichen Falschheit nicht nur wahr, sondern auch aufschlussreiche und informative Aussagen, die wichtige Anhaltspunkte zum Verständnis der betreffenden Menschen liefern. Geschichte besteht nicht nur aus Fakten und Ereignissen, sondern auch aus der Beziehung zwischen Fakten und Ereignissen sowie der oft erfinderischen Interpretation dieser Beziehungen. In jedem derartigen Interpretationsakt wird zwangsläufig ein mythisches Element wirksam.
    Mythos und Geschichte sind nicht voneinander zu trennen!

    Ich will Geschichte nicht als sinnlos betrachten… man kann aus ihr lernen, man kann aus ihr Dinge erkennen… man kann so vieles… Philosophie,
    Religion, Politik ja auch Naturwissenschaften spielen in der Geschichte genauso eine Rolle.
    Und ich möchte dies als Moderator so handhaben. Ich will nicht einfach nur Fakten nennen, nein, ich will in die Tiefe gehen und alle Aspekte wie möglich betrachten. Zumal ist hier in diesem Forum noch wenig über bestimmte Themen geschrieben worden… 3.Reich ja… aber das ist ja nicht alles. Es ist wie ein schwarzes Loch … es dreht sich nur noch darum und als gäbe es nichts anderes mehr. Was ist mit der Geschichte Europas, Roms oder allgemein der Renaissance? Jede politische Kultur braucht eine Vorgeschichte, die sie stützt und legitimiert, sonst würden die Menschen ihre eigene Gesellschaft nicht verstehen.

    So ich denke mal das reicht an einleitenden Worten und hoffe, dass ich meinen Job hier zufriedenstellend machen kann. Ich freue mich auf Reaktionen und Antworten von euch und verbleibe erstmal mit folgenden Worten:
    „Was ist Vergangenheit? Du selbst“

    Da ich momentan meinen 4 - wöchigen Urlaub einläute werde ich also erst später so richtig loslegen können. Bis dahin könnt ihr schon mal was Interessantes schreiben^^.

    Auf frohes Schaffen
    Euer neuer Geschichtsmoderator
    Tempelritter_23