einem Verein, der sich f?r in ?sterreich lebende Sinti und Roma einsetzt.
Es ist fragw?rdig, weshalb diese Bev?lkerungsgruppe ?berhaupt jemanden
braucht, der sich f?r sie einsetzt, warum sie erst vor wenigen Jahren als
Zigeuner anerkannt wurden von der Regierung. Wieso sie bis vor wenigen
Jahren als "Ausl?nder" bezeichnet wurden, wo sie doch schon drei
Generationen zur?ck hier begraben liegen und hier leben und hier geboren
sind.
Zigeuner stehen nicht ?ffentlich dazu, Zigeuner zu sein. Oftmals geben sie
sich als Jugoslawen oder Tschechen aus, um nicht als Zigeuner erkannt zu
werden.
Sie haben Angst. Heute noch.
Man darf nicht vergessen: Zigeuner stinken, sie haben L?use und Fl?he,
waschen sich nicht, stehlen nat?rlich wie die Raben, k?nnen nicht
schreiben und lesen, und da ist es immer noch besser, ein normaler
"Ausl?nder" zu sein, als gleich ein Zigeuner.
Und weil sie so schlechte Menschen waren, wollte Hitler sie auch
umbringen- genauso wie Alte und Kranke und Behinderte.
Aber da gab es doch jemanden, der Zigeuner als etwas ganz Besonderes sah.
Dr. Mengele in Auschwitz n?mlich. Der war total begeistert von den
Zigeunern, baute ihnen eigene Baracken, und Kinderg?rten, weil er die
Kinder so mochte, lie? sich sogar manchmal "Vater" nennen von den h?bschen
dunklen Zigeunerkindern, die er sogar als intelligent bezeichnete.
Besonders die oftmals unterschiedlichen Augen der Zigeunerkinder zogen ihn
richtig magisch an. (Sie haben oftmals ein gr?nes und ein braunes, oder
ein blaues und ein gr?nes Auge)- und Zwillinge waren auf der Hitliste
Mengeles ganz oben.
Er lie? sie vermessen, machte Gipsabdr?cke von ihren Gesichtern, zwei
Kinder wurden am R?cken zusammengen?ht, ihre Arterien miteinander
verbunden, er wollte k?nstlich siamesische Zwillinge aus ihnen machen.
Sp?ter durfte die eigene Mutter die beiden Kinder mit einem Polster
ersticken, weil sie so geschrien haben, dass sie es nicht aushalten
konnte.
Die verschiedenen Augen wurden nach der Ermordung vieler Zigeuner
eingeschickt und untersucht.
Von etwa 11.000 in ?sterreich lebenden Zigeunern wurden vorsichtig
gesch?tzt 9000 ermordet.
Die wenigen, die die KZ`s ?berlebt haben, haben sich nie wieder getraut,
?ffentlich zu sagen, wer sie sind. Sie verschweigen ihre Geschichte.
Sie geben diese Angst an ihre Kinder weiter, und die Kinder wachsen mit
dieser Angst auf.
Da k?nnen sie noch so wunderbare Gipsy- Musik spielen und fr?hlich tanzen
und singen, es schwingt immer ein trauriger Unterton mit.
Wer wusste schon, dass die Zigeuner zwar aus Indien nach Europa kamen,
dass sie aber keineswegs ein "Nomadenvolk" waren, sondern nur deshalb
herumgereist sind, weil sie nirgends stehen bleiben durften f?r l?ngere
Zeit? Weil sie gehetzt und gejagt wurden, vertrieben wurden wo immer sie
auch aufkreuzten, weil die ?sterreicher Angst hatten vor diesen dunklen
Gesichtern, vor den schwarzen Haaren und vor der fremden Energie, die sie
mitbrachten als Scherenschleifer, Kesselflicker, Teppichverk?ufer und so
weiter.
Dass viele Zigeuner etwas stehlen mussten, weil sie oftmals gar nicht die
M?glichkeit bekamen, etwas zu kaufen, aber ihre Familien auch irgendwie
ern?hren mussten- dar?ber spricht man nicht, das wird heute noch in
Rum?nien totgeschwiegen, dass Zigeuner an den Rand der St?dte gedr?ngt
werden, in Betonblocks teilweise ohne Strom und Wasser, die bekommen keine
Chance, eine normale Arbeit anzunehmen, wegen ihrer Herkunft. Was bleibt
?brig? Kriminalit?t.
Ich habe mich jedenfalls lange mit diesem Thema besch?ftigt, habe mir
viele Dokumentationen ?ber Zigeuner im Fernsehen angeschaut, viele
Berichte gelesen, viele Zeitungen, B?cher gekauft, usw. Aber ich wollte
nat?rlich auch endlich jemanden kennen lernen, der mir LIVE davon erz?hlen
konnte, was einen Zigeuner ausmacht und was ?brig geblieben ist von ihrer
Kultur, ihren Br?uchen, ihren Liedern und T?nzen.
Aber wie lernt man Zigeuner kennen, wenn sie sich nicht ?ffentlich "outen"?
Ich wei? zwar, dass im Burgenland welche wohnen, konnte aber schlecht von
T?r zu T?r gehen, anl?uten und fragen: "Tschuldigung, san sie zuf?llig a
Zigeina"?
Ich wandte mich also an den Verein Romano Centro in Wien und stellte meine
Frage, ob sie jemanden w?ssten, der Sinti oder Roma ist, eventuell KZ`s
?berlebt hat und als Zeitzeuge fungiert, und den ich kennen lernen k?nnte.
Ich bekam die Adresse von einer Frau aus Wien, mit den Zeilen:" Frau Ceija
Stojka w?rde ihnen sicherlich weiterhelfen k?nnen, sie hat 3 KZ`s ?berlebt
und ist Roma, hat B?cher ?ber ihr Leben geschrieben und w?rde ihnen sicher
genre dar?ber erz?hlen."
Ich habe diese Adresse lange Zeit zu Hause gehabt, habe mich aber nie
getraut, ihr zu schreiben, Wien schien so weit weg zu sein, ich wusste
nicht wirklich, was ich sie fragen sollte, was ich sie fragen KONNTE- denn
man stellt ja nicht einfach so Fragen wie: "Wie schrecklich war es im KZ"?
Ich kannte diese Frau nicht, also kaufte ich erstmal ein Buch ?ber sie.
Auf dem Cover des Buches das Bild von ihr: eine wundersch?ne alte Frau mit
sehr weisen, wissenden Augen, sehr stolz, sehr mutig sah sie mich an, mit
magischen Amuletten um den Hals, der Fatima- Hand und einer Marienfigur,
blond gef?rbte Haare.
Ich hab das Buch zweimal gelesen. Es ist geschrieben, als h?tte es ein
Kind geschrieben. Leicht. Locker. Ohne gro?e Ausschm?ckungen, einfach so,
wie sie es erlebt hat. Ravensbr?ck, Bergen- Belsen, Dachau- die
Schornsteine, die Abholung ihres Vaters, seine Vergasung, der Tod des
kleinen Bruders an Typhus, die unheimliche Kraft der Mutter "Sidi", die
alles zusammenhielt.
Hunger. ?berlebenskampf. Und dann als sie alles ?berlebt hatte die
R?ckkehr nach Wien- und wieder kein Dach ?ber dem Kopf, wieder kein zu
Hause, wieder umherziehen mit Pferd und Wagen.
Das Buch hat mich sehr ber?hrt.
Ich habe mich dann entschlossen, ihr zu schreiben, und ihr zu sagen, dass
ich sie f?r eine sehr stolze, mutige, sch?ne Frau halte, die ich sehr
bewundere f?r ihre Kraft und ihren Mut dar?ber zu reden- immer wieder- und
dass ich sie gerne kennen lernen w?rde.
Lange Zeit bekam ich keine Antwort. Drei Monate sp?ter, als ich schon gar
nicht mehr damit rechnete, kam pl?tzlich ein unscheinbarer Brief daher.
Ich schaute auf den Absender und war auf einen Schlag hellwach. Ich
?ffnete den Brief und das Erste was mir aus dem Kuvert entgegenblinzelte
waren bunte Blumen, eine bunte Wiese mit wundersch?nen Blumen.
Ich zog das Bild heraus, das dick mit ?lfarbe gemalt war, drehte es um,
und da stand in krakeliger Schrift:" Atmen, Leben Danach"- und daneben ein
Hakenkreuz.
Mir standen Tr?nen in den Augen.
Wie musste es sein, nach 3 KZ`s und all dem Leid und der Not und dem
schwarzen klebrigen Rauch und dem Schreien nach drei Jahren zum ersten Mal
wieder auf einer Blumenwiese zu stehen, und die Freiheit zu sp?ren, den
Wind, der durch das Gras streift, die Blumen in all ihren wunderbaren
Farben zu sehen, und zum ersten Mal nach so langer Zeit wieder reine Luft
einatmen zu k?nnen, ohne damit die Toten zu inhalieren.
Und dann eine kleine wei?e Karte mit wenigen Worten: "Ich lade Dich
herzlich ein, mich in Wien zu besuchen; Es wird nie aufkl?rbar sein, aber
nachdem Du da bist, sind wir schon zu zweit. Es freut mich, dass es solche
Menschen wie Dich gibt".
Na, ich bin nat?rlich gesprungen vor Freude und war den ganzen Tag ganz
?berdreht. Zweimal haben wir vor unserem Treffen telefoniert, am Telefon
erwische ich einmal ihren Sohn, einmal ihre Tochter, einmal ihre
Schw?gerin, man muss sich durch die ganze Sippe durchk?mpfen, wenn man da
jemanden bestimmten sprechen will. Haha Das finde ich nat?rlich alles
total aufregend und es wird immer spannender f?r mich. Ich bin so nerv?s,
dass mir schlecht wird, kurz bevor wir in Wien sind und ihre Haust?r
suchen.
Als wir (mein damaliger Freund Johannes und ich) sie schlie?lich gefunden hatten und
nerv?s mit einem Geschenk an ihrer T?r l?uteten h?pfte mir erstmal ein
kleiner wuscheliger Hund die Beine hoch und beschnupperte mich und bellte
und wedelte mit dem Schwanz, und dahinter kam eine Frau zum Vorschein, die
mir echt die Sprache verschlug.
Vom Buch- Cover her hatte ich mir Ceija etwas rundlich und gro? vorgestellt.
Die Frau aber, die da ?ber`s ganze Gesicht strahlte und sich f?r den Hund
entschuldigte und auf Romanes mit kindlicher weicher Stimme mit ihm
schimpfte, war sehr zierlich und klein, hatte lange strubbelige blonde
Haare, sie trug ein langes schwarzes Samt- Kleid, dazu eine glitzernde
goldene Sch?rze und gestrickte Woll- Socken, war total quirlig und war
etwa 70 Jahre alt.
Um den Hals hatte sie jede Menge magischer Amulette die mir vom Buch Cover
bekannt vorkamen. Sie bat uns, hereinzukommen.
Als wir durch den Flur Richtung Wohnzimmer gingen sah ich an den W?nden
?berall ihre wunderbaren Blumenbilder h?ngen, sowie Pferdegeschirr,
Steine, die beschriftet waren mit "Bergen Belsen", "Dachau", "Ravensbr?ck"
und "Auschwitz" lagen am Boden. Spiegel und riesige Teppiche zierten die
W?nde und B?den.
Und dann kam ein riesiger Durchgang, der mit riesigen dicken Teppichen
verhangen war. Und als die zierliche Frau davon verschluckt wurde, und ich
hinter ihr die Teppiche zur Seite schob um den Raum dahinter zu betreten
verschlug es mir gleich zum zweiten Mal den Atem, denn der Raum der
dahinter war , war etwa 100 Quadratmeter gro?, von der Decke hing ein
riesiger Luster, der funkelnd sein Licht verteilte, alle W?nde waren voll
von wunderbaren riesigen Bildern, Ahnengalerien, Fotos von der ganzen
Zigeunersippe, von Ahnen und verstorbenen Familienmitgliedern, von Ceija,
usw.
In der Mitte des Raumes stand ein riesiger Tisch, an dem sicher 15
Personen Platz haben, er war gedeckt mit gro?en T?chern die aus Thailand
oder Bali zu stammen schienen.
In einer Ecke des Raumes stand eine riesige hellblau, wei? und rosa
bemalte Marienfigur aus Holz, die mit glitzernden Plastik- Ketten
geschm?ckt war,
(es fehlte meiner Meinung nach nur noch blaues Lametta und eine
elektrische Lichterkette)- davor ein Altar mit Kerzen, Engelsfiguren,
getrockneten Blumen und einer Wahrsagekugel, die Wohnung war voll mit
barocken Sesseln, dick gepolstert mit edlen Stoffen, ?berall dicke
Teppiche.
Und an der Wand ein ungemachtes Bett mit bunter Bettw?sche.
Ceija rannte aufgeregt zwischen K?che und Wohnzimmer hin und her, stellte
auf den gro?en Tisch Schmalz, Wurst, Brot, Semmeln, Wasser, Cola, Kaffee
und K?se, Aufstrich und so weiter- obwohl wir ihr versicherten, dass wir
gerade gegessen hatten.
Dann ?bergab ich endlich mein Geschenk f?r sie, das ich vor lauter staunen
noch immer in der Hand hielt.
Als sie das Geschenk sah, stellte sie es vor sich auf den Tisch, st?tzte
ihre beiden Unterarme am Rand des Tisches ab, schaute mich an, sch?ttelte
den Kopf und grinste. Sie freute sich so sehr, dass sie fast weinte.
Dann begann sie mit langsamen, bed?chtigen Bewegungen, die Masche der
Verpackung zu l?sen, sagte mir so nebenher, dass sie meine Briefe ihrer
Familie vorgelesen h?tte und dass ihre Kinder geweint h?tten vor R?hrung.
Dann bewunderte sie das Verpackungs- Papier, die Masche, und als sie den
Inhalt sah, st?tzte sie sich wieder ab und sch?ttelte wieder den Kopf,
biss sich auf die Lippen, trug die Kerze die darin war zu ihrer
Marienfigur und sagte zu ihr: "Siehst Du Maria, was wir bekommen haben? So
eine sch?ne Kerze, die z?nden wir morgen an, ja? Und wie die duftet!"
Dann kam sie zur?ck und schaute sich die anderen Dinge an, die ich ihr
mitgenommen hatte- darunter eine gefilzte bunte Decke, die ich mal auf
einem Mittelaltermarkt gekauft habe, und die sie ihrer Maria zum Altar
legen wollte, und ein Gedicht und zwei gemalte Bilder von meiner Tochter,
wobei sie fast zu weinen begonnen hat vor Freude dar?ber.
Dann setzte sie sich an den Rand ihres Bettes, und wir begannen zu reden.
?ber mein Leben, ?ber ihr Leben, ?ber ihre Erlebnisse in den KZ`s.
Dabei konnte ich es nicht lassen, auf ihren Unterarm zu starren, der
t?towiert war mit der Aufschrift "Z 9600"- die Nummer aus dem KZ- wobei
das "Z" f?r Zigeuner stand. Diese T?towierung tat weh in den Augen und sie
versuchte nicht, sie zu verbergen, sondern trug sie mit W?rde.
Ich wusste, dass sie damals 7 Jahre alt war, als man ihr das t?towierte.
Und es war nicht sch?n t?towiert, so wie meine Tattoos, sondern wild
reingestochen in die Haut.
Sie erz?hlte, dass sie gerade erst vor wenigen Wochen erfahren h?tte, dass
ihr Vater nicht in Dachau an Lungenentz?ndung gestorben sei ( so wie
damals angeblich ALLE an Lungenentz?ndung gestorben sind laut Papieren) ,
sondern in Hartheim in Ober?sterreich, und dass die Urne, die sie damals
nach Hause bekam nicht die Asche ihres Vaters enthielt, sondern
irgendetwas anderes.
Ich habe ihr dann gesagt, dass ich in Hartheim mit behinderten Menschen
gearbeitet hatte und viele B?cher dar?ber h?tte und w?sste, dass die
?berreste der dort vergasten Menschen per G?terwaggons zur Donau
transportiert wurden und dort in den Fluss gekippt wurden.
Daraufhin war sie komplett aufgel?st vor Freude, bedankte sich tausendmal,
dass ich ihr das gesagt habe, denn Zigeuner legen Wert darauf zu wissen,
wo Verstorbene begraben liegen, und nun w?sste sie, dass ihr Vater in der
gr??ten "Ader" Europas flie?t, dass er verdunstete und zu Regen wurde und
wieder herunterkommt vom Himmel, dass sie ihn wahrscheinlich schon
getrunken h?tte, und dass er bei seinem Tod an seine Familie, seine Kinder
gedacht hat, und dass er diesen Weg gew?hlt hat, weil es der einzige und
schnellste Weg war, auf direktem Weg zur?ck nach Wien zu kommen.
Ich war total ger?hrt, als sie sp?ter meinte: "Auschwitz war so grausam,
dass sogar der Tod Angst hatte. Denn der Tod kann so viele Seelen auf
einmal gar nicht mitnehmen. Der war total ?berfordert, denn die sind ja
nicht normal gestorben, sondern umgebracht worden. Und das war sogar dem
Tod zu viel. Der hat richtig Angst gehabt!"
Dann erz?hlte sie mir von ihrem Sohn, der mit 23 Jahren an Drogen
gestorben ist. Sie sagte, dass Zigeuner ihre Angst weitergeben, ungewollt.
Dass die Kinder damit aufwachsen und dass kein Zigeuner ?ffentlich sagen
w?rde, dass er Zigeuner ist, weil dann sofort ein Schritt zur?ck gemacht
wird und die alten Vorurteile- dass Zigeuner stehlen w?rden und L?use
h?tten, sich nicht waschen w?rden und stinken- wieder zu Tage k?men.
Dass am Nachbarhaus ein Schild h?ngt, auf das jemand geschrieben hat:
"T?tet alle Roma- Kinder!" Und dass am Gehsteig vor dem Haus jemand ein
Hakenkreuz auf den Asphalt gespr?ht hat.
Ich bin nicht mehr schockiert ?ber diese Dinge, ich kenne die Szene und
wei?, dass sie es oftmals gar nicht aus wirklicher Bosheit machen, sondern
aus Unwissenheit, aus Minderwertigkeitskomplexen und Rudelverhalten. Sie
denken nicht dar?ber nach, wen sie treffen, Hauptsache, es lenkt von ihren
eigenen Problemen ab. Auch Ceija wei? das. Aber sie ist schockiert
dar?ber, dass es nie aufgeh?rt hat, obwohl alle wissen, was geschehen ist.
Sie ist schockiert dar?ber, dass es noch immer Leute gibt, die behaupten,
KZ`s h?tte es nicht gegeben.
Sie erz?hlte, dass sie mit ihrer Familie auf Kriegsfu? stehen w?rde, seit
sie ihr Buch ver?ffentlicht hat, weil die eine H?lfte der Familie neidisch
ist, weil bei ihr t?glich hohe Leute aus und ein gehen, Interviews gemacht
werden und sie dadurch auch Geld verdient hat, sich zu outen. Die andere
H?lfte der Familie hat einfach Angst, dass dadurch Hass erzeugt wird, oder
dass Rechtsradikale aufmerksam werden auf sie.
Au?erdem will niemand von den Roma oder Sinti ?ber ihre Erfahrungen in den
KZ`s reden, das w?re ein Thema, das totgeschwiegen wird.
Sie aber h?tte das nicht ausgehalten, und sie w?rde immer wieder dar?ber
reden, denn die Seelen der Toten begleiten sie und sie s?he es als ihre
Aufgabe in diesem Leben, dar?ber zu reden, und ihr Volk mit Stolz und
W?rde zu vertreten.
Die ganze Zeit w?hrend sie redet bin ich wirklich fassungslos ?ber ihre
wunderbare Ausstrahlung, das Licht, das sie verspr?ht trotz ihrer vielen
schrecklichen Erlebnisse. Sie lacht und dann scheint es wieder als w?rde
sie beinahe weinen, wenn sie nachdenklicher wird- und sie redet und
strahlt und spricht ?ber Geister und Seelen und Wiedergeburt, ?ber Karma
und den Tod ihres Vaters als w?re das total normal und ?berall ?blich.
Sie schaut sich meine Mappe die ich ihr zur Ansicht mitgenommen habe mit
einer kindlichen Freude an, lobt meine Bilder die ich gemalt habe, sagt
mir zu jedem Bild, was sie denkt und trifft JEDESMAL genau auf den Punkt
des Bildes- sie sp?rt einfach, aus welchem Grund ich es gemalt habe, wie
es entstanden ist. Auf keiner Vernissage hab ich so was bisher erlebt,
dass jemand anstatt zu fragen: "Was bedeutet es ?"- es einfach anschaute
und f?hlte- und auch noch so treffend erkl?ren konnte.
Als sie alles durchgebl?ttert hat sagt sie, dass sie mich mit einem Herrn
N. bekannt machen w?rde, und der w?rde sich bei mir melden und ich m?sste
mit meinen Bildern raus und d?rfte nicht so feige sein.
Sie schenkt mir ein Video ?ber ihr Leben, ein Buch, in dem sie Gedichte
schreibt, die meinen sehr ?hnlich sind, sowie eine CD, auf der sie Roma-
Lieder singt, und ein mit ihren typischen Blumenmustern bemaltes
Marmeladeglas, gef?llt mit Marillenmarmelade.
Sie erlaubt mir, Fotos zu machen, und als sie erf?hrt, wie lange Johannes
um mich k?mpfen musste, sagt sie lachend: "M?del, Du bist ja ?rger wie 10
Zigeuner zusammen"- wor?ber wir lange lachen m?ssen, denn ich empfinde das
als gr??tes Kompliment aus dem Munde einer Zigeunerin.
Sie nennt mich die ganze Zeit "M?del"- sagt mir mit kopf sch?tteln: "
M?del, Du musst ein Buch schreiben!" rennt weiterhin zwischen Wohnzimmer
und K?che hin und her, wird immer wieder von den dicken Teppich- Vorh?ngen
verschluckt, um dann wieder daraus hervorzukommen als w?rde ein riesiges
Wurmloch sie ausspucken.
Verz?ckt h?rt sie Johannes zu, der ?ber vergangene Leben und seine
Ansichten zu Spiritualit?t redet, sch?ttelt lachend den Kopf, schaut mich
an und sagt:"M?del, wo hast Du denn DEN aufgegabelt?"
Die Stimmung ist total locker, so als w?re sie eine alte Schwester, die
wir seit Jahren kennen. Alle Fragen die ich vorbereitet hatte waren
vergessen, die ganze Nervosit?t ist in dem Moment verflogen, wo sie die
T?re ge?ffnet hatte.
Ich erz?hle ihr, dass ich bei einer Geistreise ein M?dchen getroffen habe,
die mit ihr im KZ gewesen sein soll und JOBST hie?.
Nachdenklich sagt sie: Ja, ich kenne eine Familie, die hat Jobst gehei?en,
und die wurden alle auf einem Fleck erschossen. Da war ein M?dchen dabei"
Sie erz?hlt mir, dass der RABE ihr Tier w?re, zu dem sie eine starke
Beziehung h?tte- und ich zeige ihr mein Raben- Tattoo und erz?hle ihr von
den indianischen Krafttieren.
Sie freut sich und erz?hlt mir ?ber eine Indianerin, mit der sie eine
Zeremonie in Auschwitz machte, mit Trommel und Tanz, und dass die Indianer
ein verwandtes Volk mit den Roma w?ren, die w?ren sehr ?hnlich.
Sie sagt uns auf die Frage, warum sie ihre Haare immer blond gef?rbt
hatte, dass sie als Teppichverk?uferin am Wiener Markt gearbeitet hat und
dass die Leute bei dunklen Menschen Angst haben. Dann hat sie ihre Haare
blond gef?rbt und konnte viel mehr verkaufen. Und irgendwann hat sie sich
daran gew?hnt und so ist es bei blond geblieben.
Wir rauchen Zigaretten und reden und vergessen die Zeit um uns herum, und
irgendwann sagt sie uns, dass sie uns jetzt verabschieden muss, weil sie
schlafen geht. Sie umarmt uns herzlich, nicht ohne uns zu sagen, dass sie
sich freuen w?rde, wenn wir bald wieder kommen w?rden.
Wir verlassen das Haus mit vielen, vielen Eindr?cken, sind ganz stumm und
jeder denkt f?r sich nach ?ber alles, was sie gesagt und erz?hlt hat.
Wir fahren noch in ein kleines Lokal, wo wir uns an einen Tisch setzen,
eine Kerze anz?nden, stumm die Leute an den Nachbartischen beobachten, das
Buch von Ceija lesen und nachdenken.
Wir sind gleichzeitig tief beeindruckt von der lichtvollen Ausstrahlung
dieser Frau, schwer betroffen von der Art, wie sie ?ber die KZ`s redet und
die vielen Toten in ihrer Familie, ?ber das schreckliche Leid und die
Bilder, die sie im Kopf hat- und die man auf anderen Bildern von ihr
findet, die sie in einem Zimmer hinter einem dicken Teppich versteckt hat.
(Ihre Malerein sind in zwei Bereiche zu teilen, einmal die Blumenwiesen,
immer wieder, Blumen in allen Farben- dazu Pferde und Planenwagen und
Menschen mit langen dicken schwarzen Z?pfen und bunten Kleidern. Und der
andere Bereich zeigt Schornsteine, durch die Seelengesichter fliegen,
nackte Menschen die brennen, SS- Uniformen, Hunde und Gewehre, schreiende
Kinder, schwarze Wolken, den Tod und Stacheldraht.)
Wir sind voller Freude dar?ber, dass sie uns als "Gadje" (so nennen die
Zigeuner uns "Wei?e") so voller Liebe und Gastfreundschaft, Offenheit und
Herzlichkeit aufgenommen hat. Und wir sind ?berrascht ?ber die tiefe
Spiritualit?t dieser Frau, denn f?r eine Frau ihres Alters ist das
wirklich unglaublich wie sie damit umgeht und wie sie dar?ber redet, wie
sie sie LEBT.
Heute hab ich ein kleines Paket an sie geschickt, darin enthalten ein Buch
?ber Hartheim, ein kleines Heiligenbildchen der Maria- aus Russland, und
ein langer Brief, sowie meine Gedichte und das Versprechen, dass wir sie
bald wieder besuchen, und dann bekommt sie das sch?nste Bild, das ich
gemalt habe, und das ihr so gut gefallen hat, mein gr?nes Cham?leon.
Ich denke n?mlich, dass dieses Bild auch ganz gut zu ihr passt, denn das
Cham?leon passt sich seiner Umgebung optimal an, kann sich je nach
Situation ver?ndern, bleibt aber doch immer ein Cham?leon.
So, wie sich Ceija in ihrem Leben an sehr viele Situationen anpasste um zu
?berleben, aber innerlich doch immer eine Zigeunerin blieb und nie ihre
Sprache, ihre Lieder und ihre Werte vergessen hat.
Wir sind dann am n?chsten Tag am Vormittag zur russisch- orthodoxen Kirche
im dritten Bezirk gefahren, haben eine russische Messe angeh?rt, haben
Kerzen gekauft, die wir dann zu einer Mutter Gottes- Ikone stellten und
f?r Ceija, sowie f?r unsere Ahnen und Familien angez?ndet haben.
majun