Strassenschamanismus

Subjektive Betrachtungen zu einer nat?rlichen Religion
von Igor Warneck

Wenn ich mich unter Heiden und Hexen umschaue, so begegne ich verschiedenen Auspr?gungen magischer Lebensart:

Da haben wir die, die keine Ahnung haben, aber meinen, sie h?tten welche und ungeheuer heilig mit den banalsten Dingen des Lebens umgehen und ganz viel dar?ber reden m?ssen - ihnen geht es um das zur Schau stellen: ,Ich bin ein Heide!" und sie sind verbohrter als die Christen, von denen sie sich durch den Kirchenaustritt angeblich abgewandt haben.

Da sind aber auch die, die Ahnung von der Magie und dem Umgang damit haben. Sie reden wenig und h?ngen sich keinen gro?en, umgekehrten F?nfzack um den Hals. Leider h?ngen viele von ihnen ungeschriebenen oder geschriebenen Dogmen an und schlie?en somit jegliche geistige Weiterentwicklung von vornherein aus. Fr?her oder sp?ter fahren sie sich fest.

Dann gibt es da auch noch die, die alles wissen und auch danach zu leben versuchen: Sie ern?hren sich fleischlos und aus dem Bioladen, ziehen auf's Land, sind gegen irgendwas und meistens f?r GREENPEACE, haben schlaue B?cher ?ber Naturreligion gelesen (Starhawk, Budapest, Francia, etc.) und vielleicht hat ihnen auch noch jemand etwas ?ber Runenmagie erz?hlt. Schon ist er fertig, der bewu?te Mensch, mit der rechten politischen Einstellung, der rechten Ern?hrungsweise, der rechten Lebensf?hrung und nat?rlich auch dem wahren Wissen seiner keltisch-germanisch-atlantischen Vorfahren. (Aus Platzgr?nden verzichte ich auf eine Liste der ganzen ?gypter, Kabbalister, Voodoo-Priester und Kachuna-Magiker...)

Diese Naturreligi?sen mit der richtigen Einstellung zu Allem fristen den m?hsamsten Weg der Magie, da sich selten etwas aus ihnen selbst heraus entwickelt (auch wenn sie das behaupten) und sie (unbewu?t) lediglich die Konzepte ihrer Vor-Denker ausleben.

Diese bewu?ten Magiker, wie ich sie einmal nennen will, erweisen sich im allt?glichen Leben als nicht ?berlebensf?hig, da sie sich im Notfall nicht ohne Bioladen ern?hren k?nnen, Fleisch verabscheuen, bei leichtem Nieselregen bereits einen Schnupfen bekommen und mit nassem Holz kein Feuer anbekommen. Sie leben genauso vom Konsum wie alle anderen, nur eben bewu?ter... ?bertreibe ich? Macht mal die Augen auf!

Da der Titel dieser Betrachtung etwas mit Schamanen zu tun hat, will ich die auch noch durch den Wolf drehen: Unsere Neo-Schamanen haben ein (meistens teures) Seminar ?ber BACK TO GAIA besucht, sind sich ihrer Stellung im kosmischen Gef?ge Mutter Gaias und ihrer Verantwortung gegen?ber allem Lebendem (sich selbst gegen?ber meist nicht...) bewu?t geworden, haben mindestens eine Nahtodeserfahrung hinter sich und vertreten die Meinung ,Schamanismus ist mein Leben" und knapsen an ihren durch irrregeleitete Massenmeditationen aufgerissenen Psychowunden herum. Einst waren die Seelenwunden verheilt, doch ,unser Medizinmann hat gesagt, da m?ssten wir nochmal dran arbeiten" ... Sie geben nach ihrer Schamanen-Schulung meistens selber wieder Seminare und versuchen sich im Namen der Gro?en Mutter ein Taschengeld dazu zu verdienen. Auff?llig ist bei diesen Menschen die zerr?ttete Psyche und der unzufriedene (meist leidende) Gesichtsausdruck, den sie mit den Worten ,Ich mu? noch Karma abarbeiten" begr?nden.
Es mag in all diesen genannten Gruppierungen Menschen geben, die ihren eigenen Weg gefunden haben und tats?chlich zufrieden mit sich, ihrem Leben und ihrer Umwelt sind - aber die mu? man wie ein gutes Buch (im esoterischen Buchladen) suchen...


Was sind nun Stra?enschamanen? Den Begriff habe ich in einem Handbuch f?r Rollenspieler gefunden und er hat sich in meinen Gehirnwindungen festgesetzt - denn er bezeichnet meine Vorstellung von nat?rlicher Religion.

Der erste Stra?enschamane, den ich in meinem Leben traf, war ein K?nstler aus England, der hier in Deutschland lebte und malte. Er war ungl?cklich verheiratet, Alkoholiker und seine Frau hackte st?ndig auf ihm herum. Vor allem verbot sie ihm den (f?r ihn lebenswichtigen) Alkohol - so trank er Terpentin. Trotz des Suffs behielt er sich seinen Humor und malte wundersch?ne Bilder mit Motiven der Anderswelt. Dort ging er auch vor einigen Jahren freiwillig hin - er flog aus dem zweiten Stock direkt hin?ber.


Dann traf ich da mal eine alte B?uerin, die wohnte hier im Vogelsberg auf einem Aussiedlerhof und ich fragte die damals Neunzigj?hrige, wo sie denn in ihrem Leben schon ?berall gewesen w?re. ,Hier auf dem Hof und im (3 Kilometer entfernten) Nachbarort." Sie hatte ihr Leben gelebt und ihre Augen strahlten eine sehr klare Kraft aus. Sie war bis ins hohe Alter von 102 Jahren kerngesund und hatte nie die Stadt gesehen. Ihre Philosophie war die des K?chenherdes, die der Wolken, der Tiere und die der Pflanzen.


Und dann war da noch auf einem mittelalterlichem Handwerkermarkt in Ober-Wesel ein Imker und ich fragte ihn nach dem Sinn seines Lebens. Er sagte: ,Ich m?chte die Vollkommenheit erreichen, was immer das auch sein mag." Sein selbstgemachter Honiglik?r, zu dem er mich einlud, war der Beste den ich je getrunken und seine Augen strahlten sicherlich aus einem anderen Grund.
Das alles sind f?r mich Stra?enschamenen. Vielleicht w?ren sie in anderen Kulturen tats?chlich Schamanen oder Heiler geworden, oder vielleicht waren sie es bereits und die Inkarnationststelle hatte sie in dieem Leben nur mitten unter moderne, entwurzelte Menschen gesetzt. Sie hatten sich mit ihrem vorgesehehen Platz angefreundet, Wurzeln geschlagen und wurden gl?cklich. Was f?r ein gr??eres Ziel kann es denn im Leben geben, als zufrieden mit sich und in Frieden mit der Welt zu leben?

Das ist gar nicht so schwer und es hat nichts mit Bl?melein-Philosophie und Bambi-Bewu?tsein zu tun. Diese Lebensweise folgt dem Grundsatz: Es gibt keinen Grund ungl?cklich zu sein. Und wenn doch, dann schaff ihn ab. Selbstbewu?t, eigenst?ndig und verwurzelt, ruhend in sich, leben diese Menschen. Das ist Stra?enschamanismus.


Doch woher wissen diese Menschen, wie sie zur Vollkommenheit gelangen? Direkt aus dem Leben haben sie dieses Wissen gesammelt, weniger aus den B?chern. Sie haben beim besten Lehrmeister gelernt, den es auf Erden gibt. Seine Seminare kosten nichts und er ver?ffentlicht auch nirgendwo eine Anzeige. Wo dieser Lebensmeister zu finden ist? Vor der T?r, vor dem Fenster, ?berall da wo der Pulsschlag des Lebens zu h?ren ist.


Sie haben den Tieren zugeschaut, dem Wetter, den Menschen und dabei auch nie den Blick und die Aufmerksamkeit von ihrem eigenen Verhalten genommen - so erlangten sie ihr Wissen. Wenn sie Trost brauchen, dann gehen sie in den Wald und reden mit einem Baum. Sie sind es, die durch reine Beobachtung den Sinn des Lebens erkennen und die Welt hinter dieser Welt erschauen. F?r sie sind die vom Kleinen Volk genauso pr?sent wie die Gottheiten. Wollen sie etwas bestimmtes wissen, dann fragen sie die Pflanzen, die Elfen, die Zwerge, die Steine, die Fl?sse, die Gottheiten und zuletzt die Menschen. Ihr Leben ist bescheiden. Sie ben?tigen weder Fernseher noch Telefon, weder Auto noch Tageszeitung. F?r ihr Seelenheil haben sie alles was sie brauchen bereits in sich. Oft rauchen sie wie die Schlote, essen was sie wollen und wonach ihnen der Sinn steht, saufen wie die L?cher und leben ziemlich ungesund. Einen Stra?enschamanen wirst Du nie betrunken erleben, sein h?herer Geist vrwandelt die Energie ganz anders, als der eines ,gew?hnlichen" Menschen.

Sie k?nnen zaubern und kennen die Zusammenh?nge der Welt und des Lebens. Der Tod ist f?r sie ein kosmischer Witz, ebenso wie die Gegenwart. Ein verschmitztes L?cheln ist ihr Markenzeichen. Ihr Humor ist oft bissig und schwer verst?ndlich.

Ihr magisches Wissen beziehen sie direkt aus den Quellen und die gibt es auch heute noch. Sie sind mit ihren Wurzeln und Ahnen verbunden und (im Gegensatz zu so manchem selbsternannten Druiden und anderen) k?nnen sie tats?chlich auf eine nie unterbrochene Tradition zur?ckblicken: Die Tradition der Stra?enschamanen, vom Anfang der Welt bis zu ihrem Ende. Die Quellen des alten Wissens kannst auch Du finden. Sie sind auf jedem Kultplatz und auch in manchen alten Kirchen kann man sie finden, da sie auf den heiligen Pl?tzen unserer Ahnen erbaut worden sind. Wie das funktioniert, mit diesem Wissen sch?pfen? Probier's aus!

Robin, Wei?t du, dass dein Name "Wanderdrossel" bedeutet?

Zitat:.... da man ohnehin keine Ahnung hat, was "Vollkommenheit" eigentlich sein soll (wenn man mal kurz ganz ehrlich ist)
klar ausgedr?ckt, denke ich auch, danke f?r deinen pers?nlichen Kommentar!

und @ all
Nein, ich freue mich ?ber jeden Kommentar, vor allem ?ber pers?nliche! (d.h. eigene Gedanken) Im Moment hab ich leider keine Zeit, mein Wunsch ist, dass dies ein Faden werden soll, in dem man pers?nliche Gedanken einfach flie?en l??t und nicht irgendwelche angelernten Weisheiten einbringt, das f?nde ich sehr sch?n (hier werde ich auch noch etwas zu dem "warum" schreiben, im Moment nicht, aus Zeitmangel)
lieben Gru0,
jo

Berühren und berührt werden

Wenn die dunklen Wolken des Lebens mit ihrem finsteren Hauch einmal unser Leben gestreift haben, fällt es manchmal schwer, sich wieder auf das Leben einzulassen und da Lebendigkeit in unserer Gesellschaft nicht sonderlich beliebt ist, schließlich ist es ja die Äußerung eines Gefühls und Gefühle sind nichts wert in einer materialistischen Welt, verschließt sich unser Herz. Es hat Angst bekommen, ist verletzt und will sich wie ein verletzter Wolf ganz tief in seine sichere Höhle begeben.

Manchmal um zu sterben, manchmal um zu genesen.

Diese Höhle ist wichtig. Zeitweise geschieht es allerdings, das die Wolken mit ihrem finsteren Hauch so mächtig waren, das sich das Herz ganz verschließt und sich nicht mehr öffnen kann. Dann hilft nur noch die Liebe, die uneigennützige Liebe und alle Menschen die fähig sind diese zu geben sind unsere größten, stärksten und mächtigsten Krieger. Es sind die Krieger des Herzens. Sie vermögen zu helfen, wirklich zu helfen. Durch ihre Berührung vermögen wir wieder berührt zu werden und sie sind manchmal sanft, manchmal auch vehement, aber sie berühren, sie rühren wieder an, an unserer Seele, an unserem Herzen, an das doch niemand mehr herankommen sollte. Wer berühren möchte, muss sich auch berühren lassen. Wer berührt werden möchte, muss sich auch berühren lassen, auch wenn es noch so gefährlich erscheint, so bedrohlich.

Uneigennützige Liebe ist selten und es gibt noch nicht viele Krieger des Herzens in unserer Welt. Doch mit jedem Herzen, das wir vermögen aus dem Kerker seiner Verletzungen zu befreien, wird vielleicht ein neuer Krieger geboren. Dann geht eine neue Sonne auf und einen schöneren und wertvolleren Lohn gibt es nicht im Leben.

Wenn es Dir gelingt das Herz eines Menschen wirklich zu berühren und Du es gesehen hast, wirst Du ihm nie und nimmer jemals Schmerzen zufügen wollen, denn es ist so prächtig, so einzigartig, dass jedes vor Schreck eingeschlossene Herz ein Verlust für uns Alle ist.

Die versteinerten Herzen, die, welche nur an ihren Gewinn denken und den Hals nicht voll bekommen, die lassen wir verhungern. Sie haben es nicht anders gewollt.

Wer lieben will, der muss auch kämpfen können.

10/04/08

(c) Igor Warneck