Holografische Universen und die verhüllte Ordnung

  • Holografische Universen und die verhüllte Ordnung

    Der Physiker David Bohm von der University of London,
    ehemaliger Protege Einsteins und einer der angesehensten
    Quantenphysiker der Welt ?ber seine Theorie eines
    holografischen Universums.

    Verh?llte Ordnungen und enth?llte Realit?ten

    Eine der aufregendsten Thesen Bohms lautet, dass die
    greifbare, konkrete Realit?t unserer allt?glichen Erfahrung in
    Wahrheit eine Illusion ist, vergleichbar einem holographischen
    Bild. Ihr zugrunde liegt eine tiefere Seinsordnung, eine
    unerme?liche und urspr?nglichere Wirklichkeitsebene, die alle
    Objekte und Erscheinungen unserer physischen Welt auf ganz
    ?hnliche Weise hervorbringt, wie ein holographischer Film ein
    Hologramm erzeugt. Bohm bezeichnet diese tiefere
    Wirklichkeitsebene als ?implizite? Ordnung (was soviel wie
    verh?llte Ordnung bedeutet), und unsere eigene Seinsebene ist
    f?r ihn die ?explizite? oder enth?llte Ordnung.

    Bohm verwendet diese Begriffe, weil er alle
    Erscheinungsformen im Universum als das Ergebnis
    ungez?hlter Verh?llungen und Enth?llungen innerhalb dieser
    Ordnungen auffa?t. Er glaubt beispielsweise, dass ein Elektron
    nicht ein ?Einzelding? ist, sondern eine Totalit?t oder eine in
    sich geschlossene Gruppe, die sich im gesamten Weltraum
    verh?llt. Wenn ein Instrument ein einzelnes Elektron aufsp?rt,
    dann nur deshalb, weil sich ein Aspekt des
    Elektronenensembles an diesem bestimmten Ort enth?llt,
    ?hnlich wie ein Tintentropfen in Glyzerin sichtbar wird. Und
    wenn sich ein Elektron zu bewegen scheint, so ist das auf eine
    zusammenh?ngende Folge solcher Enth?llungen und
    Verh?llungen zur?ckzuf?hren.

    Anders ausgedr?ckt: Elektronen und alle anderen
    Elementarteilchen haben nicht mehr Substanz oder Dauer als
    die Erscheinungsform, die ein Geysir annimmt, wenn er
    emporschie?t. Sie werden in Gang gehalten durch einen
    stetigen ?Zustrom? aus der impliziten oder verh?llten
    Ordnung, und auch wenn ein Teilchen zerst?rt zu sein scheint,
    geht es nicht verloren. Es hat sich lediglich wieder in der
    tieferen Ordnung verh?llt, der es entsprungen ist. Ein
    holographischer Film und das von ihm erzeugte Bild sind
    zugleich ein Modell der impliziten und expliziten Ordnung.
    Der Film repr?sentiert eine implizite Ordnung, denn das in
    seinen Interferenzmustern kodierte Bild ist eine verborgene
    Totalit?t, die sich im Ganzen verh?llt. Das vom Film
    projizierte Hologramm stellt eine explizite Ordnung dar, weil
    es die enth?llte und wahrnehmbare Version des Bildes ist.
    Der konstante, flie?ende Austausch zwischen den beiden
    Ordnungen erkl?rt, wieso sich Elementarteilchen, etwa das
    Elektron im Positroniumatom, von einem Teilchentyp in einen
    anderen verwandeln k?nnen. Solche Verschiebungen lassen
    sich beobachten, sobald sich ein Teilchen, beispielsweise ein
    Elektron, wieder in der impliziten Ordnung verh?llt, w?hrend
    sich ein anderes, ein Photon, enth?llt und seine Stelle
    einnimmt. Damit l??t sich auch erkl?ren, warum sich ein Quant
    entweder als ein Teilchen oder als eine Welle manifestiert.

    Nach Bohm sind beide Aspekte stets im Ensemble eines
    Quants verh?llt, aber die Art und Weise, wie ein Beobachter
    mit dem Ensemble interagiert, entscheidet dar?ber, welcher
    Aspekt sich enth?llt und welcher verborgen bleibt. So gesehen,
    ist die Rolle, die ein Beobachter bei der Determinierung der
    Erscheinungsform eines Quants spielt, m?glicherweise nicht
    geheimnisvoller als die Tatsache, dass ein Juwelier bei der
    Bearbeitung eines Edelsteins dar?ber entscheidet, welche
    Facetten sp?ter sichtbar oder unsichtbar sind. Weil sich jedoch
    der Begriff Hologramm ?blicherweise auf ein Bild bezieht, das
    statisch ist, und nicht die Dynamik und unaufh?rliche Aktivit?t
    der unberechenbaren Verh?llungs- und Enth?llungsprozesse
    vermittelt, die in jedem Augenblick unser Universum neu
    ersten, beschreibt Bohm dieses Universum nicht als ein
    Hologramm, sondern lieber als eine ?Holobewegung?.

    Die Existenz einer tieferen, holographisch angelegten
    Ordnung ist auch eine Erkl?rung daf?r, dass die Realit?t auf
    der Ebene unterhalb der Quanten ?nicht-?rtlich? wird. Wie wir
    gesehen haben, bricht der Schein einer Ortsgebundenheit
    zusammen, wenn etwas holographisch organisiert ist. Die
    Aussage, dass jedes Teilst?ck eines holographischen Films
    s?mtliche Informationen enth?lt, die dem Ganzen eigen sind,
    bedeutet doch im Grunde nur, dass die Informationen verteilt,
    also nicht an einen Ort gebunden sind. Falls somit das
    Universum nach holographischen Prinzipien organisiert ist,
    mu? man auch davon ausgehen, dass es ?nicht-?rtliche?
    Eigenschaften besitzt.

    Aus: Michael Talbot - Das Holografische Universum