Die Laien-Dokumentation "Loose Change" ?ber den 11. September entwickelt sich zum Online-Bestseller. F?r die Internet-Community wird der 22-j?hrige Regisseur des Streifens ?ber Verschw?rungstheorien zum Repr?sentanten einer ganzen Generation. Von Karin Kails
Es war ein bedr?ckendes Bild: Weit klafft das Loch in der Fassade des Pentagons nach dem Anschlag vom 11. September 2001, das Symbol amerikanischer St?rke perforiert, gesprengt, die Zentrale amerikanischer St?rke gebrochen. Doch noch bedr?ckender wirkt das Loch in der Internetdokumentation "Loose Change", wo sehr plausibel erkl?rt wird, da? ein Flugzeug so ein Loch eigentlich gar nicht hinterlassen kann.
Sollte es stimmen, da? die Regierung gelogen hat, da? das Loch gar das Ergebnis eines Selbstbeschusses mit Raketen war? Undenkbar. Es gab viele haltlose Verschw?rungstheorien ?ber die Beteiligung der Bush-Regierung am 11. September, aber auch viele unbeantwortete Fragen - und so nachdr?cklich wie in "Loose Change" sind bisher die wenigsten vorgetragen worden.
Das Video taucht in einer Zeit auf, in der es ein wachsendes Bed?rfnis der Amerikaner nach einer weitergehenden Aufkl?rung der Geschehnisse des 11. September gibt. Allein bei Google haben zehn Millionen Menschen das Video angeschaut, 20.000 Mal t?glich wird die Seite www.loosechange911.com angeklickt, und sogar "Vanity Fair" hat das hausgemachte Video mit einem mehrseitigen Artikel geadelt.
Dabei wollte der Regisseur, der heute 22 Jahre alte Dylan Avery aus Oneonta im Bundesstaat New York, vor drei Jahren eigentlich nur f?r eine fiktive Geschichte zum 11. September recherchieren. Der Plot sollte denkbar einfach sein: Er und seine mutigen Freunde decken auf, da? 9/11 von der Regierung eingef?delt war.
"Bei der Recherche wurde immer offensichtlicher, da? das mehr als eine fiktive Geschichte ist. Im Laufe von zwei Jahren, mit mehr und mehr Informationen, wurde aus dem fiktiven Film eine Dokumentation", schreibt Avery auf seiner Homepage.
2000 Dollar Produktionskosten
F?r die erste Version des Videos investierte Avery 2000 Dollar in einen Computer und ein Schnittprogramm. Zur Zeit verhandeln er und sein ebenfalls 22 Jahre alter Produzent Korey Rowe mit gro?en Filmstudios, die eine ?berarbeitete Version von "Loose Change" zum f?nften Jahrestag am 11. September dieses Jahres herausbringen wollen.
Das Besondere an der Video-Dokumentation ist vielleicht, da? sie kein Geheimnis hat. Im Prinzip ist der Film ein Zusammenschnitt von ?ffentlich zug?nglichen Dokumenten, von Ausschnitten aus Fernsehberichten und -interviews, von Regierungszitaten und Augenzeugeninterviews. Das alles ist im MTV-Stil aufbereitet, mit vielen Blenden, schnellen Schnitten und einem permanenten Musikbett, das Freunde f?r Avery zusammengestellt haben.
Mit dieser bunten Mischung will der Film vor allem Fragen aufwerfen: Was waren das f?r Explosionen, die Augenzeugen geh?rt haben, kurz nachdem die Flugzeuge eingeschlagen sind? Warum wurde Ground Zero nicht wie jeder andere Tatort zur Spurensuche abgesperrt? Und wer profitierte vom 11. September?
Die Art, in der diese Fragen aufgeworfen werden, erinnern manchmal an die aufkl?rerischen Missionen Michael Moores, doch gleich zur Begr??ung werden die Besucher der Internetseite aufgefordert, blo? nichts ungepr?ft zu ?bernehmen, jeder m?ge gef?lligst selbst recherchieren.
Einige Zuschauer werfen Avery blanke Verschw?rungstheorietreiberei vor, w?hrend die Hardcore-Verschw?rungstheoretiker ihm unterstellen, er sei Teil einer CIA-Kampagne. Dabei will Averys Informationsmission nichts weiter, als Skepsis gegen?ber den Aussagen der Regierung und den Medien wecken. In der Internetcommunity ist er so zum Repr?sentanten einer ganzen Generation geworden, f?r die der 11. September das einschneidendste Erlebnis ihres Lebens war.
"Das ist die Kennedy-Ermordung unserer Generation", sagt Produzent Rowe. Die Video-Dokumentaristen rechnen sogar damit, da? der Fall 9/11 eine "zweite amerikanische Revolution" von unten ausl?sen k?nnte. Doch auch wenn man davon noch weit entfernt ist: Je weiter sich "Loose Change" ?ber die Welten des Internets ausbreitet, desto lauter werden zumindest die damals nie beantworteten Fragen an die amerikanische Regierung.
Mit freundlicher Genehmigung der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung
Quelle: [URL=http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,429227,00.html]Spiegel.de[/URL]
